Jens Böhrnsen
Sitzungen
16/2
16/3
16/5
16/6
16/7
16/13
16/17
16/19
16/20
16/21
16/23
16/24
16/31
16/32
16/34
16/36
16/40
16/43
Letzte Beiträge
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Fraktionen der SPD und der CDU legen Ihnen heute den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bremischen Schulgesetzes vor, mit dem die religiöse und weltanschauliche Neutralität der öffentlichen Schulen im Lande Bremen geschützt wird.
Jeder hat es gemerkt, der Weg bis hierhin war nicht einfach, mitunter durchaus holperig. Ich glaube aber, anderes war auch überhaupt nicht zu erwarten. Ich darf daran erinnern, dass es einen viel beachteten Vortrag des Staatsrechtlers Professor Ferdinand Kirchhoff, Mitglied des Staatsgerichtshofs des Landes Baden-Württemberg, im Rathaus im März 2004 gegeben hat. Herr Professor Kirchhoff hat damals gesagt, Ausgangspunkt im Streit um religiöse Symbole sei die ganz einfache Frage: Darf an deutschen Schulen eine Lehrerin mit Kopftuch unterrichten? Diese einfache Frage, so Professor Kirchhoff, suggeriere eine einfache Antwort, eine einfache Lösung, aber das Gegenteil sei der Fall. Diese einfache Frage sei nur in einem komplizierten Abwägungsprozess von verschiedenen Verfassungspositionen zu lösen. Wörtlich sagte Professor Kirchhoff, ich zitiere: „Man muss also die Emotionen draußen lassen. Man muss sozusagen auf Distanz zur eigenen Weltanschauung gehen und darauf hören, was die Verfassung sagt.“
Meine Damen und Herren, wer das ernst nimmt, und das wollen und müssen wir als Gesetzgeber, der weiß, dass es beim Streit um religiöse Symbole in der Schule um sehr grundsätzliche Fragen geht. Es geht um das Spannungsverhältnis von grundgesetzlich geschützter Glaubensfreiheit einerseits und der staatlichen Pflicht zur religiösen Neutralität andererseits. Es geht um den möglichen Konflikt widerstreitender Grundrechte der Lehrkräfte, der Schüler und der Eltern. Es geht auch um die Frage, inwieweit besondere kulturelle Traditionen in unserem Land gelebt werden können, und schließlich geht es um die Integration von Menschen unterschiedlicher Herkunft in unsere Gesellschaft.
Dies alles zusammenfassend hat der früherer Bundespräsident Johannes Rau in seiner Lessing-Rede im Januar 2004 gesagt, ich zitiere auch hier: „Es geht um die Frage, wie können Menschen miteinander leben, die ganz unterschiedliche Dinge für wahr und für richtig halten und auch manches tun, was die jeweils anderen unbegreiflich finden.“ Soweit Johannes Rau!
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem berühmten Kopftuchurteil vom 24. September 2003 den demokratisch legitimierten Landesgesetzgeber und damit auch uns, die Bremische Bürgerschaft, aufgefordert, bei dieser komplizierten Abwägung von verschiedenen Verfassungspositionen eine für alle zumutbare Regelung zu suchen, so wörtlich, und zwar, so hat das Bundesverfassungsgericht gesagt, in einem öffentlichen Willensbildungsprozess. Bremen ist, so hat es der frühere Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Ernst Gottfried Mahrenholz gesagt, das einzige Bundesland, das diese Aufforderung eines öffentlichen Willensbildungsprozesses wirklich ernst genommen hat.
Ich darf daran erinnern, dass im März 2004 alle Interessierten und Betroffenen in drei großen öffentlichen Veranstaltungen im Rathaus die Möglichkeit zur Stellungnahme und zum Gespräch darüber bekommen haben, welche Konsequenzen für Bremen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu ziehen sind. Ich darf auch daran erinnern, dass die Beteiligung an diesen großen Foren überwältigend war. Wir haben vielbeachtete Vorträge renommierter Experten gehört zu verfassungsrechtlichen, zu religionsund islamwissenschaftlichen Fragen und auch zu Fragen der Integrationspolitik.
Meine Damen und Herren, ich glaube, dass diese Veranstaltungen ein ganz wichtiger Beitrag zu einem von möglichst vielen Menschen mitgetragenen Ergebnis sind, denn eines ist doch überragend wichtig, jedenfalls für mich, meine Damen und Herren: Der Streit um das Kopftuch darf unsere Gesellschaft nicht spalten. Es darf nicht um Sieg oder Niederlage in irgendeiner Art von Kulturkampf gehen. Wir brauchen eine Verständigung auf möglichst breiter Basis, weil es um eine grundsätzliche Frage des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft geht, und dies müssen wir uns alle klar machen, ob wir nun diese oder jene Haltung einnehmen, meine Damen und Herren.
Ich bin fest davon überzeugt, dass der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf der großen Koalition diesem Ziel einer breit getragenen Verständigung gerecht wird. Ich will Ihnen diesen Gesetzentwurf vorstellen.
Der Ausgangspunkt der vorgelegten Regelung heißt in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz und der Bremischen Landesverfassung: Die öffentlichen Schulen im Lande Bremen haben religiöse und weltanschauliche Neutralität zu wahren. Das ist der Grundsatz. Das heißt zunächst und, ich denke, ganz selbstverständlich, dass unsere Kinder im Unterricht nicht auf Lehrkräfte treffen, die missionieren, die indoktrinieren, die fundamentalistische Werte vermitteln, die die Kinder einseitig religiös ausrichten wollen
oder die etwa die Gleichberechtigung von Mann und Frau in Zweifel ziehen.
Übrigens, meine Damen und Herren, um Missverständnissen vorzubeugen, dies alles richtet sich nicht nur an Lehrkräfte muslimischen Glaubens. Niemand, ob Mann oder Frau, ob Christ, Muslim oder Atheist, darf die grundsätzlich und grundgesetzlich geschützten Rechte von Schülern und Eltern durch falsch verstandene Glaubens- oder Meinungsfreiheit gefährden oder verletzen.
Deshalb heißt es in dem vorgelegten Gesetzentwurf wörtlich, ich zitiere aus dem Gesetzestext: „Die Lehrkräfte und das betreuende Personal müssen in jedem Fach auf die religiösen und weltanschaulichen Empfindungen aller Schülerinnen und Schüler sowie auf das Recht der Erziehungsberechtigten Rücksicht nehmen, ihren Kindern in Glaubens- und Weltanschauungsfragen Überzeugungen zu vermitteln. Diese Pflichten der Lehrkräfte und des betreuenden Personals erstrecken sich auf die Art und Weise der Kundgabe des eigenen Bekenntnisses.“ So der vorgeschlagene Gesetzestext!
Meine Damen und Herren, da die Kundgabe einer religiösen Überzeugung auch durch eine bestimmte Kleidung, Bekleidung oder durch das Tragen von religiösen Symbolen ausgedrückt werden kann, bestimmt der Gesetzentwurf, und ich zitiere auch hier: „Auch das äußere Erscheinungsbild der Lehrkräfte und des betreuenden Personals darf in der Schule nicht dazu geeignet sein, die religiösen und weltanschaulichen Empfindungen der Schülerinnen und Schüler und der Erziehungsberechtigten zu stören oder Spannungen, die den Schulfrieden durch Verletzung der religiösen und weltanschaulichen Neutralität gefährden, in die Schule zu tragen.“ Soweit der Gesetzestext!
Diese vorgeschlagene gesetzliche Regelung bedeutet, dass die Bildungsbehörde insoweit in Ausführung des Auftrages des Bundesverfassungsgerichts nunmehr und erstmalig die Befugnis erhält, Lehrerinnen und Lehrern das Tragen von religiösen Symbolen in der Schule zu untersagen. Der Gesetzentwurf überlässt diese Entscheidung ausdrücklich nicht der einzelnen Schule, so dass die vereinzelt geäußerte Befürchtung, es werde zu Ungleichheiten zwischen den Schulen kommen, nicht begründet ist. Noch einmal gesagt, die Entscheidungsbefugnis liegt bei der Bildungsbehörde. Der Bildungssenator hat in einer Pressemitteilung vom 13. Juni angekündigt, dass er die notwendigen Entscheidungen auf der Grundlage dieses Gesetzes treffen wird.
Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht haben
gerade in den beiden Urteilen, die in der Begründung des Gesetzestextes angeführt worden sind, das Gebot der strikten Gleichbehandlung der verschiedenen Religionen und Glaubensrichtungen betont.
Die Bevorzugung einzelner Religionen ist verfassungsrechtlich unzulässig, ausdrückliche Worte aus beiden Urteilen. Dies gilt sowohl für das Gesetz selbst als auch für die Praxis seiner Durchsetzung, ausdrücklicher Satz aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni, das wir angeführt haben.
Meine Damen und Herren, das muss man all denen entgegenhalten, die meinen, man könne es sich doch ganz einfach machen und in ein Gesetz hineinschreiben, das Kopftuch ist verboten, das Kreuz ist erlaubt.
Das wäre eine gesetzliche Regelung, die bei einer gerichtlichen Überprüfung keinen Bestand hätte und die politisch auch falsch wäre. Deshalb hat nach unserem Gesetzesvorschlag die Bildungsbehörde für jede religiös motivierte Kleidung und für jedes getragene religiöse Symbol zu fragen, ob, wie es im Gesetzentwurf heißt, dadurch die religiösen Empfindungen der Schüler und der Eltern gestört oder ob der Schulfrieden gefährdet ist.
Wenn hier in vereinzelten Kommentaren von Ermessen gesprochen worden ist, so ist das schlicht falsch. Juristisch ist die Entscheidung, die die Bildungsbehörde zu treffen hat, eine so genannte gebundene Entscheidung. Das heißt, die Bildungsbehörde muss die Begriffe der Störung des religiösen Empfindens und des Schulfriedens auslegen. Das ist keine Besonderheit. Das ist bei jeder Rechtsanwendung der Fall. Das ist, auch das ist selbstverständlich, in vollem Umfang justiziabel, also durch Gerichte überprüfbar.
Meine Damen und Herren, wer das als Problem ansieht und etwa, wie ich in einer Pressemitteilung der Grünen gelesen habe, abschätzig von einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Justiz spricht, der muss sich, meine Damen und Herren, nach seiner Haltung zum demokratischen Rechtsstaat fragen lassen.
