Elisabeth Wargalla

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Das ist ein bisschen ungewöhnlich. Ich habe gedacht, es kommt erst ein Bericht, Herr Präsident, aber mir wurde gerade mitgeteilt, es gibt keinen Bericht. Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn man einen kurzen Blick – Sie haben ihn jetzt vor sich liegen – auf den 28. Jahresbericht des Datenschutzbeauftragten wirft, könnte man sagen, wir haben schon Schlimmeres gesehen. Wir hatten beispiels
weise keine massenhaften Veröffentlichungen von intimen Daten oder ähnlich spektakuläre Fälle, aber die Aufgabe des Datenschutzbeauftragten ist es nicht, erst dann einzuschreiten, wenn etwas passiert ist. Datenschutz wird hergestellt im Verfahren, und wir haben gesetzlich geregelt, dass der Datenschutzbeauftragte bei relevanten Umstrukturierungen oder bei der Neuregelung von persönlichen Daten von Anfang an einzubeziehen ist. Das Erfolgskriterium für den Datenschutz in Bremen ist also nicht, dass es gelingt, möglichst viele Fälle von Datenklau und Datenmissbrauch aufzudecken, sondern dass durch frühe Einbeziehung so etwas von Anfang an vermieden wird. Das ist Aufgabe des Datenschutzbeauftragten, er macht seine Sache gut. Auch von unserer Seite, also vom Bündnis 90/Die Grünen, herzlichen Dank an Sie, Herr Holst!
Meine Damen und Herren, wir müssen darauf achten, dass Datenschutz von Anfang an mitgedacht wird. Wir haben hier letztes Jahr in etwas anderer Zusammensetzung über die Situation für Menschen, die eine Befreiung bei den Rundfunkgebühren, den GEZ-Gebühren, haben wollten, diskutiert. Da war es ja so, dass die kompletten Originalbescheide teilweise mit seitenlangen Beschreibungen über privateste Dinge wie zum Beispiel familiäre Verhältnisse, Suchtprobleme, Überschuldung und so weiter an die GEZ geschickt werden mussten, teilweise über 30 Seiten lange Bescheide. Das lag nicht daran, dass die GEZ-Mitarbeiter sonderlich viel Interesse daran gehabt hätten, über Frau Müller oder Herrn Meyer intime Sachen zu erfahren, es hatte einfach niemand nachgedacht. Aber es kann doch nicht sein, dass die Leute Datenstriptease machen mussten, weil einfach keiner darüber nachgedacht hatte, welche Erfordernisse es für eine neue Regelung gibt. Beim Mammografie-Screening das Gleiche, alles gut gemeint, alles medizinisch gut überlegt, aber beim Datenschutz gibt es nur die Note mangelhaft! Was uns als Datenschutzausschuss, glaube ich, allen übel aufstößt, ist, wenn sich die Behörde um festgestellte Mängel nicht kümmert. Auch hier ist es so, dass das Thema nicht neu ist. Manche Probleme wurden abgestellt, andere könnten sofort abgestellt werden, wenn denn bei der Gesundheitssenatorin nicht so nachlässig mit Vereinbarungen umgegangen würde, die zwischen Parlamentsausschuss und Fachsenatorin getroffen wurden. Ich hoffe, dass die nunmehr von der Gesundheitssenatorin vorgelegten Verfahrensänderungen alle bisherigen Datenschutzmängel beim Mammografie-Screening ausräumen.
Meine Damen und Herren, Datenschutz ist eine Frage des Bewusstseins. Entweder es wird von An
fang an mitgedacht, oder es wird verdammt kompliziert. Ganz unnötig kompliziert und richtig unangenehm war eine Frage, die schon mehrfach auch hier im Plenum verhandelt worden ist. Da hatte das Stadtamt sämtliche Verfahren, wie mit Daten umgegangen wird, vollkommen neu gestaltet, auch im Zusammenhang mit der Einführung des Bürgerservicecenters. Das war im Jahr 2002. Da geht es also nicht um eine kleine Dienststelle, die sich mit Orchidenthemen befasst, von denen kaum eine Bürgerin oder ein Bürger betroffen ist, sondern es geht um eine Institution, die massenhaft sensibelste Daten verarbeitet. Diese hat – unglaublich, aber wahr! – kein Datenschutzkonzept. Sie hat an Datenschutz überhaupt nicht gedacht, für die Computerfachverfahren nicht, für das Meldewesen nicht, für die Kfz-Zulassung nicht, für die Waffenverwaltung nicht! Es gibt kein abgestimmtes Datenschutzkonzept.
Das ist keine neue Erkenntnis, die hier erst im aktuellen Datenschutzbericht ans Licht gekommen ist, auch keine, die im Vorjahr schon diskutiert worden ist, sondern der Datenschutzausschuss musste sich bereits zu Anfang dieser jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode mit diesem Thema befassen. Der Innensenator hat dann für teures Geld eine externe Firma beauftragt, wie es bei der Großen Koalition üblich ist, und das Konzept liegt erst seit Anfang 2007 beim Datenschutzbeauftragten zur Prüfung vor.
Wenn man dann als Ausrede hört, da war ja der Streik, und deshalb hat das alles etwas länger gedauert, könnte man darüber eigentlich nur lachen, aber es ist traurig: 5 Jahre zu spät, und daran soll dann der Streik schuld sein? Aber die Beratungen mit dem Innensenator sind immer kompliziert, da haut gar nichts hin. Da waren Termine angekündigt und im Datenschutzausschuss genannt, aber es passiert nichts oder nur mit erheblichem Druck, mit erheblicher Verspätung.
Man sollte meinen, der Innensenator sei auch für den Schutz der Verfassung verantwortlich. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist ein wichtiger Teil der Verfassung im modernen Rechtsstaat. Offenbar kann man Verfassungsschutz missverstehen. Herr Röwekamp – er ist leider nicht da! –, es geht nicht darum, möglichst viel herumzuspitzeln, möglichst viele Daten von Bürgern zu sammeln und sie dann an ausländische Geheimdienste weiterzuleiten, sondern es geht darum, die Grundrechte, die in unserer Verfassung stehen, gegen Angriffe zu verteidigen! Ein wichtiges Grundrecht ist der Datenschutz, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
Auch für den nun ganz unmittelbaren grundrechtsrelevanten Bereich der Telekommunikationsüberwachung, die ebenfalls im Innenressort bei Herrn Rö
wekamp angesiedelt ist, gilt das Gleiche. Der Missstand, dass da nicht durch ein schlüssiges Konzept sichergestellt ist, dass mit Daten sicher umgegangen wird, ist seit 2004, also seit 3 Jahren, bekannt. Immerhin liegt hier seit September 2006 ein Entwurf vor. Auch hierüber hatte der Datenschutzbeauftragte nicht erst in diesem Bericht geschrieben, sondern bereits in dem vorigen. Besser spät als nie, aber für ein Ressort, das beim Schutz der Grundrechte in der Verfassung eigentlich führend sein müsste, äußerst bedenklich! Wir kommen nur dann im Datenschutz voran, meine Damen und Herren, wenn im öffentlichen Bewusstsein bei allen Amtsträgern und Entscheidern in öffentlichen Angelegenheiten fest verankert ist, dass Datenschutz kein Randthema ist, um das man sich einmal so nebenbei kümmert, sondern dass der Schutz und die Sicherstellung der Privatsphäre wichtige Aufgaben der gesamten Staatsgewalt sind. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Knäpper, Sie haben nicht nur den 28. Jahresbericht des Datenschutzbeauftragten zitiert, sondern Sie sind auch ein bisschen weitergegangen in Richtung bundespolitische Themen. Das war also nicht auf der Tagesordnung. Frau Peters-Rehwinkel hat noch einmal darauf hingewiesen, dass sie über den 28. Datenschutzbericht spricht, das habe ich auch getan.
