Rainer Nalazek

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Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Auf dem heute beginnenden Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Kopenhagen soll über die Erweiterung der Europäischen Union entschieden werden. Wir begrüßen daher die Anfrage der Grünen und die dazugehörige Antwort des Senats, die uns den Anlass geben, zu diesem wichtigen Thema in einer so hoffentlich symbolhaften Woche, in der der endgültige Beschluss zur Erweiterung gefasst werden soll, zu debattieren.
Die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen legt deutlich dar, dass die Erweiterung der Europäischen Union ein historisches, politisches, ökonomisches und soziales Projekt ist. In den kommenden Jahren wird es im Wesentlichen darauf ankommen, die Unterstützung der Bevölkerung für dieses Projekt in den alten und neuen Mitgliedstaaten zu gewinnen und zu erhalten. Dieser Feststellung können wir alle uneingeschränkt zustimmen.
Schließlich geht es meines Erachtens vorrangig um eine bessere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Wir wollen die Menschen in unserer Region bei dem historischen Projekt der Erweiterung mitnehmen und ihnen diesen Prozess näher bringen. Zugleich wird es aber darum gehen, die Gestalt der Europäischen Union, die durch die Erweiterung viel an Farbe und Vielfalt gewinnen wird, in ihrer zukünftigen Form zu formen oder weiterzuentwickeln und ihre Zukunft gerade vor dem Hintergrund des Konvents zu diskutieren. Es ist deshalb wichtig, auch in diesem Parlament darüber zu diskutieren.
Nicht die Zusammenarbeit der Verwaltungen, der Wirtschaft, der Hochschulen wird es sein, die dies allein den Bürgern vermittelt. Es werden auch die Parlamente sein, die ein neues regional-europäisches Leitbild in die Gesellschaft, die Vereine, Verbände, Organisationen transportieren werden. Wir sind und müssen uns dieser Verantwortung bewusst sein.
Bremische Politik war und ist für uns die Frage der gegenseitigen Aussöhnung zwischen Ost und West. Hier besitzt Bremen immer noch eine internationale Anerkennung. Wesentlich dazu beigetragen
haben die partnerschaftlichen Verbindungen Bremens zu Städten in Osteuropa, die unserem Land Gewinn bringen und auf die wir stolz sind.
Heute jedoch steht die Europäische Union vor der einschneidendsten Veränderung in ihrer Geschichte. In den beiden nächsten Tagen soll auf dem EUGipfel in Kopenhagen über die Erweiterung der Union entschieden werden. Der Weg dorthin war weit und windungsreich, Steine gab es zahlreiche bei dem Prozess, der, wenn man die Bewerbungsdaten außer Acht lässt, spätestens 1993 begann und damit nun mehr als eine Dekade Zeit einnahm. Im Frühsommer vergangenen Jahres hatten Irlands Stimmbürger noch nein zum Unionsvertrag von Nizza gesagt, der unter anderem die institutionellen Voraussetzungen für die Erweiterung und das Eingliedern der neuen Mitglieder in die Entscheidungsorgane der EU definiert. Ohne eine Ratifizierung des Vertrags von Nizza hätte die Erweiterung ins Schwanken geraten können. Der Vertrag von Nizza wurde erst im zweiten Anlauf Mitte Oktober dieses Jahres, aber dann mit klarer Mehrheit angenommen.
Eine weitere Hürde war die Agrarpolitik. Dass dieses Thema voraussichtlich nicht zum Zankapfel der Erweiterung Europas wird, verdanken wir nicht zuletzt Staatspräsident Chirac und Bundeskanzler Schröder, die eine Lösung über die Finanzierung der EU-Agrarpolitik über das Jahr 2006 hinaus gefunden haben.
Wir haben Verständnis dafür, dass die Grünen das anders beurteilen, aber jeder von uns weiß doch, dass Kompromisse die Eigenart haben, dass keine Seite ihre Position zu 100 Prozent durchsetzen kann. Deshalb kennzeichnet für mich das Zitat in der polnischen Zeitung „Gazeta Wybercza“, die das Ergebnis des Gipfeltreffens beider Staatsmänner als eine Lektion des europäischen Realismus charakterisiert hat, sehr viel stärker die Bedeutung des Kompromisses als die kritische Anmerkung der Grünen.
Wir wenden uns mit Nachdruck gegen die Auslegung, die künftigen neuen Mitglieder würden in erster Linie an materielle Vorteile denken. Das ist nicht ihr vorrangiges Ziel, denn die Anstrengungen, die die Staaten für die Anpassung an den Gesamtverträgen haben, auf sich nehmen müssen, waren und sind kein Zuckerschlecken. Auch in den Beitrittsländern mussten unpopuläre Entscheidungen getroffen werden, um den Anforderungen der Gemeinschaft zu genügen. Ihr berechtigtes Interesse bezieht sich auf den Wunsch, nicht in einer EU als Mitglied zweiter Klasse leben zu wollen, sie wollen keine Pufferstaaten sein, sondern gleichberechtigt mitwirken, aber auch gleichberechtigt teilhaben an allen Ergebnissen der europäischen Integration.
Die EU forderte in den Verhandlungen die unangefochtene Annahme des gesamten Vertragswerks, und das verpflichtet. Gleichwohl müssen wir natürlich früheren Beschlüssen die Treue halten und die finanziellen Begehrlichkeiten in einem realistischen, aber auch solidarischen Rahmen bewahren. Dies sehe ich in der bestehenden Beschlussfassung gewährleistet.
Einige warnen jedoch auch kontinuierlich vor den Risiken der Erweiterung. Es ist ein weit verbreitetes, vielleicht auch aus der Sicht der Bevölkerung auch bedingt nachvollziehbares Phänomen, dass man die Erweiterung kritisch beurteilt. Oftmals ist das aber auf mangelnde Information zurückzuführen und ist, wenn man die Fakten betrachtet, auflösbar.
Unsere Aufgabe besteht daher meiner Ansicht nach auch darin, wenn wir die Bürger Bremens mitnehmen wollen auf den Weg der Erweiterung, diese Informationsmängel, die so oft Quelle von Unsicherheit oder gar Ängsten sind, zu bekämpfen und für die positiven Effekte der Erweiterung zu werben.
Für das Bundesland Bremen und objektiverweise für alle Nordländer bietet sich die Chance, gemeinsam mit den regionalen Partnern der EU Bindeglied zwischen der Ostseeregion und dem Nordseeraum zu werden. Durch die Öffnung der Grenzen und die anstehende Erweiterung der EU hat sich der Standortvorteil von Bremen und Norddeutschland deutlich verbessert. Deutschland rückt durch die neuen Mitglieder mehr in das geographische Zentrum der EU. Bremen, näher in die Mitte Europas gerückt, nimmt zunehmend eine Brückenfunktion zwischen Ost und West ein und wird zum Drehkreuz werden für Waren- und Verkehrsströme eines gesamteuropäischen Wirtschaftsraumes.
Der Ausbau der Logistikstrukturen in Bremen ist für mich ein klares Indiz für diese wachsende Chance unseres Landes. Der Außenhandel zieht an, die Integration der Beitrittsländer in die Wirtschaft der EU schreitet schon jetzt voran. Im Jahr 2000 setzten diese Staaten durchschnittlich 62 Prozent ihrer Ausfuhren in die EU ab, 58 Prozent ihrer Einfuhren kamen aus der EU. Der Handel zwischen den Beitrittsländern und Bremen und Bremerhaven entwickelt sich erfreulich. In einem Umkreis von 1000 Kilometern um das Dreieck Bremen, Hannover und Hamburg liegen die bedeutendsten Wirtschaftsregionen Europas. Die regionale Entwicklung im heutigen Europa endet nicht mehr an nationalen Grenzen.
Grenzüberschreitende Projekte und Aktivitäten in den Bereichen Wirtschaftsförderung und Technologie, Umweltschutz und Hafenpolitik bilden Grundlagen, um die Potentiale der Grenzräume, aber auch der übrigen Regionen optimal zu nutzen. Durch die anstehende Erweiterung der EU wird alles noch viel
fältiger. Bremen und Norddeutschland werden damit zu einer faszinierenden Drehscheibe in Europa. Es ist unumstritten und in den wirtschaftlichen Statistiken weitreichend belegt, dass Deutschland zu den wirtschaftlichen Gewinnern der Erweiterung gehört und viele Vorteile bereits umgesetzt hat beziehungsweise Ansätze dazu geknüpft hat. Die vorsichtigen Übergangsregelungen, was bestimmte Güter angeht, aber auch den freien Personenverkehr betrifft, schützen die beteiligten Staaten auf beiden Seiten, wo es für nötig erachtet wurde.
Deutschland wird profitieren und profitiert bereits von Spezialisierungseffekten im Industriebereich, was für die deutsche Industriestruktur nun wahrlich nicht nur bedrohlich ist, sondern als fruchtbar gewertet werden muss. Die Wirtschaftswissenschaftler werden bestätigen, dass nicht nur in der Theorie, sondern auch in der praktischen Erfahrung Handelsbeziehungen zwischen unterschiedlich aufgestellten Handelspartnern zumeist für beide positiv sind, für den stärkeren Handelspartner jedoch stärkere positive Auswirkungen hat.
Wir Deutschen haben also demnach nicht nur vor dem Hintergrund historischer Verantwortung, sondern auch aus ökonomischen Argumenten heraus wenig Grund, die Erweiterung übermäßig kritisch zu beurteilen.
In der Antwort des Senats wird dazu ausführlich Bezug genommen. Ich will zur europäischen Dimension in der Bremer Wirtschaftspolitik nicht wiederholen, was in der Antwort des Senats steht. Lassen Sie mich nur einige allgemeine Feststellungen treffen und einen Ausblick geben!