Noch eines will ich deutlich machen. Nach der vorgeschlagenen gesetzlichen Regelung kann die Behörde sowohl im Einzelfall über das Tragen von religiösen Symbolen entscheiden als auch eine generelle Regelung treffen, also ganz allgemein das Tragen bestimmter religiöser Symbole untersagen, um konkrete Gefahren für die religiösen Empfindungen oder den Schulfrieden gar nicht erst entstehen zu lassen. Für Referendare und Referendarinnen gilt dies alles nur, soweit sie Unterricht erteilen. Das ist
eine Regelung, die sich verfassungsrechtlich von selbst versteht, denn sie folgt aus dem grundgesetzlich gegebenen Ausbildungsanspruch.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassend sagen, ich denke, wir haben eine sorgfältig abgewogene Regelung vorgelegt! Sie betont die Neutralität des Staates gegenüber Religionen und Weltanschauungen. Sie schützt die Schülerinnen und Schüler vor unzulässiger religiöser und weltanschaulicher Beeinflussung durch Lehrerinnen und Lehrer, und ich denke, da komme ich zu meiner Eingangsbemerkung zurück, dass wir mit diesem Gesetzentwurf, den wir heute vorlegen, dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts gerecht geworden sind, uns auf einen für alle zumutbaren Kompromiss zu verständigen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Linnert, ich finde es sehr bedauerlich und eigentlich völlig unnötig, welche Gräben Sie hier versuchen zwischen den Fraktionen aufzureißen,
denn wir sind uns im Kern einig.
Was ist denn der Kern? Der Kern ist die Frage, ob wir eine Diätenerhöhung wollen oder nicht. Das ist der Kern, und wir sagen nach dem Jahr 2003, nach dem Jahr 2004, für das Jahr 2005 und für das Jahr 2006, wir wollen keine Erhöhung der Diäten der Abgeordneten der Bremischen Bürgerschaft. Das ist die Einigung, und die zerreden Sie doch bitte nicht!
Glauben Sie denn im Ernst, dass außerhalb dieses Hauses irgendjemand diese Debatte versteht? Da will
man wissen, entweder bleibt es bei der Höhe der Diäten oder wird sie erhöht. Die Botschaft ist: Es bleibt bei der Höhe, und es wird nicht erhöht, das ist die Botschaft.
Meine Damen und Herren, liebe Frau Kollegin Linnert, Sie haben darauf hingewiesen, und Sie haben sich mit dem Souverän etwas vertan: Der Souverän ist nicht das Parlament, der Souverän ist das Volk.
Wir sind die Repräsentanz des Souveräns. Man soll, wenn Sie uns schon Sorgfalt in den Begrifflichkeiten vorhalten, dann auch wirklich sorgfältig sein.
Wir sind die Volksvertretung, die Vertretung des Souveräns. Als solche haben wir nicht die Möglichkeit, mit jemandem Tarifverhandlungen über die Höhe unserer Einkünfte zu führen, das haben Sie gesagt, sondern wir stehen in der Pflicht – manche sagen, wir haben das Recht, ich sehe es eher als Pflicht an –, über unsere Bezüge selbst zu entscheiden. Da haben wir in Bremen im Bremischen Abgeordnetengesetz ein richtig gutes Verfahren, das haben wir schon mehrfach hier ausgebreitet, aber ich sage es immer noch einmal gern wieder, ein zweistufiges Verfahren: eine Diätenkommission aus Vertretern ganz vieler Institutionen, die uns mit allen möglichen Einkünften vergleicht, und auch, das ist wirklich einmalig in Bremen, mit Transfereinkommen, also Einkommen zum Beispiel aus Sozialhilfe, Hartz IV und so weiter, und uns dann eine rechnerische Empfehlung gibt. Das hat sie in all den Jahren getan, und wir haben danach zu prüfen gehabt, so steht es auch jeweils in dem Bericht der Diätenkommission, die sagt uns, ob ihr es aus politischen Gründen wollt, das müsst ihr Abgeordnete entscheiden. So steht es jeweils darin.
Wir haben im Jahr 2003 und 2004 gesagt, gut, was ihr uns ausgerechnet habt, wir bedanken uns für die Mühe, die ihr euch gemacht habt, aber wir folgen aus politischen Gründen dieser rechnerischen Empfehlung nicht. Der Verweis war von allen Fraktionen immer gleich. Bremen befindet sich in einer extremen Haushaltsnotlage. Was wir anderen an Einschnitten und Einsparnotwendigkeiten zumuten, dem wollen wir uns nicht entziehen, daran wollen wir uns beteiligen. Das war unsere Argumentation 2003 und 2004, und das ist unsere Argumentation für 2005 und 2006. Ich bitte Sie herzlich: Welchen Sinn soll es haben, eine Kommission, der wir zwei Mal gesagt haben, wir folgen euren Empfehlungen nicht, nun noch zwei Mal
arbeiten zu lassen, wenn uns vorher klar ist, wir wollen eine solche Erhöhung nicht?
Da gibt es nur ein einziges Argument, und das will ich dann aufgreifen, und das kommt von Ihnen und von niemand anderem, dass Sie spekulieren, es könnte ja so sein, wir wollten damit verbergen, dass im nächsten Jahr möglicherweise eine Veränderung nach unten möglich ist, der wir entgehen wollten. Das habe ich jedenfalls in der Zeitung gelesen. Ich finde das unmöglich, was Sie da spekulieren, unmöglich!
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wenn es den geringsten Anlass gibt, im Jahr 2006 anzunehmen, dass auch eine Veränderung nach unten nötig sein könnte, dann bin ich der Erste, der hier nach vorn kommt und sagt, lasst uns noch einmal darüber nachdenken 2006, wie wir mit den Diäten umgehen, aber ich finde, jetzt ist es eine richtige und notwendige Botschaft zu sagen, 2005 und 2006 gibt es keine Erhöhung. Das ist der Bericht des Vorstands der Bürgerschaft, wir teilen ihn Wort für Wort!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Perschau, es wird Sie nicht überraschen, Ihre Rede zu Herrn Kastendiek hat uns überzeugt, die SPD-Fraktion wird Herrn Kastendiek wählen.
Vielleicht ist die Überraschung ja doch groß! Die Geschichte, die die heutige Wahl eines Mitglieds des Senats erforderlich macht und veranlasst, ist, das muss man leider sagen, unrühmlich, ja unsäglich. Dazu ist an anderer Stelle schon vieles gesagt worden, das sehe ich wie Herr Perschau. Deswegen will ich mich auch nur auf eine kurze Bemerkung dazu beschränken, und zwar auf die Bemerkung, dass der Rücktritt von Peter Gloystein aus meiner Sicht die notwendige
Konsequenz aus der persönlichen Fehlleistung eines Senators war, der, das sage ich allerdings auch so offen, in vielerlei Hinsicht in seinem Amt überfordert war.
Der schnelle Rücktritt von Herrn Gloystein hat uns und Bremen eine Hängepartie erspart, die unerträglich gewesen wäre. Eine zusätzliche Bemerkung kann ich mir nicht ersparen, weil, das bekenne ich ganz offen, mich auch etwas in der Folge und der Erklärung dieses Rücktritts geärgert hat. Herr Gloystein soll gesagt haben, die Wucht und die Macht der Bilder hätten ihn zum Rücktritt gezwungen. Meine Damen und Herren, ich halte diesen Erklärungsversuch für eine Verkennung der tatsächlichen Situation. Herr Gloystein musste nicht deshalb zurücktreten, weil es diese unsäglichen Bilder in der Zeitung gab, der Rücktritt von Herrn Gloystein war vielmehr deshalb notwendig, weil er in erniedrigender und unangemessener Weise die Würde eines Menschen herabgesetzt hat. Das ist der Grund, und der reicht für den Rücktritt völlig aus.
Ich will hier nicht über den Schaden sprechen, der für Bremen, für die politische Kultur, auch für das Ansehen des Standes der Politiker angerichtet worden ist, ich möchte wie Herr Perschau auch in die Zukunft blicken und sagen: Wir alle werden durch seriöse Arbeit dafür sorgen müssen, dass der fatale Eindruck, mit dem Bremen unter der Überschrift „Sektaffäre“ bundesweite Schlagzeilen gemacht hat, so schnell wie möglich beseitigt wird.
Dazu gehört die Regelung der Nachfolge von Herrn Gloystein. Herr Perschau, Sie haben daran erinnert, und ich tue es auch, dass die SPD in den letzten Tagen sehr darauf gedrängt hat, dass dies unverzüglich geschieht. Ich glaube schon, anders als Sie es eben gemeint haben, dass diese Aufforderung durchaus nötig war, denn ich erinnere daran, dass Sie zunächst den Juni-Termin der Bürgerschaft erreichen wollten. Ich möchte deshalb ausdrücklich begrüßen, dass die CDU uns eine längere Vakanz im Senat erspart hat.
Ich glaube, es ist gut, dass wir bereits heute ein neues Mitglied des Senats wählen können, denn wir brauchen einen handlungsfähigen und arbeitsfähigen Senat in allen seinen Ressorts. Gerade im Wirtschafts- und im Kulturbereich stehen durchaus entscheidende Weichenstellungen an. Ich will hier nur erwähnen, dass wir auf dem Feld der bremischen Zukunftsinvestitionen noch vor der Aufgabe stehen, die notwendigen Schwerpunkte zu setzen. Auf Jörg Kastendiek kommt gerade in diesem Feld sicherlich viel Arbeit zu. An den Kulturbereich habe ich auch erinnert.
Ich habe Sie, lieber Herr Kastendiek, in unserer Zusammenarbeit der letzten zwei Jahre, und unter Fraktionsvorsitzenden der Koalitionsfraktionen darf man, glaube ich, durchaus von Zusammenarbeit sprechen, als einen sehr verlässlichen und fairen Partner kennen gelernt, deshalb glaube ich, dass wir eine ebensolche Zusammenarbeit mit Ihnen auch in Ihrer neuen Funktion erwarten können. Ich sage Ihnen für die SPD-Fraktion und auch von mir ganz persönlich eine konstruktive Zusammenarbeit zu.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch einmal zusammenfassend sagen, vorrangig muss es jetzt darum gehen, dass wir durch schnelles Handeln den durch die bizarre Sektaffäre entstandenen Schaden so schnell wie möglich wettmachen, und im Übrigen erfordern die großen Herausforderungen, vor denen Bremen steht, ein stabiles, handlungsfähiges Regierungsbündnis. Ich bin sicher, beide Koalitionspartner sind sich dessen bewusst und entschlossen, die vereinbarte Politik auch umzusetzen. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Linnert, Ihre Bemerkung von den einsamen Männern hat mich getroffen, aber sonst eigentlich nichts aus Ihrer Rede, allenfalls noch, dass Sie zur Verunsicherung beitragen wollen. Der Punkt mit der Investitionsförderung für Pflegeeinrichtungen ist völlig falsch, wie Sie das hier vorgetragen haben.