Ich denke, da Sie nun die Richtung bezüglich der bundesrepublikanischen Änderungen von verschiedenen Gesetzen, um Terrorismus zu bekämpfen und auch Straftaten, die per Computer begangen werden, online zu durchsuchen, eingeschlagen haben, möchte ich sagen, dass es meiner Meinung nach unheimlich schwer ist, den Begriff Freiheit damit zu verbinden. Ich möchte Ihnen einfach nur ein Zitat von Herrn Schäuble – das ist Ihr Innenminister – vorlesen, mit Genehmigung des Präsidenten!
Nein, Herr Schäuble ist Innenminister der CDU! Er hat gesagt: „Angesichts des neuen Terrorismus
verschwimmen die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit, verlieren die überkommenen Begriffe ihre Trennschärfe und damit ihre Relevanz. Selbst Krieg oder Frieden sind nicht mehr klar auseinanderzuhalten.“ Das ist ein Originalzitat von Herrn Schäuble!
Man kann es auch überschreiben mit „Der Rechtsstaat löst sich allmählich auf“. Dass Herr Schäuble es ernst meint mit seinen Äußerungen, zeigt doch, was er in letzter Zeit alles an Gesetzgebungsverfahren eingebracht hat: die Pläne zur Erweiterung der Rasterfahndung, heimliche Online-Durchsuchungen, Vorratsspeicherungen, Großer Lauschangriff, und die Änderung zum Passgesetz liegt jetzt auch schon wieder vor. Wissen Sie, als die rot-grüne Regierung das digitale Passgesetz eingeführt hat, hat sie versprochen, dass die biometrischen Merkmale nur im Chip des Dokuments gespeichert werden, das der Besitzer hat. Das will Herr Schäuble ändern. Das heißt also letzten Endes, er möchte die Daten, die schon gespeichert sind, auch allgemein verwenden.
Mit der Maut ist es genau das Gleiche. Die Mautbrücken waren nur dazu da, dass die Abrechnungen ordentlich über die Bühne gehen. Jetzt sagt er, er will das auflösen, damit auch für die Fahndung Daten gesammelt werden können. Das Bundesverfassungsgericht hat schon signalisiert, dass das mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Das stört aber Ihren Innenminister nicht. Er hat gesagt, wenn es nicht anders geht, dann ändern wir eben das Grundgesetz. Ich denke, in dem Moment greift der Datenschutz. Deswegen sage ich auch hier, es ist wichtig, dass wir die Datenschützer bei ihrer Mitwirkung genau bei diesen Gesetzen stärken. Sie haben nämlich darauf hingewiesen, dass die Einführung von Befugnissen, die in die Privatsphäre eindringen – und genau davon haben Sie auch gesprochen, weil es technisch möglich ist –, das Ansehen des Rechtsstaates und das Vertrauen in die Sicherheit der Bürger massiv schädigt.
Dieser Meinung ist auch Bündnis 90/Die Grünen.
Wir wollen keinen Überwachungsstaat, und wenn es so weitergeht, sind wir auf dem besten Weg dorthin. Wir wollen das nicht! Wir wollen, dass die Achtung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht durch heimliche staatliche Überwachungsmaßnahmen ausgehöhlt wird! Hier, denke ich, muss greifen: „Wehret den Anfängen!“ Wir unterstützen die Datenschützer aller Länder, die sich vehement gegen diese Gesetze, die Herr Schäuble bisher vorgelegt hat, wehren. – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich denke, ich werde die bisherigen Ausführungen auch nur ergänzen, weil schon sehr viel gesagt worden ist, und ich möchte das auch nicht wiederholen. Ich möchte eigentlich auf die Probleme eingehen – es wurde hier schon von meinen Vorrednern gesagt –, dass viele Hafttage eingespart worden sind, was auch begrü
ßenswert ist, aber dass wir immer noch das Problem in der Justizvollzugsanstalt haben, dass wir zu viele Gefangene haben, die Ersatzfreiheitsstrafen absitzen.
Es ist schon darüber geredet worden, dass durch Arbeitsleistung auch in der Anstalt die Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt werden kann. Das heißt natürlich dann für die anderen Gefangenen, die dort sind, dass diejenigen, die Ersatzfreiheitsstrafen verbüßen, ihnen die Arbeit abnehmen, weil wir in der Anstalt keineswegs Arbeit in Hülle und Fülle haben. Dann kommt noch das Problem hinzu, dass die Anzahl derer, die Ersatzfreiheitsstrafen abbüßen, immer sehr schwankt. Manchmal haben wir 40, manchmal haben wir 80 Gefangene, das heißt, die Zahl ist nicht konstant.
Die Grünen haben den Vorschlag gemacht, man könnte, um zumindest in Zukunft besser planen zu können und auch dieses Problem in den Griff zu bekommen, eine Beschränkung der Vollstreckungskapazitäten in den Justizvollzugsanstalten anstreben, das heißt, es kommt immer nur eine bestimmte Anzahl von Gefangenen hinein, mehr sind es nicht. Dann weiß jeder, wir haben immer konstant 60 Gefangene, und damit kann man dann auch besser umgehen.
Leider ist der Senat in seiner Antwort auf die Frage der Grünen nicht eingegangen. Das ist schade. Ich hätte gern gehört, wie der Senat dazu steht, zumal wir auch im Rechtsausschuss festgestellt haben, dass noch 50 Stellen in der JVA abzubauen sind. Das können wir wahrscheinlich nur damit auffangen, indem wir weniger Ersatzfreiheitsstrafen vollstrecken, denn das ist auch ein Faktor, der Geld kostet.
Die Antwort des Senats – was ich sehr begrüße – sagt aus, dass die gemeinnützige Arbeit zumindest bei ihm schon vorrangig eintritt, obwohl dies noch gar nicht gegeben ist. Es gibt eine Reform des Sanktionenrechts, angestoßen von den Grünen, dass jemand, falls er seine Geldstrafe nicht bezahlt, erst gemeinnützige Arbeit ableisten muss und erst bei Nichtableistung ins Gefängnis kommt. In Bremen ist die Lage inzwischen so, dass man versucht, möglichst die Haft zu vermeiden und die Leute zu gemeinnütziger Arbeit zu bewegen, was die Grünen und auch ich sehr begrüßen. Trotzdem ist eine Reform des Sanktionenrechts dringend erforderlich.
Als Letztes angestrebt von den Grünen ist die Verhängung von Arbeitsauflagen auch im Zusammenhang mit einer Verwarnung. Mit anderen Worten heißt das: Der Richter kann in den Fällen, in denen der Betroffene kein Geld hat, eine Bewährungsstrafe aussprechen, das heißt, ein Schuldspruch ist notwendig – das ist ganz klar, es ist eine Verfehlung –, eine Bestrafung aber nicht erforderlich. Das betrifft hauptsächlich die Leute, die wirklich auch kein Geld haben, die man aber trotzdem bestrafen muss, deren Strafe man dann zur Bewährung aussetzt. Wie ich der Antwort des Senats entnehme, wäre er nicht abgeneigt, noch einen erneuten Vorstoß zu unternehmen,
denn es war die rot-grüne Regierung, die genau das auf den Weg bringen wollte.
Jetzt muss ich einmal sagen, der Senat hat in diesem Punkt geschlafen. In der Antwort des Senats wird davon nichts erwähnt. Es steht darin, nur ein erneuter Vorstoß, aber es gibt seit Ende 2006 das Zweite Justizmodernisierungsgesetz, und dort ist genau dieses Instrument der Erweiterung der Verwarnung eingesetzt worden. Das heißt, der rot-grüne Antrag wurde also auch in dieses Gesetz mit aufgenommen und umgesetzt. Das steht nicht in der Antwort des Senats, und mich hätte doch sehr interessiert, wie der Senat mit diesem Instrument – schließlich ist es gesetzlich verankert – zukünftig umgeht. Dass wir dann nicht mehr ständig Geldstrafen vollstrecken müssen, sondern vielleicht auch unter Strafvorbehalt stellen, also zur Bewährung aussetzen, ist für mich ganz wichtig.