Das Zeitfenster der Erweiterung steht nicht unendlich offen. Wir brauchen die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger in allen Mitgliedstaaten und in den Beitrittsländern als Voraussetzung der Ratifizierung der Beitrittsverträge. Eine faire Verteilung und Vorteile der Lasten der Erweiterung zwischen Alt- und Neumitgliedern ist deshalb zwingend, denn im Kern geht es in den einzelnen Verhandlungskapiteln immer wieder um das gleiche Problem: In welchem Umfang können den neuen Staaten befristete Schutzmaßnahmen eingeräumt werden, um ihre Volkswirtschaften ohne katastrophale Verwerfungen umzubauen oder wegen der hohen Kosten eine Übernahme des europäischen Rechts zu strecken, und benötigen andererseits die bisherigen Mitglieder ebenfalls begrenzte Schutzklauseln, um die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen zu begrenzen?
Die bisherigen Ergebnisse der Beitrittsverhandlungen geben auf beiden Seiten keinen Anlass für
Ängste. Das will ich an einem Beispiel deutlich machen: Deutschland hat nach langem Ringen Übergangsfristen im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit erzielt. Bis zu sieben Jahren sollen also osteuropäische Arbeitnehmer warten, bis die Freizügigkeit hergestellt wird. Entsprechendes gilt für Einschränkungen bestimmter Dienstleistungssektoren. Die befürchtete Überschwemmung der hiesigen Arbeitsmärkte durch Arbeitnehmer aus Beitrittsländern wird es nicht geben.
Allerdings darf nicht verkannt werden, dass gerade diese Einschränkungen von den Beitrittsländern nur mit Zähneknirschen akzeptiert werden. Daher möchte ich sagen, selbst was den freien Personenverkehr angeht, kann man Ängsten der Bevölkerung entkräftend begegnen. Das Schengen-System gilt als Erfolgsgeschichte schrittweise ausbauender Kooperationen, sonst wäre wohl niemand auf die Idee gekommen, den Vertrag in die Europäischen Verträge zu integrieren.
Die Regeln sind definiert, werden strengstens überwacht, ob es nun derzeitige Mitglieder oder zukünftige Mitglieder betrifft. Dass ein solches Sicherheitssystem auch die osteuropäischen Staaten einschließt, ist begrüßenswert, und in unserem gemeinsamen Sicherheitsinteresse ist dieses Schengen-System mit all seinen Finessen Voraussetzung für die Freizügigkeit im Personenverkehr. Wir teilen hier gemeinsame Sicherheitsinteressen mit Polen, Ungarn und all den anderen osteuropäischen Partnerländern. Angesichts dieser Tatsachen haben wir allen Grund, in den Debatten die positiven Aspekte der Erweiterung in den Vordergrund zu stellen. Ich wiederhole: Bisher sind viele Stolpersteine aus dem Weg geräumt worden, ein Scheitern der Verhandlungen kann sich jetzt niemand mehr leisten.
Gleichwohl sind noch besonders schwierige Kapitel zu verhandeln. Es geht um Regionalpolitik sowie um Finanz- und Haushaltsbestimmungen. Es geht also um das Geld. Wir müssen und können uns diesen Fragen selbstbewusst stellen. Wir machen doch in Bremen und Bremerhaven nicht so viele erfolgreiche Projekte der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, weil diese aus Brüssel gefördert werden, sondern umgekehrt, wir bekommen für unsere Projekte in Bremen aus Brüssel Geld, weil sich diese Projekte vorbildlich in den Gesamtzusammenhang der europäischen Integration und ihre Ziele einfügen.
Selbst wenn wir um jeden Euro kämpfen müssen und werden, von Interreg und anderen Projekten allein kann die Zukunft unseres Landes doch nicht ernsthaft abhängen. Nach unserer Auffassung geben wir die beste Antwort auf diese veränderten Rahmenbedingungen durch die Erweiterung, wenn wir uns tatkräftig darum bemühen, unsere Vorreiterrolle weiter auszubauen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, vorausschauend haben wir bereits 1991 die Neue Hanse Interregio, NHI, mitgegründet, um durch die Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit die Chancen der wegfallenden Grenzen und des Binnenmarktes in der EU gemeinsam zu nutzen. Für uns sind Europa und regionale Identität keine Gegensätze, sondern zwei Seiten der gleichen Medaille.
Zugegeben, ohne Zweifel gehört dazu auch eine breitere europapolitische Öffentlichkeitsarbeit. Auch wir, die Mitglieder der Bremischen Bürgerschaft, hätten dies früher aufnehmen können. Wir begrüßen deshalb die zugesagte Initiative des Senats. Einen Schwerpunkt der europapolitischen Zusammenarbeit bildet die jährlich im Mai stattfindende Europawoche, die in Zusammenarbeit mit anderen Ländern, Institutionen und bilateralen Gesellschaften durch die Europaabteilung des Senats initiiert und koordiniert wird. Von Jahr zu Jahr steigt der Bekanntheitsgrad, und das Netzwerk der Veranstalter entwickelt sich sehr positiv.
Grundsätzlich werden in dieser Europawoche alle europapolitischen Themen angesprochen. Die Politiken der EU bilden mit dem Thema der Wirtschaftsund Währungsunion, Erweiterung, Reform der Europäischen Union, Förderprogramme und Jugendorientierung einen Schwerpunkt. Schwerpunkt sind Veranstaltungen mit unseren ausländischen Partnern in Sonderheit mit Danzig, Riga und von Fall zu Fall auch mit Bratislava. Insofern werden gerade die Veranstaltungen zur Erweiterung der EU von Bremen aus mit sehr konkreten Bezügen untermauert. Das Bremer Parlament hat beispielsweise in Zusammenarbeit mit der Europaunion Veranstaltungen zum Thema Erweiterung mit national und international bekannten Referenten durchgeführt. In Seminaren, Workshops und stadtteilbezogenen Europafesten wird damit Bürgern und Multiplikatoren die gesamte Vielfalt an Informationsmöglichkeiten angeboten.
Dem Erfordernis einer modernen Öffentlichkeitsarbeit über die so genannten neuen Medien trägt eine neue Homepage Rechnung. Auf ihr soll versucht werden, die Rolle Bremens in der EU verständlich zu machen. Nicht nur vor dem Hintergrund der EU-Kampagnen der Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, die diesen Bereich energischer als wir angegangen sind, begrüßen wir in der Antwort des Senats die Zusage für die Jahre 2003 bis 2006, eine Teilnahme der Freien Hansestadt Bremen an der von der Kommission initiierten Informationsund Kommunikationskampagne zur Erweiterung der EU zu ermöglichen.
Wir wünschen uns, wie es Altbundespräsident Herzog einmal in Bremen fomulierte, ein Europa, in dem die Menschen sich nicht mehr zuerst als Deutsche
definieren, sondern als Europäer. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Europapolitik auf Landesebene ist eher ein zwiespältiges, man kann auch sagen, widerstreitendes Vergnügen. Wir sind alle für Europa, aber kaum jemand blickt hinter die Kulissen. Jährlich werden rund 150 EU-Vorhaben im Bundesrat behandelt. Zurzeit hat der Bundesrat darüber hinaus insgesamt 308 Ländervertreter benannt, die in 80 Gremien des Rates und 127 Gremien der Kommission mitwirken. Dies zeigt, dass ein wirkungsvolles europäisches Engagement maßgeblich von der Verfügbarkeit EU-bezogenen Fachwissens in der Verwaltung und von engen Kontakten zu europäischen Institutionen und Partnern abhängt. Dies stellt hohe Anforderungen an die Koordinierung der Europapolitik in der Landespolitik. Daher begrüßen wir, dass zu Beginn dieser Legislaturperiode die europapolitischen Koordinationseinheiten von der Landesregierung neu aufgestellt wurden.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wer sich also mit der Entwicklung der europäischen Institutionen kritisch beschäftigt und dabei wie wir das Verhältnis Bremens zu eben diesen Institutionen auf den Prüfstand stellt, kann mit der Antwort des Senats auf die Anfrage der Koalitionsfraktionen in weiten Teilen zufrieden sein. Es gibt also Grund, dafür zu danken. Wir erkennen, dass in wesentlichen Bereichen die notwendige Verbindung der bremischen Institutionen zu den Gestaltungskräften im Europäischen Parlament, im Ausschuss der Regionen, AdR, und in der Europäischen Kommission hergestellt ist und wirkungsvoll genutzt wird.
Auch begrüßen wir, dass der Senat zielgerichtet, wie bereits gesagt, vor allem seit Beginn der laufenden Legislaturperiode die Koordination von Aufgaben, Erwartungen und Umsetzung durch die bremische Vertretung in Brüssel und in Berlin in Angriff genommen hat und die Aufgaben kürzlich durch die Staatsrätekonferenz noch einmal konkretisiert hat. Damit ist der Grundstein für eine weitere effektive Nutzung der Einflussmöglichkeiten im Geflecht überregionaler europäischer Gestaltungsmacht gelegt, die, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ja erst bei rechtzeitiger und umfassender Information der betroffenen Ressorts nachhaltig organisiert werden kann.
Wir verbinden damit die Erwartung, dass das Land Bremen in europäischen Fragen auch künftig mit einer fachlich abgestimmten einheitlichen Position auftreten kann. Wir haben mit Gefallen zur Kenntnis genommen, dass die EU-Referenten der Ressorts mit der Erarbeitung einer ressortbezogenen Bestandsaufnahme im Hinblick auf die Ausrichtung der EU-Politik, mögliche Defizite, vorhandene Kapazitäten beziehungsweise Ressourcen und Verbesserungsvorschläge als Beurteilungs- und Entscheidungsgrundlage für eine Staatsrätebefassung bereits begonnen haben.