Es gibt dazu keine Beschlussfassung, sondern eine Verabredung, die lautet, wir wollen uns anschauen, was andere Bundesländer, andere Städte machen, und dann werden wir entscheiden. Nichts anderes ist beschlossen worden, Frau Linnert! Frau Linnert, zum Koalitionsausschuss! Ich bin nicht dafür, dass er inflationär tagt. Koalitionsausschüsse gibt es in jeder Koalitionsregierung, übrigens auch bei der rotgrünen Bundesregierung in Berlin, und Koalitionsausschüsse hat es auch in der Ampelkoalition gegeben. Er hat damals übrigens wöchentlich getagt, und ich bin nicht dafür, dass die große Koalition sich das zum Vorbild nimmt, das sage ich Ihnen ganz offen.
Frau Linnert, nächster Punkt: Sie haben in Ihrer Rede viel zu wenig von der dramatischen Lage gesprochen, in der sich Bremen befindet,
Ich sage Ihnen, jede denkbare andere Regierungskoalition müsste sich mit dieser Herausforderung auseinander setzen. Es ist nur das Privileg der Opposition, das es Ihnen möglich macht, hier eine solche Rede zu halten.
Meine Damen und Herren, der Rechnungshof hat es uns doch gestern noch einmal vorgestellt. Wir wussten es, aber es ist heute auch noch einmal schwarz auf weiß für alle zu lesen, wie dramatisch die bremische Haushaltslage ist.
Ich wiederhole die Zahlen nicht noch einmal, ich sage nur, der bremische Haushalt droht von Schulden und von Zinsen erdrosselt zu werden. Bremen befindet sich in einer existenzbedrohenden Haushaltskrise. Das ist die bittere Wahrheit!
Die Wahrheit heißt auch, Frau Stahmann, aus dieser Haushaltsnotlage können wir uns nicht allein befreien. Man kann in einem Vier-Milliarden-Haushalt nicht 500 Millionen Euro oder eine Milliarde Euro einsparen. Wir wissen, wir brauchen Veränderungen in den Bund-Länder-Beziehungen über Verhandlungen, möglicherweise über eine Klage beim Bundesverfassungsgericht, damit Bremen das bekommt, was uns zusteht, nämlich einen gerechten Anteil an den Steuereinnahmen.
Unabhängig davon aber müssen wir das tun, was wir selbst tun können, um die Haushaltskrise zu überwinden, und das heißt vor allem, da wir die Einnahmeseite, das wissen Sie doch auch, nur sehr maßvoll bestimmen können, wir müssen unsere Ausgaben reduzieren, wo dies möglich ist und, das füge ich ausdrücklich hinzu, wo dies politisch und sozial verantwortbar ist. Das ist der Maßstab für Sparpolitik. Sparpolitik darf nicht technokratisch daherkommen, und der mittlerweile berühmte, früher kannte den Begriff niemand, ausgeglichene Primärsaldo oder Primärhaushalt darf kein Fetisch werden. Das ist kein Politikersatz, das sage ich Ihnen auch ganz deutlich.
Genausowenig ist Benchmarking mit anderen Großstädten kein Politikersatz. Sie haben ein gutes Beispiel dafür angeführt: Kloster Blankenburg. Wir sind stolz darauf, dass unsere Behinderten nicht mehr so untergebracht sind, wie es damals der Fall war, und das muss in ein Benchmarking immer einfließen, und es ist eine politische Entscheidung, ob man zu dieser damaligen Entscheidung steht oder nicht. Ich stehe dazu, um das einmal deutlich zu sagen.
Frau Linnert, auch unter ganz harten Sparbedingungen, unter denen wir uns befinden, muss klar sein, ich habe es beim letzten Mal gesagt, und ich wiederhole es, wir machen das Bundesland Bremen nicht zur grauen Maus, denn das wäre das Gegenteil von Zukunftssicherung in Deutschland. Bremen und Bremerhaven sollen lebendige, attraktive Städte sein, in denen man gern lebt, und wir wollen auf wichtigen Zukunftsfeldern wie Kinderbetreuung, Bildung, Ausbildung, Wissenschaft nicht unter Durchschnitt sein, da wollen wir vorn sein.
Frau Linnert, ich behaupte, dem Koalitionsausschuss ist es gelungen, auch solche Schwerpunkte zu setzen. In dem Beschluss des Koalitionsausschusses steht der Satz, ich zitiere: „Die gegenwärtigen Qualitäts- und Versorgungsstandards im KTH-Bereich werden sichergestellt.“ Dieser Satz ist uns ganz wichtig, für uns Sozialdemokraten vielleicht der wichtigste Satz in diesem Koalitionsausschussbeschluss. Seien Sie ganz sicher, wir werden darauf achten, dass dieses gemeinsame Ziel der Koalition auch eingehalten wird, und zwar ohne jeden Abstrich, meine Damen und Herren!
Die Koalition hat sich zum Ausbau der Betreuungsangebote für die Null- bis Dreijährigen bekannt. Bremen ist trotz seiner Haushaltsnotlage bei der großen gesellschaftspolitischen Herausforderung dabei, in dem Bereich Kinderbetreuung das Angebot zu verbessern. Das ist doch ein gutes und ein wichtiges Signal.
Wir werden im Bildungsbereich trotz unausweichlicher Sparanstrengungen sicherstellen, dass die Entwicklung der Ganztagsschulen vorangeht. Wir haben die Lernmittelfreiheit nicht abgeschafft, weil es hier nicht ums Einsparen geht, sondern um Verbesserungen bei der Qualität der Schulbücher, denn das verlangt die unbestreitbare Priorität von Bildung. Wir haben unseren Koalitionspartner davon überzeugt, dass allgemeine Studiengebühren der falsche
Weg sind. Wir wollen nicht weniger, sondern mehr Studenten. Vor allem wollen wir, dass das Studieren nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängt.
Meine Damen und Herren, wir tauchen auch nicht vor der Tatsache ab, dass viele Menschen in Bremen und Bremerhaven Arbeit suchen und keine finden. Ich bin stolz darauf, dass es uns gelungen ist, uns auf ein neues Arbeitsmarktförderungsprogramm zu verständigen mit industriell-gewerblicher Ausrichtung. Das zeigt und unterstreicht, wir werden uns mit der Massenarbeitslosigkeit eben nicht abfinden, meine Damen und Herren.
Es gibt keinen Zweifel, es gibt Bereiche, in denen müssen wir richtig schmerzhaft sparen. Die Einschnitte, die wir beim Personal vornehmen, sind beträchtlich. Wir muten dem Personal individuell einiges zu. Das tut weh, aber auch dazu gibt es leider keine Alternativen. Die Personalkosten sind nun einmal der größte Ausgabenblock in unserem Haushalt, den wir nicht ausnehmen können. Das ist eine weitere bittere Wahrheit. Die Proteste gegen die Kürzungen sind legitim und verständlich. Wenn überhaupt, dann können wir bei den Betroffenen nur dann ein Fünkchen Verständnis für derartige Maßnahmen wecken, wenn wir in unserer Politik der Haushaltskonsolidierung transparent, gerecht und fair vorgehen und wenn wir keinen Bereich privilegieren.
Der Beschluss des Koalitionsausschusses zum Bereich der Sozialleistungen ist uns Sozialdemokraten besonders schwer gefallen und das aus zwei Gründen: Erstens, die Höhe des Sozialhaushalts hat in erster Linie mit der sozialen Lage in Bremen und Bremerhaven zu tun, also mit Massenarbeitslosigkeit, mit Armut, auch mit Pflegebedürftigkeit, und genau das muss man jedem sagen, der mit Blick auf den Sozialhaushalt hier von Geldverschwendung faselt. Das muss man deutlich sagen!
Zweitens: Wir sehen, dass Karin Röpke schon gewaltige Sparanstrengungen unternommen hat und immer noch unternimmt, und ich sage hier ganz ausdrücklich, das ist eine große Leistung, die unser aller Respekt verdient, meine Damen und Herren.
Gleichwohl kann man angesichts der dramatischen Haushaltslage eben nicht darauf verzichten, auch im Sozialbereich nach weiteren Einsparpotentialen zu suchen. Das ist der Auftrag des Koalitionsausschusses. Ob die Größenordnung von 25 Millionen Euro, die genannt worden ist, tatsächlich bis 2009 eingespart werden kann, muss sich in den nächsten Jah
ren erweisen, und zwar nach genauester Prüfung, wie sie übrigens schon in den Senatsbeschlüssen von Ende November 2004 vereinbart ist.
Karin Röpke will sich dieser Herausforderung stellen. Die SPD-Fraktion wird dabei an der Seite von Karin Röpke stehen, und zwar auch das in zweierlei Weise, nämlich sowohl dann, wenn es darum geht, verantwortbare Einsparungen zu realisieren, als auch dann, wenn es darum geht, nicht zu verantwortende Einsparungen abzuwenden und abzuwehren. Auch das muss man deutlich sagen.
Meine Damen und Herren, aus der bitteren Notwendigkeit, vielen Menschen in unseren Städten Bremen und Bremerhaven Sparleistungen zuzumuten, folgt auch die Verpflichtung, überall genau hinzusehen und keinen Bereich für sakrosankt zu erklären. Es gab doch etliche, von der Handelskammer bis zu einzelnen Journalisten, die gesagt und geschrieben haben, da darf nichts gemacht werden, die Investitionen müssten in voller Höhe erhalten bleiben.
Wir Sozialdemokraten haben von Anfang an gesagt, wir werden diesen Bereich unserer Ausgaben nicht ausklammern. Wir werden auch da genau hinschauen, und wir haben genau hingeschaut, und nicht nur das, die Koalition hat auch hier gehandelt und gekürzt. Darf ich noch einmal auszugsweise erwähnen: Der Gewerbepark Hansalinie wird auf den ersten Bauabschnitt begrenzt, die Überdachung der Breiten Straße in Vegesack ist gestrichen, Luneort wird später erschlossen, die Westerweiterung des Technologieparks wird es nicht geben, das Innenstadtprogramm Bremen wird reduziert, bei der Wohnraumförderung werden die spezifischen kommunalen Programme eingestellt und so weiter. Die Investitionsausgaben werden damit deutlich abgesenkt. Das ist vertretbar, und das ist politisch richtig.
