Angelika Weikert
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Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zum eigentlichen Sachthema komme, werfe ich im Namen der SPD-Fraktion der CSU-Fraktion hier im Parlament einen Missbrauch der Geschäftsordnung vor.
Wenn nach einfachem Zählen – so weit können wir das – nachweislich zehn Abgeordnete aus den Oppositionsparteien mehr im Raum sind als aus der Mehrheitspartei,
hat man einen Geschäftsordnungsantrag, der von der Präsidentin sehr wohl als angenommen festgestellt wurde, auch zu akzeptieren.
Ich will dann auch aufhören und zum eigentlichen Thema kommen.
Frau Präsidentin, ich spreche Ihnen meinen ausdrücklichen Respekt aus. Sie haben sich sehr korrekt verhalten. Vielen Dank.
Jetzt komme ich zum Thema. – Kolleginnen und Kollegen, noch anwesende Mitglieder der Enquete-Kommission – einige mussten schon gehen –, ich möchte am Anfang meiner Ausführungen – ich habe nur noch knapp 7 Minuten – ein paar persönliche Eindrücke wiedergeben.
Ich war in diesen 28 Sitzungen, bis auf eine, praktisch immer vom Anfang bis zum Ende da. Nach einer stürmischen Anfangsphase und heftigen Sitzungen, bei denen die Kollegin Bause noch dabei war, hat sich bei mir in den Folgesitzungen der Kommission der Eindruck verfestigt, dass die Debatte und Diskussion von den Vertretern der CSU – ich spreche hier ausdrücklich die Abgeordneten an – lustlos geführt wurde. Ich bin höflich, wenn ich "lustlos" sage. Ich sage das nicht über die Experten, die von der CSU benannt wurden, sondern ausdrücklich über die Kolleginnen und Kollegen von der CSU.
Kollege Blume, der Chefstratege der CSU, war so gut wie nie anwesend. Er hat seine Politik und seine Vorstellungen in Talkshows wiedergegeben und leider vieles außerhalb des Parlaments, aber eben nicht in der Enquete-Kommission diskutiert. Leider hat er letztlich nicht mit den, wie ausdrücklich gesagt wurde, wirklich namhaften und sehr exponierten Expertinnen und Experten diskutiert und dabei vielleicht seine Positionen auch auf den Prüfstand gestellt. Stattdessen wurde das, wie gesagt, außerhalb des Parlaments in Politik-Talkshows gemacht. Da hat sich eine Verrohung der Sprache eingestellt.
Ich kann an dieser Stelle nur auf das ZDF-Sommerinterview unseres Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier am Sonntag verweisen, der den erbittert geführten Asylstreit in der Union heftig kritisiert und vor einer Verrohung der Sprache gewarnt hat.
Sein Appell lautete: "Wir müssen zurück zur Vernunft."
Kolleginnen und Kollegen, mein Eindruck ist und ich stelle fest: Wir haben eine große Chance versäumt, die die Enquete-Kommission gehabt hätte, wenn man sie ergriffen hätte. Für mich hätte diese große Chance darin bestanden, dass wir der Zivilgesellschaft, der aufnehmenden Gesellschaft, denjenigen, die als Helferinnen und Helfer unterwegs sind, denjenigen, die als Lehrer und Sozialpädagogen in den Kirchen und in den Verbänden aktiv sind, um Menschen, die bei uns Schutz und Hilfe suchen, zu integrieren, die Hand reichen. Wir haben ihnen viel zu wenig die Hand gereicht und letztlich die Zivilgesellschaft nicht in das eingebunden, was unsere politischen Leitlinien sein sollen. Ich spreche hier nicht von den so oft zitierten Handlungsempfehlungen, sondern eher von der Debatte, die außerhalb des Parlaments geführt wird.
Nur ein paar Beispiele: Die Unterzeichner der Resolution des 1. Fränkischen Asylgipfels zur Verweigerung von Ausbildungserlaubnissen haben geschrieben: "Das ist eine kurzsichtige und gefährliche politische Wendung zu unnötiger Härte gegenüber Menschen, die sich hier bereits gut integriert haben." Der Evangelische Landesbischof Bedford-Strohm zeigte sich in einem Interview vor wenigen Tagen "besorgt und traurig" über die Kompromisslosigkeit, mit der der Streit zwischen CDU und CSU geführt wird. Die Caritas, ein Ihnen sehr nahe stehendes Sozialunternehmen, warnt vor einem unwürdigen Umgang mit Flüchtlingen.
Kolleginnen und Kollegen, was ich mit diesen wenigen Zitaten – ich könnte 30 Minuten Redezeit damit ausfüllen – sagen will, ist das, was ich vorhin festgestellt habe: dass wir in dieser Enquete-Kommission nicht zu der Einsicht gelangt sind, dass wir, wie Sie, Kollege Huber, gesagt haben, das Ganze letztlich miteinander regeln und in unserer Gesellschaft etablieren müssen. Stattdessen wählen Sie, wie betont, außerhalb der Kommission eine harte Sprache. Damit holen Sie – ich sage es mal so – Geister aus einer Flasche, von denen ich im Sinne dieses Parlaments und unserer Demokratie hoffe, dass wir sie im Herbst wieder einfangen können.
Kolleginnen und Kollegen, ich will noch auf zwei Aspekte eingehen. Leider habe ich nicht mehr viel Redezeit. Ich muss das mit der Bleibeperspektive einfach noch mal klarstellen: Ein Bleiberecht hat jemand nicht erst dann, wenn ein rechtliches Verfahren dazu abgeschlossen ist. Ein rechtliches Verfahren ist mit der Zusendung eines Entscheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge noch nicht abgeschlossen,
sondern es gibt dann – so sieht es unser Rechtsstaat vor – viele Möglichkeiten, dagegen Einspruch zu erheben usw. Das Thema der Bleibeperspektive ist also ein Kunstgriff, der keiner rechtlichen Begrifflichkeit Stand hält. Dieser Kunstgriff wird von Ihnen benutzt, um sich letztlich abzuschotten. Er wird dazu angewandt, ausgerechnet Menschen – Kollegin Kamm hat dazu gerade noch einmal Beispiele erwähnt –, die hier Integrationsleistungen erbracht haben und solche nach unserer Meinung auch bekommen sollten, die hier schon viel Vorleistung gebracht haben, nicht in den gesellschaftspolitischen Prozess einzufügen.
Was ich in diesem Zusammenhang sehr bedauerlich finde und was Kollege Huber sogar positiv herausgearbeitet hat:
Sie von der Bundesagentur für Arbeit sind noch da. Sie haben uns eindringlich geschildert, wie aufnahmefähig der bayerische Arbeitsmarkt ist und wie wichtig und notwendig es wäre, Handwerkskammern und IHK mehr Möglichkeiten zu geben, um junge Flüchtlinge als Auszubildende aufzunehmen. Damit könnten sie, wie schon betont worden ist, das Integrationsgesetz und die 3-plus-2-Regelung ausfüllen.
Zwei Gedanken noch: Der Streit zwischen CDU und CSU hat eine positive Seite. Wir haben uns entschieden und es ist festgeschrieben, dass es noch in diesem Jahr ein Einwanderungsgesetz geben wird. Sie sprechen vom Fachkräftenachholgesetz oder wie auch immer Sie es nennen. Ich kann mich hier nur der Kollegin Kamm anschließen: Bitte schaffen Sie Möglichkeiten, um diejenigen, die schon einige Zeit da sind, die gut integriert sind und gute schulische Leistungen erbringen, in das Fachkräftenachholgesetz zu integrieren. Bitte schließen Sie diese Menschen nicht aus!
Ich weiß, aber ich habe am Anfang auch etwas zur Geschäftsordnung – – Okay, ich muss schließen, ich weiß.
Ich wollte das Zitat von Nida-Rümelin zurechtrücken. Ich verweise auf die
Seite 237. Dort kann jeder nachlesen, was Nida-Rümelin im Original gesagt hat.
Ich werde dem neuen Parlament im Herbst nicht mehr angehören. Ich wünsche uns eine gute Zusammensetzung des Parlaments und hoffe, dass man sich in der bevorstehenden Wahlkampfzeit an den Appell unseres Bundespräsidenten hält, an seinen Aufruf zur Vernunft.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich muss diesen Gesetzentwurf nicht mehr langwierig begründen. Das haben wir im Wirtschaftsausschuss und im sozialpolitischen Ausschuss sehr intensiv gemacht. Wir wollen mit diesem Gesetzentwurf nichts anderes erreichen, als dass bei öffentlichen Aufträgen nur Unternehmen zum Zuge kommen, die sich tariftreu verhalten – Punkt, nicht mehr und nicht weniger.
Ich ziehe jetzt gleich, auch vor dem Hintergrund der späten Stunde, ein Fazit aus den Diskussionen in den Fachausschüssen. Ich stelle als erste Bemerkung fest: Keiner, der sich an der Diskussion beteiligt hat, hat festgestellt, dass es nicht Missbrauch auch bei öffentlichen Aufträgen gibt. Zweite Feststellung: Alle, die sich an der Diskussion beteiligt haben, haben betont, dass es mehr Kontrollen braucht. Diese Feststellungen haben wir gemeinsam getroffen.
Jetzt komme ich zu den Unterschieden. Die Konsequenzen, die daraus gezogen werden, sind unterschiedlich. Die Mehrheitsfraktion und übrigens auch die FREIEN WÄHLER ziehen die Konsequenz, die Kontrollen auf den Zoll zu verschieben. Allein der Zoll sei zuständig. Es wird behauptet, man würde durch dieses Gesetz mehr Bürokratie aufbauen. Ich ziehe hierzu ein Fazit aus den Fachdiskussionen und den Diskussionen des heutigen Tages. Sie haben heute durch verschiedene Gesetzentwürfe viel Bürokratie eingezogen. Ich möchte nicht alles wiederholen. Das hat angefangen mit dem Haushaltsgesetz und ging weiter mit dem Gesetz über das Landesamt für Asyl und Rückführungen. Sie haben hier viel Bürokratie eingezogen, ohne zu fragen: Was bringt das? Sind hier Kosten und Nutzen in Einklang zu bringen?
Zu der Forderung, dem Lohndumping bei öffentlichen Auftraggebern Einhalt zu gebieten, mehr Kontrollen einzuführen und den Auftraggebern mehr Verantwortung zu übertragen, sagen Sie Nein. Ich bin nicht überrascht; denn Sie werden bei diesem Nein bleiben.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Bayern nutzt bei Weitem seine Möglichkeiten nicht aus, auf Arbeits- und Entlohnungsbedingungen positiv Einfluss zu nehmen. Die Folge davon ist, dass es bei staatlichen Aufträgen immer wieder zu Betrugsfällen kommt. Wir bringen heute einen überarbeiteten Gesetzentwurf für ein bayerisches Tariftreue- und Vergabegesetz ein, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besser schützen zu können.
Worum geht es? – In unserem Gesetzentwurf geht es darum, dass öffentliche Aufträge – nach Maßgabe dieses Gesetzes – nur an Unternehmen vergeben werden dürfen, die sich tariftreu verhalten und ihren Beschäftigten mindestens den bundesrechtlich festgelegten Mindestlohn bzw. den jeweiligen Tariflohn zahlen. Dazu müssen sie sich jeweils schriftlich verpflichten. Die zentralen Ziele unseres Gesetzentwurfes sind erstens faire und transparente Arbeits- und Entgeltbedingungen bei öffentlichen Auftragsvergaben, zweitens: Verzerrungen im Wettbewerb um öffentliche Aufträge entgegenwirken, drittens die Stärkung des Schutzes von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
Was werden wir mit diesem Gesetzentwurf regeln? – Es geht darum, dass sich die Unternehmen, bevor sie staatliche Aufträge erhalten, mit einer schriftlichen Erklärung zur Tariftreue verpflichten. Es geht darum, dass sich die Unternehmen zur Abgabe einer Tariftreueerklärung im Sektor des öffentlichen Personennahverkehrs verpflichten. Es geht darum, dass sich die Unternehmen zur Abgabe einer Erklärung verpflichten, mindestens den bundesrechtlich festgelegten Mindestlohn zu zahlen. Mit dem Mindestlohngesetz sollen gute Arbeitsbedingungen gewährleistet werden. Dazu sollen sich die Unternehmen verpflichten. Die Einhaltung der Tariftreue und des Mindestlohns wird letztlich durch entsprechende Nachweispflichten, Kontrollen und Sanktionen zusätzlich kontrolliert.
Kolleginnen und Kollegen, es ist der vierte Versuch der SPD-Landtagsfraktion, im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge Ordnung zu erreichen. Es ist der vierte Versuch. Damit dokumentiert die Landtagsfraktion, dass uns die faire Bezahlung und der Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern besonders wichtig sind. Wir bleiben nachhaltig an diesen Themen dran.