In der Antwort des Senats hat mich ein Satz doch gewundert, nämlich dass der Senat gesagt hat, dass wahrscheinlich nicht genügend gemeinnützige Arbeit vorhanden ist und es wahrscheinlich mit sehr hohen Kosten verbunden ist, wenn wir noch mehr gemeinnützige Arbeit anbieten. Meine Damen und Herren, ich sage einmal, bezüglich der gemeinnützigen Arbeit finde ich die Antwort ziemlich unüberlegt. Ich glaube, wir haben in unserem Land genug gemeinnützige Arbeit, die abgeleistet werden kann. Zu den Kosten möchte ich sagen – ich glaube, ein Kollege hat es hier einmal ganz kurz nebenbei erwähnt –, dass Ersatzfreiheitsstrafen wirklich Geld kosten.
Das Gefängnis kostet pro Tag richtig Geld. Vielleicht sparen wir, wenn wir noch mehr in den Bereich Gemeinnützigkeit gehen, wenn noch mehr gemeinnützige Arbeit abgeleistet wird, dann im Endeffekt Geld. Es ist einen Versuch wert! – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie Herr Grotheer bereits festgestellt hat, handelt es sich um eine Bundesratsinitiative zur Verringerung der Aufwendungen der Prozesskostenhilfe. Diese ist, wie die Bundesinitiative festgestellt hat, in den Ländern exorbitant gestiegen. Er hat auch gesagt, dass die Berechnung dieser Kostenexplosion auf keiner gültigen Grundlage steht, darauf will ich jetzt auch nicht näher eingehen. Richtig ist, dass die Aufwendungen für die Prozesskostenhilfe in den letzten Jahren auch in Bremen gestiegen sind. Woran liegt es? Es liegt an dem Kostenmodernisierungsgesetz von 2004, das war ein rot-grünes Gesetz, das verabschiedet worden ist, aber man muss dazu sagen, dass der Bundesrat einstimmig alles mitgetragen hat.
Die Folgen sehen wir jetzt, denn es stimmt, was Herr Grotheer gesagt hat, es liegt einfach daran, dass die Gebühren der Rechtsanwälte angehoben worden sind. Wenn wir auf Seite zwei der Antwort des Senats schauen, können wir das ganz genau verfolgen, wie die Gebühren gerade im Anwaltsbereich gestiegen sind. Wenn jetzt eine Initiative gestartet wird, dass die Ärmsten der Armen weniger bekommen oder irgendwelche Regelungen gemacht werden, damit sie nicht so oft Prozesskostenhilfe bekommen, dann wird das eigentlich auf Kosten der ärmeren Bevölkerung ausgetragen. Ich denke, das können wir nicht zulassen!
Ich möchte einmal dem Parlament, um die Brisanz dieses Antrags herauszustellen, nur drei Vorschläge nennen, die die Länder eingebracht haben: Einmal ist es der Vorschlag der vollen Anrechnung des durch den Prozess Erlangten für die Rückzahlung der Prozesskostenhilfe ohne Begrenzung auf Existenzminimum und Schonvermögen. Dazu muss man erst einmal wissen, dass bereits jetzt die Partei die Rückzahlung von Verfahrenskosten grundsätzlich auch mit solchen Vermögenswerten vornehmen muss, die sie in einem Rechtsstreit erlangt hat. Normale Leute müssen das auch.
Der eingereichte Vorschlag von den Ländern geht aber darüber hinaus, denn er möchte, dass auch solche Beträge abgeschöpft werden, die das Existenzminimum sichern sollen oder ein Schonvermögen darstellen. Das können zum Beispiel Unterhaltsansprüche oder Arbeitsentgelt sein. Wenn also ein Unterhaltsanspruch für ein Kind erfolgreich erkämpft wurde, so müsste dieser anschließend für die Verfahrenskosten eingesetzt werden. Im Klartext heißt das: Der bedürftigen Partei wird im Prozesskostenverfahren das genommen, was ihr der Staat bei der Sozialhilfe wieder zukommen lassen muss. Das ist sehr widersprüchlich. Es springt einem förmlich ins Gesicht und ist meiner Meinung nach nicht tragbar!
Der zweite Punkt: Streichung der gegenwärtigen Begrenzung der Ratenzahlung von maximal 48 Monate und Einführung einer Bewilligungsgebühr! Dazu muss man wissen, auch jetzt gibt es Prozesskostenhilfe, bei der die Verfahrenskosten mit Ratenzahlung abgegolten werden können. Allerdings macht man eine Begrenzung auf 48 Monate. Als die Länder diese Streichung der Begrenzung beantragt haben, hat die Bundesregierung ihre verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen geäußert und gesagt, das halte bedürftige Personen davon ab, zum Gericht zu gehen, weil sie – bis sie die Verfahrenskosten endlich abbezahlt haben – so lange belastet werden könnten, dass sie davon keinen Gebrauch mehr machen. Ich denke – das müssen wir uns noch überlegen, Herr Grotheer ist schon darauf eingegangen –, dass das überprüft werden muss.
Der dritte Punkt ist, dass es eine stärkere Eigenbeteiligung der Partei durch Absenkung der Einkommensfreibeträge auf das sozialhilferechtliche Existenzminimum gibt. Das heißt, Parteien, deren einzusetzendes Einkommen das sozialhilferechtliche Existenzminimum geringfügig überschreitet – und wir haben in diesem Hause schon über die immer steigende Zahl von prekären Arbeitsverhältnissen gesprochen, das sind genau diese Menschen –, werden jede wirtschaftliche Belastung vermeiden, was zur Folge hat, dass sie einfach nicht zu Gericht gehen und ihr Recht einklagen. Das ist unserer Meinung nach für mittellose Bürger nicht hinnehmbar!
Ich habe eine etwas andere Auffassung als Herr Grotheer. Der Senat hat in seiner Antwort durchblicken lassen, dass er die Bundesratsinitiative mit den erwähnten Vorschlägen für sinnvoll erachtet. So ist er der Meinung, dass das sozialhilferechtliche Einkommen der Maßstab für Prozesskostenhilfe sein soll. Alle Einkommen über dem Existenzminimum sollen Prozesskostenhilfe nur in Form eines zinslosen staatlichen Darlehens erhalten. Er setzt auch gleich die Gebühr fest, er schlägt 50 Euro vor.
Da nützt auch der Hinweis nicht, den der Senat macht und den ich wichtig finde, dass die Einführung der Prozesskostenhilfe eine sozialstaatliche Errungenschaft ist, die auch der Bevölkerung aus den schwächeren Einkommensschichten einen chancengleichen Zugang zum Recht ermöglicht – der nützt dann eigentlich nichts! Wenn Sie das wirklich befürworten, dann geben Sie die sozialstaatliche Errungenschaft auf!
Ich möchte nur noch einen Satz sagen. Diese Reformvorschläge, die wir vorliegen haben, zielen nur auf die Schwächsten der Gesellschaft, und sie schränken den chancengleichen Zugang zum Recht erheblich ein. Die Große Koalition sollte sich sehr genau überlegen, ob sie so eine Reform unterstützt, die auf Kosten und auf dem Rücken von einkommensschwa
cher Bevölkerung ausgetragen wird. Bündnis 90/Die Grünen findet, dass das keine Reformvorschläge sind, und wir lehnen sie auf der ganzen Linie ab! – Danke!
Es gibt das Recht der Intervention, machen wir die Debatte ein bisschen lebendiger!
Frau Winther, ich wollte Ihnen bezüglich der Mutwilligkeit eigentlich nur mitteilen, dass schon jetzt im Paragrafen 114 ZPO vermerkt ist, dass Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussichten auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Alle behaupteten Mitteilungen, die bisher bei der Beantragung von der Prozesskostenhilfe über den Missbrauch gemacht worden sind, sind bisher nicht belegt worden! Der Paragraf reicht voll und ganz aus, wir müssen ihn nicht ausweiten. – Danke!
Das ist nett, Herr Staatsrat! Ich stimme mit Ihnen überein, dass wir uns darüber unterhalten müssen, dass die Sozialkosten, und letzten Endes sind es ja Sozialkosten, im Bereich Justiz immer höher werden.