So weit, so gut! Wir wissen aber auch, der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Deshalb ist neben formalen Ordnungsprinzipien auch und gerade ein Goodwill der beteiligten Mitarbeiter vonnöten. Deren Motivation ist nach unserer Auffassung zu stärken, wobei nicht Unwilligkeit das Problem ist, sondern, und das sehen wir sehr wohl, häufig die zunehmende Mehrbelastung in der Arbeit, die nicht mehr wie früher durch zusätzliche Einstellungen ausgeglichen werden kann. Insoweit ist hier auch der Haushaltsgesetzgeber, mithin die Bremische Bürgerschaft, mit in der Pflicht, Perspektiven und Konzepte zu entwickeln, um daraus die notwendigen Konsequenzen für die Personalentwicklung zu ziehen.
Meine Damen und Herren, ich sage das in Kenntnis der Haushaltslage und der Einsparnotwendigkeiten, vertrete aber dennoch die Meinung, dass wir bei den immer stärkeren Auswirkungen von europäischen Gemeinschaftsentscheidungen auf die nationalen und regionalen Entwicklungen darauf Acht
geben müssen, für Bremen und Bremerhaven rechtzeitig mit am Drücker zu sein. Versäumnisse, versäumte Chancen werden ganz bittere Auswirkungen auf die Zukunft unseres Landes, auf unseren Zwei-Städte-Staat haben. Deswegen bitte ich, auch als Vorsitzender des Europaausschusses, die Kolleginnen und Kollegen dieses Parlaments, hier die übergreifenden Maßnahmen des Senats im Hinblick auf die Europafähigkeit der Abteilung der Bevollmächtigten zu unterstützen und somit möglichst von Einsparungen auszunehmen.
Gleichwohl will ich nicht verschweigen, was mich an der Senatsantwort stört. Viel zu häufig, nicht zuletzt bei den von uns abgefragten Überlegungen des Senats zur Personalsituation und zur Freistellung bremischer Bediensteter an europäische Institutionen, wird geantwortet, dass hier die Details zwar gesehen werden, aber die Lösungen in die Zukunft verlagert werden. Wer uns mitteilt, dass etwas geschehen soll, dann aber nicht aufzeigt, dass bereits etwas Konkretes geschieht, macht deutlich, dass sich die Maßnahmen immer noch im Stadium von Absichten und Planungen befinden und noch nicht bei einer realistischen Umsetzung angekommen sind. Das sollte schleunigst geändert werden!
So bleibt zu hoffen, dass die Staatsrätekonferenz, die vom 8. bis 10. Oktober dieses Jahres in Brüssel durchgeführt wurde, zu einer Beschleunigung der Umsetzungen führt. Gewiss, das wissen wir auch aus unserer eigenen Arbeit im Parlament, brauchen Koordination und Absprachen Zeit. Es kann nichts Vernünftiges beim bloßen Durchpeitschen erwartet werden, denn es muss etwas geschehen!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Frage der Zusammenarbeit mit den europäischen Institutionen steht nicht erst seit heute auf der Tagesordnung. Ich sage das so ausdrücklich, weil ich zugleich anerkenne, dass mit der jetzigen Senatsantwort jedenfalls der Weg für eine sachgerechte Arbeit mit Außen- und Binnenwirkung geebnet ist. Wenn dann noch die Bremische Bürgerschaft vom Senat in vermehrtem Umfang in den Informationsfluss einbezogen wird und wir uns mit den auf Bremen und Bremerhaven einwirkenden Maßnahmen nicht nur im rechtlichen Raum und haushaltswirksamen Bereich, sondern auch in der gestalterischen Kraft rechtzeitig beschäftigen können, ist die Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit zwischen Parlament und Landesregierung gegeben. Daran sind wir interessiert. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Erweiterungsprozess der EU befindet sich in diesen Wochen und Monaten in der letzten entscheidenden Phase. Die Empfehlungen der Europäischen Kommission, die sie vor knapp 14 Tagen, am 9. Oktober, in ihrem jährlichen Bericht vorgestellt hat, zielen explizit auf die baldige Aufnahme von zehn neuen Mitgliedern in die EU. Wir begrüßen diese Entwicklung und sind überzeugt, dass nun, da das Referendum zum Nizza-Vertrag in Irland erfreulich ausgegangen ist und auch die niederländische Regierung sich weiterhin befürwortend geäußert hat, der Erweiterungsprozess in vorgesehener Form eingehalten wird.
Die wachsende Europäische Union und insbesondere die Mitgliedschaft von Staaten, die in ihrem wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsstand Nachholbedarf haben, bringen erhebliche Konsequenzen für die vorhandenen Ressourcen in der Regional- und Strukturpolitik mit sich. Das wissen wir alle. Meine verehrten Damen und Herren, es ist allen Beteiligten vollkommen klar, dass sich das Fördervolumen der EU-Strukturpolitik in erheblichem Maße auf die Beitrittsländer verlagern wird und dies auch im Sinne der europäischen Solidarität ein unangefochtenes Muss darstellt.
Wir fühlen uns dem Ziel europäischer Strukturpolitik, regionale Disparitäten zu mildern und auf der Basis europäischer Solidarität für die Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts in der Gemeinschaft Sorge zu tragen, verpflichtet. So wie etwa die südeuropäischen Regionen in den achtziger Jahren, aber auch die ostdeutschen Länder in den neunziger Jahren aus den vorhandenen Fonds profitiert haben und bis heute profitieren, so steht dies zum Zeitpunkt des Beitritts auch den neuen Mitgliedern zu. Darum ist die Reform des Politikbereichs Strukturförderung unter dem Aspekt finanzieller Rahmenbedingungen zwingend notwendig und befindet sich derzeit in reger Vorbereitung.
Auf Seiten der EU sind die Konsultationen der Kommission im Gang, und unsere Fachministerkonferenzen haben bereits über ihre Interessenvertretung gegenüber Bund und EU beraten. In dieser Woche werden die Ministerpräsidenten der Länder versuchen, sich auf eine Strategie der gemeinsamen Interessenvertretung zu verständigen. Auf EU-Seite avisiert die Kommission, im Januar 2003 ein Konzept zur Reform der Strukturfonds auf den Tisch zu legen.
Meine verehrten Damen und Herren, wir alle müssen uns aus den dargelegten Gründen auf ein
erheblich reduziertes Strukturfördervolumen einrichten. Die Freie Hansestadt Bremen war in der Vergangenheit nicht nur aktiv, sondern auch überdurchschnittlich erfolgreich im Akquirieren europäischer Strukturfördermittel. Bremen und Bremerhaven konnten in den Jahren 2000 und 2001 von einer Gesamtsumme von etwa 30,6 Millionen Euro profitieren und diese dem Strukturwandel in unserer Region zukommen lassen. Selbstverständlich liegt es im bremischen Interesse, die notwendigen Förderungen, die unserer Region zugute gekommen sind, nicht einfach abreißen zu lassen. Selbstverständlich müssen wir uns daher auch um die Reformdebatte und eine angemessene Vertretung bremischer Interessen hierbei kümmern. Wir müssen sicherstellen, dass der Strukturwandel, der selbstredend eine angemessene finanzielle Basis braucht, weiter gestützt werden kann.
Gerade daher aber lehnen wir es ab, die Position Bremens durch eine verfrühte Festlegung in der Debatte um die zwei Optionen, die im Kontext zukünftiger Strukturpolitik geführt wird, zu schwächen. Nur im Verbund mit den anderen deutschen Bundesländern können wir unsere Interessen zunächst gegenüber dem Bund, aber auch auf der Europaebene wirksam zum Ausdruck bringen. Die Europaministerkonferenz hat sich im September dieses Jahres auf Orientierungspunkte verständigt, die die Entscheidung zwischen den zwei Varianten Fortführung einer EU-Strukturpolitik nach entsprechender Reform auf der einen und dem Systemwechsel zum Nettofondsmodell auf der anderen Seite offen lässt.
Wir haben die Situation, dass unter den deutschen Ländern unterschiedliche Interessenlagen vorherrschen. Wir Bremer als Ziel-zwei-Förderempfänger sollten nicht aus der Gruppe der Ziel-zwei-Länder ausscheren, die, bei allem berechtigten Zweifel gegenüber der Vorteilhaftigkeit des Nettofondsmodells, zunächst die Option offen halten wollen. Es ist richtig, dass es Prognosen gibt, die die Vorteilhaftigkeit einer Fortführung des Systems europäischer Strukturpolitik in einem reformierten Rahmen für Bremen für wahrscheinlich halten. Nebenbei, die Mehrheitsfähigkeit eines Nettofondsmodells in der EU darf angezweifelt werden.
Meine verehrten Damen und Herren, eine tatsächliche Bewertung des Nettofondsansatzes, die nun einmal die Voraussetzung für eine ablehnende Haltung gegenüber diesem Modell ist, ist abhängig von der Bereitschaft der Bundesregierung, einen in dieser Variante vorgesehenen Wegfall europäischer Strukturfördermittel durch nationale Instrumente zu kompensieren. Solange wir dazu keine definitive Aussage haben, möchten wir uns keiner Option gegenüber verschließen, wie es der werte Kollege Dr. Kuhn gern hätte und mit dem vorliegenden Antrag anstrebt.
Lassen Sie es mich salopp formulieren: Der Jäger schießt doch auch erst auf den Hasen, wenn er seine Konturen klar erkennen kann!
Die Konturen, also die klaren Rahmenbedingungen, werden nicht vor dem Treffen der Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung am 19. Dezember des Jahres absehbar sein. Wir halten es daher für nicht kompatibel mit bremischen Interessen, uns nun von Parlamentsseite auf eine der beiden Optionen festzulegen.