Wir haben uns auf diesen vierten Versuch besonders gut vorbereitet. Die Argumente, die bei den drei vorhergehenden Versuchen immer wieder angeführt worden sind – es sei nicht notwendig, es sei nicht nötig, es sei überhaupt nicht möglich –, haben wir prüfen lassen. Wir haben ein Rechtsgutachten erstellen lassen. Das Fazit dieses Rechtsgutachtens ist eindeutig: Ja, der Freistaat Bayern hat hier Regelungsbedarf. Ja, der Freistaat Bayern kann hier regeln. Ja, der Freistaat Bayern sollte es tun, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schützen, aber auch Unternehmen, die sich auf dem Markt fair verhalten.
Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns auch dahin gehend gut vorbereitet, dass wir unseren Gesetzentwurf entschlackt haben. Viele Regelungen hätten wir gerne aufgenommen. Dazu zählen ökologische Kriterien, soziale Kriterien und Kriterien, die sich vor dem Hintergrund des fairen Wettbewerbs im globalen Handel bewähren müssen, wie internationale Arbeitsnormen. Wir haben diese Aspekte rausgelassen, da ansonsten die Befürchtung besteht, dass das Ganze schwer zu kontrollieren und anzuwenden ist. Wir haben den Gesetzentwurf wirklich entschlackt und auf Tariftreue und Mindestlohnbedingungen bei staatlichen Aufträgen reduziert.
Kolleginnen und Kollegen, 14 von 16 Bundesländern haben genau so ein Vergabe- und Tariftreuegesetz.
Herr Huber, ich füge hinzu, Nordrhein-Westfalen hat mit der neuen Regierung zunächst angekündigt, das Tariftreuegesetz zu kündigen. Sie haben es auch in Teilen getan. Aber die Verpflichtung zur Tariftreue und zur Einhaltung des Mindestlohns haben sie belassen.
Sie haben das ganz bewusst belassen. Insofern sind lediglich Sachsen und Bayern die Bundesländer, in denen ein derartiges Gesetz nicht existiert. Kolleginnen und Kollegen, in den vorhergehenden Diskussionen haben Sie immer wieder angeführt, dass im Freistaat Bayern doch alles gut sei. Hier werde jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer fair bezahlt, besonders bei staatlichen Aufträgen.
Ich nenne Ihnen nun einen Fall, der herausragt und der bekannt wurde. Leider gibt es hier eine hohe Dunkelziffer. Derartige Dinge betreffen vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem osteuropäischen Raum. Rumänen und Bulgaren sind besonders betroffen. Diese verfügen häufig über zu geringe Rechtskenntnisse und zu geringe Sprachkenntnisse, um die Gesetze kennen und einhalten zu können. Im Februar 2016 hat sich beim Neubau des Strafjustizzentrums in Nürnberg ein Vorfall ereignet. Damals haben sich 22 rumänische Arbeitnehmer an die DGBStelle gewandt. Hören Sie bitte genau zu. Sie haben monatelang auf einer Baustelle in Nürnberg gearbeitet, ohne einen Pfennig Lohn gesehen zu haben. Der Auftraggeber war der Staat. Sie waren bei einem rumänischen Subunternehmer angestellt. Sie mussten in unbeheizten Containern übernachten. Sie haben keinen Lohn erhalten. Sie mussten dort unter unmenschlichen Bedingungen übernachten.
Herr Huber, also, dass Sie über so etwas lachen, kann ich jetzt wirklich nicht verstehen.
Das kann ich jetzt wirklich nicht verstehen. Mein Fazit ist: Allein dieser eine bekannt gewordene Fall rechtfertigt das Einbringen des Gesetzentwurfs.
Sie haben keinen Grund mehr, ihn abzulehnen. Ich vertraue auf Ihren Sachverstand und auf die Diskussionen im Ausschuss.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Ich habe diese Vorgänge am Strafjustizzentrum mit mehreren Nachfragen bei der Staatsregierung immer wieder verfolgt. Es ist richtig, dass der Hauptunternehmer aus der Liste bevorzugter Unternehmen gestrichen wurde, aber auf meine Schriftliche Anfrage wird vonseiten der Staatsregierung auch bestätigt, dass das Unternehmen weiterhin staatliche Aufträge ausführt. Lesen Sie meine Anfrage nach!
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Ja. – Ist Ihnen bekannt, dass das Unternehmen auch weiterhin in staatlichem Auftrag tätig ist?
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Herr Kollege, wenn alles so toll kontrolliert und sanktioniert wird, frage ich mich – ich beziehe mich auf meine Nachfrage bei der Staatsregierung zum Strafjustizzentrum Nürnberg, da ich diesen Fall sehr gut dokumentiert hatte –, warum monatelang keiner der staatlichen Auftraggeber, insbesondere das Staatliche Hochbauamt, jemals auf der Baustelle war und mitbekommen hat, dass diese Arbeiter in unbeheizten Containern schlafen mussten und keinerlei Lohn erhalten haben.
Meine Anfrage hat auch gezeigt, dass niemals einer der staatlichen Auftraggeber beim Hauptunternehmer nachgesehen hat, welche Subsubunternehmer der Hauptunternehmer überhaupt beauftragt hat. Keiner! Es hat also überhaupt keine staatliche Kontrolle stattgefunden. Wenn die staatlichen Aufträge des Freistaates Bayern so abgewickelt werden, dass man sich nur auf die Arbeitsgruppe vom Zoll verlässt, dann ist dem Missbrauch wirklich Tür und Tor geöffnet.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die Kopierer sind noch heiß, die EMail-Anhänge noch im Netz oder in der Cloud, die Delegation noch nicht zu Hause und die CSU kündigt die Koalitionsvereinbarung, die noch nicht gilt – das wissen wir alle – bereits auf.
Herr Zellmeier, es wäre schön, wenn Sie zuhören würden. Diesen Umstand können Sie mit Ihrem Redebeitrag auch nicht wettmachen. Sie berufen sich im Prinzip auf die Koalitionsvereinbarung, weil in Ihrem Antrag steht – ich zitiere: "der Rechtsanspruch auf Familiennachzug zu diesem Personenkreis künftig abgeschafft wird." Das ist Text Ihres Antrags. Vielleicht hängt die Koalitionsvereinbarung noch bei Ihnen im Netz. Dort steht, dass der Familiennachzug per Gesetz des Bundestages bis 31. Juli ausgesetzt ist. Die beiden Partner haben sich jedoch darauf verständigt, zum 1. August ein Gesetz einzubringen, mit dem der Familiennachzug neu geregelt wird, und zwar für mindestens 1.000 Personen monatlich. Dabei handelt es sich um subsidiär Geschützte und Personen, die unter
die Härtefallregelung fallen. Im Koalitionsvertrag wird ein Gesetz angekündigt, das noch kommt. Jetzt sagen Sie: Dann gibt es keinen Rechtsanspruch. Somit wird es abgeschafft. – Das ist ein klarer Bruch, noch bevor der Vertrag überhaupt zustande kommt.
Kolleginnen und Kollegen, wir sollten sachlich über dieses Thema reden. Herr Kollege Zellmeier, ich möchte auf Ihren Einwand im Hinblick auf die subsidiär Geschützten und die Genfer Flüchtlingskonvention eingehen. Kollegin Kamm hat es teilweise angesprochen. Sie wissen genau, dass wir im Jahr 2015 den subsidiären Schutz in Deutschland eingeführt haben. Das haben Sie selber gesagt. Das haben wir gemacht, weil sehr viele Anträge aus Syrien kamen und die Bestätigung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beschleunigt werden sollte. Das war auch Wunsch der CSU. Im Kern gibt es keinen Unterschied zwischen Flüchtlingen, die unter die Genfer Flüchtlingskonvention fallen, und subsidiär Geschützten. Ein Syrer aus Aleppo kann sowohl einen Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention haben als auch "nur" den subsidiären Schutz. Insofern ist die Unterscheidung bloßer Humbug und unserem Verwaltungshandeln geschuldet.
Die SPD ist mit diesem Thema sehr verantwortungsvoll umgegangen. Wir haben dieses Thema in den Koalitionsverhandlungen tatsächlich zu einem der wichtigsten Themen gemacht. Herr Zellmeier, Kolleginnen und Kollegen der CSU, das haben wir vor dem Hintergrund unserer humanitären Grundsätze und unseres Respekts vor Familien und deren Errungenschaften für die Gesellschaft gemacht. Für uns Sozialdemokraten gilt dies nicht nur für Familien deutscher Herkunft.
Wesentliche Vertreter der CSU haben das Thema Familiennachzug in den letzten Monaten und Jahren durch das öffentliche Zurschaustellen von Szenarien und Diskussionen, die an der Realität vorbeigingen, vergiftet. Das war grenzwertig. Sie haben gesagt, es kämen 900.000 Flüchtlinge. Auf jeden Flüchtling kämen zwei oder drei Familiennachzügler. Plötzlich kam man auf die Summe von zwei, drei, vier und fünf Millionen. Sie alle wissen, dass diese Zahlen nicht wissenschaftlich begründet sind. Es stimmt schlicht und einfach nicht.
Herr Zellmeier, Sie haben von 500.000 anerkannten Asylbewerbern und Schutzbedürftigen gesprochen. Auch diese Zahl stimmt nicht. Ende des Jahres 2017 waren es 400.000 Asylbewerber und Schutzbedürftige. Das sind schon einmal 100.000 weniger. Von diesen Asylbewerbern haben zwischen 26.000 und 28.000 Familiennachzug beantragt. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat im Oktober 2017 eine wissenschaftliche Studie veröffentlicht. Bei 200.000 subsidiär Schutzbedürftigen in Deutschland – ich rede von diesem Personenkreis – geht man davon aus, dass 50.000 bis 60.000 Personen im Rahmen des Familiennachzugs kommen werden. Das ist die angenommene Höchstzahl. Das sind wirklich nur Schätzungen. Tatsächlich haben weit weniger Menschen, die in Deutschland angekommen sind, auch Anträge auf Familiennachzug gestellt. Diese Zahlen sollte man im Hinterkopf haben und seriös mit ihnen umgehen.
Damit sind wir in die Koalitionsverhandlungen gegangen. Wir haben erreicht, dass jetzt 1.000 Menschen pro Monat, 12.000 im Jahr und 48.000 in einer Legislaturperiode Familiennachzug beantragen können. Sie können völlig legal über die Botschaften im Ausland mit einem Visum auf einem ungefährlichen Reiseweg nach Deutschland einreisen. Das haben wir konkret festgelegt. Außerdem gibt es eine Härtefallklausel, die besonders für kleine Kinder und Ehepaare gelten muss. Sie soll per Gesetz noch im Bundestag beschlossen werden. Diese Regelung kündigen Sie jetzt auf.
Ich muss auch zu den GRÜNEN ein paar Worte sagen. Kollegin Kamm, das ist nicht gerade freundlich. Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, in Ihrem Antrag schreiben Sie: "Der Landtag stellt fest". Da haben Sie acht Punkte, und darunter sind einige, die der Landtag gar nicht feststellen kann, weil sie nicht in unsere Hoheit fallen. Unabhängig davon
stelle ich jetzt einmal Folgendes fest. Jamaika hatte den Vortritt bei der Regierungsbildung, und Jamaika ist gescheitert, weil die FDP – nicht die GRÜNEN – die Gespräche abgebrochen hat. Die GRÜNEN haben die Gespräche nicht vor dem Hintergrund des Familiennachzugs abgebrochen, und Sie haben nicht ausverhandelt, was möglich gewesen wäre. Sie sind bei einem Satz stehengeblieben – ich habe das Sondierungspapier da –, in dem Sie schlicht und einfach feststellen, dass das für die GRÜNEN ein wichtiger Punkt bleibt. Weiter haben Sie nicht verhandelt. Es gibt kein Ergebnis. Also haben Sie auch keine Recht
fertigung mit der Begründung, Sie hätten nicht gewusst, welche Gesetze es ab August geben wird. Jetzt wollen Sie uns mit Ihrem Antrag, so sage ich einmal, vielleicht politisch disziplinieren.
Dies geht daneben, und deswegen werden wir dem Antrag auch nicht zustimmen. Ich rate bei diesem Thema abschließend wirklich zu Gelassenheit und zu Sachlichkeit, auch vor dem Hintergrund der gesellschaftspolitischen Diskussionen zu den Themen Integration und Aufnahmebereitschaft in den Kommunen, den Städten und Gemeinden. Lassen Sie die Überspitzungen und den Versuch, andere Parteien bei diesem Punkt vorzuführen.
Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder habe ich mich falsch ausgedrückt, oder Sie haben nicht richtig zugehört. Aber ich konkretisiere es
gerne. Ich habe mitnichten gesagt, dass der Familiennachzug von der CSU wegen Verwaltungsvereinfachung gefordert wurde. Ich habe gesagt: Wegen der Verwaltungsvereinfachung hat man den subsidiären Schutz auf Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsgebiet Syrien ausgeweitet. Es gibt einfach Syrer, die den einen Status haben, und Syrer, die einen anderen Status haben.