Aber ich möchte, dass diese Sozialkosten, die gerade in der Prozesskostenhilfe entstanden sind, weil wir die Gebührensätze der Anwälte erhöht haben, nicht auf Kosten der ärmeren Bevölkerung umverteilt werden. Das ist das Ansinnen, wozu ich auch ver
sucht habe, klarzumachen, dass das nicht geht. Ich kann nicht auf der einen Seite die Gebühren erhöhen und auf der anderen Seite die arme Bevölkerung nehmen, die das ausgleichen soll. Da müssen andere Regelungen getroffen werden. – Danke!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich hatte das Gefühl im Rechtsausschuss, dass Anregungen und eventuelle Änderungen des Gesetzes nicht erwünscht waren. Die Stellungnahme des Justizsenators wurde mir erst während der Sitzung übergeben, gleichzeitig die Stellungnahme der Anregungen des kriminalpolitischen Förderkreises, den wir hier in Bremen haben und der sich zumindest massiv dafür einsetzt, dass Mindeststandards im Jugendstrafvollzug berücksichtigt werden müssen.
Meinen Vorschlag, die zweite Lesung doch bitte erst im April zu machen, damit wir die Stellungnahmen richtig gut durcharbeiten können und damit auch die Einwender genügend Zeit haben, ihre Vorträge zu erörtern, hat die Große Koalition nicht mitgetragen. Sie wollte auf alle Fälle heute die zweite Lesung durchführen.
Das ist schade, denn Einwände, wie wir sie vorgebracht haben und wie sie auch der kriminalpolitische Arbeitskreis vorgebracht hat, brauchen einfach Zeit. Ich kann verstehen, dass die beiden Wissenschaftler Professor Feest und Professor Pollähne, die ja zugegen waren in dieser Sitzung, richtig sauer sind, denn das Gesetz, wenn man es genau betrachtet, entspricht nicht dem wissenschaftlichen Stand.
Meine Damen und Herren, als Opposition bekommen wir nicht immer alles durchgesetzt, das fachlich sinnvoll und rechtlich notwendig ist. Das ist klar! Trotzdem stimmen wir diesem Gesetz zu! Wir sind davon überzeugt, dass es notwendig ist, über Einwände und Vorschläge langwierig zu beraten. Das braucht Zeit, und das braucht wahrscheinlich auch in nächster Zeit im Rechtsausschuss Möglichkeiten, dass wir noch weiterhin dieses Gesetz beraten können.
Das gilt auch für die Ausgestaltung der Wohngruppen! Das Bundesverfassungsgericht hat klare Vorgaben gemacht, wie eine Wohngruppe gestaltet wer
den soll, welche Mindeststandards, welche maximale Begrenzung der Wohngruppe und welche Zuweisung von Personal es geben soll. Es ist nicht im Gesetz enthalten, kann aber ohne Weiteres in einer Verordnung verankert werden. Das heißt, wir müssen darüber weiterhin diskutieren.
Bezüglich des offenen Vollzugs möchte ich nur so viel sagen: Es braucht eine gesetzliche Selbstverpflichtung, sie ist erforderlich, aber sie ist im Gesetz einfach nicht so verankert, dass man es sofort erkennen kann.
Bezüglich der Eigenständigkeit der Justizvollzugsanstalt wollten die Grünen mit ihrem Antrag einfach diese Anstalt stärken, damit sie allein agieren kann. Nicht nur die fachliche Zuständigkeit, die im Gesetz enthalten ist, sollte eindeutig erkennbar sein. Ich benötige keinen großen Apparat, um eine Eigenständigkeit sicherzustellen.
Dann gab es einige Anregungen vom kriminalpolitischen Arbeitskreis, die im Gesetz unbedingt nachgebessert werden sollten. Wegen der Kürze der Redezeit mache ich das nur in kurzen Stichpunkten. Die Abgeordneten, die im Rechtsausschuss sind, wissen, welche das sind: Das ist einmal die umfassende Vernetzung des Vollzugs, der sogenannte Chancenvollzug, die Vollzugslockerung, Disziplinarmaßnahmen, die wir auch noch erörtern müssen, sofern sie denn dem Erziehungsgedanken entgegenstehen, die Regelung des Briefverkehrs, des Telefonierens und der Nahrungsmittelpakete, die meiner Meinung nach hinter die Regelung des Strafvollzugsgesetzes zurückfallen.
Es ist Aufgabe der nächsten Legislaturperiode, konkrete Ziele vorzugeben und die Erreichung zu überprüfen. Die von mir vorgebrachten Änderungen, ich habe sie deswegen alle noch einmal ganz kurz aufgelistet, sowie die eingereichten Anmerkungen des Datenschützers und die Anmerkungen des kriminalpolitischen Arbeitskreises sind eigentlich eine gute Grundlage, in den nächsten Rechtsausschusssitzungen genau darüber zu debattieren.
Bündnis 90/Die Grünen werden dem Gesetz in zweiter Lesung zustimmen, weil der Jugendstrafvollzug endlich eine eigene gesetzliche Grundlage benötigt, obwohl – und das habe ich jetzt gerade aufgelistet – eine Reihe von Punkten und Paragrafen nicht ganz unserer Auffassung entsprechen.
Wir gehen davon aus, dass das Gesetz erst einmal einen Rahmen für den Jugendstrafvollzug darstellt, in dem die weitere Entwicklung stattfinden kann und muss. Es ist also wichtig für uns, wie das Gesetz umgesetzt wird. Ich sage das einmal an einem Beispiel: Bei der Forderung der frühzeitigen Entlassungsvorbereitung, die ohne Zeitangabe im Gesetz steht, aber von den Initiativen wird genau diese Zeitangabe gefordert. Erfolgt bei der Umsetzung des Gesetzes durch die Justizvollzugsanstalt eine frühzeitige Vorbereitung und bewährt sich diese, ist eine Änderung des
Gesetzes nicht notwendig, weil genau das eintritt, was wir wollen.
Ist es nicht so, müssen wir versuchen nachzubessern in Untergesetzen, in Verordnungen oder im Gesetz selbst. Es kommt also darauf an, wie das Gesetz gehandhabt wird. Das gilt auch für die Wohngruppen, und das gilt auch für die anderen Forderungen. Reicht das Gesetz nicht aus, muss nachgebessert werden oder, wie im Rechtsausschuss angekündigt, was Sie auch gesagt haben, dass noch einmal diskutiert wird im Rahmen des Strafvollstreckungsgesetzes.
Da laut Gesetz eine Evaluation stattfinden muss, haben wir also auch die Möglichkeit nachzuvollziehen, welche Vorgaben nicht umgesetzt werden, welche nachgebessert werden müssen, welche notwendig sind und wo präzisiert werden muss.
Ich komme zum letzten Satz!
Meine Damen und Herren, Bündnis 90/Die Grünen teilen die Inhalte und Ziele des Bundesverfassungsgerichtsurteils. Wir werden künftig genau überprüfen, ob das Gesetz dem gerecht wird. – Ich danke Ihnen!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich wollte nur ganz kurz zu meiner Vorrednerin sagen: Es ist kein Spagat, den wir machen. Wir betrachten das Gesetz als notwendig, und das habe ich auch gesagt.
Es ist wichtig, dass es endlich einmal im Jugendstrafvollzug ein eigenes Gesetz gibt. Das haben wir immer befürwortet, und dazu stehen wir. Dass das Gesetz so, wie es ist, nicht unserer Auffassung entspricht, dass es nachgebessert werden muss, das kann uns nicht davon abhalten zu sagen, es ist so schlecht, dem können wir nicht zustimmen. Es bleibt uns doch frei, Änderungsanträge im Lauf der Legislaturperi
ode und auch der nächsten Regierung zu stellen. Das heißt doch nicht, dass es so verankert ist, dass überhaupt nichts mehr passieren kann. Es gibt noch Verordnungen, es gibt noch die Untergesetze, alles muss noch erarbeitet werden. Ich denke, da fließt noch viel Wasser die Weser hinunter, und da können wir noch einiges ändern. Insofern ist es für mich ein Rahmen, der für den Jugendstrafvollzug notwendig ist.