Ich sage es einmal ganz einfach und zusammenfassend und zum Schluss und nicht nur auf die Investitionen bezogen, sondern zum Beispiel auch mit Blick auf unsere Gesellschaften: Man kann Einsparungen im Sozialbereich, man kann die Streichung des Weihnachtsgeldes bei den Beamten oder anderes, was wir den Menschen zumuten müssen, nur dann politisch rechtfertigen und nur dann politisch verantworten, wenn wir an jeder Stelle des bremischen Haushalts mit aller Sorgfalt mit dem Geld umgehen, und genau das müssen wir beweisen, und genau das werden wir beweisen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Da die bremische Lage durchaus ernst ist, ist mir auch an einer ernsthaften Debatte gelegen, und deswegen möchte ich mich eigentlich nicht an kleinkarierten politischen Scharmützeln beteiligen. Herr Kastendiek, das gilt auch für Teile Ihres Beitrags!
Herr Kastendiek, um dort noch fortzusetzen, Koalitionen, das sage ich einmal ganz offen, sind für mich auch nicht Objekte von Schwüren, sondern Koalitionen sind ja bekanntlich Zweckbündnisse.
Sie müssen zeigen, dass sie die Herausforderungen meistern können, und da stehen wir vor einer ganz entscheidenden Phase dieser Koalition. Wir sprechen über die Lage dieser großen Koalition, wenn sie diese großen Herausforderungen angepackt hat, und das muss in den nächsten Tagen sein. Carsten Sieling und ich haben gesagt, es muss ein Ruck durch diese Koalition gehen, und dabei bleibe ich! Es gab eine gewisse Lähmung, und die muss überwunden werden. Bremens Lage ist so, dass wir uns keine Lähmung erlauben können, und das müssen wir in den nächsten Tagen zeigen, Herr Kastendiek!
Eine dritte Vorbemerkung: Ich glaube, Sie sind in der Aufzählung der Erfolge der großen Koalition nicht zu überbieten. Mir ist nichts aufgefallen, was ich da noch hätte hinzufügen können. Herr Kastendiek, wir müssen aber doch den Menschen in Bremen und Bremerhaven auch erklären, warum wir denn von einer Zäsur sprechen.
Wenn wir sagen, alle Ziele dieser großen Koalition sind erreicht,
dann passt das irgendwie nicht zur Zäsur.
Meine Damen und Herren, ich spreche sehr gern von Erfolgen, aber ich finde, es muss auch eine gehörige Portion Selbstkritik dabei sein. Wir müssen die Wahrheit sagen, sonst kommen wir nicht zu ordentlichen Ergebnissen!
Die Wahrheit ist, meine Damen und Herren, wenn man sagt, Bremen hat ein Haushaltsproblem, so ist es richtig und doch zugleich völlig missverständlich. Wir haben ein Haushaltsproblem, ein gewaltiges sogar, aber wir haben eines, das mehr ist als irgendeine Delle in unserem Etat. Ich finde, man muss es deutlich aussprechen: Wir haben ein Problem, das wir aus eigener Kraft unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht lösen können und das für unser Bundesland existentiell ist. So ist die Lage. Da braucht
man ganz wenige Zahlen, um diese Lage auch deutlich zu machen.
2005 umfasst unser Haushalt vier Milliarden Euro. Davon sind nach Auslaufen der Sanierungszahlungen und nach dem Ergebnis der Verhandlungen zum Kanzlerbrief 1,1 Milliarden Euro nicht durch Einnahmen gedeckt. Das heißt, wir müssen 1,1 Milliarden Euro neue Schulden machen. Diese Schulden machen wir, um Investitionen in Höhe von 700 Millionen Euro zu finanzieren, das ist das, was gewissermaßen in den verfassungsgemäßen Bereich gehört. Wir brauchen aber neue Schulden, um in Höhe von 400 Millionen Euro konsumtive Ausgaben zu leisten.
Nun braucht man nicht mehr viel Phantasie, um sich auszurechnen, wohin das führt, wenn man Jahr für Jahr in dieser Weise Schulden machen muss. Es führt nämlich dazu, dass wir in erster Linie von Zinsen erdrosselt werden, das ist doch völlig klar. Deswegen, meine Damen und Herren, sprechen wir darüber, wie wir die politische und finanzielle Handlungsfähigkeit dieses Bundeslandes wiederherstellen können, nicht sichern können, wie wir sie wiederherstellen können. Das ist die Lage.
Ich würde gern hinzufügen, um das zu unterstreichen, dass nach meiner Einschätzung Bremens Selbständigkeit, Bremens Überlebensfähigkeit in einer Weise bedroht ist, wie es in unserer jahrhundertealten Geschichte noch nicht der Fall war. Ich sage es ohne jedes Pathos, aber ich glaube, dass man sich diese durchaus auch historische Dimension deutlich machen muss, damit wir die Dramatik unserer Lage erkennen, die richtigen Schlüsse aus der Analyse unserer Situation ziehen und uns auf den Weg machen können, Bremen eine Zukunft zu geben.
In der Tat, der Begriff ist schon mehrfach genannt, auch der Präsident des Senats hat ihn gebraucht: Bremen steht vor einer tief greifenden Zäsur. Es geht nicht um irgendeine Feinjustierung, es geht nicht darum, ein Quentchen mehr hier und ein Quentchen weniger dort, sondern es geht um eine grundlegende Neuausrichtung unserer Sanierungspolitik, meine Damen und Herren.
Gerade wenn man weiß, dass ein „Weiter so wie bisher“ nicht geht, gibt es sicherlich Anlass, auch Bilanz zu ziehen. Dazu ist in der Mitteilung des Senats vieles aufgeschrieben worden, ich will darauf nicht im Einzelnen eingehen, aber ein Aspekt ist mir doch wichtig gerade als Sozialdemokrat: Wir haben sehr große Anstrengungen deshalb unternommen, weil wir Arbeitsplätze schaffen und Arbeitsplätze sichern wollten. Da haben wir uns eben nicht, wie wir es im Bundesland Berlin im Augenblick sehen können, gesagt, da lohnt es sich nicht zu investieren, weil wir
in unserem begrenzten Bereich sowieso keine Effekte erzielen können. Nein, meine Damen und Herren, wir haben zum Beispiel nach dem Ende des Bremer Vulkan 1996 nicht so gedacht, sondern wir haben uns aufgemacht, Arbeitsplätze neu zu schaffen, und die Erfolge kann man in dieser Stadt sehen. Diese Politik für Arbeitsplätze war richtig, und sie bleibt richtig, meine Damen und Herren!
Ich denke, zu einer selbstbewussten Politik gehört auch, dass man sich zu seinen Fehlern bekennt. Es gibt natürlich Fehler, man muss es doch gar nicht noch einmal sagen, Musical und Space-Park sind die Chiffren dafür geworden. Allerdings, ich füge auch immer hinzu, da soll doch bitte keiner Schadenfreude haben! Wir haben doch ein großes Interesse, dass es am Ende keine endgültig gescheiterten Projekte sind. Darüber muss man auch reden und vielleicht auch in diesem Sinne.
Meine Damen und Herren, über einen Punkt gibt es aber bestimmt kein Darumherumreden, da sind wir gescheitert, da haben wir das Ziel nicht erreicht, und das muss man selbstkritisch feststellen: Die Befreiung des Landes aus der extremen Haushaltsnotlage ist auch nach zehn Jahren Sanierungszahlungen noch nicht gelungen. Die Schere zwischen Ausgaben und Einnahmen ist nicht kleiner geworden, und der Schuldenberg ist gewachsen. Dabei haben wir alle Auflagen des Sanierungsabkommens eingehalten. Wir sind dennoch von einem verfassungskonformen Haushalt so weit entfernt wie noch nie. Das ist die Lage.
Für diese Entwicklung gibt es klare Ursachen. Frau Linnert, ich habe mit Interesse gehört, dass wir uns da einig sind. Wir sind uns einig, dass auch heute noch wie 1992, als das am 27. Mai jenes Jahres durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt worden ist, sich das Land Bremen in einer unverschuldeten extremen Haushaltsnotlage befindet. Ich finde es ganz wichtig, dass an diesem Punkt auch klar ist, dass dieses Parlament gemeinsam dieser Überzeugung ist. Unsere Haushaltslage ist nichts Hausgemachtes, sondern hat mit der Einnahmeentwicklung in allen Ländern und dem Bund zu tun, dass sich die Einnahmen eben nicht so entwickelt haben, wie wir alle es vermutet haben.
In Bremen sind die jährlichen Steuereinnahmen gesunken, obwohl die Wirtschaft in unserem Lande gleichzeitig gewachsen ist. Deshalb ist es parteiübergreifend doch so, dass wir gemeinsam sagen können: Wir haben kein Ausgabeproblem, wir haben ein Einnahmeproblem. Wer von einem Einnahmeproblem spricht, der muss über den so genannten Kanzlerbrief reden, und das will ich hier auch tun.
Ich sage Ihnen ganz offen: Ich bin davon ausgegangen, dass der Kanzlerbrief eine konkrete Absichtserklärung ist. Natürlich wussten wir, dass die tatsächlich im Haushalt eingestellte Summe von über 500 Millionen Euro jährlich eine Maximalforderung war. Wir wussten, dass die Mindereinnahmen Bremens nicht ausschließlich auf die Steuerreform und ihre Folgen für die öffentlichen Haushalte zurückzuführen waren, sondern dass auch konjunkturelle Entwicklungen eine Rolle gespielt haben.
Worum ging es seinerzeit bei dem Kanzlerbrief, was war der Anlass? Es ging um die Steuerreform der rotgrünen Bundesregierung. Das mit der Steuerreform anvisierte Ziel einer steuerlichen Entlastung der Bürgerinnen und Bürger und auch der Unternehmen wurde von allen Parteien der Bundesrepublik parteiübergreifend geteilt. Der CDU und der FDP ging die steuerliche Entlastung nicht weit genug. Die Christ- und Freidemokraten wollten zum Beispiel den Spitzensteuersatz erheblich weiter senken, als die rotgrüne Bundestagsmehrheit es beschlossen hatte, aber die Richtung weniger Steuern wurde gemeinsam vertreten.
Wie immer man über diese Steuerreform gedacht hat und denkt, ich verhehle nicht, dass ich da durchaus meine eigenen Gedanken habe, wenn ich an die Ausstattung der öffentlichen Gebietskörperschaften in Deutschland denke, eines ist aber doch völlig klar: Aus Bremer Sicht kam die Steuerreform zur Unzeit. Unsere Haushaltslage war extrem, uns stand das Wasser bis zum Hals. Bremen versuchte, sich durch gewaltige Anstrengungen aus der extremen Haushaltsnotlage zu befreien, und zwar mit durchaus, wie wir alle wissen, sehr schmerzhaften Sparrunden. In dieser Situation eine Steuerreform zu bekommen, die auf steuerliche Entlastung zielt und damit – zumindest zunächst, so war ja die Absicht – zu erheblichen Einnahmeeinbußen der öffentlichen Haushalte führt, das war eine Katastrophe für Bremen.