Sie wissen auch, Kollege Zellmeier, dass auch ein Status nach der Genfer Flüchtlingskonvention in der Regel nach drei Jahren überprüft wird. Sollte es in Syrien morgen Frieden geben, was wir uns alle wünschen, würden auch alle Einzelfälle, die den Status des Genfer Flüchtlingsabkommens haben, überprüft. Dann würden natürlich alle die Asyl bekommen, bei denen eine Verfolgung im Land zu erwarten ist. Das wären nur Einzelfälle; aber überprüft würden alle. Insofern habe ich das, glaube ich, klargestellt.
Ich nehme das natürlich hin. Ich nehme aber für uns, für die SPD, in Anspruch, dass auch wir weiterhin für eine menschliche, humane Flüchtlingspolitik kämpfen werden.
Ich hatte auch betont, dass das nicht ausverhandelt war. Ich habe nur festgestellt, dass ihr die Verhandlungen zu diesem Punkt nicht abgebrochen habt.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Leider habe ich durch das Gemurmel hier im Saal die Umformulierung von Herrn Fahn nicht verstanden. Bei mir ist angekommen, dass er seinen Antrag in einen Berichtsantrag umwandelt.
So ist das zumindest bei mir angekommen. Wenn es anders ist, müsste ich aufgeklärt werden.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) – Alles klar. – Kolleginnen und Kollegen, das Thema dieses Antrages begleitet uns schon zwei Tage, angefangen von der Aktuellen Stunde über die Einbringung des Nachtragshaushalts bis hin zu den Dringlichkeitsanträgen. Überall war die Armutsgefährdung in Bayern Thema. Insofern kann ich mich bei diesem Thema kurz fassen. Ich verweise auf das Protokoll und insbesondere auf die Beiträge meiner Kolleginnen und Kollegen Natascha Kohnen, Doris Rauscher, Harald Güller und aller anderen, die dazu gesprochen haben.
Ich will vielleicht noch einen Aspekt nennen, der noch nicht so stark zur Sprache kam. Frau Staatsministerin, es geht nicht nur um die Armut und die Armutsgefährdung von bestimmten Personengruppen. Das ist das eine. Das kam in der Diskussion ausdrücklich zur Geltung. Es gibt auch eine stärkere Armutsgefährdung innerhalb der Regierungsbezirke. Das wissen Sie. Das wurde im Sozialbericht herausgearbeitet. Weil ich aus Nürnberg komme, möchte ich daran erinnern, dass wir in Mittelfranken die höchste Armutsgefährdungsquote haben. Deshalb bedarf es dort besonderer Anstrengungen.
Kolleginnen und Kollegen, als wir über den Antrag im Sozialausschuss diskutiert haben, ist uns von der CSU-Fraktion angeboten worden, das Ganze in einen Berichtsantrag umzuwandeln. Dem haben wir nicht zugestimmt. Wir wollen es auch heute nicht tun. Hintergrund dieses Antrages ist, dass der Bericht zur sozialen Lage in Bayern, der jetzt auch schon wieder ein Dreivierteljahr alt ist, nicht in den Schubladen der Abgeordnetenbüros oder in den Schubladen der Ministerien verschwinden, sondern die Grundlage für die weitere Arbeit der Staatsregierung in Bayern sein soll. Wir fordern von der Staatsregierung ein Bündel von Maßnahmen. Die Instrumente wurden genannt. Diese Instrumente sind: Erwerbsbiografie, kostenlose Bildung, Kita-Zugang und vieles mehr. Diese Dinge wur
den hier ausreichend diskutiert. Wir wollen nicht nur Berichte. Wir wollen auch keinen Bericht über den Bericht zur sozialen Lage. Wir wollen von Ihnen ein Maßnahmenpaket, wie Sie das Thema Armut in den nächsten Jahren in Bayern angehen. Deshalb sind wir auf das Angebot im Sozialausschuss nicht eingegangen. Wir wollen heute eine Abstimmung über unseren Antrag. Ich kann Sie nur auffordern, unserem Antrag zuzustimmen.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Kollege Huber, bei den zurückliegenden Berichten zur sozialen Lage gab es immer ein Begleitgremium. Das gibt es dieses Mal auch. Frau Staatsministerin, Sie wissen das. Dieses Begleitgremium hat an einem Maßnahmenkatalog gearbeitet. Dieser Katalog enthält ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die die bayerische Politik betreffen. In diesem Katalog sind aber auch Forderungen enthalten, die Bayern bzw. die CSU in Berlin einbringt. Nichts anderes wollen wir mit unserem Antrag erreichen. Wir wollen, dass die Staatsregierung eben genau so ein Bündel an Maßnahmen vorlegt. Wir können dann im Ausschuss immer wieder darüber reden, welche Maßnahmen aufgegriffen und umgesetzt worden sind. Das ist der Hintergrund. Deshalb waren wir mit einem reinen Berichtsantrag, den Sie uns auch heute wieder angeboten haben, nicht einverstanden. Wir wollen genau wissen, was die Staatsregierung tut. Wir wollen diese Punkte im Sozialausschuss inhaltlich abarbeiten. Mir war klar, dass Sie den Vorschlag von Herrn Fahn aufnehmen und den Antrag der FREIEN WÄHLER, einen Berichtsantrag, annehmen. Das haben Sie im Ausschuss auch schon getan. Das ist also kein Zugeständnis. Dafür hätten wir die heutige Debatte nicht gebraucht.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Gesetzentwurf, der in Zweiter Lesung vorliegt, werden unterschiedliche Themen angesprochen. Herr Kollege Reichhart hat in das Thema eingeführt.
Ich möchte vorweg eine Bemerkung machen. Über diesen Gesetzentwurf wurde im Ausschuss, in der Ersten Lesung und in einer Anhörung diskutiert. Dem Ganzen ist die Ankündigung vorausgegangen, dass es auf Bundesebene eine Neufassung des SGB VIII geben soll, die sowohl Sie von der CSU als auch wir von unserer SPD im Entwurf nicht als sinnvoll beurteilt haben. Unabhängig davon ist die Reform des SGB VIII auf Bundesebene aufgrund der bekannten Ereignisse – Jamaika ist geplatzt – zunächst verschoben. Wann es eine neue Bundesregierung gibt, steht im Moment in den Sternen. Eine Gesetzesänderung wird es so schnell nicht geben. Herr Kollege Reichhart, da Bundesrecht Vorrang vor Landesrecht hat, sind die heute in der Zweiten Lesung vorliegende Gesetzesänderung und die Schlussabstimmung sinnlos. Das sollte zunächst einmal zurückgestellt werden, bis es auf Bundesebene eine andere Lösung gibt. Das haben alle Experten im Fachausschuss deutlich gemacht. – Dies nur vorab.
Herr Kollege Reichhart, unabhängig davon ist es mit dem Worthalten so eine Sache. Sie standen gegen
über den Kommunen und vor allem den Bezirken im Wort, haben jedoch etwas anderes in den Gesetzentwurf geschrieben. Von Ihnen möchte ich nicht viel versprochen bekommen. Was Sie den Kommunen und den Bezirken versprochen haben, findet sich im Gesetzentwurf in keiner Weise wieder.
Kolleginnen und Kollegen, ich nehme auf die Einbringungsrede von Sozialministerin Emilia Müller im Rahmen der Ersten Lesung Bezug. Die Vorstellung des Gesetzentwurfs in der Ersten Lesung hat den Gesamteindruck vermittelt, dass für den Freistaat Bayern die Einsparungen von Kosten im Vordergrund stehen, nicht die notwendige und sinnvolle Jugendhilfe zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ihnen ging es schlicht und einfach um Kostenersparnis. Frau Staatsministerin, ich habe mir Ihre Plenarrede zur Ersten Lesung noch einmal angeschaut. Sie haben das Wort Kostenersparnis ganze elfmal in den verschiedensten Variationen bei der Einbringung dieses Gesetzentwurfs genannt. Wir waren von Anfang an skeptisch. Um was geht es? Geht es um ein Spargesetz, oder geht es um eine wirklich sinnvoll praktizierte Jugendhilfe, die junge Menschen ermutigt und begleitet, damit sie ihr Leben eigenständig gestalten können?
Herr Kollege Reichhart, ich darf Sie direkt ansprechen. Ich habe Ihnen auch zugehört. Ich bitte Sie wirklich aufzupassen. Sie haben nur die halbe Wahrheit gesagt. Sie haben gesagt, Sie würden machen, was die Kommunen wollen. Die kommunalen Spitzenverbände wehren sich in ihrer gemeinsamen Stellungnahme gegen Leistungseinschränkungen. Das ist der erste Punkt. Außerdem bedauern sie, dass die Kosten für junge Volljährige nicht im Gesetzentwurf enthalten sind, obwohl im Dezember 2016 ein Kompromiss zur teilweisen Kostenübernahme geschlossen wurde. Das sage ich zum Thema Worthalten.
Während unserer Anhörung haben die Vertreterinnen des Bezirketags deutlich gesagt: Junge Volljährige werden weiter ausgeklammert. Für die Zeit von Mitte 16 bis Ende 18 wird eine pauschale Kostenerstattung gezahlt. Das sind ab Januar 2018 40 Euro. Die Pauschale wird auf 30 Euro reduziert. Der Tagessatz, der bei den Kommunen tatsächlich anfällt, beläuft sich jedoch durchschnittlich auf 110 bis 120 Euro. Davon sollen 30 Euro ersetzt werden. Hier zu behaupten, man ersetze den Kommunen die Kosten, ist schlicht und einfach gelogen. Das stimmt einfach nicht.
Die groß angekündigte Entlastung der Kommunen hat bisher nicht stattgefunden. Es sind Gespräche ange
kündigt. Ich frage jetzt einfach: Wann hat überhaupt das letzte Gespräch mit den Kommunalvertretern stattgefunden? – Ich weiß, dass Ihre Mannschaft viel in Berlin war. Dennoch kann man die Landespolitik nicht weit wegschieben oder ganz auf Eis legen.
Die Staatsregierung hat mehrfach angekündigt, dass sie eine exakte Kostenaufstellung will und anschließend Gespräche führen wird. Diese Gespräche stehen aus. Sie wurden noch nicht geführt. Die Aufstellung allerdings liegt seit Mitte dieses Jahres vor. Es ist offensichtlich, dass für die Staatsregierung weder die Entlastung der Kommunen noch das Wohl der Kinder und der Jugendlichen im Vordergrund steht, sondern der eigene Etat.
Der nächste Punkt: Sie haben gesagt – und das ist besonders ärgerlich –, dass die Angebote flexibilisiert werden sollen. Ich sage Ihnen: Sie sprechen gegenüber allen Jugendämtern ein generelles Misstrauen aus. Ich sage es noch einmal: Das ist ein generelles Misstrauen gegenüber allen Jugendämtern. Ich zitiere Staatsministerin Emilia Müller:
Bisher lag der Schwerpunkt auf betreuungsintensiven heilpädagogischen Angeboten. … Viele der jungen Menschen sind sehr selbstständig, und deswegen müssen wir unsere bisherigen Angebote um weniger betreuungsintensive, aber zielgerichtete Grundangebote erweitern.
Das wird doch getan, das ist Praxis. Jeder einzelne Fall wird von den Jugendämtern geprüft. Es wird ein Jugendhilfeplan erstellt, und zwar gemeinsam mit der zu betreuenden Einrichtung und den Vormündern. Es handelt sich um eine ganze Gruppe von Menschen, die mit den fachkompetenten Jugendämtern über den Jugendhilfeplan für die Jugendlichen entscheidet. Nur die Hilfe, die in diesem Jugendhilfeplan festgestellt wurde, wird dem Jugendlichen dann auch gewährt. Wenn das in der Vergangenheit nicht immer passgenau der Fall war – und darüber haben wir, Herr Kollege Unterländer und Herr Kollege Reichhart, im Ausschuss heftig diskutiert –, dann lag es daran, dass es diese differenzierten Angebote in der jetzt gegebenen Breite vor dem Hintergrund der hohen Zugangszahlen damals in Bayern noch nicht gab. Inzwischen haben sich aber alle darauf eingerichtet. Inzwischen wird sehr genau differenziert. Es ärgert mich, dass Sie alle Wohlfahrtsverbände, alle Betreuungsvereine, all diejenigen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, die tagtäglich mit den Jugendlichen arbeiten, die durch Flucht, Verfolgung, Versklavung, Vergewaltigung auf der Flucht traumatisiert sind, permanent unter Verdacht stellen. Sie gehen nämlich immer davon aus, dass nur das Teuerste gewählt und nicht differenziert vorgegangen wird. Das ist – ich sage es noch einmal
ein generelles Misstrauen gegenüber allen Jugendämtern.