Ich möchte zu dem Antrag noch kurz sagen, Sie brauchen den Antrag nicht abzulehnen, wir ziehen ihn zurück, sonst wird das Durcheinander noch heilloser, als es jetzt schon ist. Ich denke, wir haben einen Rahmen für dieses Gesetz. Wir gehen damit in die nächste Regierung, und wir werden sehen, wie weit die Grünen mit ihren Forderungen durchkommen, um es entsprechend zu ändern. Wir werden die Umsetzung überprüfen. Wir haben das Bundesverfassungsgericht im Rücken. Es hat Vorgaben gemacht, und wir werden sehen, ob Sie diese einhalten. – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als ich die Anfrage und die Antwort gelesen habe, habe ich nicht genau gewusst, was Sie damit eigentlich wollen. Ich habe es ein bisschen herausgehört bei Ihren Reden. Ich habe mir gedacht, das klingt so, als wollen wir für die ehrenamtlichen Bürgerinnen und Bürger eine Informationsbroschüre „Wie gründe ich einen Verein“. Dafür ist sie sehr gut geeignet. Wenn Sie mich gefragt hätten, diese Informationsbroschüre hätte ich Ihnen auch geben können, man bekommt sie bei jedem Notar und bei jedem Amtsgericht. Da hätten wir schon allein von diesen ganzen Fragen zehn Fragen beantwortet gehabt, weil sie sich einfach nur auf die Eintragung beschränken. Es bleiben dann noch ein paar Fragen übrig. Dazu haben Sie jetzt Ausführungen gemacht. Ich mache das nicht mehr! Ich möchte eigentlich nur noch einmal anmerken, was ich aus meiner Sicht wichtig finde, was dort nicht abgehandelt wurde. Es steht in der Antwort des Senats nicht, dass es zurzeit Verhandlungen zur Änderung des Gemeinnützigkeitsgesetzes gibt. Ich denke, da müssen wir aufpassen und aufmerksam sein, welcher Verein, welche Institution die Gemeinnützigkeit erhalten soll, wie die Gemeinnützigkeit zu erhalten ist, dass es für die Leute, die einen gemeinnützigen Verein gründen wollen, einfach ist. Es wäre doch absurd bei einem privaten Golfklub, dass er die Körperschaftssteuer nicht mehr bezahlen muss, weil er unter der Gemeinnützigkeit geführt werden kann, was ja heutzutage der Fall ist. Ich denke, da müssen wir auch einmal ein bisschen Einhalt gebieten und schauen, welcher Verein die Gemeinnützigkeit hat. Kommen wir zur Förderung und Unterstützung für bürgerschaftliches Engagement! Meiner Meinung nach mangelt es hier in der Verwaltung und bei den politischen Entscheidungen. Seit drei Jahren verfolge ich hier die Debatte und habe den Vorschlag gemacht, den Raum hier im Hause, wo der Europa-Point vorgesehen ist, auch zur Darstellung von bürgerlichem Engagement zu nutzen. Aber nichts kommt voran! Ich denke, es ist auch wichtig, dass Bürger eine Anlaufstelle, eine Ansprechpartnerin und einen Ansprechpartner haben. Bürger denken nicht in Ressort
zugehörigkeiten. Es wäre fatal, wenn sie, wie der Buchbinder Wanniger, in der Dienststelle von einer Abteilung zur anderen verbunden würden. Nicht einmal online habe ich durch Links die Möglichkeit, Ansprechpartner in der entsprechenden Verwaltung zu finden. Ich denke, da müssen wir noch einiges tun.
Kommen wir doch einmal zum politischen Raum, was für mich eigentlich viel wichtiger ist für bürgerschaftliches Engagement als die Frage, wie ich einen Verein gründe! Wenn wir immer schauen, welche Gelder wir in den letzten Jahren in dem Bereich „Bürgerschaftliches Engagement“ gekürzt haben, dann sind das über 2 Millionen Euro. Wir kennen die WiN-Projekte, bei denen wir wirklich sagen müssen, sie sind super, sie laufen super. Sie werden gekürzt! Wenn dann Herr Neumeyer seine Sommertour macht, dann sind das keine Verbesserungen. Ich betrachte es eher als peinlich, in diese Stadtteile zu fahren.
Kürzung der Beirätemittel: Ja, weil gekürzt wird, weil die Programme immer weiter heruntergefahren werden! Kürzung der Beirätemittel heißt doch letztendlich, dass wir den Initiativen das Wasser abgraben, weil die Beiräte ihnen das Geld nicht mehr geben können.
Schauen wir doch ganz einfach einmal in die Bürgerschaft: Ich denke, wir haben hier verschiedene Koffer stehen, Sie haben sie wahrscheinlich schon bemerkt. Das Projekt heißt INSAN und wurde mit dem Integrationspreis des Bremer Rates für Integration ausgezeichnet. Ziel der Ausstellung ist es, den kulturellen Hintergrund der Migrantinnen und Migranten als eine Bereicherung des Stadtteils und der Stadtteilkultur herauszustellen. Schauen Sie sich ruhig die Koffer an! Hören Sie auch einmal mit den Kopfhörern, was die Huchtinger Bürgerinnen und Bürger zu sagen haben!
Dann möchte ich Ihnen einmal sagen, wenn ich gerade beim Thema Migration bin: Da gibt es ein Projekt, das heißt VIT, das ist ein familienorientiertes Integrationstraining, das sich besonders mit den Belastungen und Chancen der Migration befasst. Es ist ein wunderbares Projekt, ich möchte das hier lobend erwähnen, und es wird auch angenommen. Dass dieses Projekt so erfolgreich läuft, liegt hauptsächlich an dem Engagement der dortigen Kursleiterinnen und nicht an deren Bezahlung, die fast schon Ausbeutung ist. Wir sollten uns also überlegen, wie wir gerade solche Projekte weiterfördern.
Meine Damen und Herren, bürgerschaftliches Engagement hat sehr viele Facetten. Das haben wir heute gemerkt, das merken wir bei jeder Diskussion, die wir hier haben. Vom demokratischen Engagement angefangen über die Partizipation –
ich bin sofort fertig – und der politischen Teilhabe. Ich denke, wenn man Bürger an den politischen Entscheidungsprozessen teilhaben lässt, bei der Vorstellung der Ergebnisse des Bürgerforums wurde auch genau diese Beteiligung der Bürger gefordert, warum sollen Bürgerinnen und Bürger nicht an Entscheidungen ab einer bestimmten Größenordnung mitwirken? Warum sollen die Bürger nicht öfter ihre Stimme zu zukünftigen Planungen abgeben, warum nicht öfter bei zweifelhaften Entscheidungen Umfragen initiieren?
Wenn wir eine zukunftsfähige Zivilgesellschaft, und genau das ist dieses bürgerschaftliche Engagement, haben wollen, genügt es nicht, nur einmal alle vier Jahre zu wählen. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mein Vorredner, Herr Ehmke, hat schon darauf hingewiesen, wie das Gesetz entstanden ist und dass es ein Gesetz ist, das im Konsens von 9 Ländern mit Bremen zusammen auf den Weg gebracht worden ist. Ich möchte darauf hinweisen, dass es in der Vergangenheit schon mehrere Vorstöße auf der Ebene des Bundes gegeben hat, eine gesetzliche Regelung zu schaffen. Das ist leider Gottes in den letzten 20 Jahren immer am Widerstand der Länder gescheitert.
Das war übrigens auch einer der Hintergründe dafür, weshalb viele am Strafvollzug Beteiligte nach dem Übergang der Gesetzgebungskompetenz auf die Länder befürchtet haben, dass es zwischen den Ländern zu einem Wettbewerb der Schäbigkeit kommen wird, je nachdem, wie arm oder reich das Land ist, je nachdem, wie gut oder wie schlecht die Gefangenen behandelt werden. Ich denke, Bremen hat gezeigt, dass man auch konstruktiv ein Gesetz mit anderen Ländern erstellen kann mit einigen Bremensien, die dann trotzdem Anklang finden und über die wir sprechen können.