Wir dürfen nämlich, und das ist ein ganz wesentlicher Punkt, auch nicht aus dem Auge verlieren, dass die Frage der Zukunft der Strukturfördermittel ja nun nicht in einem luftleeren Raum hängt. Wenn es um die Verhandlung über die finanziellen Rahmenbedingungen mit dem Bund geht, spielt die Frage der Fördermittel unmittelbar in die Diskussion der Föderalismusreform und die Debatte zur Reform der Mischfinanzierung hinein. Wieder etwas salopp ausgedrückt: Wir wären doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir der Möglichkeit späterer Gesamtpakete, die die Finanzverteilung im Verhältnis zwischen Bund und Ländern auf neue Füße stellen soll, hier und jetzt mit einer einseitigen Bindung an ein Modell den Raum nehmen.
So sehr wir die Stoßrichtung des Antrags des Kollegen Dr. Kuhn in der Forderung nach der jetzigen Entscheidung für das eine und gegen das andere Modell im Sinne einer künstlichen Einschränkung der Spielräume ablehnen, so sehr teilen wir doch die Auffassung zu vielen im Antrag angesprochenen Einzelelementen des Kollegen Dr. Kuhn. Wieder andere Elemente des Antrags finden wir diskussionswürdig. Daher plädieren wir dafür, den vorliegenden Antrag an den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten zu überweisen, um die umfangreichen Details dieser komplexen Materie dort zu diskutieren. Dort können wir dann einen Antrag erarbeiten, der die konsensualen Punkte bremischer Interessen mit Blick auf die zukünftigen Strukturfördermittel aufgreift. Dort können wir dann auch Position zu Einzelthemen beziehen, eben ohne die Länderposition gegenüber dem Bund von vornherein zu schwächen.
Lassen Sie mich zusammenfassend sagen: Natürlich haben wir das Recht und selbstredend auch die Pflicht, als Landesparlament Positionen zu beziehen, wenn es bremischen Interessen zuträglich ist. Aber parlamentarische Profilierung zur Unzeit, ohne zeitlichen Zwang und sachgerechte Wirksamkeit, das ist nun einmal nicht unser Interesse. Lassen Sie uns nicht den Fehler machen, mit sicherlich gut gemeintem, der europäischen Sache zugeneigtem Aktionismus unsere eigene Positionierung in diesem Prozess frühzeitig zu schwächen! Ja, auch wir wollen uns
zeitnah mit der Sicherung der Ziel-zwei-Förderung unseres Landes befassen. Hierfür scheint jedoch noch eine detaillierte Debatte nötig zu sein, damit wir den bremischen Interessen in allen Facetten der derzeitigen Verhandlungssituation sachgerecht und angemessen Rechnung tragen können. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lebenslanges Lernen ist der Schlüssel, um die Herausforderungen des immer schnelleren Wandels in allen Bereichen unseres Lebens und Arbeitens zu bewältigen. Das betrifft alle Bildungsbereiche, von der Kindergarteneinrichtung bis zur Weiterbildung. Das bezieht sich gleichermaßen auf die Entwicklung der Persönlichkeit, auf Teilhabe an und Gestaltung der Gesellschaft wie auf Beschäftigungsfähigkeit. Dies alles kann Politik nicht allein leisten.
Meine Damen und Herren, es kommt auch auf diejenigen an, die an den Bildungseinrichtungen lehren. Sie müssen mitgehen, Ideen entwickeln und Initiativen ergreifen.
Ohne sie kann keine Bildungsreform zum Erfolg führen. Noch mehr Eltern und Unternehmen müssen sich fragen: Was kann ich tun, wie kann ich meinen Beitrag leisten? Da ist der gespendete Computer wichtig, doch der gespendete Computer ist nicht alles. Noch wichtiger ist die Bereitschaft zur echten Partnerschaft, zur Hilfe, ohne dass ich morgen bereits den Profit auf dem Tisch habe. Das heißt, wir müssen gemeinsam Rahmenbedingungen für ein lebenslanges Lernen schaffen, das dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung trägt.
Dazu gehört aus der Sicht der SPD-Fraktion, mit unserem Verständnis von Bildung dazu beizutragen,
dass beispielsweise der Zugang zu den neuen Medien nicht vom Geldbeutel abhängig ist und es so zu neuen Spaltungen und sozialen Ungerechtigkeiten kommt.
Meine Damen und Herren, wenn ich jetzt in die Senatsantwort schaue, kann ich anerkennend feststellen, dass der Senat nicht nur die junge Generation im Auge hat. In Solidarität mit der älteren Generation werden ebenfalls Maßnahmen angeboten. Meine Damen und Herren, wir wollen, dass auch Fünfundfünfzigjährige Chancen haben, wieder in eine attraktive Berufstätigkeit einzusteigen.
Der Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales unterstützt das Programm „Personalgewinnung im Dienstleistungsbereich Telekommunikation“ aus dem Jahr 1999. Das Bündnis für Arbeit und Ausbildung in Bremen und Bremerhaven hat in den letzten drei Jahren wichtige Beträge geleistet, um lebenslanges Lernen in der Freien Hansestadt Bremen ergebnisorientiert für alle Generationen zu gestalten.
Meine Damen und Herren, das Programm „Lebenslanges Lernen“ der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung, BLK, wendet sich an junge Menschen. Bundesweit werden 23 Projekte gefördert. Das Bundesland Bremen ist mit zwei Projekten an der Realisierung dieses Programms beteiligt.
Das Vorhaben richtet sich besonders an die Zielgruppen, die als bildungsbenachteiligt oder auch praktisch begabt gelten, sei es, weil ihre Schulnoten unterhalb des Durchschnitts liegen, sei es, weil sie nicht den Verhaltensnormen entsprechen oder mangelndes Engagement und Interesse zeigen. Da dies zu geminderten Chancen auf dem Arbeitsmarkt und zur Herausbildung weiterer Ungleichheiten führt, soll das Projekt einen Beitrag zur Verbesserung der Lernmotivation leisten. Meine Damen und Herren, Bildung, Wissen und Können unserer Menschen sind unser Kapital.
Dieses Kapital müssen wir vermehren, und zwar flächenhaft auf alle Bildungs- und Weiterbildungsträger in Bremen und Bremerhaven. Wenn Wissen so wichtig für den Fortschritt und die Wettbewerbsfähigkeit unseres Bundeslandes ist, dann müssen wir möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern die Teilhabe daran ermöglichen. Das ist unser Standpunkt von sozialer Gerechtigkeit. Unser Ziel ist es, dass möglichst alle jungen Menschen eine abgeschlossene Berufsausbildung erreichen.
Meine Damen und Herren, unser bremisches Bildungssystem behauptet sich im Bund-Länder-Vergleich gar nicht so schlecht. Zugegeben, 9,3 Prozent Jugendliche ohne Hauptschulabschluss sind 9,3 Prozent zu viel, aber für ein Scheitern bei Jugendlichen gibt es viele Ursachen. Das liegt beileibe nicht zuerst nur bei der Schule , den Lehrern, kurz beim Schulsystem; Wissen und Können ohne individuelle Anstrengung gibt es eben nicht. Fordern und Fördern müssen allerdings zusammenkommen. Wir wollen daher den Prozentsatz derjenigen Jugendlichen, die ohne Schulabschluss bleiben, über gezielte Förderung nachhaltig senken.
Wir sind dabei, dies mit zahlreichen Maßnahmen in die Tat umzusetzen. Ich habe schon auf das BLKProgramm „Lebenslanges Lernen“ verwiesen, das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Schon jetzt zeichnet sich ab, meine Damen und Herren, dass die Absolventen mit mittlerem Abschluss, Realschüler, in den neuen Berufen der Informations- und Kommunikationstechnik sehr gefragt sind. So wie ich das sehe, ist in Bremen und Bremerhaven vieles nicht halb so schlecht, wie es die immer unzufriedenen Schwarzmaler beschreiben.
Meine Damen und Herren, als ich vor einigen Jahren als Ausbildungsleiter eines großen Energiekonzerns auf einem Berufsbildungskongress sprach, war der Umfang der Berufsschulzeit ein großes Diskussionsthema. Soweit ich heute feststelle und als Mitglied des Beirates für Berufsbildung der Handelskammer Bremen weiß, steht dieses Thema zwischen der Wirtschaft und den Berufsschulen nicht mehr im Vordergrund. Wir in Bremen und Bremerhaven haben uns stets darum bemüht, unnötige Fehlzeiten der Auszubildenden im Betrieb zu vermeiden. Ich denke, die Optimierung und Organisation des Berufsschulunterrichts in Bremen und Bremerhaven ist von Wirtschaft, Mittelstand und Handwerk anerkannt.
Das duale System der Ausbildung ist und bleibt die von der Wirtschaft akzeptierte, weltweit anerkannte und deshalb oft kopierte Basis der beruflichen Bildung. Zwei Drittel unserer Jugendlichen durchlaufen diese Bildungseinrichtung. Das duale System, das auf der engen Partnerschaft von Schule und Betrieb beruht, hat sich gut bewährt. Dies gilt es partnerschaftlich zu sichern, indem einerseits die Wirtschaft ausreichend Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt und andererseits die Berufsschulen flexibel und zügig auf die Veränderungen der Arbeitswelt reagieren.
Der Senat hat mit dem Landesprogramm für Ausbildungspartnerschaften und Lernverbünde darauf
reagiert. Sehen lassen kann sich ebenfalls das vom Senat aufgelegte Programm „Lernen mit neuen Medien und Informationstechnologien“, kurz fachkundig LernMIT genannt.