In der Verbändeanhörung ist einvernehmlich, auch vom Caritas-Verband – ausdrücklich auch von diesem –, vorgetragen worden, dass sehr wohl differenziert und die Jugendhilfe angemessen gewährt wird.
Dieses Gesetz ist diskriminierend. Es widerspricht allen geltenden Grundsätzen der Jugendhilfe. Kolleginnen und Kollegen, dieses Gesetz darf auf keinen Fall beschlossen werden. Ich will aus einem eindringlichen Appell der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Bayern zitieren. In dem Brief werden die Abgeordneten des Landtags eindringlich aufgefordert, dem vorliegenden Gesetzentwurf auf keinen Fall zuzustimmen. Es wird gefordert, dass das kommunale Gestaltungsrecht der Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht unterminiert werden darf. Eine Ermächtigung der Ministerien zur inhaltlichen Ausgestaltung des Jugendhilfeangebots wird ausdrücklich abgelehnt. Alle Kinder und Jugendlichen haben, so schreibt die Landesarbeitsgemeinschaft, dieselben Rechte, und eine herkunftsspezifische Sonderstellung für junge Flüchtlinge ist diskriminierend. Die Kosten für die jungen Volljährigen müssen voll erstattet werden, so wird gefordert.
Kolleginnen und Kollegen, was aber, ich sage es jetzt einmal, wirklich ein bisschen niederträchtig ist, das ist, dass Sie mit einem Änderungsantrag, also durch die Hintertür, in diesen Gesetzentwurf den längeren Verbleib bis zu 24 Monaten in den Erstaufnahmeeinrichtungen eingefädelt haben, obwohl Sie alle sagen: Die Verfahren sollen schneller gehen; die Zusammenarbeit mit den Jugendämtern soll schneller gehen; die Hilfe soll bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt werden. – Hier aber fordern Sie den Verbleib in den Erstaufnahmeeinrichtungen für bis zu 24 Monaten. Das geht hier wirklich über die Hintertür, und deshalb ist der Änderungsantrag der CSU abzulehnen. Wenn man ihn dreimal ablehnen könnte, dann müsste man das tun.
Ich komme zum Schluss. Dieses Gesetz darf so, wie es hier vorliegt, nicht beschlossen werden. In dieser Frage sind sich die Kommunen, die öffentliche und die freie Wohlfahrtspflege und viele andere einig. Dieses Gesetz ist aber bezeichnend für die Flüchtlingspolitik der Staatsregierung und der CSU. Ich zitiere hier noch einmal Finanzminister Söder – gerade habe ich ihn noch gesehen –, der vor eineinhalb oder zwei Jahren – es ist schon länger her – gesagt hat: Es kann nicht sein, dass am Ende ein deutscher Rentner weni
ger vom Staat erhält, als ein unbegleiteter Jugendlicher kostet. – Diese Aussage ist so niederträchtig, ist so sachfremd
und führt nur dazu, die Vorurteile in unserer Gesellschaft und letztlich auch den Anteil der AfD-Wähler in unserer Gesellschaft zu erhöhen. Ich hoffe, Sie haben bei der Bundestagswahl hinzugelernt. Ich hoffe, Sie haben beim Thema Asyl und Flucht, beim Thema Integration und bei allem, was gesellschaftspolitisch dahinter steht, hinzugelernt. Ich hoffe, in Zukunft werden Sie solche Aussagen vermeiden.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal deutlich formulieren: Eine über die Jugendämter festgestellte, sachlich richtig ausgestaltete Jugendhilfe zur rechten Zeit am rechten Ort, in der Form, wie die Jugendlichen sie brauchen, führt die Jugendlichen in die Selbstständigkeit. Im weiteren Verlauf ihres Lebens können sie dann in unserer Gesellschaft zu Steuerzahlern und zu Beitragszahlern der Sozialversicherung werden. Bitte stimmen Sie diesem Gesetzentwurf nicht zu. Unsere zwei Änderungsanträge sind deutlich. Wir wollen die Gestaltungshoheit der Jugendämter nicht einschränken. Wir wollen außerdem die Kostenerstattung für junge Volljährige in diesem Gesetzentwurf enthalten wissen.
Ich habe es gesehen.
Ach so. Dann kann ich gehen.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute die Erste Lesung zu diesem Gesetzentwurf. Eine Abstimmung steht
heute noch nicht auf der Tagesordnung. Wir werden über diesen Gesetzentwurf sicher noch eine sehr ausführliche Diskussion im zuständigen Ausschuss zu führen haben. Als Erstes stellt sich für uns Sozialdemokraten die Frage, ob wirklich alle Bundesmittel, die für flüchtlingsbedingte Mehrkosten zur Verfügung gestellt werden, an die Kommunen des Freistaates Bayern weitergeleitet werden. Dazu hören wir immer unterschiedliche Aussagen. Werden alle Mittel weitergeleitet? Diese Frage werden wir im Laufe der Zeit und im jeweiligen Ausschuss stellen.
Sie haben die Neuregelung jetzt ausreichend begründet. Ich habe den Gesetzentwurf auch ausführlich gelesen. Ist die Verteilung dieser Bundesmittel tatsächlich auch gerecht? Im vergangenen Jahr hatten wir einmal eine Rechnung einer kleineren Stadt im Freistaat Bayern vorliegen, bei der es nur um einen Teilaspekt ging. Damals wurde die Rechnung aufgemacht, dass die Kommunen unterschiedlich profitieren, die einen mehr und die anderen weniger. Deshalb sind bei diesem Gesetzentwurf wirklich viele Fragen veranlasst. Welche Kommunen profitieren davon? Welche Kommunen schneiden deutlich schlechter ab? Im Gesetzentwurf steht, dass es keinen bürokratischen Aufwand gibt. Gibt es den wirklich nicht? Gibt der Gesetzentwurf den Kommunen mehr Planungssicherheit in der Abrechnung, damit sie auch wissen, wann die Gelder fließen? Daneben möchten wir auch wissen, ob es über den Gesetzentwurf hinaus Planungen der Staatsregierung gibt, die Kommunen stärker als bisher von flüchtlingsbedingten Kosten zu entlasten. Das ist immer ein Thema des Städtetages und des Gemeindetages. In den jüngsten Pressemitteilungen war immer zu lesen, dass die Kommunen auf ganz vielen Kosten sitzen bleiben und der Freistaat sie weitgehend im Stich lässt.
Ich will jetzt noch gar nicht sagen, dass der Gesetzentwurf schlecht ist. Ich will aber auch nicht sagen, dass er gut ist. Wir haben zu dem Gesetzentwurf eine ganze Reihe von Fragen. Wenn Sie sagen, dass der Gesetzentwurf mit den kommunalen Spitzenverbänden abgesprochen und dementsprechend ausgearbeitet worden ist, wollen wir uns natürlich auch versichern, ob das tatsächlich der Fall ist. Wir werden uns deshalb auch mit den beteiligten Gremien in Verbindung setzen. Fakt ist, dass ein überwiegender Teil der Kommunen – das haben Sie auch ausgeführt – bisher keine Auszahlungen aus dem Entlastungsanteil bekommen hat. Andere Kommunen sollen den Ausgleich zukünftig über die Umverteilung bekommen. Im Kern wissen wir nicht, welche Kommunen von diesem Gesetzentwurf profitieren und welche schlechter abschneiden. Ist der Gesetzentwurf ein Beitrag dazu, dass die Kosten, die auf die Kommunen zukommen, gerecht oder gerechter verteilt werden?
Ich will meine Redezeit gar nicht weiter ausnutzen, sondern stelle einfach diese Fragen. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss, wo wir die Fragen nochmals gezielt einbringen werden. Seien Sie auch aufseiten des Sozialministeriums versichert: Wir werden die Zeit, bis der Gesetzentwurf im Oktober in den Fachausschuss kommt, nutzen, um uns bei unseren Kommunen, aber auch bei den kommunalen Spitzenverbänden dahin gehend zu vergewissern, ob das tatsächlich so ist, wie Sie es hier eingebracht haben, und ob damit alle Kommunen zufriedengestellt werden. Ich glaube es zunächst auf Anhieb nicht. Für die weitere Diskussion verweise ich, wie gesagt, auf die aufgeworfenen Fragen. – Vielen Dank.
Herr Staatssekretär, ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich eine Frage gestellt habe. Ich weise es zurück, dass Sie es als eine böswillige Unterstellung bezeichnen, wenn ich eine Frage stelle. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! So langsam füllt sich der Saal wieder. Auch ich beginne mit einer kurzen Einschätzung der Sicherheitslage, wobei wir alle, die wir hier sitzen, sie natürlich nicht
endgültig beurteilen können, weil wir alle nicht vor Ort sind.
Seit dem Anschlag in Kabul ist die Sicherheitslage in Afghanistan wieder verstärkt in den Fokus der Medien geraten. Ich habe heute im Internet eine Einschätzung der Lage durch Mirco Günther, den Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Afghanistan, gefunden. Er lebt auch immer wieder lange Zeit in Kabul. Er sagt: Zurzeit wird in 31 von 34 Provinzen in Afghanistan gekämpft. In Afghanistan herrscht Krieg. Seiner Einschätzung nach sind die Taliban so stark wie nie seit Beginn der internationalen Intervention in 2001. Diese Akteure treten immer wieder sehr wahrnehmbar auf. Dazu kommt – auch dies schildert er in seiner Einschätzung der Sicherheitslage –, dass Akteure aus dem IS und Gruppen dazukommen, die sich überhaupt nicht mit irgendetwas identifizieren. – Ich bleibe bei meiner Einschätzung: In Afghanistan herrscht Krieg. Leider sind die internationalen Bemühungen, Afghanistan zu befrieden, zumindest bis zu dem jetzigen Zeitpunkt nicht sonderlich erfolgreich. Dies müsste aber an anderer Stelle aufgearbeitet werden; heute ist dafür sicherlich nicht der richtige Zeitpunkt, und wir sind auch nicht das richtige Parlament dafür.
Was folgt auf diese Einschätzung der Sicherheitslage? – Dass es jetzt in der Verantwortung der Politik liegt – das sage ich eindeutig –, wie man mit afghanischen Flüchtlingen umgeht. Ob sie vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen Schutzstatus bekommen oder nicht, ob sie eine gute oder eine schlechte Bleibeperspektive haben, liegt ein Stück weit in der Verantwortung der Politik. Deswegen ist es so wichtig, dass die Sicherheitslage in Afghanistan bis Ende Juli – so ist es versprochen – erneut überprüft und bewertet wird.
Kolleginnen und Kollegen auch aus diesem Haus, wir alle sollten letztlich unsere Parteikontakte ins Spiel bringen. Wir werden das auf jeden Fall tun. Wir werden mit unserem Außenminister und mit den Verantwortlichen im Auswärtigen Amt in einen deutlichen Dialog treten und Druck machen, damit die Beurteilung der Sicherheitslage wirklich zeitnah erfolgt.
Vieles ist davon abhängig. Darin bin ich mit dem Innenministerium in Berlin und letztlich auch in Bayern einig.
Kolleginnen und Kollegen, jetzt zu dem Antrag. Kollegin Kamm, im vierten Spiegelstrich ist von Ausbildungs- und Arbeitsgenehmigungen die Rede. Ich erachte Arbeitsgenehmigungen als wichtiger und richtiger, da man einen Arbeitsvertrag mit jeder Firma schließen kann. Die Genehmigung ist dafür Voraus
setzung. Unabhängig davon finde ich diesen Spiegelstrich unlogisch, weil ein Klageverfahren Teil des Asylverfahrens ist. Wenn jemand ein Klageverfahren anstrebt, wird er was die Arbeitsgenehmigungen betrifft, genau so behandelt wie im ersten Asylverfahren. Dies ist aber kein Grund für uns, dem Antrag nicht zuzustimmen. Ich wollte das nur als Feinheit hinzufügen.
Kollege Straub, Sie haben gerade gesagt, dass es keine Hindernisse gibt. Das stimmt natürlich nur zur Hälfte. Es gibt eine Information aus dem Innenministerium an alle Ausländerbehörden. Gerade neue Einschätzung der Sicherheitslage in Afghanistan, das einmal ein Land mit guter Bleibeperspektive war, hat nun dazu geführt, nachdem bei den Entscheidungen die Quote wieder unter 50 % gefallen ist, dass es wieder zu einem Land mit wenig guter Bleibeperspektive geworden ist.