Auf Bundesebene gab es einen aktuellen Referentenentwurf aus dem Bundesministerium der noch rot-grünen Regierung, er datiert vom 28.4.2004. Die
ser rot-grüne Referentenentwurf kann als Mutter aller Entwürfe bezeichnet werden. Alles andere kam zeitlich gesehen hinterher. Das betrifft den Entwurf von Frau Zypries und auch den Entwurf der Länder sowie unseren Entwurf. In allen Fällen wurde in wesentlichen Teilen aus dem genannten Referentenentwurf abgeschrieben. Das betrifft den Aufbau des Gesetzes, die Paragrafenfolge und geht teilweise auf die Vorschriften ein.
Die Grünen haben nichts dagegen, wenn man aus Entwürfen abschreibt, die von rot-grünen Regierungen aufgestellt wurden. Gleichwohl haben wir etwas dagegen, wenn wie hier in diesem Gesetzentwurf ein bisschen davon abgewichen oder nicht so gezielt formuliert worden ist, sodass man doch sagen kann, einige Paragrafen unterliegen der Beliebigkeit. Das ist auch der Grund, warum wir eine Regelung fordern, dass der offene Vollzug Regelvollzug wird, dass wir nicht nur eine fachlich zuständige, sondern eine eigenständige Justizvollzuganstalt haben wollen und dass bezüglich der Wohngruppen innerhalb der Vollzugsanstalt das Gesetz härter formuliert werden muss. Wir sollten die Chance nutzen, mit diesem Gesetz den offenen Vollzug als Regelvollzug festzuschreiben, die Jugendstrafanstalt als eigenständige Anstalt herauszustellen und zukünftig den Wohngruppenvollzug gesetzlich regeln.
Zuerst zum offenen Vollzug: Bereits in den Siebzigerjahren begann die Diskussion um den offenen Vollzug. In der Gesellschaft gab es in dieser Position einen breiten Konsens. Nur Jugendliche, die sich dem offenen Vollzug entziehen wollten oder den offenen Vollzug zur Begehung von Straftaten benutzen, sollten geschlossen untergebracht werden. In der Zwischenzeit haben sich ganz andere Vorstellungen entwickelt. Vor allem gibt es Bestrebungen, den Jugendstrafvollzug an den allgemeinen Strafvollzug für Erwachsene heranzuführen. Diese Tendenz müssen wir leider auch in Bremen beobachten. Hier werden die Jugendlichen fast ausnahmslos im geschlossenen Vollzug gehalten. Ein einziger jugendlicher Strafgefangener befand sich im Dezember vorigen Jahres im offenen Vollzug. Im Januar keiner! Ich denke, das ist so nicht hinnehmbar!
Nicht ohne Grund hat das Bundesverfassungsgericht konkrete Anforderungen an das Jugendstrafvollzugsgesetz gestellt. So sollen die gesetzlichen Grundlagen nach modernen Erkenntnissen der Erziehungswissenschaft ausgerichtet sein. Das bedeutet kein Verwahrvollzug, sondern Förderung mit dem Ziel, nach der Verbüßung ein Leben ohne Straftaten zu führen, und dazu gehört der offene Vollzug.
Ich möchte gern mit Erlaubnis des Präsidenten aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zitieren: „Jugendliche und Heranwachsende befinden sich bio
logisch, psychisch und sozial in einem Stadium des Übergangs, das typischerweise mit Spannungen, Unsicherheiten und Anpassungsschwierigkeiten verbunden ist. Zudem steht der Jugendliche in einem Alter, in dem nicht nur er selbst, sondern auch andere für seine Entwicklung verantwortlich sind. Die Fehlentwicklung, die sich in gravierenden Straftaten eines Jugendlichen äußert, steht in besonders dichtem und oft auch besonders offensichtlichem Zusammenhang mit einem Umfeld und Umständen, die ihn geprägt haben. Freiheitsstrafen wirken sich in vieler Hinsicht für Jugendliche besonders gravierend aus.“
Meine Damen und Herren, Jugendliche, die oft Schreckliches getan, aber auch oft Schlimmes erfahren haben, erwarten vom Jugendstrafvollzug, den sie als totale Institution ansehen, nichts als Härte. Wenn sie dann aber ein menschliches Gefängnis erleben mit pädagogisch aufgeschlossenen Beamten, ansprechenden Bildungsangeboten, guter Vorbereitung auf das Leben nach der Haft, können sie sich vielleicht öffnen und ihrem Leben eine neue Orientierung geben. Allerdings macht die weltweite Tendenz nach mehr Härte auch im Umgang mit jungen Straftätern, die sogenannte Law-and-Order-Stimmung, es schwer bis unmöglich, den offenen Vollzug als Regelvollzug durchzusetzen.
Erheblich tragen dazu die Medien, die Polizei und die Politik bei. Mit ihrer Dramatisierung wird die Bevölkerung in ständiger Kriminalitätsfurcht gehalten. Dem kann man nur entgegentreten, indem man die Bevölkerung mit den tatsächlichen Zahlen der inhaftierten Jugendlichen und deren Delikte konfrontiert. Dann wird man erkennen, dass nur jeder vierte Jugendliche mit schweren Delikten im Vollzug einsitzt, mit wirklich schweren Delikten. In Bremen ist das nicht anderes, die Jugendlichen mit ganz schweren Delikten haben wir nicht bei uns im Jugendstrafvollzug.
Wenn wir also einen vernünftigen Vollzug gewährleisten, der den Jugendlichen beziehungsweise den heranwachsenden Gefangenen befähigt, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen, haben wir das Vollzugsziel der Realisierung erreicht und damit erheblich für die Sicherheit der Bevölkerung beigetragen.
Es ist ein Irrglaube zu denken, dass die Sicherheit der Bevölkerung durch eine Erhöhung der Mauer erreicht wird. Sicherheit erreiche ich nachhaltiger durch das, was mit den Gefangenen im Vollzug passiert. Auch Herr Knäpper – er ist nicht da heute? –
hat in der Debatte im November nachdrücklich darauf hingewiesen, dass erfolgreiche Resozialisierungsbemühungen der beste Beitrag für die Sicherheit der Bevölkerung ist. Da stimme ich mit ihm überein.
Bei Vergleichen mit anderen Ländern, die den offenen Vollzug praktizieren wie zum Beispiel Dänemark, Schweiz, Österreich, fällt auf, dass die Rückfallquote dort bei 20 bis 30 Prozent liegt, während wir hier in Bremen bei circa 60 Prozent liegen. Interessant dabei wäre auch ein Vergleich der Kosten. Wir wissen, dass eine Unterbringung in der Vollzugsanstalt ziemlich teuer ist. Durch die hohe Rückfallquote fallen logischerweise noch mehr Kosten an. Es wäre vielleicht eine Berechnung wert, einmal zu erfahren, wie viel mit dem offenen Vollzug vielleicht einzusparen wäre. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht die Länder aufgefordert, die notwendigen finanziellen Ausstattungen für einen streng am Erziehungsgedanken orientierten Strafvollzug zur Verfügung zu stellen.
Das heißt, wenn sich der Strafvollzug im Sinne des Bundesverfassungsgerichts ändert, und ich hoffe, in Bremen wird das nicht nur angestrebt, sondern auch umgesetzt, müssen wir mit Mehrkosten rechen. Das betrifft die notwendigen Investitionen und auch mehr Personal. Vielleicht erreichen wir durch den offenen Vollzug Einsparungen, die wir dann für einen besseren Vollzug in der Anstalt einsetzen könnten. Zumindest wäre es eine Überlegung wert.