Meine Damen und Herren, wir alle wissen, dass die neuen Medien eine wichtige Rolle bei der Entwicklung zur lernenden Gesellschaft spielen. Lernen ist für viele zu einem alltäglichen Teil ihrer Arbeit geworden. Lernen wird, weil sich die Alltagswelt durch neue Technologien und das Miteinander verschiedener Kulturen ändert, auch zu einem alltäglichen Teil der Freizeit. Lernen hält Ältere in der Mitte der Gesellschaft. Es ist ein entscheidendes Bindeglied zwischen den Generationen. Lebensumspannendes Lernen ist das Mittel zur Integration unserer Gesellschaft. Längst leisten Nischenanbieter Pionierarbeit in Sachen Telelearning, doch sind es meist nicht die etablierten Bildungsinstitute mit der didaktischen und fachlichen Kompetenz, sondern vielmehr Spezialanbieter, die zwar die technische Kompetenz zur Verwirklichung von Online-Schulungen mitbringen, nicht aber die Beratungs- und Betreuungspotentiale.
In der Antwort des Senats habe ich gelesen, dass der Ausstattungsprozess mit notwendiger Infrastruktur und geeigneten Computersystemen im Jahr 2001 bereits weit vorangeschritten ist. Das hört sich gut an, reicht aber nicht aus. Meine Damen und Herren, wir erwarten vom Senat, dass er hier weiter zulegt.
Ziel wäre ein Marktplatz für Wissen ganz ohne Zugangsbeschränkungen, für jeden verfügbar und bezahlbar, ein Marktplatz, auf dem sich die Angebote von öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen ergänzen und miteinander konkurrieren, um eine effektive und personalisierte Weiterbildung zu erreichen. Weg von vorgegebenen Berufsbildern hin zu individuellen Qualifikationsprofilen! Hier, meine Damen und Herren, sind die Arbeitsämter mehr denn je gefordert.
Für den Chef von Siemens heißt lebenslanges Lernen, der Mitarbeiter muss nicht nur sein in der Ausbildung erworbenes Wissen permanent aktualisieren, er muss auch neue Qualifikationen hinzu erwerben, um seine Einsatzmöglichkeiten zu verbreitern. Fort- und Weiterbildung werden im Grunde genommen in der Wissensgesellschaft zur Pflicht. Lebensbegleitendes Lernen, so der wissenschaftlichtechnische Beirat in seinem Ergebnisbericht Fortund Weiterbildung, ist Vorsorge zum Erhalt eines qualifizierten, befriedigenden und sicheren Arbeitsplatzes. Vor diesem Hintergrund begrüßt die SPDFraktion die Maßnahmen und Aktivitäten des Senats,
Grundlagen für lebenslanges Lernen in Bremen und Bremerhaven im Bündnis mit zahlreichen Einrich
tungen, Institutionen, Verbänden, der Wirtschaft und den Gewerkschaften zu schaffen.
Meine Damen und Herren, es ist gut, dass wir so lange auf die Antwort des Senats gewartet haben. Die Antwort kann sich sehen lassen. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem Interesse an europapolitischen Themen, insbesondere durch den Eifer der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Großen Anfrage mit dem Thema „Zukunft der Europäischen Strukturfonds“, wird versucht, in der großen Koalition fehlende Mitwirkung und Konzeptlosigkeit in der Europapolitik anzureizen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, dieser Vorstoß führt Sie ins Leere. Ich habe einmal unter dem Stichwort Europa abgefragt, was in den Plenarprotokollen der Bremischen Bürgerschaft in der vierzehnten und fünfzehnten Legislaturperiode zu diesem Thema steht. Es gibt über 200 Hinweise zu diesem Inhalt. Das ist ein gutes Resultat für die Arbeit des Parlaments zu europäischen Themen.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie einen kurzen Rückblick, eine Erinnerung als Beleg für zukunftsgerichtete Politik der großen Koalition! Bereits in der Mitteilung des Senats vom 17. September 1996, mithin vor sechs Jahren, zu dem Thema „Regierungskonferenz 1996 – Interessen und Ziele des Landes Bremen, Bremen als Region in Europa“ heißt es zur Strukturpolitik, ich darf mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren:
„Der Senat wird sich aktiv dafür einsetzen, dass unsere Interessen bei der Reform des Strukturfonds
angemessen berücksichtigt werden. Daher ist es jetzt wichtig, im Vorfeld dieser Reform die richtigen Weichen zu stellen, damit die Freie Hansestadt Bremen auch künftig die Förderung erhält, die sie benötigt, um den eingeschlagenen Weg zur Verbesserung von Beschäftigung, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit fortzusetzen.“
Meine Damen und Herren, wir haben in den letzten Jahren gewissenhaft darauf hingearbeitet, dass diese Politikziele zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt umgesetzt werden. Die strukturpolitischen Maßnahmen in den Jahren 1994 bis 1999 und das, was sich jetzt für den neuen Förderzeitraum der Jahre 2000 bis 2006 abzeichnet, ist insgesamt positiv.
Aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, EFRE, fließen in diesem Zeitraum zirka 260 Millionen DM, sprich 130 Millionen Euro, nach Bremen und Bremerhaven. Aus dem Europäischen Sozialfonds, ESF, sind es zirka 186 Millionen DM, sprich 93 Millionen Euro. Hinzu kommen Beträge aus Landwirtschaftsfonds, den Fischereifonds sowie der Gemeinschaftsinitiative Equal. Nimmt man die Kofinanzierungen aus nationalen Mitteln hinzu, addiert sich der Betrag auf rund 900 Millionen DM, sprich 450 Millionen Euro. Das sind Gelder, mit denen wir weiter durchgreifend an der Strukturverbesserung unserer Region und für eine aktive Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik arbeiten können.
Meine Damen und Herren, vergessen wir nicht, auch in der Öffentlichkeit hat der Einsatz der Fonds erheblich zur Herausbildung der Zugehörigkeit zur Europäischen Union beigetragen! Ein wichtiges Element in diesem Zusammenhang ist das den Strukturfonds innewohnende Prinzip der Partnerschaft. Bei allem Wohlwollen verstehe ich deshalb auch nicht den sachgemäßen Grund für Ihren Antrag, es sei denn, und das wäre eine mögliche Erklärung, er wird aus rein populistischen Gründen so frühzeitig gestellt!
Meine Damen und Herren, all dies erweckt und nährt den Eindruck, die Opposition hat ihre Hausaufgaben in Sachen Neuordnung der europäischen Strukturfonds leichthin gemacht. Erst vor wenigen Monaten hatten wir im Parlamentsausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, internationale Kontakte und Entwicklungszusammenarbeit das Thema „Zukunft der Strukturfonds“ auf der Tagesordnung. Der Vertreter des damaligen Bevollmächtigten der Freien Hansestadt Bremen beim Bund, für Europaangelegenheiten verwies in dieser Ausschusssitzung darauf, dass der Zwischenbericht zur ersten Überlegung zur Neuordnung europäischer Strukturpolitik vom 4. Juli 2001 umfassend den Stand der Debatte auf europäischer Ebene sowie zwischen Bund und Ländern wiedergibt.
Mit Genehmigung des Präsidenten zitiere ich die Kernaussage aus dem Sitzungsprotokoll vom 20. September 2001: „Der Bevollmächtigte der Freien
Hansestadt Bremen beim Bund, für Europaangelegenheiten und Entwicklungszusammenarbeit beziehungsweise seine Europaabteilung werde darauf achten, dass rechtzeitig eine sachgerechte und vor allem Bremen orientierte Interessenposition vorliegt.“
Meine Damen und Herren, der Senat wird zum richtigen Stichtag im Konsens mit allen Beteiligten auf Bundes- und Länderebene und wegen der als freundschaftlich zu bezeichnenden Beziehungen zu unseren Partnern in den mittel- und osteuropäischen Ländern auch Sie unterrichten, wenn wir unsere Bedarfe bei der Neuordnung der Strukturfonds einbringen. Wir werden diese Position gestützt auf die Beratungen in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter bremischem Vorsitz und der Europaministerkonferenz der Länder entwickeln, weil wir wissen, dass wir nur im Bündnis mit den übrigen Ländern eine Chance haben, bremische Interessen gegenüber dem Bund und der europäischen Ebene zur Geltung zu bringen.
Erlauben Sie mir den Hinweis: Es gibt einige Dinge, die man in Bremen vorzeigen kann! Dazu gehört meiner Meinung nach auch die Art, wie wir in Europa in der Lage sind, mit dem Strukturprogramm umzugehen. Wir gelten in Brüssel als Vorzeigeadresse, und das ja wohl nicht, weil wir entgegen den Brüsseler Richtlinien alles anders machen und die Brüsseler dann mit uns gemeinsam zähneknirschend Strukturprogramme durchführen, sondern doch wohl, weil wir die Programme, die Anregungen und die Richtlinien der Brüsseler aufnehmen und daraus eine vernünftige Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsförderung für die Bürger im Land Bremen in Gang bringen.
Meine Damen und Herren, ich möchte nicht die Inhalte wiederholen, die Daten und Fakten. Diese können Sie im Zwischenbericht „Erste Überlegungen zur Neuordnung der europäischen Strukturpolitik“ und der Senatsantwort auf die Große Anfrage der Grünen zur Zukunft der Europäischen Strukturfonds nachlesen.
Ich glaube, dass es in beiden Berichten sehr gut gelungen ist, einmal eine Bilanz zu ziehen, was war, was sich jetzt im Förderzeitraum bis zum Jahr 2006 abzeichnet und wie wir uns danach gemeinsam positionieren. Zusammengefasst: Das Land hat in der Vergangenheit in Sachen Strukturpolitik und der damit einhergehenden Modernisierung des Wirtschaftsstandorts Bremen gute Arbeit geleistet. Wir werden das auch in Zukunft unterstützen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf einen Beschluss hinweisen, der mittelbar im Zusammenhang mit unserer heutigen Debatte steht, und zwar auf den Entschließungsantrag der Ministerpräsidenten der deutschen Länder zur Kompetenzab
grenzung im Rahmen der Reformdiskussionen zur Zukunft der Europäischen Union! Der Antrag wurde zustimmend zur Kenntnis genommen, und das Land Niedersachsen als Vorsitzland der Europaministerkonferenz hat ihn im Namen aller Länder dem Bundesrat zugeleitet. Der Bundesrat hat diese Entschließung am 20. Dezember 2001, also vor knapp acht Wochen, verabschiedet.