In den Fällen, in denen geklagt wird, in denen Asylverfahren noch anhängig sind, wurde es den Ausländerbehörden überlassen, vor Ort zu prüfen, ob ein Ausbildungsvertrag geschlossen wird. Insofern ist dies keine klare Anweisung, Herr Straub, und insofern ist vieles, vieles nicht geklärt. Ich fordere Sie vor dem Hintergrund der Ereignisse in Afghanistan, aber auch vor dem Hintergrund dessen, was in den letzten Wochen auch hier passiert ist, auf, endlich Klarheit zu schaffen. Die jungen Flüchtlinge aus Afghanistan – wir haben derzeit eben junge Flüchtlinge aus Afghanistan – brauchen Klarheit. Die Ängste davor, was mit ihnen morgen passiert, müssen endlich abgebaut werden. Ich appelliere noch einmal: Sorgen Sie hier bitte für Klarheit. Da sind wir voll bei den GRÜNEN.
Im Übrigen vielleicht noch ein kurzer Hinweis; ich habe mich heute Morgen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erkundigt – wenn ich etwas Falsches sage, können Sie das gerne richtigstellen –: Die Asylanträge von Flüchtlingen aus Afghanistan werden weiter bearbeitet; es werden nur keine Bescheide verschickt. Das ist doch ein großer Unterschied. Sofern die Sicherheitslage – was wir alle nicht hoffen und wogegen wir hoffentlich alle unseren politischen Einfluss geltend machen – nicht wieder anders eingeschätzt wird, können Bescheide ganz schnell verschickt werden, und dann haben wir auch ganz schnell wieder das Thema Abschiebungen nach Kabul.
Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie jetzt, gerade bei den Ausbildungs- und Arbeitsgenehmigungen Klarheit zu schaffen und die Ausländerbehörden darauf hinzuweisen und aufzufordern, gerade bei den jungen Flüchtlingen mit den Einschränkungen, die Sie genannt haben – diese kenne ich alle; Identitätsfeststellung, keine Straffälligkeit; das sind die wesentlichen
Punkte –, Ausbildungsgenehmigungen und Arbeitsgenehmigungen zu erteilen.
Ich muss auch noch etwas zu der Rücknahme von drei Monate auf sechs Monate sagen. Entschuldigung, Kollege, manchmal fühlen wir uns schon ein bisschen verarscht. Sie sagen: Stichtag 1. Mai 2017. Die Rücknahme oder, sagen wir, das Entgegenkommen, dass die Genehmigungen jetzt sechs Monate vorher ausgestellt werden können, kann erst ab dem nächsten Jahr zum Tragen kommen. Für dieses Ausbildungsjahr ist dies schon zeitlich gar nicht mehr möglich. Insofern: Bitte sorgen Sie endlich für Klarheit. Geben Sie den Jugendlichen, die hier sind, eine klare Perspektive. Verlieren wir keine Zeit bei der Integration. Genehmigen Sie die Arbeits- und Ausbildungsverträge. – Vielen Dank.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Das Thema der Unterbringung anerkannter Flüchtlinge haben wir von der SPD, aber auch die FREIEN WÄHLER und die GRÜNEN, mit Dringlichkeitsanträgen belegt. Dieses Thema ist kein Thema, das den Freistaat Bayern plötzlich und unvorhergesehen überrascht. Es ist ein Thema, das sich bereits in den Jahren 2012/2013, als die Flüchtlingszahlen noch nicht so hoch waren wie in den Jahren 2015/2016, angekündigt hat. Wir haben lange Zeit – ich kann mich noch gut daran erinnern – beklagt,
dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu langsam arbeitet. Auch die FREIEN WÄHLER haben immer moniert, dass hier viel zu wenig vorangeht. Jetzt geht es schneller voran. Die Folge davon ist, dass mehr Anerkennungen ausgesprochen werden. Folglich gelangen auch mehr Menschen, die bei uns in Bayern Schutz und Hilfe gesucht haben, vom Status des Flüchtlings in den Status der Anerkennung. Damit haben diese Menschen Anspruch auf Integrationsmaßnahmen des Freistaats Bayern und der Bundesrepublik Deutschland. Das ist der Hintergrund dieses Themas, den wohl keiner bestreiten wird.
Wenn wir jetzt über Integration reden, dann heißen die drei wichtigsten Themen in dieser Reihenfolge: Bildung, Arbeit und Wohnen. Diese Themen müssen bei der Integration zuallererst angegangen werden: Bildung, Arbeit und Wohnen. "Wohnen" kommt ein bisschen später, aber es kommt, und es ist nicht plötzlich über uns hereingebrochen.
Kolleginnen und Kollegen, ebenfalls unstrittig ist, dass besonders in den bayerischen Ballungszentren viel zu wenig bezahlbarer Wohnraum – ich sage ganz bewusst "bezahlbar" – existiert. Frau Staatsministerin Müller, gerade auch von Ihnen wurde immer wieder deutlich gemacht, dass sowohl die Unterbringung von Asylbewerbern als auch die daran anschließenden Integrationsmaßnahmen gesamtgesellschaftliche Aufgaben darstellen.
Herr Kollege Hanisch, ich gebe Ihnen hier völlig recht. Sie haben das mehrmals betont. Ich möchte das auch für die SPD nochmals deutlich zum Ausdruck bringen.
Frau Staatsministerin, deshalb kann es doch wohl nicht sein, dass Sie sich dieses Problems und der Verantwortung dafür einfach durch einen Brief an die Städte und Gemeinden entledigen.
Ich habe den Landrat von Fürstenfeldbruck Thomas Karmasin in der Enquete-Kommission etwas näher kennengelernt und freue mich darauf, da die EnqueteKommission noch etwas andauern wird, ihn noch näher kennenzulernen. Selbst Thomas Karmasin, der ganz sicher nicht im Verdacht steht, CSU- oder staatsregierungsfern zu sein, hat im Namen der oberbayerischen Landkreise kurz und bündig erklärt: Wir sind für Fragen des Wohnungsbaus gar nicht zuständig. – Die Landkreise könnten dieses Problem vor Ort gar nicht lösen, weil sie kaum über Handlungsmöglichkeiten verfügen. Es geht ja wohl gar nicht, dass sich der Staat hier aus der Verantwortung stiehlt.
Frau Ministerin Müller, Sie sagen in einem Artikel in "Focus Online" vom 29.04.2017:
Unsere gemeinsame Grundlinie muss sein: Anerkannte Flüchtlinge sind Gemeindebürger, leben vor Ort in der Gemeinschaft, wurden dort integriert und brauchen dort Wohnraum.
Also sind auch die Gemeinden und Städte dafür zuständig. Nochmal: Das kann es wohl nicht sein. Sie entziehen sich völlig Ihrer Verantwortung. Ich frage mich dann, wozu überhaupt Ministerien und eine Staatsregierung nötig sind, wenn die Gemeinden und Städte bei so wichtigen Aufgaben am Schluss doch wieder alleingelassen werden und alleine für die Lösungen zuständig sein sollen.
Kolleginnen und Kollegen, die SPD ist sich mit vielen, fast allen bayerischen Bürgermeistern und Landräten einig, dass es angesichts des faktischen Mangels an bezahlbarem Wohnraum zu keiner Konkurrenzsituation zwischen denjenigen, die hier sind und schon lange nach bezahlbarem Wohnraum suchen, und den Neuankömmlingen, den anerkannten Asylbewerbern, kommen darf. Ich denke, darüber sind wir uns gerade mit den Bürgermeistern und Landräten einig. Ich wage beinahe zu behaupten, dass diese Einigkeit parteiübergreifend ist.
Kolleginnen und Kollegen und Frau Ministerin, gezielt an Sie: Es kann nicht sein, dass Sie in Ihren Briefen, Anordnungen und Anweisungen die anerkannten Asylbewerber dazu auffordern, die Gemeinschaftsunterkünfte zu verlassen und sich zeitnah eine Wohnung zu suchen. Es kann doch nicht sein, dass diese Menschen in die Obdachlosigkeit entlassen werden. Ich glaube und hoffe, dass wir uns auch darüber in diesem Haus schnell einig sind. Das kann nicht das Ziel einer sozialpolitischen Vorstellung des Landes Bayern sein.
Es gibt drei Dringlichkeitsanträge, die im Prinzip in die gleiche Richtung gehen. Dennoch legt unser Dringlichkeitsantrag den Fokus darauf, dass Sie im Ministerium sich nicht der Verantwortung entziehen, sondern stattdessen gemeinsam mit den betroffenen Städten und Gemeinden nach Lösungen suchen. Es gibt eine ganze Reihe von Lösungsmöglichkeiten; in dem Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN werden einige skizziert. Dass das die einzigen oder die allein seligmachenden Lösungen sind, wollen wir gar nicht behaupten. Das müsste man sich im Detail ansehen. Jetzt geht es darum, sich zusammenzusetzen und für dieses Thema gemeinsam nach tragfähigen Lösungen zu suchen. Anschließend geht es darum, die Unterstützung des Freistaats Bayern auf diesem Weg zuzusichern und auch tatsächlich zu gewährleisten. Darum geht es.
Frau Ministerin Müller, es gibt ein paar extrem ärgerliche Dinge. In den Jahren 2013/2014, als die Zugangszahlen noch weit unter denen der Jahre 2015/16 lagen, haben Sie das Projekt "Fit for Move" als Modellprojekt aufgelegt. Sie haben es 2015/2016 ausgeweitet, unter anderem auf die Stadt Nürnberg. Ich habe dieses Projekt, weil die AWO Träger war, mitbegleitet. Dieses Projekt konnte natürlich nicht alle Probleme lösen, aber es war doch ein Hilfsmittel. Ich kann überhaupt nicht verstehen: Ich hatte eine Anfrage an Sie gestellt. In einem Brief vom November 2016 haben Sie dieses Projekt gelobt, aber zwei Wochen später teilten Sie mit, was schon längst beschlossen war: dass das Projekt Ende 2016 auslaufen werde. Das sind die Ungereimtheiten in Ihrem Ministerium.
Ich möchte einmal kurz über den Inhalt dieses Projektes "Fit for Move" sprechen. Es hat zunächst einmal eine Institution geschaffen und finanziert, die sich um den Umzug von Fehlbelegern in Flüchtlingsheimen in Wohnungen kümmerte, die auf dem öffentlichen Wohnungsmarkt angemietet wurden. Zu diesem Zweck gab es über spezielle Träger Verbindungsleute vor Ort. Dieses Projekt haben Sie 2016 ohne Nachfolgemodell auslaufen lassen. Sie lassen die Kommunen auch hier im Stich. Das ist mein Fazit: Sie stehlen sich aus der Verantwortung. Der SPD-Antrag appelliert nicht nur an Sie, sondern er fordert Sie dazu auf, Ihre Verantwortung wahrzunehmen und gemeinsam mit den Städten und Gemeinden nach Lösungen zu suchen.
Frau Präsidentin, Kollegin nen und Kollegen! Ihre Argumente, Frau Kollegin Ka niber, überzeugen auch heute nicht, sosehr Sie sich bemühen. Sie haben in vielen Sitzungen des Sozial ausschusses, in denen wir dieses Thema diskutiert haben, nicht überzeugt und überzeugen eben auch heute nicht. Ihre Rede, Frau Kollegin Kaniber, war vol ler Widersprüche. Ich versuche, diese Widersprüche aufzuzeigen.
Erstens haben Sie von Gleichberechtigung gespro chen. Der Hintergrund dieses Antrags und auch des Begehrens der SPD – die GRÜNEN wissen, dass die SPD das auch oft gefordert hat; SPD und GRÜNE haben da gleichlautende Forderungen – ist das Thema Gleichberechtigung: Jugendhilfe – hören Sie doch einmal zu – ist im Sozialgesetzbuch festge schrieben. Die Jugendhilfe für junge Volljährige ist im Sozialgesetzbuch ausdrücklich vorgesehen. Wenn Sie also von Gleichberechtigung reden, sollten Sie wis sen, dass die Bundesrepublik Deutschland die UN Kinderrechtskonvention unterschrieben hat und alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland nach dieser Unterschrift gleich behandelt werden müssen.
Das ist schon mal der erste Widerspruch, wenn Sie über Gleichberechtigung reden. Ein Jugendlicher hat einen gesetzlichen Anspruch auf Jugendhilfe, egal woher er kommt.
Ein Zweites ergibt sich im Prinzip aus dem Geist des Sozialgesetzbuches: Jugendlicher ist man nicht nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, sondern eine bestimmte Zeitspanne lang. Nicht jeder Jugendli cher, nicht jede Jugendliche kann sich mit Beginn des 18. Lebensjahres wirklich gleich für ein selbstständi ges Leben ohne Unterstützung verantwortlich fühlen.
Kein Elternpaar wird sein Kind am Beginn des 18. Le bensjahres vor die Tür setzen und alle Unterstüt zungsleistungen einstellen nach dem Motto: So, jetzt bist du 18.