Das, was uns auf der einen Seite an Hilfe zur Selbsthilfe gegeben wurde, wurde uns auf der anderen Seite durch Steuersenkungen genommen. Unter dem Strich war es ein Nullsummenspiel. Die Steuerreform hat praktisch die Sanierungshilfen des Bundes konterkariert und damit unseren Ansatz in der Sanierungspolitik zum Scheitern verurteilt. Weil in Bremen diese Bedrohungslage gesehen wurde, hat sich der Senat bei den Beratungen über die Steuerreform für eine Strategie entschieden, die sich von der anderer Bundesländer deutlich unterschied. Wir wollten uns nicht, wie zum Beispiel MecklenburgVorpommern oder Berlin, mit einmaligen Investitionen abfinden lassen. Bremen ist diesen Weg nicht gegangen, ich denke, zumindest aus damaliger Sicht zu Recht nicht, weil uns das überhaupt nicht weitergeholfen hätte. Henning Scherf und Bernd Neumann haben in dieser Situation darauf gesetzt, eine schriftliche Zusage des Bundes zu bekommen, die
mit der Steuerreform verbundenen Einnahmeausfälle auszugleichen. Das ist der Hintergrund des Kanzlerbriefs.
Wenn der Kanzler uns dann schriftlich versichert hat, dass ein „erneutes Abgleiten der Sanierungsländer in eine extreme Haushaltsnotlage durch die finanziellen Auswirkungen der Steuerreform nicht zugelassen werden darf, um eine ansonsten erforderliche Fortführung der Sanierungshilfen zu vermeiden“, so lese ich das gerade aufgrund der Vorgeschichte, und ich habe es so gelesen, als eine Zusage, Bremen bei der Überwindung der durch die Steuerreform zusätzlich verursachten Probleme zu helfen, wenn diese eintreten.
Meine Damen und Herren, es ist und bleibt richtig: Wir haben ein Recht darauf, mit unseren Problemen nicht allein gelassen zu werden. Vor diesem Hintergrund, sage ich ganz ausdrücklich, bin ich sehr enttäuscht darüber, dass wir keine dauerhafte Hilfe aus Berlin erhalten. Das uns vorgestellte Ergebnis der Verhandlung ist enttäuschend, und zwar ohne Wenn und Aber. Wir wissen alle, dass es uns in der gegenwärtigen Haushaltssituation nicht grundsätzlich hilft, bei den Investitionen einmalig entlastet zu werden.
Wir alle wissen, dass die Einnahmen, die für den Kanzlerbrief im Haushalt eingestellt sind, konsumtive Einnahmen sind. Wir sind davon ausgegangen, dass diese Einnahmen nicht nur einmalig erfolgen, sondern über Jahre hinweg. So hat der Senat, so haben die Koalitionsfraktionen den Kanzlerbrief verstanden, und so sind wir mit ihm umgegangen. So haben wir ihn auch in unsere Planungen und Beschlüsse eingebunden. Ich denke, dass das von der Sache her logisch und legitim war, nicht in dem Sinne, dass wir mit dem Kanzlerbrief die Sicherheit hatten, das Geld auch zu bekommen, aber mit der Sichtweise, dass wir bei der Überwindung der extremen Haushaltsnotlage nicht noch zusätzliche, vom Bund verursachte Einnahmeausfälle kompensieren hätten können. Das galt zu der Zeit, als der Kanzlerbrief geschrieben wurde, und das gilt auch heute noch: Ohne weitere Hilfen wird Bremen keinen verfassungskonformen Haushalt aufstellen können.
Meine Damen und Herren, dabei unterstellt das Wort Hilfe, dass das Bundesland Bremen aus sich heraus nicht lebensfähig sei. Das aber ist falsch. Wir sind im europäischen Vergleich eine der reichsten Regionen überhaupt. Unser Problem ist die ungerechte Verteilung der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer. Deshalb gilt nach wie vor das Motto, mit dem schon die Regierung von Klaus Wedemeier vor dem Bundesverfassungsgericht 1992 erfolgreich geklagt hat: Wir fordern, was uns zusteht. Das aber brauchen wir, denn ohne das, was uns zusteht, können wir auf Dauer nicht existieren, und deshalb, glaube ich, gibt es auch keine Patentrezepte, wie es denn nun weitergehen soll.
Übrigens, Stichwort Klage beim Bundesverfassungsgericht: Ich werbe sehr dafür, dass wir es nicht zu einem Kanzlerbrief zwei machen,
dass wir nicht glauben, dass es so wie beim Amtsgericht in Bremen und Bremerhaven auf einen Posteingangsstempel ankommt, dass die Klage dort vorliegt, sondern eine solche Klage muss erstens gut vorbereitet sein, sie muss zweitens auch sorgfältig die Chancen und die Risiken abschätzen, und sie muss sicherlich auch zum richtigen Zeitpunkt eingebracht werden. Lassen Sie uns mit diesem wahrscheinlich notwendigen Instrument so umgehen, dass wir es zum Besten Bremens einsetzen, aber das Beste Bremens nicht gefährden!
Ich bin zweitens der Auffassung, dass wir uns für unsere weitere Politik realistische Ziele setzen sollen.
Dazu gehört Selbstkritik, Herr Kastendiek, deswegen meine Eingangsbemerkung, und zur Selbstkritik gehört, dass die große Koalition in den letzten zehn Jahren ihre jeweils gesteckten Ziele bei der Haushaltskonsolidierung nicht erreicht hat! Ich glaube, es ist viel einfacher, sein Ziel realistisch zu setzen, um dann zu sagen, es ist noch nicht das endgültige Ziel, aber wir haben eines, das wir mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erreicht haben. Ich will es selbstkritisch auch sagen: Ich halte es rückblickend durchaus für einen Fehler, dass wir den verfassungskonformen Haushalt 2005 gewissermaßen wie eine Monstranz vor uns hergetragen haben.
Dieses Ziel war nie Politikersatz, sondern unsere Ziele müssen sich politisch-inhaltlich definieren, aber nicht an irgendeiner Zahl. Im Übrigen, meine Damen und Herren, ein verfassungskonformer Haushalt ist nicht etwas, worüber man eigentlich politisch entscheiden kann, ob man ihn will oder nicht will, er steht in der Verfassung. Deswegen ist das große Ziel, immer diesen zu erreichen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, dass es Patentrezepte nicht gibt, wir sie auch nicht behaupten sollten, ich glaube auch nicht, dass wir am Freitag bei dem anstehenden Koalitionsausschuss ein solches Patentrezept finden werden. Aber eines ist doch ganz klar, dass wir Bremerinnen und Bremer uns nicht aufgeben werden. Wir werden weiterkämpfen.
Bremen kann auf eine Jahrhunderte alte Tradition als Stadtrepublik zurückblicken, dazu stehen wir. Die Vorteile der Selbständigkeit müssen aber auch für die Bürgerinnen und Bürger in Bremen und Bre
merhaven erfahrbar sein. Die Selbstständigkeit ist kein Selbstzweck, sondern nach unserer Überzeugung Voraussetzung dafür, Bremen und Bremerhaven als lebenswerte, als attraktive Städte zu erhalten und weiterzuentwickeln.
Es ist übrigens ausgesprochen spannend, wenn man noch einmal nachliest, wie die Wiedererlangung der Staatlichkeit Bremens nach dem Zweiten Weltkrieg diskutiert worden ist, also in den Jahren 1946 und 1947. Da ist immer gesagt worden, wir definieren uns nicht aus uns selbst heraus, sondern aus unserer Rolle, die wir im föderalen System und für das sich neu entwickelnde Deutschland spielen können.
Wilhelm Kaisen hat seinem Freund, dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten, Hinrich Wilhelm Kopf, zwar immer deutlich gesagt, wir wollen nicht die politischen Tage Bremens als niedersächsische Provinz beenden, aber das war immer nur ein Teil der Argumentation, vielmehr ging es darum, die Bedeutung der bremischen Selbstständigkeit eben insgesamt herauszustellen und in Deutschland deutlich zu machen. Das, glaube ich, ist auch für uns der Weg, wir müssen nach innen und nach außen mit guten Argumenten für unsere Selbstständigkeit werben.
Meine Damen und Herren, was wir selbst tun können, das wollen wir tun, und das müssen wir tun. Das heißt, es führt auch kein Weg daran vorbei, wir müssen noch mehr sparen, das ist die bittere Wahrheit, alle Sparpotentiale sind auszuschöpfen, ob investiv oder konsumtiv. Ich stimme auch meinen Vorrednern zu – jedenfalls habe ich es so verstanden, dass sie es so gesagt haben –, mit den bisherigen Instrumenten der Sparpolitik wird das nicht mehr weitergehen.
Ein Vorgehen, der Begriff ist, glaube ich, von beiden gefallen, nach dem Rasenmäherprinzip, also ein mathematisches Herunterbrechen des Konsolidierungsbetrags auf einzelne Ressorts, ist kein taugliches Verfahren. Ein solches Verfahren wird es deshalb mit der SPD auch nicht geben. Wir müssen noch mehr sparen, trotz aller Sparrunden in der Vergangenheit, trotz der Tatsachen, dass wir in vielen Bereichen an einer Grenze angelangt sind. Zu einer äußerst restriktiven Haushaltspolitik gibt es überhaupt keine Alternative, aber gerade weil wir wissen, dass wir an Grenzen angelangt sind, weil wir wissen, dass die gesellschaftlichen Probleme an vielen Stellen nicht kleiner geworden sind, sagen wir, wir brauchen eine Sparpolitik, die uns nicht technokratisch daherkommt, sondern die sich ihrer sozialen Verantwortung auch bewusst ist, meine Damen und Herren.
Das heißt für mich zum Beispiel, Bremen kann es sich nicht leisten, auf wichtigen Zukunftsfeldern wie zum Beispiel der Kinderbetreuung oder der Bildung hinter die Standards anderer Großstädte zurückzufallen.
Wenn wir das täten, worin läge die Begründung unserer Selbständigkeit? Andererseits, auch das muss man sofort hinzufügen, können einzelne Ressortbereiche nicht von vornherein von den Sparbemühungen ausgenommen werden, und deshalb werden wir Schwerpunkte setzen müssen. Diese Schwerpunkte heißen in dieser Zeit, nicht mehr oben daraufsatteln, sondern sie werden unter den gegebenen Bedingungen nur über interne Umschichtungen möglich gemacht werden können.