Mit der Entschließung fordern die Länder eine Reform und Vereinfachung der europäischen Verträge, so dass es Bürgerinnen und Bürgern besser möglich ist, Verantwortlichkeiten innerhalb der Union klarer zuzuordnen. Besonders die Aufgabenteilung zwischen der EU und ihren Mitgliedsstaaten muss überprüft werden, fordern die Minister. Dabei sollen die Handlungsspielräume der Länder und Regionen nicht nur erhalten, sondern auch erweitert werden. Dies gilt auch und gerade für die künftige Ausgestaltung der künftigen Strukturfonds. Nach Meinung der Länder soll die EU künftig nur noch auf der Grundlage eindeutig definierter Kompetenzen tätig werden und nicht aufgrund allgemeiner Aufgabenzuweisungen.
Das sind Beschlüsse und Forderungen, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die von Augenmaß zeugen und nicht von blindem Aktionismus. Dazu beispielhaft die Frage acht aus Ihrer Großen Anfrage zur Zukunft der Europäischen Strukturfonds! Dort fragen Sie nach möglichen Optionen für die ab dem Jahr 2007 anzuwendenden Kriterien zur Definition von Regionen mit erheblichem Entwicklungsrückstand. Diese Antwort könnte nur der Bundesaußenminister geben, vielleicht fragen Sie einmal bei ihm nach!
Wenn Sie in diesem Fall Zusätzliches wollen, das ist Ihr Recht als Opposition, dann müssen Sie eine interparlamentarische Debatte zu diesem Thema in allen Landtagen anregen!
Sie haben mit Ihrer Großen Anfrage zur Zukunft der Europäischen Strukturfonds ein Fass geöffnet, aus dem zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr als heiße Luft kommen kann. Ob und in welchem Umfang Bremen ab dem Jahr 2007 auf regionalpolitische Förderung durch Bund oder EU angewiesen sein wird, das kann derzeit noch nicht prognostiziert werden. Dies gilt auch, wenn die positive wirtschaftliche Entwicklung Bremens sich in den nächsten Jahren fortsetzt. Dies gilt umso mehr für Bremerhaven, dort besteht noch ein erheblicher Nachholbedarf, den das Land Bremen nicht allein aus eigenen Mitteln bewältigen kann.
Meine Damen und Herren, wir wollen ein Europa mit den Regionen, nicht ein Europa mit zunehmend
konkurrierenden Regionen! Wir haben die Pflicht, vor Zentralisierung und Gigantismus zu warnen, weil unsere Ländererfahrungen mit den Vorteilen des kooperativen Föderalismus eindeutig für Vielfalt, Dezentralisierung und Bürgerakzeptanz sprechen. Ich möchte noch einmal betonen, dass den Betrittskandidaten auch unsere Unterstützung beim Zugang und bei der Umsetzung der zukünftigen Strukturfonds gilt. Sie haben ein Anrecht darauf, nach dem jeweiligen Beitritt schnell in die europäische Strukturpolitik einbezogen zu werden, wie dies bei uns für die neuen Länder der Fall war, denn die deutsche Einheit wäre ohne die Freiheitsbewegung in Ungarn, Polen und Tschechien undenkbar gewesen. Deswegen ist auch die Erweiterung der Europäischen Union nach Osten eine historische Notwendigkeit. Aus diesen Gründen sind wir in Bremen diesem Prozess besonders verbunden. Vor der Entscheidung über das eine oder andere Modell oder die Anwendung dieser oder jener Statistik für die Ausgestaltung der künftigen europäischen Strukturpolitik muss die Entscheidung über die politischen Prioritäten stehen. Für die neuen Mitgliedsstaaten ist bereits klar, dass sie Unterstützung auf dem höchstmöglichen Niveau erhalten werden. Für die heutigen Mitgliedsstaaten ist es unabdingbar, die strukturpolitischen Interventionen weiter auf die bedürftigen Regionen zu konzentrieren, wenn der Gesamthaushalt der Regionen auch nach dem Jahr 2006 finanzierbar bleiben soll. Entscheidend ist der politische Wille, einen Kompromiss zu finden, bei dem die Solidarität mit den schwächsten Regionen der heutigen EU nicht gegen die Unterstützung der neuen Mitgliedsstaaten ausgespielt wird. Meine Damen und Herren, aus historischer Sicht, ich sagte es bereits, sind wir hier in besonderer Verantwortung durch unsere vorbildlichen osteuropäischen Beziehungen. Diesen Vertrauensvorschuss werden wir bei den Diskussionen über die Neuordnung der europäischen Strukturfonds in die Waagschale der Verhandlungen einbringen.
Noch einen Satz, Herr Präsident! Unsere Partner im Bund und in den Länderparlamenten erwarten das von Bremen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend sagen, für Bremen ist die Förderung aus den Europäischen Strukturfonds kein Selbstzweck, sondern Hilfe zur Selbsthilfe! Die Forderung nach Gleichbehandlung basiert nicht darauf, für immer und ewig in der europäischen Strukturförderung zu bleiben, sondern wir wollen uns freischaufeln. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist sehr erfreulich, dass die Fraktionen zu einer gemeinsamen Vorlage zum Thema „Zukunft der Union, Vorbereitung der Regierungskonferenz der EU 2004“ gekommen sind. Mit diesem Antrag bekunden alle drei Fraktionen, dass wir in Bremen ein gemeinsames Interesse zur Fortentwicklung der Europäischen Union haben.
Es geht uns nicht darum, die Bürokratie in Brüssel zu verstärken oder die Macht der Ministerialbürokratie der Mitgliedsstaaten zu verbreitern. Im Gegenteil, wir wollen uns dafür einsetzen, dass die Aufgabenverteilung in der Europäischen Union nach dem Prinzip der Subsidiarität vorangebracht wird. Konkret: Was die Gemeinschaft besser kann, sollte die Gemeinschaft tun. Was in den Mitgliedsstaaten in den Regionen und Kommunen besser selbst erledigt werden kann, sollte im Rahmen einer neuen
Kompetenzordnung der Europäischen Union stärker dem regionalen Einflussbereich zugeordnet werden. Damit würde sich eine klare und durchschaubare Abgrenzungsposition zwischen der europäischen Ebene, das heißt dem Europaparlament, Ministerrat und Kommission, sowie der nationalen Ebene, den nationalen Parlamenten und ihren jeweiligen Regierungen sowie den regionalen und kommunalen Vertretungskörperschaften, ergeben. Eine ganz besondere Rolle und gewichtige Bedeutung hat hierbei die starke Einbeziehung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger in die Entscheidungsvorbereitung und deren Umsetzung für gesamteuropäische Fragen und Probleme.
Meine Damen und Herren, Europa ist nach wie vor für viele Bürgerinnen und Bürger undurchsichtig. Wer was entscheidet, wer wo verantwortlich ist und wer welche Zuständigkeiten hat, können viele Bürgerinnen und Bürger einfach nicht nachvollziehen. Die Weiterentwicklung der Europäischen Union ist aber zu bedeutsam, um sie nur der großen Politik zu überlassen. Der Bürger muss die europäische Einigung als ein Gemeinschaftswerk empfinden, das sich um seine Anliegen kümmert und ihm konkrete Vorteile bringt.
Wesentlich für eine erfolgreiche Politik der Bürgernähe ist, dass sich eine bürgernahe Europäische Union auf die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften stützt, die aktiv am Aufbau des Europas von morgen mitwirken möchten. Sie sind in der Lage, Netzwerke für Solidarität und den Austausch der Erfahrungen einzurichten, da sie in den Politikbereichen mit der größten Bürgernähe tätig sind und somit die Bedingungen für gutes Regieren gewährleisten. In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, dass in der Präambel des Vertrages über die Europäische Union die unumgängliche Verpflichtung festgeschrieben ist, sich bei Entscheidungen um Bürgernähe zu kümmern.
Für den Bürger ist das Gefühl der Bürgernähe mit guter Politik gleichzusetzen, das heißt mit derjenigen, die den Bedürfnissen der Gesellschaft Rechnung trägt und für Solidarität unter ihren Mitgliedern sorgt.
Dabei sind vier Aspekte von Bedeutung. Erstens, Effizienz! Das institutionelle Gefüge aus EU, Mitgliedsstaaten und Gebietskörperschaften muss gut funktionieren und positive Resultate hervorbringen. Zweitens, Klarheit! Die Politiken der EU müssen bürokratischen Aufwand vermeiden und in ihren Zielen, Mitteln und Ergebnissen vollkommen verständlich sein. Drittens, Nähe! Die Politiken und Beschlüsse der Europäischen Union müssen denen na
he sein, für die sie gedacht sind, so dass die Menschen sie akzeptieren und voll in ihr tägliches Leben aufnehmen. Viertens, Flexibilität! Die Bürger müssen über große Freiräume zur Mitwirkung an Beschlüssen, die für die Anwendung der Gemeinschaftspolitik bestimmend sind, verfügen.
Meine Damen und Herren, Bürgernähe in diesem Sinne ist gleichbedeutend mit funktionierender und als solcher anerkannter Demokratie in der Europäischen Union. Sie ist so ein wichtiger Baustein der politischen Entscheidungsfreiheit auf dieser Ebene, die dem Bürger am nächsten ist, um ihm größere Einflussmöglichkeiten durch demokratische Entscheidungen zu sichern. Aus diesem Grund möchten wir mit dem gemeinsamen Antrag „Zukunft der Union und Vorbereitung der Regierungskonferenz der EU 2004“ den Vereinen und Organisationen, den NGOs, den Nichtregierungsorganisationen, und den Mitgliedern des Ausschusses der Regionen, AdR, noch mehr Raum für Mitsprache einräumen.