Ihr drittes Missverständnis, Frau Kollegin Kaniber, liegt über der ganzen Diskussion:
Ich finde es ein bisschen unhöflich, dass Sie sich während meiner Rede jetzt wirklich dauernd unterhal ten. Aber ich mache trotzdem weiter. – Wir im Sozial ausschuss werden uns in den nächsten Wochen noch erheblich streiten über Ihr permanentes Misstrauen gegenüber Jugendämtern und gegenüber allen, die mit jugendlichen unbegleiteten Flüchtlingen zu tun haben. Sie sprechen von der Verhinderung restriktiver Vorgaben. Ich sage Ihnen noch einmal: Die Gewäh rung von Jugendhilfe in einem Jugendhilfeplan wird über die Jugendämter mit dem einzelnen Jugendli chen festgelegt. Wenn Sie sagen, Sie wollen eine Ausuferung von Restriktionen verhindern, zeigt das klar Ihr Misstrauen gegenüber allen Jugendämtern in Bayern. Das halte ich für ziemlich unverfroren.
Das nächste Missverständnis möchte ich auch gerne aus der Welt schaffen. Es gibt keine pauschale Ju gendhilfe. Es gibt auch keine pauschale Jugendhilfe für junge Flüchtlinge. In meinem Verein wird übrigens eine Jugendhilfe für junge Flüchtlinge genehmigt. Ich lade Sie gerne ein, sich das anzuschauen. Diese Flüchtlinge leben in eigenen Wohnungen, haben eine Ausbildung begonnen und verdienen zum großen Teil ihren Lebensunterhalt selbst. Das ist ein anderes Thema. Über die Förderung muss noch einmal ge sprochen werden. Weil wir heute noch einen weiteren Tagesordnungspunkt haben, kann ich da noch deutli cher darauf eingehen. Zum größten Teil verdienen diese jungen Flüchtlinge ihren Lebensunterhalt selbst. Sie brauchen wöchentlich nur noch etwa zwei oder drei Fachleistungsstunden. Sie brauchen noch etwa drei bis sieben Monate, um das richtig auf den Weg zu bringen, was vorher durch viel Engagement und Kostenaufwand auf die richtige Bahn gesetzt wurde. Dieses Missverständnis haben Sie bisher noch nicht aus der Welt geräumt.
Zu guter Letzt möchte ich Folgendes sagen, und bitte denken Sie darüber genau nach: Eine gezielte Ju gendhilfe – diese wird in Bayern von den Jugendäm tern genehmigt und von den Sozialpädagogen und den jeweiligen Trägern der Jugendhilfe verantwor tungsvoll ausgeführt – ist allemal besser als Fußfes seln.
Frau Präsidentin, Kollegin nen und Kollegen! Die Anträge der GRÜNEN und der SPD haben im Prinzip den gleichen Hintergrund. Es geht darum, allen Flüchtlingen Zugang zum Ausbil dungs und Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Am 16. Au gust 2016 wurde in Berlin auch mit der Zustimmung der CSU das Bundesintegrationsgesetz beschlossen und in Kraft gesetzt. Damit wollte und will der Gesetz geber in Berlin, die Große Koalition, mehr Rechts icherheit schaffen, dem Fachkräftemangel entgegen wirken, aber vor allen Dingen auch den geflüchteten Menschen, die zu uns kommen, eine Perspektive auf zeigen. Das Bundesintegrationsgesetz enthält keinen Freibrief dafür, dass jeder, der zu uns kommt, eine Ausbildungs oder Arbeitserlaubnis bekommt. Auch das Bundesintegrationsgesetz setzt Grenzen. Wichti ge Punkte sind hier zum Beispiel die Frage der Straf fälligkeit, die Frage der Passbeschaffung, die Frage von Integrationsmaßnahmen, die man bisher erreicht hat, usw. Aber damit ist dann auch schon Schluss. Für alle, die bisher Integrationsmaßnahmen erbracht haben, die nicht nennenswert straffällig geworden sind und die bei ihrer Identitätsfindung mitwirken, soll der Zugang zum Arbeits und Ausbildungsmarkt er möglicht werden.
Kolleginnen und Kollegen, das ist eine der wichtigsten Maßnahmen von Integrationsbemühungen. Wir sagen immer: Arbeit, Ausbildung, Bildung, Wohnen sind die jenigen Integrationsmaßnahmen, die letztlich greifen.
Was macht Bayern anders als die anderen Bundes länder? – Ich will das gerne aufzeigen. Die erste und zugleich die unsinnigste all dieser Bestimmungen haben wir auch in der EnqueteKommission ausführ lich diskutiert. Hier haben Ihnen sowohl die Bundes agentur für Arbeit, die JobCenter, die Handwerks kammern und die Wirtschaftsverbände klar ins Stammbuch geschrieben: Lassen Sie diesen Unsinn. Ich will diesen Unsinn benennen. Dieser Unsinn ist die sogenannte Vorrangprüfung. Wir führen im Bun desland mit der niedrigsten Arbeitslosenquote, auf die Sie sich von der CSU immer berufen, noch eine Vor rangprüfung ein. Diese Vorrangprüfung ist vollkom men unsinnig und stellt für die JobCenter, für die Ar beitsagenturen und auch für die Betriebe in Bayern nichts anderes dar als eine bürokratische Hürde.
In allen anderen Bundesländern, die höhere Arbeitslo senquoten haben, wurde die Vorrangprüfung für die nächsten drei Jahre ausgesetzt. Damit wurde die Möglichkeit geschaffen, dass sich ein Arbeitsuchender und ein Betrieb, der Arbeit zur Verfügung stellt, finden können, dass sie zusammenkommen und durch einen Arbeitsvertrag ein Arbeitsverhältnis schließen können. Damit können sie, was von der CSU immer eingeklagt wird, zum Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik Deutschland beitragen. Durch die Vorrangprüfung ver hindern Sie aber genau das. Die Vorrangprüfung ist ein Unsinn ersten Ranges.
Das Nächste ist auch eine bayerische Besonderheit. Sie stellen eine Ausbildungsgenehmigung erst drei Monate vor Beginn der Ausbildung aus. Im Septem ber werden die Ausbildungsverhältnisse beginnen. Wir werden ab Mai/Juni mit den Abgängern aus den Integrationsklassen in den Berufsschulen konfrontiert werden. Diese Integrationsklassen haben wir hier in Bayern mit viel Mühe, viel Aufwand und mit viel Sach verstand als bundesweites Modellprojekt aufgebaut. Wir werden damit konfrontiert sein, dass die Jugendli chen die Berufsschulen verlassen, aber, auch wenn sie schon einen Ausbilder und einen Ausbildungsplatz haben, nicht wissen, ob sie am 1. September tatsäch lich einen Ausbildungsvertrag abschließen können. Das ist ein Unsinn ersten Ranges.
Das ist im Übrigen etwas, was Ihnen die Handwerks kammer, die Industrie und Handelskammer und Ver treter der Wirtschaftsverbände auch in öffentlichen Diskussionen immer wieder deutlich sagen.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas vertie fen, was ich schon beim vorhergehenden Tagesord nungspunkt gesagt hatte. Das Schlimmste, was ju gendlichen Flüchtlingen im Moment passieren kann – ich denke, auch Sie kriegen in den Bürgerbüros viele Anrufe, und die Zeitungen sind voll von persönlichen Schilderungen –, ist Folgendes: Sie haben keine Per spektive; sie stehen nach Integrationsleistungen, nach Anstrengungen, nach Schulabschlüssen, nach dem Erlernen der Sprache und nachdem sie sich anstän dig verhalten haben jetzt vor der Angst, das Land Bayern in wenigen Wochen verlassen zu müssen. Ich weiß nicht, ob Sie ermessen können, was Sie damit den Jugendlichen antun.
Ich wiederhole meinen Satz aus der vorhergehenden Diskussion: Perspektiven zu geben, ist die beste Prä vention für junge Menschen, die hier in diesem Land ihre Zukunft aufbauen wollen. Vielleicht wollen sie das
gar nicht für immer tun. Vielleicht wollen sie, wie das Frau Kollegin Kamm gesagt hat, in einigen Jahren in irgendeinem anderen europäischen Land oder in ihrem Heimatland ihre Zukunft aufbauen. Das ist die beste Prävention; sie ist viel besser als Fußfesseln.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Kollege Huber hat uns jetzt sehr umfangreich die einzelnen Programme und die einzelnen Summen, die von den verschiedenen Stellen zur Verfügung gestellt werden, genannt. Wenn man im Netz nachschaut, kann man alles im Detail nachlesen. Zur Unterstützung der eigenen Argumentation kann man auch das Protokoll noch nachlesen.
Kolleginnen und Kollegen, wir haben im Sozialausschuss über dieses Thema länger diskutiert. Erfreulicherweise haben Sie der ersten Nummer des Dringlichkeitsantrags, dem Berichtsantrag der FREIEN WÄHLER, auch zugestimmt. Die beiden anderen Nummern haben Sie jedoch abgelehnt.
Fakt ist – das haben Sie auch betont –, dass die freiwillige Ausreise vor Abschiebung gehen sollte und dass die freiwillige Rückkehr in das Heimatland im letzten Jahr erheblich an Bedeutung gewonnen hat. Das sollte uns schon veranlassen, zu überlegen, welche Wege wir zukünftig einschlagen, wenn es tatsächlich so ist – darin stimme ich Ihnen ausdrücklich zu, die Zahlen stehen auch dafür –, dass fast doppelt so viele freiwillig zurückreisen wie Abschiebungen in den Bundesländern durchgeführt werden können. Kollege Huber, sind wir uns doch einig, dass dieses Thema auch hier im Bayerischen Landtag eine Rolle spielen sollte. Deshalb haben die FREIEN WÄHLER mit ihrem Antrag auf dieses Thema aufmerksam gemacht.
Was wollen die FREIEN WÄHLER jetzt? – Sie wollen die Prüfung der Notwendigkeit zusätzlicher Rückkehrberatungsstellen. Für mich ist es jetzt auch neu, dass in Kempten eine zusätzliche Stelle eröffnet wurde. Ich habe die Eröffnung der ersten Rückkehrberatungsstellen, die 2003 und 2004 errichtet wurden, in Nürnberg hautnah miterlebt. Die AWO in Nürnberg beteiligt sich daran. Herr Kollege Huber, eines sollte man bei dieser Aufgabe schon bedenken: Sie haben von den sieben zentralen Ausländerbehörden gesprochen, die diese Aufgabe übernehmen und bei den Regierungen angesiedelt sind. Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellt sich mit der neuen Leiterin dieser Aufgabe. Tatsache ist aber auch, dass die Wohlfahrtsverbände und Sozialverbände eine staatliche, unabhängige Beratung sicherstellen. Auch wenn wir mit ihnen nicht in allen Dingen einig sind: Diese Beratung hat eine andere Qualität. Es kann individueller auf die Situation des jeweiligen Menschen eingegangen werden. Diese Beratung kann für das Ziel des freiwilligen Verlassens des Landes förderlicher sein als eine staatliche Beratungsstelle. Vermutlich sind wir uns über die Angebote der Wohlfahrtsverbände und die Ausführung der Arbeit vor Ort schnell einig.
Was wollen die FREIEN WÄHLER? – Sie wollen schlicht und ergreifend eine Prüfung der Notwendigkeit zusätzlicher Rückkehrberatungsstellen. Ich verstehe nicht, was man gegen Prüfungen einzuwenden hat. Zu prüfen ist eigentlich immer etwas Gutes. Dass Bayern momentan überlegt, bei den vielen vielfältigen und von Ihnen beschriebenen Angeboten einen eigenen Landesakzent zu setzen, ist doch nicht verwunderlich. Ich erinnere daran, dass die Sozialministerin, die Wirtschaftsministerin und die Europaministerin in der letzten Zeit in Länder des Westbalkans gereist sind. Dort sollen mit den Betrieben und Kammern Ausbildungsprogramme für junge Flüchtlinge initiiert werden. Rückkehrer haben somit einen Anker, können aufgefangen und in Ausbildungsprogramme integriert werden.
Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Kollege Huber, in dieser Hinsicht laufen doch im Moment tolle Programme. Wenn Ihre Ministerinnen aus den Ländern zurückkommen, behaupten sie ja permanent, diese Initiativen zu intensivieren. Auch der von Ihnen zitierte Entwicklungsminister Müller verfolgt mit der Kanzlerin auf Bundesebene intensiv Initiativen. Ich möchte diese Initiativen nicht abwerten.
Wir in Bayern können ebenfalls ein eigenes Programm verfolgen. Bayern ist auch geografisch gesehen näher an den Westbalkanstaaten dran. Auch die wirtschaftlichen Verbindungen in diese Länder sind ausgeprägter als in andere. Im Sozialausschuss haben wir nicht verstanden, wieso Sie sich gegenüber dem Antrag der FREIEN WÄHLER so abgrenzend verhalten. Vielleicht sind Sie einmal Manns bzw. "Fraktions" genug, um als CSU-Fraktion einen eigenen Akzent zu setzen. Es wäre schön, wenn wir uns dann damit im Ausschuss beschäftigen könnten. Sonst werden uns im Ausschuss lediglich die Programme von den Ministerien vorgelegt. Wir sehen von der CSU-Fraktion immer nur sehr wenig eigene Gedanken, Ideen und Kreativität. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal guten Morgen! Frau Staatsministerin Müller, die Euphorie, mit der Sie diesen Gesetzentwurf vorgetragen haben, können wir von der SPD-Fraktion so nicht teilen.