Es gibt Grenzen des Sparens, die nicht überschritten werden können. Eine ungerechte Einschränkung der Lebensverhältnisse in Bremen und Bremerhaven würde das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse verletzen. Ein Vergleichsmaßstab für die Grenze des Sparens ist dabei sicher auch die Ausgabenstruktur anderer Großstädte. Dabei kann es nicht um eine phantasielose Angleichung an den ermittelten Durchschnitt gehen, sondern es müssen die jeweils spezifischen Besonderheiten berücksichtigt werden, denn, meine Damen und Herren, wir wollen uns doch nicht zur grauen Maus der Bundesrepublik heruntersparen, so dass wir von außen nicht mehr als eigenständiges Land mit eigenständigen Projekten und spezifischen Charakteristika in den einzelnen Politikfeldern zu erkennen sind. Als graue Maus jedenfalls hat Bremen keine Überlebenschance, davon bin ich überzeugt.
Wir werden bei der Herausforderung, Bremer in Bremen zu halten und neue Bürgerinnen und Bürger für Bremen und Bremerhaven zu gewinnen, nicht punkten, wenn wir beim Vergleich etwa der Kinderbetreuung oder Schulversorgung in jedem Fall hinter unseren niedersächsischen Nachbargemeinden liegen. Bei den Angeboten für die älter werdende Gesellschaft haben wir eine Chance, rückkehrwillige ehemalige Bremerinnen und Bremer aus den inzwischen zu groß gewordenen Einfamilienhäusern im Umland zurückzuholen, aber nicht, wenn wir schlechter sind als andere, sondern nur, wenn wir mithalten können oder besser sind als andere.
Auch deshalb ist es richtig, beim Sparen inhaltliche Schwerpunkte zu setzen, und ich wiederhole, es wird nicht möglich sein, oben daraufzusatteln. Die Chance, die wir ergreifen müssen, wenn wir nicht zu
reinen Zahlenhanseln werden wollen, liegt daran, an einigen Stellen überdurchschnittlich zu sparen, damit an anderen Stellen weiterhin sichtbar politische Akzente gesetzt werden können.
Meine Damen und Herren, der größte Ausgabenblock in unserem Haushalt sind die Personalkosten. Deshalb gebietet es die Ehrlichkeit zu sagen, dass wir die Personalkosten senken müssen. Ich stelle mir vor, dass wir dazu neue Instrumente wie Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich nutzen, um möglichst viele Arbeitsplätze zu sichern. Aber ich füge auch hinzu, Sozialdemokraten sehen den Personalbereich nicht als bloßen Ausgabenblock. Der unausweichliche Modernisierungsprozess kann nur zusammen mit den Beschäftigten gelingen.
Für den Erhalt der Qualität im öffentlichen Dienst brauchen wir auch künftig engagierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Engagierte Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital eines jeden Unternehmens, und dieses Kapital sollten wir nicht durch unqualifizierte Angriffe zum Beispiel auf die Mitbestimmung der Beschäftigten aufs Spiel setzen, meine Damen und Herren.
Ich glaube, dass Attacken auf die Mitbestimmung der Beschäftigten und das Drohen mit betriebsbedingten Kündigungen äußerst kontraproduktiv sind, wenn man am Ende zu ordentlichen, zu vernünftigen Ergebnissen kommen will.
Meine Damen und Herren, auf den Prüfstand gehören auch Instrumente, die zur Effizienzsteigerung des so genannten Konzerns Bremen geschaffen wurden, besonders die Gesellschaften, die einen Teil der öffentlichen Aufgaben im privatrechtlichen Gewand erledigen sollen. Es zeichnet sich ab, dass Doppelstrukturen geschaffen wurden, die es zu verringern gilt. Es zeichnet sich, auch das will ich offen ansprechen, ein Denken in Gesellschaften ab, das aus meiner Sicht nicht zu akzeptieren ist.
Mit der Sicherheit der Rückkehr in den öffentlichen Dienst und seiner Versorgung wird etwa auf Geschäftsführerebene das Selbstbewusstsein privater Unternehmensführer durchaus entwickelt. Das macht sich nicht nur an der Bezahlung fest, sondern auch an der mitunter mangelnden Bereitschaft, sich in die Karten schauen zu lassen, sich der öffentlichen Verantwortung zu stellen.
Ich stelle fest, dass sich das Bewusstsein, Teil des Konzerns Bremen zu sein, verringert hat, dass die
ses Bewusstsein schwindet. Dieses Bewusstsein gilt es wieder zu fördern, und dazu kann sicher auch beitragen, sich in die Gehaltsstruktur einzuordnen und sich dem Chef des Konzerns, dem Bürgermeister, unterzuordnen.
Meine Damen und Herren, ich bin fest davon überzeugt, es dient der Glaubwürdigkeit, wenn Personalkosten nicht nur im unteren Lohn- und Gehaltsniveau reduziert werden, sondern auch in den höheren Etagen.
Meine Damen und Herren, das Ende der Sanierungszahlungen und das hohe Haushaltsdefizit erfordern nicht nur ein Sparen bei den konsumtiven Ausgaben, sondern auch eine deutliche Absenkung der Investitionsausgaben, der Präsident des Senats hat es angesprochen. Dazu noch einmal der Hinweis: Unsere Investitionsausgaben im Lande Bremen pro Einwohner liegen derzeit doppelt so hoch wie in Berlin und in Hamburg! Die Investitionsquote liegt mindestens – sage ich mit Blick auf Frau Linnert – bei 18,6 Prozent aktuell, während das Sanierungssicherstellungsgesetz, das wir im Jahr 1999 beschlossen haben, für das Jahr 2005 eine Investitionsquote von 14,2 Prozent vorsieht. Welche Investitionen noch gehen und welche nicht, welche sparsamer gehen und welche gar nicht, das müssen wir im Einzelfall entscheiden. Ohne Alternative ist für mich aber, meine Damen und Herren, dass Investitionen, gleich welcher Art, eben nicht vom Sparen ausgenommen werden dürfen.
Nach unserer Auffassung lässt die Haushaltssituation Bremens die Vorgriffe auf die Haushaltsjahre 2011 bis 2014 in der geplanten Höhe auch nicht mehr zu. Um allen Missverständnissen vorzubeugen, wir wollen uns nicht von der Investitionspolitik grundsätzlich verabschieden, Investitionen zur Wirtschaftkraftstärkung sind gerade angesichts der anhaltenden Massenarbeitslosigkeit in Bremen und Bremerhaven unverzichtbar, aber auch bei den Investitionen ist eine Konzentration auf das Unabdingbare, ist eine Schwerpunktsetzung erforderlich.
Wir glauben, dass uns dabei die Unterscheidung zwischen Grundinvestitionsprogramm und Anschlussinvestitionsprogramm nicht mehr besonders viel hilft. Die Basis für ein gesondertes Anschlussinvestitionsprogramm ist mit Auslaufen der Sanierungszahlungen ohnehin entfallen. Wir brauchen, das ist die Überzeugung der SPD-Bürgerschaftsfraktion, eine Investitionspolitik aus einem Guss, eine Politik, bei
der die Sanierung des Bestehenden Vorrang hat, meine Damen und Herren.
Es wird in den kommenden Jahren weniger auf die Initiierung neuer Projekte ankommen, sondern auf die Konsolidierung des Erreichten und die Lösung vorhandener Probleme. Da will ich ganz offen sagen, ich glaube, dass einige Verwaltungen da noch lernen müssen, das erleben wir gerade bei der Gewerbeflächenplanung, jedenfalls bei dem, was wir aus dem Hause Wirtschaft dazu bislang vorgelegt bekommen, dass die Zeichen der Zeit da noch nicht richtig erkannt sind. Das Ressort kündigt seit Monaten ein neues Gesamtkonzept für die Gewerbeflächenplanung an, macht aber dennoch schlicht weiter wie bisher. Deswegen will ich auch mit aller Deutlichkeit sagen: Das wird es so mit uns nicht weiter geben, wir werden da konsequent bleiben!
Meine Damen und Herren, ich weiß, unsere Sparmaßnahmen, unsere Einschnitte bei den Investitionen und die Nutzung unserer sehr bescheidenen Möglichkeiten zur Einnahmeverbesserung werden nicht ausreichen, um unter den gegebenen Rahmenbedingungen in absehbarer Zeit einen verfassungskonformen Haushalt zu erreichen. Ein solcher Haushalt ist aber, da komme ich auf meine Eingangsbemerkung zurück, langfristig die Voraussetzung für die politische und finanzielle Handlungsfähigkeit und den Erhalt der Selbständigkeit Bremens.
Deshalb müssen wir die Politik der Konsolidierung und der Schwerpunktsetzung mit einer nach innen und nach außen gerichteten Kampagne flankieren, mit der Bremens Ansprüche an eine angemessene und faire Behandlung im föderalen System thematisiert wird. Wir müssen und wir werden das Unsere dazu tun, um eine gerechte Behandlung Bremens auch durchzusetzen, und wir werden dafür auch alle Instrumente nutzen. Dazu gehört wie gesagt auch mit kluger Vorbereitung, dass wir unsere berechtigten Ansprüche möglicherweise durch eine Klage beim Bundesverfassungsgericht versuchen durchzusetzen.
Meine Damen und Herren, zusammengefasst: Wenn wir jetzt nicht einschneidend handeln, fahren wir das bremische Staatsschiff auf Grund
oder fahren wir Bremen vor die Wand. Wenn wir jetzt zu unserer Verantwortung stehen, wenn wir deutlich machen, dass wir das Unsere tun, um die Sa
nierung Bremens zu packen, dann haben wir keine Gewissheit, dass wir es packen, aber wir haben eine Chance. Die Antwort auf diese Alternative ist, glaube ich, klar: Wir wollen und wir werden diese Chance ergreifen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bin schon bei dem ersten Satz der Rede von Herrn Dr. Gülder zusammengezuckt. Dass ein Grüner diese Debatte beginnt mit dem Satz: „Präsident Bush hat Recht!“, das deutet für mich darauf hin, dass bei einigen Grünen das politische Koordinatensystem heftig verrutscht sein muss, was man ja auch an anderen Punkten sieht.
Übrigens, Herr Dr. Güldner, ich möchte die Wertedebatte nicht in dem Sinne führen, wie Präsident Bush es vorhat. Das will ich Ihnen deutlich sagen!
Ich bin auch bei einem weiteren Punkt im Verlauf Ihrer Rede zusammengezuckt.