Sie sollen ihre Überlegungen entwickeln und vortragen können, wobei die Umsetzung dann über die Kommunal- und Landesparlamente in die Regierungsüberlegungen und die Gestaltungsrechte der nationalen Parlamente wie des Europäischen Parlaments einfließen kann. Dass dafür auch die in Nizza proklamierte Charta der Grundrechte der EU von besonderer Bedeutung ist, versteht sich von selbst.
Meine Damen und Herren, zu allen anderen im Antrag vorgestellten Positionen haben wir durch das Mittragen des Antrags unsere Standpunkte deutlich genug gemacht, Wiederholungen bringen uns da nicht weiter. Ich halte es aber für angebracht, darauf hinzuweisen, dass dieser Antrag zur Zukunft der Europäischen Union aufnimmt, was die Bundesregierung auf maßgebliche Initiative der Bundesländer als deutsche Position in Nizza vertreten hat. Die Bremische Bürgerschaft unterstützt mit dem gemeinsamen Antrag die vom Bundeskanzler Schröder dargestellten Vorstellungen. Wir Bremer Sozialdemokraten haben keinen Grund, uns nicht dazu zu bekennen.
Im Gegenteil, Bremen hat sich schon sehr frühzeitig für die europäische Einigung engagiert. Wir können hier auf eine lange Tradition zurückblicken. Der große Repräsentant der Bremer Sozialdemokratie, Bürgermeister Wilhelm Kaisen, hat sich in der Zeit, als der europäische Einigungsprozess höchst umstritten war, stark für die westeuropäische Einigung eingesetzt und damit Krach und Auseinandersetzungen mit der Bonner Parteispitze in Kauf genommen. Von der Montanunion über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, EWG, bis zur Europäischen Gemeinschaft, EG, und der Europäischen
Union, EU, gab es eine eindeutige bremische Haltung, immer vertreten durch Bürgerschaft und Senat. Damals wie heute wollten wir beim europäischen Einigungsprozess eine förderliche Rolle spielen. Durch konkretes Handeln und öffentliches Engagement haben wir das in all den Jahrzehnten unter Beweis gestellt.
Der Präsident des Senats und der Bevollmächtigte der Freien Hansestadt Bremen haben im Jahre 2000, als Bremen den Vorsitz in der Ministerpräsidentenkonferenz innehatte, maßgeblich die Haltung der Länder zur Regierungskonferenz in Nizza geprägt und im Schulterschluss mit allen Ländern wirkungsvoll gegenüber der Bundesregierung vertreten. Wir gehen nun davon aus, dass der Senat auch in den kommenden Beratungen im Rahmen des PostNizza-Prozesses engagiert Position bezieht und die europapolitische Interessenlage der Freien Hansestadt Bremen einbringt.
Meine Damen und Herren, im Sinne dieser Grundposition haben wir diesen Antrag mit vorgelegt. Er will die Rechte des Europaparlaments und damit der wirklichen Volksvertreter stärken. Er will den Bürgerinnen und Bürgern gemeinsame Grundrechte in der Europäischen Union sichern, und er will eine sachgerechte Aufgabenzuteilung im Sinne der Subsidiarität erreichen und die Chancen für eine Bürgergesellschaft auf europäischer Ebene vorbereiten.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir auch ein persönliches Wort an Herrn Staatsrat Bettermann! Zum Ende Ihrer Amtszeit, Herr Bettermann, möchte ich Ihnen herzlich Dank sagen für die gute Zusammenarbeit in den letzten Jahren. Gleichzeitig wünsche auch ich Ihnen viel Erfolg bei Ihrer neuen Tätigkeit als Intendant bei der „Deutschen Welle“! – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wieder einmal zeigt die DVU ihr wahres Gesicht. Ferngesteuert von der Zentrale in
München übernimmt sie Formulierungen von Anträgen, die jeder staatsrechtlichen Grundlage entbehren.
Um es gleich vorwegzunehmen: Wir lehnen den Antrag der DVU mit Entschiedenheit ab! Er schürt antieuropäische Vorurteile in Deutschland. Ich will das natürlich nicht so einfach im Raum stehen lassen, sondern möchte unsere Ablehnung zu dem Antrag der DVU begründen, weil solch ein Antrag absurd ist! Er berücksichtigt nicht die positiven Ergebnisse der Konferenz von Nizza.
Die Osterweiterung der Europäischen Union ist ein historischer Schritt zur Überwindung der Teilung Europas. Unsere Nachbarn in Mittel- und Osteuropa haben die Einigung von Beginn an mit Sympathie begleitet. Ohne ihre Mithilfe wäre sie wohl erst viel später und unter sehr viel schwierigeren Bedingungen Wirklichkeit geworden.
Niemand in Osteuropa hat von uns Deutschen jemals Dankbarkeit oder eine Gegenleistung eingefordert. Nicht zuletzt deshalb wissen wir um die besondere Verantwortung für das Gelingen des Erweiterungsprozesses. Die Freunde und Partner in Mittel- und Osteuropa können auf uns zählen. Wir begrüßen die Anstrengungen der Beitrittskandidaten, sich durch Übernahme der EU-Richtlinien beitrittsfähig zu machen.
Für die jetzigen EU-Mitgliedsstaaten und auch für Deutschland bedeutet die Osterweiterung eine Chance für weiteres Wirtschaftswachstum und Schaffung neuer Arbeitsplätze. Bereits im nächsten Jahrzehnt wird die demographisch bedingte Verringerung des Erwerbspersonenpotentials in Deutschland spürbar werden. Spätestens dann werden wir dringend Zuwanderung benötigen, um unseren Lebensstandard zu halten, aber auch um unsere sozialen Sicherungssysteme zu finanzieren.
Heute nehmen wir natürlich die Sorgen der Menschen um ihre Arbeitsplätze ernst. Jeder Arbeitslose ist ein Arbeitsloser zu viel.
Wir nehmen die Sorgen der Menschen ernst, die sie aufgrund einer verstärkten Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt durch Zugang von Arbeitskräften aus Osteuropa geäußert haben. Wir begrüßen daher das Bestreben der Bundesregierung, den Anpassungsprozess durch Vereinbarung von flexiblen und differenzierten Übergangsfristen für die Arbeitnehmer sozialverträglich abzufedern.
Übrigens, derartige Übergangsregelungen sind nichts Neues in Europa. Auch bei der Erweiterung der Union um Spanien und Portugal 1985 gab es die Sorge um eine zu hohe Einwanderung billiger Arbeitskräfte. Damals wurde eine siebenjährige Übergangsfrist bis zur Gewährung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit beschlossen. Der Investitions- und Wachstumsschub, den die Länder durch den Beitritt erhielten, führte dann dazu, dass die spanischen und portugiesischen Arbeitskräfte zu Hause dringender gebraucht wurden als im Ausland. Ich bin überzeugt, eine ähnliche wirtschaftliche Dynamik kann es in Mittel- und Osteuropa nach dem Beitritt wieder geben.
Meine Damen und Herren, redlichkeitshalber will ich nicht verschweigen, dass Deutschland ein traditionell bevorzugtes Zielland für Migranten nicht nur aus Mittel- und Osteuropa ist. Diejenigen, die kommen wollten und sich auch von der Illegalität nicht abschrecken ließen, sind schon da. Es gibt also schon jetzt eine umfangreiche Zuwanderung nach Deutschland, die mit der Osterweiterung nichts zu tun hat. Das Problem besteht völlig unabhängig von der Beitrittsperspektive. Wer die Frage der Zuwanderung im Zusammenhang mit der Osterweiterung stellt, versucht über plumpe Polemik auf der Fährte der Verunsicherung der Bürger auf Stimmenfang zu gehen.
Gott sei Dank fällt auf diese abgedroschenen Parolen der DVU der mündige Bürger nicht herein.
Eine gesteuerte Zuwanderung, wie von der Bundesregierung vorgeschlagen, kann aufgrund des Geburtenrückgangs, der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft und des Mangels an hoch qualifizierten Fachkräften sogar wünschenswert sein.
Meine Damen und Herren, wichtig ist, dass wir die Bürgerinnen und Bürger und vor allem die jungen Menschen in einen sachlichen Dialog über Chancen und Risiken der Osterweiterung einbezie
hen. Wie bei allen historischen Umbrüchen, von der industriellen Revolution im neunzehnten Jahrhundert über die Globalisierung im zwanzigsten Jahrhundert bis hin zur aktuellen Osterweiterung im beginnenden einundzwanzigsten Jahrhundert, bringen neue Entwicklungen Veränderungen im Alltag der Menschen mit sich, die zu Verunsicherung führen und Ängste auslösen können. Wir als Volksvertreter haben mehr denn je die Pflicht, die Bürger über die Vorteile und Nachteile des Europa von morgen aufzuklären.
Hierdurch können wir am wirkungsvollsten dem Schüren von Ängsten und Vorurteilen entgegenwirken und die Politik der Ewiggestrigen zunichte machen.
Wir werden den Menschen sagen, dass die Osterweiterung eine historische Chance für Frieden, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand in ganz Europa ist. So wie Adenauer der Architekt der Aussöhnung mit unseren westlichen Nachbarn war, so ist die Öffnung der Europäischen Union nach Mittel- und Osteuropa ohne die Friedenspolitik von Willy Brandt nicht denkbar.
Sozialdemokratische Außenpolitik hat den Grundstein dafür gelegt, dass heute in Europa zusammenwachsen kann, was zusammengehört. Vor diesem Hintergrund möchte ich dem damaligen Bremer Senat und den damaligen Fraktionen des Parlaments für den Abschluss der Rahmenvereinbarungen mit Danzig und Riga vor mehr als 20 Jahren danken.