Ich möchte als Erstes festhalten, dass es, bevor es überhaupt zu diesem Gesetzentwurf kam, immer wieder eine ganze Reihe öffentlicher Proteste gab, von den Wohlfahrtsverbänden, den Städten, den Kommunen, den Bezirkstagen, also von allen, die letztlich in der kommunalen Versorgung mit Integrationsmaßnahmen beauftragt sind, dass es also eine riesige Protestwelle gab, bevor sich die Staatsregierung zu diesem Gesetzentwurf entschlossen hat.
Frau Staatsministerin, eines sollten Sie bei der Umsetzung – Sie haben es noch einmal betont –, also wenn dieses Gesetz in Kraft getreten ist, in den kommenden Wochen und Monaten vonseiten Ihres Ministeriums ernsthaft mitnehmen: Es ist einfach nicht richtig, dass die meisten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in heilpädagogischen Einrichtungen betreut werden. Das stimmt so nicht! Die Jugendämter führen immer ein Jugendhilfeplangespräch. Nach diesem Jugendhilfeplangespräch wird die adäquate Einrichtung gesucht, die dem Jugendlichen und seinen Bedürfnissen für seine Persönlichkeitsentwicklung am nächsten steht.
Die Jugendämter arbeiten hier sehr verantwortungsvoll, und keineswegs werden sie alle in sehr kostenträchtigen heilpädagogischen Maßnahmen untergebracht. Es gibt ambulante Betreuung, es gibt Teilzeitbetreuung, und es gibt eine sehr lockere Betreuung. Sie sollten also sehr sachgerecht argumentieren und zielbewusst hinschauen.
Frau Staatsministerin, Kolleginnen und Kollegen der CSU, es wäre fatal, wenn man die gesamte Förderung dieser Jugendlichen nur unter dem Kostengesichtspunkt sehen würde; denn Ziel der Jugendhilfe ist eine selbstständige Lebensführung.
Sie sagen, Sie hätten Ihr Versprechen eingelöst und seien eng bei den Kommunen. Da muss ich Ihnen einen kleinen Zahn ziehen. Erst in der jüngsten Presseerklärung des Bayerischen Städtetages vom 16. Februar 2017 – sie ist also nicht sehr alt – sagt dessen Vorsitzender, die nun gefundene Lösung bezüglich der Kostenübernahme für junge Volljährige sei nur eine halbwegs befriedigende Lösung.
Das ist zwar besser als nichts, und es ist auch vollkommen klar, dass der Städtetag und die Gemeindeverbände natürlich Geld vom Freistaat Bayern nicht ausschlagen, aber der Städtetag und der Gemeindetag betonen nochmals, dass das nur eine halbwegs befriedigende Lösung sei.
Sie haben für den Freistaat Bayern – zumindest ist es bei uns so angekommen – auch zugesagt, dass Sie sich im Laufe dieses Jahres die tatsächliche Kostenentwicklung noch einmal anschauen und gegebenenfalls nachbessern werden. Auf diese Nachbesserung möchte ich heute schon hinweisen. Es ist Ihre Verantwortung, dies wirklich eng mit den Kommunen zu machen, und zwar sowohl was die Qualität und die Ausstattung als auch was die Freiheit der Jugendämter betrifft, sachgerecht entsprechende Unterbringungsmöglichkeiten für die Jugendlichen zu suchen und diese dann letztlich auch zu finanzieren. Nur dann, wenn Sie das im Laufe dieses Jahres einhalten, werden Sie eng bei den Kommunen sein und Ihr Versprechen einlösen.
Auch der Bayerische Gemeindetag – um noch kurz die Zahlen anzusprechen – weist in seiner letzten bzw. vorletzten Ausgabe seiner Zeitschrift darauf hin, dass nur im letzten Jahr 40 Euro pro Tag für die jungen Volljährigen bezahlt wurden. In diesem Jahr sind es nur noch 30 Euro pro Tag. Der Gemeindetag führt weiter aus, dass die tatsächlichen Kosten aber bei 120 Euro liegen. Das ist eine deutliche Absage an
das, was Sie in Ihren einleitenden Ausführungen zum Gesetz gesagt haben. Sie sind bisher noch nicht eng bei den Kommunen, haben aber die Chance, das im ersten Halbjahr nachzubessern.
Ich fordere Sie und auch die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion auf, dies in verantwortungsvoller Weise für die betroffenen Jugendlichen zu tun.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Kollege Unterländer, ich kann es Ihnen einfach nicht ersparen. Klar ist, dass die Unterscheidung nach Aufenthaltsstatus ein Unsinn ist; da stimme ich Ihnen zu. Ich bitte Sie aber doch, endlich einmal anzuerkennen, dass die fachliche Aufsicht und die fachliche Entscheidung darüber, welche Entwicklungsmöglichkeiten und welche Formen der Betreuung die jugendlichen Flüchtlinge brauchen, ausschließlich bei den Jugendämtern liegt. Das ist ein Grundsatz, der in den letzten Jahren und schon immer gegolten hat. Dieser muss auch zukünftig gelten. Ich bitte Sie, endlich einmal anzuerkennen, dass das der Kern der Jugendhilfe ist und dass die Jugendämter darüber letztlich die fachliche Aufsicht haben. Dann können wir zielgerichtet weiterdiskutieren. Wenn Sie diesen Grundsatz nicht anerkennen, haben wir da aber ein großes Problem.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Kinderarbeit ist leider weltweit nicht verboten. Aber Fakt und international anerkannt ist, dass ausbeuterische Kinderarbeit eine ganz schwere Menschenrechtsverletzung ist, die die Kinder in ihrer weiteren Entwicklung, in ihrer Lebensbiografie massiv beeinflusst. Deshalb gilt es, alles zu tun, um diese schweren Menschenrechtsverletzungen mit den Möglichkeiten, die wir hier im Parlament haben, schlicht und einfach auszuschalten und zu verbieten.
Die drei Gesetzentwürfe, die jetzt vorliegen – Herr Kollege Mistol hat schon darauf hingewiesen –, unterscheiden sich marginal. Sie sind im Grunde genommen vor dem Hintergrund eines Gutachtens von Herrn Krajewski entstanden, der 2014 dieses Thema juristisch ausreichend beleuchtet und die rechtlichen Vorgaben erarbeitet hat, an denen sich letztlich alle drei Gesetzentwürfe orientieren.
Das Gesetz – so wurde es gesagt – eröffnet zunächst die Möglichkeit, dass die Kommunen per Satzung ihren Friedhofsträgern vorschreiben, dass Grabsteine aus ausbeuterischer Kinderarbeit keinen Platz mehr auf ihren Friedhöfen finden. Fakt ist, dass dieses Gesetz nur die Möglichkeit eröffnet, nicht den Zwang zum Erlass einer entsprechenden Satzung vorsieht. Von daher will ich heute meine Redezeit nicht darauf verschwenden, zu bedauern, wie lange dieser Prozess gedauert hat – das ist bereits erwähnt worden; er hat viel zu lange gedauert, dennoch ist das Gesetz jetzt da –, sondern ich will die Staatsregierung und alle handelnden Personen auffordern, das, was wir heute beschließen, wirklich ernst zu nehmen.
Zu diesem Thema hat das Wirtschaftsministerium noch unter Herrn Wirtschaftsminister Martin Zeil eine
Broschüre herausgegeben. Das ist schon einige Zeit her; das ist übrigens eine ganz interessante Broschüre; ich verweise auf die ausführliche Beschreibung, wie die ausbeuterische Kinderarbeit in China und in Indien funktioniert. Darin wird dargestellt, dass vermutlich immerhin 40 % aller Naturgrabsteine, die auf Friedhöfen verwendet werden, in solchen Steinbrüchen in China und Indien ursprünglich hergestellt wurden; ich meine nicht die Weiterverarbeitung. 40 % ist eine Zahl, die mich selbst ein wenig überrascht hat. Das zeigt auch das Ausmaß, in dem wir als Verbraucher hier involviert sind.
Ich habe gesagt, dass das Gesetz zwar die Möglichkeit eröffnet, aber nicht den Zwang vorsieht. Was muss jetzt folgen? – Wir fordern die Staatsregierung und die zuständigen Ministerien auf, eine ganz offensive Öffentlichkeitsarbeit zu machen und die Kommunen anzuschreiben und direkt aufzufordern, entsprechende Satzungen zu erlassen. Das ist das eine. Aber der Erlass der Satzung allein reicht nicht aus. Es ist vielmehr notwendig, mit ähnlichen Broschüren – ich finde die Broschüre, die damals vom Wirtschaftsministerium herausgegeben wurde, wirklich sehr gut – eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit zu machen, damit ein Bewusstsein in unserer Gesellschaft, auch bei den Friedhofsträgern, entsteht, damit ständig und mehr nachgefragt wird, was passiert, wo die Steine her sind und wie die Wertschöpfungskette verlaufen ist. Diese eigentliche Öffentlichkeitsarbeit ist, denke ich, das, was begleitend geschehen muss; denn wir müssen uns auf das beschränken, was wir tatsächlich tun können. Damit können wir den Kindern in China und Indien am meisten helfen. So sehen die Händler, dass ihre Produkte weltweit nicht mehr abgenommen werden, wenn sie mithilfe von Kinderarbeit hergestellt werden.
Ich will aber noch weitergehen. Ausgangspunkt dieser ganzen Diskussion war ein einstimmiger Beschluss hier im Landtag, der schon auf die 15. Legislaturperiode zurückgeht. Er stammt aus dem Jahr 2007. Damals haben sich alle Fraktionen darauf verständigt, dass die öffentlichen Auftraggeber bei der Beschaffung genau darauf schauen sollen, welche Produkte sie abnehmen und wie diese Produkte entstanden sind. Ich erinnere an die ILO-Konvention, an die internationalen Vereinbarungen über Arbeitsrechtsnormen usw. In diesem Zusammenhang erinnere ich auch an die Drucksache 15/8120, für den, der das noch einmal nachlesen will. Das war ein einstimmiger Grundsatzbeschluss dieses Landtags. Die SPD-Fraktion hat einen weiteren Antrag eingebracht, der nach den Herbstferien diskutiert werden wird. Die Überschrift lautet: "Faire Beschaffung durch den Freistaat Bayern
soziale und umweltbezogene Aspekte bei Vergaben des Freistaats stärker berücksichtigen". Darin wird vor dem Hintergrund einer neuen Richtlinie der EU gefordert, dass die öffentliche Hand bei Vergabeprozessen mehr Möglichkeiten hat, zum Zuge zu kommen.
Kurzum als Fazit: Wir als Verbraucher sind auch dafür verantwortlich, wie sich die Arbeitsprozesse weltweit gestalten. Schließlich nehmen wir diese Produkte ab, verwerten sie, konsumieren sie. Die öffentliche Hand hat bei ihrer Auftragsvergabe eine besondere Verantwortung. Wir fordern alle Ministerien auf, bei ihren Vergaben zukünftig genau solche Aspekte zu berücksichtigen.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben diesen Antrag heute ins Plenum hochgezogen, weil die Beratung im Sozialausschuss zu diesem Antrag ein wenig befremdlich war. Das sage ich vorab. Der Antrag ist Teil eines umfassenden Antragspakets der SPD, das sich auf den "Datenreport: Soziale Lage in Bayern 2014" des Freistaats Bayern bezieht.
Kolleginnen und Kollegen, in unserem Antrag geht es konkret um eine Gruppe, die leider leicht aus dem Fokus gerät und die man bei der allgemeinen Freude über die relativ gute Arbeitsmarktlage in Bayern relativ schnell vergisst. Immerhin sind 62.000 Menschen in Bayern langzeitarbeitslos – nach der Definition also länger als ein Jahr. Viele davon sind jedoch bereits seit vielen Jahren arbeitslos. Es handelt sich oft um Menschen, die vom Strukturwandel in den großen Städten und in den Industrieregionen, zum Beispiel in Nürnberg – ich nenne die Firmen Grundig, Quelle und AEG –, betroffen waren. Nach Firmenschließungen haben sie keine neuen Arbeitsplätze mehr gefunden. Um solchen Menschen wieder eine Chance für einen neuen Existenzaufbau zu geben, sind von Arbeitsministerin Andrea Nahles, aber auch schon von ihren Vorgängern immer wieder Programme aufgelegt wor
den, die speziell auf diese Menschen zugeschnitten sind. Sie zielen darauf ab, dass wir für diese Menschen Brücken bauen, damit sie auf dem ersten Arbeitsmarkt wieder Fuß fassen. Das ist das Ziel der sozialdemokratischen Arbeitsmarktpolitik. Mit der Eingliederung der Menschen in den ersten Arbeitsmarkt soll ihnen eine neue Perspektive gegeben werden.