Die lasse ich mir von Ihnen sowieso nicht vorschreiben! Herr Dr. Güldner, so oberflächlich und so missverständlich, wie Sie hier über das Thema Drogen geredet haben, so kann man mit dieser Frage nicht umgehen! Ich glaube, Sie haben damit dieser wichtigen Debatte heute keinen Dienst erwiesen. Das will ich Ihnen ganz offen sagen.
Weil ich schon bei den Vorrednern bin, Herr Kastendiek, ich habe mir bei Ihrer Rede gedacht, ich mache es mir etwas schwerer, als Sie es sich gemacht haben. Ich möchte mich nämlich bemühen, eine differenzierte Haltung einzunehmen, und das Differenzierte ist immer die schwierigste Rolle. Ich glaube aber, es ist eine wichtige Rolle, und die will ich heute auch versuchen wahrzunehmen.
Meine Damen und Herren, der heutige Antrag der Fraktion der Grünen, einem Senator der großen Koalition das Misstrauen auszusprechen, ist ja nicht der erste seiner Art. Senator Hattig und Senator Perschau mussten sich in der Vergangenheit dieser Prozedur unterziehen,
doch viele, die in dieser Koalition Politik machen oder die Arbeit dieser Koalition beruflich oder aus Interesse mit Aufmerksamkeit begleiten, haben in den vergangenen Tagen, man kann sagen, in den ersten Wochen dieses Jahres gespürt, dass die Stimmung vor der heutigen Abstimmung anders war als bei den vergleichbaren Anträgen in den vergangenen Jahren. Es roch nach Krise. Einige meinten sogar, es läge der Duft des Wechsels in der Luft, es wurde spekuliert über das bevorstehende Ende der Koalition, und sogar nach Neuwahlen wurde gerufen.
Meine Damen und Herren, es gibt überhaupt keinen Grund zu bestreiten, dass die vergangenen zehn Tage angespannter waren als manche Monate zuvor. Die heutige Abstimmung ist zweifellos Teil einer Richtungsbeschreibung über die Zukunft der großen Koalition. Ich bin aber sicher, die heutige Abstimmung, die heutige Debatte über Senator Röwekamp werden zeigen, dass die Gespräche der letzten Tage, das Treffen des Koalitionsausschusses und auch die Fraktionssitzungen in dieser Woche eine weitere konstruktive Zusammenarbeit möglich gemacht haben.
Wenn der Misstrauensantrag der Grünen gegen Senator Röwekamp abgelehnt wird, und so wird es geschehen, meine Damen und Herren, dann gibt es diese Zukunft. Ich füge aber hinzu: Es kann trotzdem keinen Zweifel geben, so wie bisher kann und wird es nicht weitergehen.
Das gilt zunächst für den konkreten Anlass dieser Debatte, also für eine rechtsstaatliche und konsequente Bekämpfung des Drogenhandels und die Entscheidung darüber, mit welchen Ermittlungsmethoden unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit Beweismittel sichergestellt werden. Dazu liegt Ihnen ein gemeinsamer Antrag der Koalitionsfraktionen vor, der inhaltlich die Haltung der SPD aufnimmt und mit seinem Auftrag, in einem halben Jahr eine sorgfältige Evaluation vorzunehmen, auch der CDU gerecht wird. Über die konkrete Frage hinaus ging es in den vergangenen Tagen und geht es auch heute aber – ich glaube, das sieht jeder – um die Zukunft der großen Koalition insgesamt.
Ich will an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass in der vergangenen Woche die Vorsitzenden der SPD in Bremen und der SPD-Fraktion in der Bürgerschaft eine Standortbestimmung vorgenommen und damit für einen gewissen Wirbel gesorgt haben. Die heutige Debatte ist sicherlich nicht der Platz, um ausführlich darüber zu sprechen, aber ich möchte an dieser Stelle noch Folgendes sagen, zumal auch Herr Kastendiek am Ende seiner Rede dies angesprochen hat: Die Freie Hansestadt Bremen ist nach dem Ende der Sanierungshilfen durch den Bund in einer ganz entscheidenden Phase ihrer Zukunftssicherung. Gerade in der Frage der Haus
haltssanierung und der weiteren finanziellen Beweglichkeit kann sich niemand der Diskussion um klare Antworten entziehen. Wir wollen die positive Entwicklung, die unser Bundesland in den vergangenen zehn Jahren genommen hat, fortsetzen. Die große Koalition hat unbestreitbar gute Arbeit in der Vergangenheit geleistet, es gibt vorzeigbare Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit. Auf verschiedenen Politikfeldern, aber insbesondere auf dem dramatischen Feld der Finanzpolitik glauben beide Koalitionspartner, genügend gemeinsamen Schwung entwickeln zu können, um die nun wirklich nicht geringen Herausforderungen zu meistern.
Meine Damen und Herren, es mag eine Binsenweisheit sein, aber wir müssen die Erkenntnis, glaube ich, trotzdem beherzigen: Die Erfolge von gestern sind nicht automatisch die Erfolge von morgen. Die große Koalition muss sich die neuen und die weiteren Erfolge hart erarbeiten, und ich sage hier: Die SPD-Fraktion ist bereit, ihren Teil dazu beizutragen, mehr noch, wir sagen ganz selbstbewusst, wir wollen auch für den Rest der Legislaturperiode der Motor dieser Koalition sein.
Herr Sieling und ich haben in der vergangenen Woche einen Ruck in der großen Koalition gefordert, eine zweite Luft gewissermaßen.
Um im Bild zu bleiben: Heute geht es um den ersten tiefen Atemzug, wenn wir uns mit einem Problem der Koalition beschäftigen, nicht mit dem größten, aber einem mit lautem Getöse in der Öffentlichkeit, einem Problem, in dessen Mittelpunkt der Tod eines Menschen in staatlicher Obhut steht. Das macht uns betroffen, und wir drücken noch einmal und in diesem Haus unser Bedauern über dieses tragische Ereignis aus.
Meine Damen und Herren, es war Senator Röwekamp, der den ersten Missklang des neuen Jahres produzierte, als er sich am 4. und 5. Januar auf den Weg ins „Buten-un-Binnen“-Studio machte, um sich, so war wohl seine Absicht, einer politischen Diskussion über den Brechmitteleinsatz gegen einen mutmaßlichen Drogendealer zu stellen. In Wahrheit aber ging es um den bedauerlichen Eingriff, bei dem der Fünfunddreißigjährige gesundheitlich so stark geschädigt wurde, dass er später starb.
Für viele, auch für mich, die den Senator im Studio erlebten, drängte sich der Eindruck auf, dass es dem Senator zumindest in einer Nebenabsicht darum gegangen war, einen Pflock in die politische Landschaft einzuschlagen. Es hatte den Anschein, als wollte er nicht zum Einzelfall Stellung nehmen,
sondern darüber hinaus die Botschaft aussenden, hier gehe ein politischer Hardliner ans Werk, der sich auch durch vermeintlich kleinliche Einwände von seinem Kurs nicht abbringen lassen werde. Unterstrichen wurde diese Rolle insbesondere durch die mehrmalige Formulierung, man werde mit unnachgiebiger Härte vorgehen. Das kam bestimmt bei einem nicht nur kleinen Teil der Bevölkerung, zumindest aber in den eigenen politischen Reihen des Senators gut an.
Die bereits am nächsten Tag bekannt gewordenen Umstände des Brechmitteleinsatzes und insbesondere der dramatische Gesundheitszustand des Verdächtigen ließen aber diese Worte in einem neuen Licht erscheinen. Senator Röwekamp hatte sich offenkundig schlecht auf das Interview vorbereitet, Grundlage war ein sieben Tage alter Polizeibericht, nach dem der Verdächtige zwar einen Atemstillstand erlitten hatte, aber ins Krankenhaus gefahren wurde, nachdem sich die Lage stabilisiert hatte. Daraus zog das Innenressort den falschen Schluss, der Betroffene sei auf dem Weg der Besserung.
Bereits sieben Tage vorher hatte der Notarzt diagnostiziert, der Patient sei ertrunken. Eine Rückfrage bei der Feuerwehr hätte dem Senator bestätigt, dass auch der Rettungswagen dem Krankenhaus in der Nacht des 27. Dezember gemeldet hatte: Zustand nach Ertrinken. Offensichtlich auf der Grundlage der unzureichenden Vermutungen der Polizeibeamten in der Nacht des 27. Dezember teilte Senator Röwekamp dem Fernsehpublikum aber mit, der Betroffene habe sich durch das Zerbeißen von Drogenkügelchen selbst vergiftet.
Meine Damen und Herren, ich sage ganz deutlich: Eine solch fahrlässige Informationsarbeit ist äußerst befremdlich. Dies darf einem Bremer Senator eigentlich nicht passieren.
Leider erfuhr die verfahrene Situation durch das Zutun des Senators eine weitere Steigerung. Obwohl er bei seinem zweiten Auftritt im Fernsehen bereits von einem irreparablen Hirntrauma des fünfunddreißigjährigen Afrikaners wusste, ließ er es nach dem Empfinden vieler Zuschauer – auch nach meinem Empfinden – an Mitgefühl fehlen und fand keine Worte des Bedauerns darüber, dass ein Mensch im Polizeigewahrsam zu Schaden gekommen war, im Gegenteil. Er erhob weiter den Vorwurf, der Betroffene habe sich alle Entwicklungen des Vorfalls selbst zuzuschreiben, er sei selbst Schuld, so nach dem Motto: Wir haben alles richtig gemacht, für die Folgen können wir nichts.
Meine Damen und Herren, diese Haltung hat nicht nur in der SPD-Fraktion viele Kolleginnen und Kollegen verstört, ja empört. Viele fragen sich, ob man so einfach den Tod eines Menschen zu einem Be
triebsunfall einer Ermittlungsmaßnahme erklären und zur Tagesordnung übergehen darf. Darf ein Senator eine solche Methode der Beweiserhebung verteidigen nach einem solchen Vorfall, bei dem alles dafür spricht, dass sich das Risiko, das diese Methode in sich birgt, verwirklicht hat in Todesfällen in Hamburg vor drei Jahren und jetzt in Bremen?
Nachdem es schon lange Kritik an dieser Methode gibt, viele Ärzte ihr sogar absprechen, im Rahmen der ärztlichen Kunst einen Platz zu haben, wäre nach meiner Überzeugung auch beim Senator Nachdenklichkeit anstelle lautstarker Unbedenklichkeit angemessen gewesen.