Nun zu den Wohngruppen! Paragraf 26, ich zitiere: „Geeignete Gefangene werden regelmäßig in Wohngruppen untergebracht. Nicht geeignet sind in der Regel Gefangene, die aufgrund ihres Verhaltens nicht gruppenfähig sind. Da ein wesentlicher Schwerpunkt der weiteren Entwicklung des Jugendvollzugs die Umstellung auf Wohngruppen ist, müssen die Standards und das geforderte fachliche Niveau genau definiert werden. Schließlich soll in den Wohngruppen der Erziehungsauftrag umgesetzt werden. Der junge Gefangene soll insbesondere lernen, Konflikte des täglichen Lebens gewaltfrei zu lösen. Die Übernahme von Verantwortung für Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse dient dazu, eigenverantwortliches Handeln für ein kriminalitätsfreies Leben in Freiheit einzuüben.“
Dagegen ist das, was in Paragraf 26 steht, unserer Meinung nach zu schwammig formuliert. Wir haben damit eine Regelung, die im Grunde genommen völlig freie Hand lässt, man kann es machen, man kann es auch lassen. Herr Ehmke hat eben gesagt, dass der Wohngruppenvollzug Regelvollzug werden soll, das begrüße ich und hoffe, dass wir dann im Rechtsausschuss darüber diskutieren, ob wir das Gesetz ergänzen oder vielleicht in einer Verordnung das aufgenommen werden kann.
Wir fordern die Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils, weil der Erziehungsauftrag gesetzlich festgeschrieben werden muss. Selbst im Entwurf von Frau Zypries sind Standards für den Wohngruppenvollzug vorgesehen. Das muss man sich einmal überlegen, da hat sie hineingeschrieben, dass die Wohngruppe höchstens 8 Personen umfassen soll, da nur bei einer überschaubaren Gruppengröße die Mög
lichkeit, erziehend einzugreifen, gewährleistet ist. Ich denke, da müssen wir noch ein bisschen nacharbeiten, aber das tun wir im Rechtsausschuss.
Die Umstellung auf Wohngruppen verlangt von unserer Jugendstrafanstalt nicht nur organisatorische – –.
Ich komme nur noch auf die investiven Mittel! Da im Jugendvollzug bisher keine Wohngruppen existieren, müssen, um dies zu gewährleisten, bauliche Veränderungen vorgenommen werden. Das wissen wir! Deshalb müssen wir uns überlegen, ob wir die bereits bereitgestellten Sanierungsmittel vorrangig für die Umstellung auf Wohngruppen zur Verfügung stellen. Bündnis 90/Die Grünen findet dies eine sehr dringliche Aufgabe, und wir sind der Meinung, dass diese vorrangige Investitionen mit in den Sanierungsplan aufgenommen werden sollten. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin, der offene Vollzug als Regelvollzug heißt nicht, dass wir Schwerstkriminelle in den offenen Vollzug setzen, das ist klar. Aber es soll vorrangig der offene Vollzug deklariert werden, und nur die Gefangenen, bei denen man weiß, die Sie jetzt auch aufgeführt haben, dass sie draußen in Freiheit die nächste Kriminalität, das nächste Opfer vielleicht schänden oder sonst irgendetwas machen, kommen in den geschlossenen Vollzug. Jetzt haben wir in der Jugendstrafanstalt aber überhaupt keinen offenen Vollzug. Wenn ich einen einzigen Jugendlichen im offenen Vollzug im Dezember habe und im Januar nicht einen einzigen, wir haben das in der Statistik im Rechtsausschuss festgestellt, dann ist das für mich ein Verwahrvollzug, nichts weiter. Ich möchte eigentlich die Jugendlichen auf die Freiheit vorbereiten, und dazu gehört nun einmal der offene Vollzug.
Ich habe hier eine Zeitungsmeldung von der „Frankfurter Rundschau“. Da hat Herr Koch in Hessen, wir kennen ihn ja alle, den Ministerpräsidenten, sich umgesehen in den Ländern, die einen anderen Vollzug praktizieren, und er hat festgestellt, dass gerade diese Länder, die einen offenen Vollzug haben, weniger Rückfallquoten haben. Er war dann in der Schweiz, da hat ihn besonders beeindruckt, dass dort die kriminellen Jugendlichen in einer Institution untergebracht sind, die nicht einmal eine Mauer außen herum hat. Da werden die Jugendlichen nur eingeteilt in Gruppen, einmal diejenigen mit Drogenproblemen, einmal die mit Gewalt und dann diejenigen, die nicht einsehen, dass sie Unrecht getan haben. Sie werden dann alle therapiert!
Was ist der Erfolg? Er sagt: Eigentlich müsste es keinen Wettlauf der Schäbigkeiten geben, sondern einen Wettlauf um die besten Rezepte. Jetzt ist die richtige Zeit dafür, und ich denke, da hat er eigentlich einmal recht!
Ich wollte noch einmal ganz zum Schluss zu der Eigenständigkeit der Jugendstrafvollzugsanstalt kommen. Sie haben gerade gesagt, was das in der Konsequenz heißt. – Haben Sie gerade geklingelt?
Ach so! Nach dem vorgelegten Gesetzestext ist die Jugendstrafanstalt eine Teilanstalt, und es ist möglich, Jugendstrafen auch in einer Abteilung eines Erwachsenengefängnisses zu vollziehen. Der Senator für Justiz, das hat Herr Ehmke schon gesagt, hat zwei Anhörungen dazu durchgeführt, und jedes Mal tauchte die Forderung bei diesen zwei Anhörungen auf nach einer möglichst weitgehenden Selbstständigkeit des Jugendvollzugs sowohl in personeller, organisatorischer und vor allem konzeptioneller Hinsicht.
Im vorgelegten Konzept kommt die Eigenständigkeit des Jugendvollzugs nur unzureichend zum Ausdruck. Lediglich aus dem Hinweis, den Herr Ehmke auch zitiert hat, auf Paragraf 101, dass der Anstaltsleiter die fachliche Verantwortung für den Vollzug hat, könnte der Schluss gezogen werden, dass es eine fachliche Selbstständigkeit des Jugendvollzugs geben muss. Aber diese Regelung verweist lediglich auf die fachliche Zuständigkeit und lässt die konzeptionelle und organisatorische Verantwortung außen vor.
Genau darüber wollen wir uns im Rechtsausschuss noch einmal unterhalten, weil diese Forderung nicht nur bei den Grünen, sondern bei vielen Jugendrichtern, bei vielen Teilnehmern in diesem Rechtsausschuss gestellt worden ist. Ich denke, da können wir das besprechen.
Jetzt noch einmal zu unserem Überweisungsantrag in den Rechtsausschuss! Er beschreibt diese Forderungen von der Selbstständigkeit des Jugendvollzugs, von den Wohngruppen und von dem offenen Vollzug als Regelvollzug. Wir haben heute die 1. Lesung des Gesetzes. Ich denke, wenn der Senat schnell antwortet, bekommen wir keine zeitliche Verzögerung. Ob wir das mit Verordnungen machen oder das Gesetz ergänzen, das ist dann unsere Sache. Das werden wir dann in der 2. Lesung vielleicht erörtern, vielleicht geht es auch so durch, wenn wir es vorher geklärt haben.
Die Grünen finden, dass der Entwurf, der vorliegt, sehr breit diskutiert worden ist. Es sind nur diese drei kleinen Teile, die wir monieren, deswegen haben wir heute auch darüber gesprochen. Wir stimmen der 1. Lesung des Jugendstrafvollzuggesetzes zu und wollen dann im Rechtsausschuss überlegen, wie wir das andere unterbringen können. – Ich bedanke mich!
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Ich war gerade ziemlich erschüttert, Herr Tittmann! Ich rate Ihnen, jetzt, während meines Vortrages, nicht hinauszugehen, sondern dem zuzuhören! Ich bin gern bereit, mich mit Ihnen auseinanderzusetzen, Ihnen zu sagen, welche Gesetze Sie alle durcheinandergebracht haben. Was Sie behaupten, ist überhaupt nicht wahr!