Es gibt ein ausgezeichnetes Programm des Arbeitsministeriums. Ich erinnere die Kolleginnen und Kollegen der CSU daran, dass sie Mitglied der Koalitionsregierung in Berlin sind und damit diesem Programm insgesamt zugestimmt haben.
Jetzt geht es um die Umsetzung bzw. um die praktische Handhabe. Zur Verwirklichung dieser Programme sind immer zwei Beteiligte erforderlich; wir brauchen zum einen die Jobcenter und die Arbeitsagenturen, die aus dem Pool der Langzeitarbeitslosen geeignete Bewerber heraussuchen und ihnen Angebote unterbreiten. Dabei handelt es sich um Angebote aus dem ganz normalen Arbeitsleben, die staatlich gefördert werden und den Arbeitgebern damit einen Anreiz bieten, speziell diese Menschen einzustellen. Zum anderen brauchen wir Betriebe, die sich dieser Problematik öffnen und sagen: Ja, wir geben einem Menschen, der längere Zeit aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist, eine neue Chance.
Zu diesen Betrieben – das ist unser Anliegen – gehört auch der öffentliche Dienst. Heute Morgen haben wir von Finanzminister Söder gehört, wie viele Stellen es in Bayern gibt. Das sind viele Tausend Stellen. Wir sind der Meinung und der Überzeugung, dass sich der öffentliche Arbeitgeber, konkret der Freistaat Bayern, dieser Problematik öffnen muss und er einige Stellen, nicht Hunderte oder Tausende, im Rahmen dieses Programms zur Verfügung stellen sollte. Mit unserem Antrag verlangen wir lediglich, dass überprüft wird, wie sich der Freistaat Bayern als öffentlicher Arbeitgeber an diesem Programm beteiligen kann. Das ist die erste Forderung.
Zweitens soll in Unternehmen, an denen der Freistaat beteiligt ist, ein Bewusstsein für die Beteiligung an diesen Programmen gestärkt werden.
Drittens sollten die Unternehmen vonseiten des bayerischen Arbeitsministeriums ermutigt werden, sich diesem Thema zu stellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, am Anfang habe ich gesagt, dass ich die Diskussion im Sozialausschuss persönlich befremdlich empfunden habe. Ich habe den Eindruck, dass Sie entweder das Programm nicht
verstanden oder kein Bewusstsein für diese ernste Problematik entwickelt haben. Ich erinnere Sie noch einmal daran, dass 62.000 Menschen in Bayern davon betroffen sind. Im Sozialausschuss wurde argumentiert, dass der öffentliche Dienst seine Mitarbeiter nach dem Leistungsgedanken einstellt. Das machen jedoch alle Betriebe, die sich auf dem privatwirtschaftlichen Sektor im Wettbewerb behaupten müssen. Von diesen Betrieben verlangen wir jedoch eine Teilnahme. Dafür sind die Programme da; denn ohne Abnehmer in den Betrieben sind die Programme wirkungslos und können in der Praxis nicht umgesetzt werden.
Wir haben den Antrag hochgezogen, um Sie zu bitten, sich den Antrag noch einmal genau anzuschauen. Wir fordern lediglich die Überprüfung, inwieweit sich der Freistaat Bayern an dem Programm beteiligen kann. Wir sollten die Unternehmen, an denen der Freistaat beteiligt ist, dazu ermuntern, sich an dem Programm zu beteiligen. Außerdem sollte man der bayerischen Wirtschaft signalisieren: Gebt diesen Menschen eine Chance und stellt ihnen geeignete Arbeitsplätze zur Verfügung. Ich bin gespannt auf die heutige Debatte und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit – auch wenn einige schon in die Mittagspause gegangen sind.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Herr Kollege Huber, das kann ich jetzt ein
fach nicht so stehen lassen. 95 % Ihrer Einlassungen auf meinen Redebeitrag waren schlicht und ergreifend eine Themaverfehlung. Erstens habe ich in dem Antrag nicht das gefordert, was Sie uns vorwerfen, und zweitens ist das auch nicht Thema dieses Antrags.
Ich will Ihnen noch einmal das Thema dieses Programms vorlesen.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) – Sie kennen es. In diesem Programm ist ausdrücklich festgehalten, dass neben privatwirtschaftlichen Unternehmen auch öffentliche Arbeitgeber Beschäftigungsverhältnisse im Rahmen des Programms schaffen können. Ich gehe davon aus, dass Sie wissen, dass die großen Städte in Bayern diese Aufgabe durch die Schaffung von Beschäftigungsgesellschaften sehr erfolgreich lösen. Die Langzeitarbeitslosigkeit in Bayern ist auch deshalb zurückgegangen, weil es in den Kommunen aktive Beschäftigungsgesellschaften gibt, die genau diese Programme ausfüllen.
Der Freistaat Bayern hat keine solche aktive Beschäftigungsgesellschaft, ist aber ein großer Arbeitgeber, wahrscheinlich der größte, wenn wir uns die Zahl der Stellen ansehen. Noch einmal: Wir fordern mit dem Antrag nicht, dass in einzelne Stellenbesetzungen eingegriffen werden soll. Das ist eine Unterstellung. Das fordern wir in dem Antrag überhaupt nicht. Mit dem ersten Satz des Antrags geht es uns darum, dass überprüft und nachgeschaut wird, ob es auch bei uns Beschäftigungsmöglichkeiten gibt, mit denen wir über dieses Programm Menschen in die Arbeit integrieren könnten. Das wäre ähnlich wie bei den Schwerbehinderten, bei denen sich der Freistaat Bayern auch beteiligt. Um etwas anderes geht es nicht.
Insoweit haben Sie eine Themaverfehlung allererster Güte abgeliefert. Herr Huber, einen Satz möchte ich Ihnen zum Schluss noch mitgeben: Belehren müssen Sie uns nicht!
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion hat eine eindeutige
und klare Meinung zu diesem Antrag der GRÜNEN. Wir haben ihm im Sozialausschuss zugestimmt und werden das auch heute tun. Wir vertreten diese Meinung nicht erst, seitdem die Flüchtlingszahlen gestiegen sind, sondern wir haben die Meinung schon in der letzten Legislaturperiode vertreten. Wir waren immer der Überzeugung und wir halten es nach wie vor für richtig, die Menschen, die bei uns Schutz und Hilfe suchen, eher in kleinen Einheiten als in großen Einheiten unterzubringen.
Das hat ganz viele Vorteile. Das hat einmal den Vorteil, dass man auch bei den Flüchtlingen unterscheiden kann, dass man zum Beispiel Frauen mit Kindern, Familien mit Kindern oder Menschen mit Einschränkungen besonders berücksichtigen oder Konflikte innerhalb der verschiedenen Gruppen von Flüchtlingen vermeiden und so viel stärker auf die besondere Situation Rücksicht nehmen kann. Es hat auch den klaren Vorteil, dass bei kleinen Einheiten die Akzeptanz in der Bevölkerung im Umfeld wesentlich größer ist als bei großen zentralen Einheiten. Das haben viele Beispiele gezeigt. Ich erinnere an die Diskussion um die Bayern-Kaserne in München, bei der die Vielzahl von Menschen, die an einem Ort untergebracht wurde, zu großen Konflikten mit der Nachbarschaft geführt hat. Insofern haben wir uns in Zeiten, Herr Kollege Huber, als die Flüchtlingszahlen noch nicht diese Höhe erreicht haben, wie das im letzten Jahr der Fall war, immer für die Einrichtung von dezentralen Unterkünfte starkgemacht. Das wird auch weiterhin unsere Position bleiben.
Herr Kollege Huber, Sie haben eine wichtige Analyse vorgenommen. Sie haben gesagt, Sie hätten immer auf zentrale Einheiten in Bayern gesetzt. Ich erwähne nur gewissermaßen in Klammern, dass der Freistaat Bayern eines der wenigen Bundesländer ist – wenn nicht sogar das einzige –, das in der Unterbringungssituation überhaupt auf zentrale Unterkünfte setzt. In vielen Bundesländern war die dezentrale Unterbringung, sogar die Unterbringung in Privatwohnungen, die erste Maßnahme. Nur Bayern ist dabei ausgeschert. Sie haben richtig beschrieben, dass die zuständigen Bezirksregierungen aufgrund der zunehmenden Flüchtlingszahlen mit der Unterbringung nicht mehr nachgekommen sind. In Bayern hat es über einen langen Zeitraum menschenunwürdige Zustände gegeben. Schließlich haben sich die Bezirksregierungen an die Kommunen und die Gemeinden gewandt und gesagt: Bitte, bitte helft uns und schafft dezentrale Unterkünfte. Das haben die Gemeinden und Kommunen in hervorragender und beispielhafter Weise getan. Sie haben viel Arbeit investiert und auch mit der Bevölkerung in den Gemeinden diskutiert. Als Bürgermeister, verantwortliche Politiker oder Vertreter der Zivilgemeinschaft – das sind Kirchen, Helferkreise
oder was auch immer – stehen sie zu den kleineren dezentralen Unterkünften in kleinen Orten, da sie zur Integration beitragen. Das hat Frau Kollegin Kamm bereits ausgeführt. Nachdem die Zahlen zurückgegangen sind, drehen Sie das Ganze wieder um und sagen auf einmal: Die Leistungen der Kommunen und Gemeinden brauchen wir nicht mehr; schaut, dass ihr euch davon trennt, werdet die möglichst schnell wieder los.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, lieber Herr Huber, eine Begründung, warum die zentrale Unterbringung kostengünstiger als die dezentrale ist, schulden Sie uns noch. Im Sozialausschuss haben wir mehrere Anträge gestellt, mit denen wir Auskünfte über die Kosten gefordert haben. Letztendlich hat uns die Rechnung noch keiner geliefert.
Herr Kollege Huber, Sie reden vom Gerechtigkeitsprinzip und sagen, wir dürften die einheimische Bevölkerung nicht benachteiligen. Bei diesem Punkt sind wir voll bei Ihnen. Insbesondere im Hinblick auf die Wohnraumversorgung wird die Integration in den nächsten Jahren zu einer großen Herausforderung. An einer Umwandlung dezentraler Unterkünfte, die in vielen Fällen aus abgewirtschafteten Wirtshäusern bestehen, in Wohnraum müssen Sie jedoch die Kommunen und Gemeinden beteiligen.
Wir wollen keine Strukturen aufbauen und Stadtteile für die Unterbringung anerkannter Flüchtlinge ausweisen. Sie müssen den Städten, Gemeinden und Kommunen die Entscheidung überlassen, wo dieser Wohnraum entsteht. Dass es sich finanziell lohnt, in diese Unterkünfte zu investieren, halte ich nach wie vor für fragwürdig.
Unser Fazit lautet: Wir waren bereits in den Jahren 2011, 2012 und 2013, als wir im Sozialausschuss über das Thema Flucht und Asyl diskutiert haben, für mehr dezentrale Unterkünfte und weniger große Einheiten. Dezentrale Unterkünfte bieten viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten und berücksichtigen die Bedürfnisse der Flüchtlinge. Außerdem schaffen dezentrale Unterkünfte eine bessere Nachbarschaftsverträglichkeit. Deshalb teilen wir die Forderungen im Antrag der GRÜNEN nicht erst seit heute, sondern schon seit vielen Jahren.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns im Ausschuss bei der Abstimmung zu diesem Antrag tatsächlich enthalten, und ich möchte kurz begründen, warum. Kollegin Kamm und liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, ich wundere mich sehr, dass ihr diesen Antrag jetzt, im Mai dieses Jahres, noch mal ins Plenum hochzieht.
Lassen Sie mich noch einmal kurz auf die Geschichte eingehen. Es kann doch eigentlich gar nicht in eurem Interesse liegen, diesen Antrag hochzuziehen. Ihr wollt das Gesetz jetzt durch eine ganz starre Regelung ändern, die meiner Ansicht nach nicht praktikabel ist und die auch nicht im Sinne des Kindeswohls liegt. Sie können sicher mir und meiner Fraktion nicht absprechen, dass für uns das Kindeswohl an allererster Stelle steht.
Kollegin Kamm, dieses Gesetz zur landesweiten Umverteilung ist insbesondere von den CSU-Kollegen im Bund forciert worden – die Kollegin Kaniber hat es vorhin deutlich gesagt –, und zwar vor dem Hintergrund, dass sehr viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu uns gekommen sind. Ist es tatsächlich Ihr Interesse, jetzt, nachdem wir in Bayern sehr gute Strukturen aufgebaut haben, diese schnelle Verteilung noch weiter voranzutreiben?