Meine Damen und Herren, es ist beschämend für das Parlament, dass der Vertreter der DVU ein derartig mangelhaftes bremisches Geschichtsbewusstsein hat und dadurch dem Dompteur aus München auf den Leim gegangen ist.
Wir lehnen den DVU-Antrag mit Entschlossenheit ab. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Beim Thema „Sicherer Schulweg“ handelt es sich um ein Problem, bei dem alle Mitglieder dieses Hauses, wenn nicht als Elternteil so zumindest als Politiker, sich angesprochen fühlen und bedenken sollten, dass die Verkehrssicherheit für parteipolitischen Streit nicht geeignet ist.
Politiker haben alles zu tun, den Kindern die Voraussetzung für eine erfolgreiche Schulzeit bereitzustellen und die Bedeutung eines breiten gesellschaftlichen Bündnisses und partnerschaftliches Bewusstsein bei allen Verkehrsteilnehmern zu fördern und nachhaltig zu unterstützen.
Meine Damen und Herren, wie sieht es im Alltag aus? Zum Kindergarten werden die meisten Kinder noch von Angehörigen zu Fuß gebracht oder mit dem Pkw gefahren. Den Schulweg aber müssen sie früher oder später allein bewältigen. Das ist gar nicht so einfach. Der Verkehr hat stark zugenommen. Straßen, in denen Kinder früher gefahrlos spielen konnten, sind heute belebte Verkehrsadern. Polizei und Verkehrswacht, Lehrer und Erzieher leisten viel, um die Kinder auf den sicheren Schulweg vorzubereiten. Die wichtigsten Verkehrserzieher aber sind und bleiben die Eltern. Ihrem Vorbild eifert das Kind nach. Verkehrserziehungsmaßnahmen beginnen im Elternhaus.
Wie die Bundesanstalt für Straßenwesen herausgefunden hat, verunglücken Kinder hauptsächlich als Mitfahrer im Pkw. Das ist besonders schlimm, weil Kinder sich dabei in der direkten Obhut eines Erwachsenen befinden. Hier muss noch mehr Aufklärung der Eltern erfolgen, dass den Kindern angepasste Rückhaltesitze bei jeder Fahrt mit Gurtsicherung angelegt werden müssen. Zu Recht fordern Eltern mehr Sicherheit auf dem Schulweg für ihre Kinder. Die Politik ist hier einmal mehr gefordert, denn erfolgreiche Schulwegsicherung bedeutet auch bauliche Maßnahmen und Geschwindigkeitsüberwachung, Schilder allein reichen nicht. Laut Senatsvorlage hat sich die verkehrliche Situation für Kinder in den letzten Jahren deutlich verbessert. Das ist fast richtig. Auf die vorgelegte Statistik werde ich noch eingehen. Vorher möchte ich aber noch auf die zahlreichen vorbeugenden Einflussmöglichkeiten zur Sicherung des Schulweges eingehen, die dank einer umsichtigen Unfallprävention durch bildungs- und baupolitische Maßnahmen im Land Bremen gegriffen haben. Beispielhaft sind hier zu nennen erstens der Schutz der Kinder durch verkehrsberuhigte Maßnahmen vor Kindergärten und Schulen, zweitens der Bau von so genannten Mittelinseln, drittens die erweiterte Einführung von Tempo-30-Zonen, viertens die erfolgreichen Projekte von Verkehrswacht und der stadteigenen Brepark, Stichwort: „Mit Rolly fit im Verkehr“. Die stadteigene Brepark fördert seit fünf Jahren Verkehrssicherheitsprojekte, hier wäre es schön, wenn andere Unternehmen diesem Beispiel folgen würden.
Fünftens, die Botschaft, zwei Partner bemühen sich um Verkehrssicherheit, sie kam auch im Bremer Weserstadion zum Tragen, Brepark und Landesverkehrswacht. Wir spielen auf Sicherheit, hieß der Slogan, der dort von vielen Bundesligafans zu lesen war, und schließlich der Bremer Verkehrsratgeber für die Verkehrserziehung in Kindergarten und Hort und Schule. Darin sind erstmals für Bremen die Verkehrserziehungsangebote der unterschiedlichen Institutionen zusammengefasst worden. Dank der übersichtlichen aufgabenbezogenen Gliederung ist dieser Ratgeber für Erzieher und Lehrer und vor allem für die Eltern eine unverzichtbare Hilfe in Sachen Verkehrserziehung.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, mit Fragen nach der Sicherheit des Schulweges insgesamt beschäftigt sich das Parlament seit Jahren. Dadurch konnte eine Sensibilisierung bei allen Betroffenen erreicht werden. Die heutige Debatte wird Weiteres dazu tun. Deshalb schließe ich mich gern der Forderung des Kollegen Rohmeyer an, den Senat aufzufordern, Gefahrenpunkte zu benennen und zu beseitigen, die Verkehrserziehungsmaßnahmen in Kindergärten und Kindertagesstätten zu überprüfen und gegebenenfalls koordinierend einzugreifen. Kinder sind die schwächsten Verkehrsteilnehmer, sie zu schützen muss unser aller Ziel sein.
Wo die Landesregierung unterstützend tätig sein kann, muss sie das auch tun, auch wenn es Geld kostet. Wir werden als Parlamentarier die Durchführung und Umsetzung von zusätzlichen verkehrssichernden Maßnahmen kritisch begleiten. In diesem Zusammenhang verweise ich auf das Verkehrserziehungsprogramm 2000 der Bundesregierung. Das Sicherheitsprogramm 2000 wird die Spielräume der Verwaltung in Städten und Gemeinden erweitern, vor allem in der Frage der Tempo-30-Zonen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, da mich die vorgelegte Unfallstatistik durch den Senat nicht befriedigt hat, habe ich recherchiert und möchte dem hohen Haus die Unfallzahlen, herausgegeben vom Statistischen Bundesamt, vortragen mit Erlaubnis des Präsidenten. Laut Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 3. August 2000 gab es 1999 beim Unfallrisiko für Kinder im Vergleich zu einzelnen Bundesländern recht große Unterschiede. Am stärksten gefährdet waren Kinder in Brandenburg mit 534 verunglückten Kindern je 100.000 Einwohnern der Altersgruppe unter 15 Jahren, gefolgt von SachsenAnhalt mit 493, Mecklenburg-Vorpommern mit 492 und Bremen mit 489. Mit 489 verunglückten Kindern ist Bremen das Bundesland mit dem vierthöchsten Unfallrisiko für Kinder! Der Verkehrsclub Deutschland sprach von einem Armutszeugnis der deutschen Verkehrskultur. Ich füge dem hinzu, zutreffend formuliert, vor allem, wenn man bedenkt,
dass noch immer mehr Kinder an den Folgen des Straßenverkehrs sterben als an Infektionskrankheiten.
Meine Damen und Herren, eine hundertprozentige Sicherheit für unsere Kinder wird es nicht geben können, wenn ja, dann müssten wir ab sofort das Auto als Verkehrsmittel verbieten. Wir stehen zu einer mobilen Gesellschaft, aber nicht um jeden Preis. Ich appelliere an den Senat, die schulische Verkehrssicherheit zu stärken und zu prüfen, ob Verkehrsunterricht nicht wieder Pflichtfach in den Schulen werden muss, so wie es vor der Kultusministerkonferenzempfehlung von 1972 der Fall war, die damals darauf verzichtete, ein eigenständiges Schulfach Verkehrsunterricht zu schaffen. Stattdessen wurden die einschlägigen Themen auf verschiedene andere Fächer verteilt, und es bleibt den einzelnen Lehrern überlassen, wie sie diese wann tatsächlich im Unterricht zum Thema machen. Resultat dieser Empfehlung: Lediglich in den Grundschulen ist es gelungen, der Verkehrserziehung einen angemessenen Platz im Schulunterricht zu sichern. In den Sekundarstufen I und II spielt sie dagegen kaum eine Rolle. Ich bitte den Senat, die polizeiliche Verkehrssicherheit nicht zurückzufahren, sondern auszubauen! Die Beförderung von behinderten Schülern und Schülerinnen verlangt besondere Sicherheitsvorschriften, die SPD-Fraktion bittet den Senat, diese Vorschriften wie zum Beispiel die Ausbildung des Begleitpersonals kritisch in kürzeren Abständen zu überprüfen und hierüber in der Bildungsdeputation zu berichten. Schulische und polizeiliche Verkehrssicherheit sind beides wesentliche Stützpfeiler im Gerüst der Verkehrssicherheit, insbesondere für Kinder und Jugendliche.
Ich bitte den Senat, sich ernsthaft dafür einzusetzen, dass auch in Bremen der Schülerlotsendienst, der bundesweit als ein hervorragendes Beispiel für die Wahrnehmung sozialer Verantwortung im Straßenverkehr gilt, in unserem Bundesland einen gewichtigen Stellenwert erhält. In vielen Bundesländern gibt es Verkehrshelfer, Erwachsene wie zum Beispiel Oma und Opa, die die Kinder sicher über die Straßen an Schulen begleiten. Wir werden zu gegebener Zeit danach fragen. Zu fragen ist auch, warum es einen Schulwegplan in Bremerhaven gibt, in Bremen aber nicht.
Meine Damen und Herren, ich begrüße die Idee des Parlamentspräsidenten, ein Jugendparlament einzuberufen. Bitte, Herr Präsident Weber, nehmen Sie Einfluss, dass das Thema „Sicherer Schulweg“ dort auf die Tagesordnung kommt! Auf der Straße ist immer etwas los, Unfall ist nie Zufall. Damit der Schulweg für unsere Kinder nicht zu einer Via Mala wird, müssen wir die gemeinsamen Bemühungen um den sicheren Schulweg vehement fortsetzen. Jeder Verunfallte in diesem Lande ist einer zu viel. — Danke!
Ja!
Das ist mir nicht bekannt!