Es wäre vielleicht ganz gut, einmal zuzuhören, was diese Bundesrepublik alles für die Opfer in den letzten Jahren getan hat, was Sie immer noch abstreiten!
Ich bin richtig aufgeregt, wirklich wahr! Wenn ich das höre, was Sie hier alles behaupten, was hinten und vorne nicht stimmt. Wissen Sie, mir fällt eigentlich nur eine Metapher dazu ein:
Die Trommel ist groß, weil sie innen hohl ist!
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen einfach, um Ihnen zu zeigen, was wir alles für den Opferschutz getan haben, einmal raten, die Anmerkungen des Senats auf die Antwort zu lesen, denn dort sind wirklich die meisten wirksamen Rechte für die Opfer beschrieben.
Es war die rot-grüne Regierung, die die meisten Rechte zum Opferschutz eingeführt hat, das muss man sagen! 1998 wurde das Zeugenschutzgesetz eingeführt, ein Jahr später die Verankerung des TäterOpfer-Ausgleichs, in der letzten Legislaturperiode das erste Justizmodernisierungsgesetz, das Opferrechtsreformgesetz – Herr Tittmann, es ist nicht von der Großen Koalition, es ist von der rot-grünen Regierung – und das Sexualstrafrecht.
Bei all diesen Gesetzen wurden die Rechte der Opfer von Straftaten verstärkt in den Fokus gestellt, damit dieses Mal wirklich ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden. Es gibt nicht nur eine Geldstrafe mehr bei sexuellem Missbrauch. Die Verjährungsfrist für sexuellen Missbrauch beginnt erst mit dem 18. Lebensjahr der betroffenen Kinder. „Minderschwere Fälle“ wurden gestrichen, weil das von den Opfern oft als Verharmlosung empfunden wurde. Strafbarkeitslücken wurden geschlossen, wie zum Beispiel das Anbieten von Kindern im Internet. Kinderpornografie ist keine Bagatelle mehr, das war es vorher! Die Höchststrafe dafür betrug ein Jahr, jetzt sind es fünf Jahre. Selbst der Besitz von Kinderpornografie ist strafbar. Die DNA-Analyse wird bei allen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ermöglicht, das war vorher nicht möglich. Die Sicherungsverwahrung von Heranwachsenden, die nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt wurden, wird in einem eng eingegrenzten Rahmen, das heißt, wenn sie über 5 Jahre verurteilt werden, ermöglicht. Das ist genau das, was Sie hier angeprangert haben, das gäbe es nicht, Herr Tittmann! Das hat alles Rot-Grün auf den Weg gebracht, und es ist gut so!
Das Opferrechtsgesetz schützt deshalb insbesondere die Opfer von Sexualverbrechen vor mehrfachen
Vernehmungen zum gleichen Gegenstand, damit fiel eine große Belastung für die Betroffenen weg. Den Opfern von Prostitution und Zuhälterei wurden Nebenklagerechte eingeräumt. Eine Nebenklage im Jugendstrafverfahren gegen Heranwachsende wurde möglich gemacht – Heranwachsende sind diejenigen, die zur Tatzeit 18, aber noch nicht 21 Jahre alt waren. Im Strafverfahren gegen Jugendliche wurden die Beteiligungsrechte und die Stärkung der Informationsrechte eingeführt. Es ist möglich, zivilrechtliche Verfahren im Strafverfahren nach dem Erwachsenenrecht geltend zu machen, das sogenannte Adhäsionsverfahren – Herr Grotheer hat erklärt, was das ist –, das alles unter der Ägide der rot-grünen Regierung! Was diese rot-grüne Regierung in ihrer Amtszeit für die Opferrechte auf den Weg gebracht und beschlossen hat, kann sich wirklich sehen lassen, meine Damen und Herren!
Die Große Koalition in Berlin – jetzt komme ich auf die eigentliche Sache – hat mit dem zweiten Justizmodernisierungsgesetz beschlossen, auch die Nebenklage gegen Jugendliche – die gab es noch nicht, nur gegen Heranwachsende und Erwachsene – und das Adhäsionsverfahren – also das Verfahren, das man gleich zivilrechtliche Ansprüche im Strafverfahren geltend machen kann – auch für die Heranwachsenden zuzulassen. Das gab es bisher auch noch nicht.
Ich denke, alle Fraktionen im Bundestag haben ihre Bedenken vorgetragen, dass diese zwei Punkte auf der einen Seite halbherzig und auf der anderen Seite wahrscheinlich rechtlich nicht möglich sind. Aber sie haben darauf keine Rücksicht genommen. Die Methode von Rot-Grün, nämlich jahrelang verhandeln und auch mit dem Rechtsausschuss immer wieder diskutieren, so, dass viele Parlamentarier auch von der CDU den Gesetzen zugestimmt haben, haben sie leider Gottes diesmal nicht praktiziert, sie haben sie mehr oder weniger durchgepeitscht.
Ich möchte ganz kurz zum Adhäsionsverfahren etwas sagen: Wir haben es noch nicht sehr lange, das heißt, wir wissen also nicht, ob es sich bewährt hat. Man hätte es vielleicht erst einmal auswerten sollen, man hätte überlegen sollen: Vielleicht muss man es besser machen, vielleicht kann man auch irgendetwas weglassen, vielleicht geht das doch irgendwie auf der anderen Seite schneller. Man hätte vielleicht, um den Opfern einen Gefallen zu tun, sagen müssen: Wir überprüfen es, wenn sich wirklich herausstellt, dass es ein gutes Mittel ist, dann machen wir es auch für die Heranwachsenden. Meiner Meinung nach war das zu schnell, wir müssen abwarten, ob es greift, wie es gedacht ist.
Die Nebenklage im Jugendgerichtsverfahren: Bündnis 90/Die Grünen lehnt sie ab, weil sie nach wie vor nicht mit dem Erziehungsgedanken vereinbar ist. Ziel war und ist, den Opferschutz auch im Jugendstrafverfahren zu verbessern, darüber sind wir uns alle einig. Dabei muss ein Ausgleich zwischen den
Opferinteressen und den Besonderheiten des Jugendstrafrechts geschaffen werden. Welche Lösungen dieser Balance am besten gerecht werden, das ist eine schwierige Frage, das wurde auch in dem Rechtsausschuss in Berlin bestätigt. Die Rechte einer Nebenklage stehen nun einmal im Konflikt zu dem Erziehungsgedanken. Genau an diesem Punkt plagte die Große Koalition das schlechte Gewissen, deshalb hat sie die Nebenklage gegen Jugendliche nur dann zugelassen, wenn das Opfer besonders belastet ist. Wenn es also um Verbrechen gegen Leib und Leben geht, wenn es um Verbrechen gegen sexuelle Selbstbestimmung geht oder wenn es um Verbrechen gegen die persönliche Freiheit geht, nur dann ist die Nebenklage zugelassen. Es wurde also eine Trennlinie gezogen!
Ich komme gleich zum Schluss. Nur bei schwerwiegenden körperlichen Schäden oder bei Gefahr im Verzug, wie jetzt, zählt nicht der Erziehungsgedanke. Bei allen anderen Verfahren zählt der Erziehungsgedanke, das ist sehr halbherzig! Für mich ist das ein fauler Kompromiss! Ich glaube, wir werden sehen, ob das jetzt im neuen Gesetz aufgenommene Nebenklagerecht rechtlichen Bestand hat. Es ist anzuzweifeln, Rechtsexperten haben das auch schon gesagt. Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen. – Danke schön!
Ich habe eine Frage, Frau Senatorin! So, wie ich das gehört habe, haben Sie gesagt, dass Sie 120 bis 130 Einzelhandelsbetriebe im Jahr aufsuchen und überprüfen. Meine Frage geht jetzt dahin: Wie viele Einzelhandelsbetriebe im Land Bremen gibt es insgesamt, damit man so ein bisschen eine Vorstellung hat, wie die Relation ist zu den Besuchen und zu dem Gesamtbestand?
Wäre es möglich, dass wir das in der Deputation nachgereicht bekommen?