Meine Damen und Herren, bei einigen kam sogar der Verdacht auf, der Senator wolle als gelernter Jurist, also als einer, der es besser wissen muss, trotz der dramatischen Folgen in diesem Fall den Wortlaut des Paragraphen 81 a der Strafprozessordnung für unanwendbar oder beliebig erklären. In diesem Paragraphen 81 a der Strafprozessordnung ist klar geregelt, dass körperliche Untersuchungsmethoden nur dann angewendet werden dürfen, wenn sie von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen werden und kein Nachteil für die Gesundheit des Betroffenen zu befürchten ist. Von einem Vorbehalt, dass bei entsprechender Verwerflichkeit der Tat, zum Beispiel Drogenhandel im Viertel in Bremen, Verdächtige auch einmal hart herangenommen werden dürfen und trotz Gesundheitsgefährdung mit Gewalt zum Erbrechen gezwungen werden dürfen, von einem solchen Vorbehalt spricht die Strafprozessordnung ausdrücklich nicht. Das, meine Damen und Herren, ist auch richtig, und es ist gut so.
Rechtsstaatliches Handeln, konsequent, gleich und den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, das sind wesentliche Grundlagen des Zusammenlebens im Deutschland des Grundgesetzes. Strafen stehen im Gesetz, strafbares Handeln wird vor der Tat präzis und klar beschrieben, Rechtsfolgen gelten für jedermann und jede Frau gleichermaßen. Die Ermittlungsbehörden schöpfen im Umgang mit Verdächtigen oder Beschuldigten nicht eigenes Recht, sondern müssen sich an geltendes Recht halten.
Der Schutz der Menschenwürde in Artikel 1 unseres Grundgesetzes gilt nicht nur für die Guten und Anständigen, sondern auch für die Bösen und Übeltäter. Die Würde des Menschen ist eben unteilbar. Es gibt keine große unantastbare Würde für die Guten und eine kleine eingeschränkte Würde für andere, meine Damen und Herren.
Ein Journalist in Bremen hat in einem Kommentar der SPD vorgeworfen, sie handele populistisch, da sie Senator Röwekamp wegen seiner – aus unserer Sicht – unsensiblen Haltung gegenüber diesem tödlichen Vorgang kritisiere. Ich kann nicht erkennen, dass die Haltung der SPD wirklich populistisch ist, jedenfalls nicht, wenn ich mich mit Bürgerinnen und Bürgern unterhalte. Da scheint mir eher die gegenteilige Haltung populär zu sein. Ein Blick in die heutigen Leserbriefe lassen es erkennen.
Meine Damen und Herren, Populismus darf aber auch nicht das entscheidende Kriterium sein. Die Demokratie darf sich doch nicht darauf reduzieren lassen, dass Demoskopen Umfragen machen, und die vermeintlichen Mehrheitsansichten werden dann von Abgeordneten in Gesetze gegossen und von der Regierung exekutiert. Perfekt wäre eine solche Demoskopendemokratie-Karikatur, wenn dann Gerichtsverfahren direkt im Fernsehen übertragen würden, und das Urteil käme dann als Ted-Umfrage zustande.
Meine Damen und Herren, unser Grundgesetz, konkret die Artikel 20 und 21, sieht eine solche passive Staatsform nicht vor, sondern es überträgt den Handelnden Verantwortung für unseren demokratischen Staat. Nicht nur die Parteien dürfen sich nicht damit begnügen, politische Willensbildung zur Kenntnis zu nehmen, sondern sie wirken an der politischen Willensbildung des Volkes mit. So steht es in unserem Grundgesetz. Unser demokratisches Gemeinwesen verlangt aber auch von den sie tragenden Institutionen, die Fraktionen und die von ihnen getragenen Regierungsmitglieder gehören ganz gewiss dazu, sich für die Grundsätze der Demokratie einzusetzen. Der Innensenator ist ganz besonders in der Pflicht, mit aller Kraft für die Geltung rechtsstaatlicher Grundsätze einzutreten.
Meine Damen und Herren, auch deswegen haben wir das Auftreten von Herrn Röwekamp im Fernsehen kritisiert. Gerade der Innensenator muss aufpassen, welche Signale er an seine Polizisten aussendet. Gerade seine Haltung muss besonders abgewogen und rechtsstaatlich eindeutig sein. Da bestanden Zweifel, und diese mussten ausgeräumt werden.
Es ist sicher erlaubt, aber es reicht nicht aus, Verständnis zu äußern für die Wut über und die Angst vor Drogenhändlern. Es ist unbestritten nötig, mit allen Konsequenzen den Kampf gegen die Kriminalität zu unterstützen. Mit allem Nachdruck gehört es auch zur politischen Pflicht, das manchmal mühsame, manchmal beschwerliche rechtsstaatliche Verfahren zu verteidigen.
Übrigens, meine Damen und Herren, nicht zuletzt diese übereinstimmende Einstellung macht es demokratischen Parteien unmöglich, mit extremistischen Parteien Koalitionen einzugehen.
Deshalb – ich befürchte, wir werden es heute noch hören – ist der Konsens der Demokraten so wichtig in diesem Teil unserer Politik.
Meine Damen und Herren, die rechtsstaatlichen Grundsätze müssen sich im Einzelfall bewähren, also eben auch bei der Festnahme am 27. Dezember hier in Bremen. Nachdem es am Anfang über die Haltung des Innensenators zu Irritationen gekommen war, haben die Gespräche der letzten Tage aus unserer Sicht die nötige Klarheit wieder hergestellt, dass an diesem Punkt die beiden Koalitionspartner zusammen sind.
Inzwischen hat Senator Röwekamp sein zunächst intern in der Sitzung der Innendeputation geäußertes Bedauern über das tragische Ende des Brechmitteleinsatzes am 27. Dezember in der Öffentlichkeit deutlich wiederholt. Vor der SPD-Fraktion hat Senator Röwekamp eingeräumt, dass sein Fernsehauftritt ein Fehler war. Damit konnte der unerträgliche Eindruck ausgeräumt werden, einem Bremer Innensenator könne als hinnehmbar erscheinen, dass es bei staatlichen Ermittlungen im Rahmen der Strafverfahren auch einmal zu Betriebsunfällen selbst mit schlimmsten Folgen kommen könne.
Meine Damen und Herren, wir wollen es nicht auf den möglicherweise glücklichen Umstand ankommen lassen, dass bei einem riskanten Eingriff im Zuge von Ermittlungsmaßnahmen nichts passiert. Der Brechmitteleinsatz ist über viele Jahre, das ist gar nicht zu bestreiten, als geeignetes Mittel zur Beweissicherung angesehen worden. Der Todesfall aber in Hamburg 2001, vor allem aber das tragische Geschehen hier in Bremen erfordern ein Umdenken. Wir können angesichts von zwei Toten doch nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sondern müssen Konsequenzen aus diesen Vorfällen ziehen. Deshalb hat die SPD-Fraktion bereits in der vergangenen Woche gefordert, dass auf das gewaltsame Verabreichen eines Brechmittels durch eine Magensonde endgültig verzichtet wird und die notwendige Beweiserhebung bei verschluckten Drogenkügelchen durch andere, konsequente, aber weniger gesundheitsgefährdende Maßnahmen ersetzt wird. Diese Haltung der SPD-Fraktion hat sich nun auch im Koalitionsausschuss und im Senatsbeschluss von gestern wiedergefunden.
Meine Damen und Herren, damit überhaupt keine Zweifel aufkommen, will ich an dieser Stelle eine
Selbstverständlichkeit aussprechen: Auch künftig muss mit allem Nachdruck im rechtsstaatlich gesetzten Rahmen Drogenkriminalität bekämpft werden. Wenn ein Drogendealer die Debatte in diesem Hause und die Kritik am Innensenator missverstehen möchte als Freibrief, dem schmutzigen Geschäft auf Kosten unserer Kinder und Jugendlichen weiter nachgehen zu können, dann hat er sich getäuscht. Das muss man auch mit allem Nachdruck sagen.
Ich füge aber hinzu, die SPD erwartet nicht nur Phantasie bei der Sicherstellung von Drogenkügelchen, sondern auch konsequentes präventives Einschreiten in der Drogenpolitik. Es müssen Lösungen für soziale Probleme, die Sucht oder Handel begünstigen, gefunden werden. Für Kranke müssen Therapien vorgesehen werden. Die Szene darf in der Tat nicht hingenommen werden. Möglicherweise müssen Aufenthaltsverbote verstärkt ausgesprochen werden.
Lassen Sie es mich so zusammenfassen: Festnehmen, Abführen und Erbrechen, das ist jedenfalls keine ausreichende Antwort auf die Herausforderung in der Drogenpolitik. Da ist mehr erforderlich.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss und will zusammenfassen: Die deutliche Einigung in der Sache, also die Einigung, auf eine im hohen Maße gesundheitsgefährdende Ermittlungsmethode zu verzichten, macht es der SPD-Fraktion möglich, gegen das Misstrauensvotum der Fraktion der Grünen zu stimmen. Wir wählen keinen Senator wegen seiner Person oder seiner blauen Augen, sondern für uns ist entscheidend, welche Politik innerhalb der großen Koalition gemacht wird,
und da haben wir jetzt in dieser Frage eine Lösung gefunden, an der Herr Dr. Güldner, vermutlich selbst die Opposition nichts auszusetzen hat. Ich will auch sagen, es wird sich nichts daran ändern, dass es gerade im Bereich der inneren Sicherheit auch künftig zwischen den Koalitionsfraktionen hin und wieder Meinungsverschiedenheiten geben kann. Das ist legitim und völlig normal, aber, und das war und ist uns wichtig, der Senator einer großen Koalition muss eben anders auftreten als die Vertreter einer Alleinregierung. Auch wenn der Wunsch nach persönlichem Profil zugestanden sei, die Debatte um Brechmitteleinsätze hat gezeigt, dass es Grenzen gibt, die auch bei schärfster inhaltlicher Auseinandersetzung einzuhalten sind.
Meine Damen und Herren, Senator Röwekamp hat nicht nur in der Sache diesen Rahmen wieder für sich und die CDU akzeptiert, er hat in der Deputation, im „Weser-Kurier“, in internen Gesprächen und durch seinen Auftritt in unserer Fraktion am Montag weitere Brücken gebaut. Zudem hat sich, wie erwähnt, die große Koalition in der Sache geeinigt. Sie hat die notwendigen Konsequenzen aus dem tragischen Todesfall gezogen. Deshalb gibt es für die SPD-Fraktion keinen Grund mehr, dem Misstrauensantrag der Grünen zuzustimmen. Wir werden ihn ablehnen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Schön hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Bürgerschaft sich nicht zum ersten Mal, sondern in den letzten Jahren wiederholt mit der Frage der Affenversuche beschäftigt hat. Ich lege am Anfang Wert auf die Feststellung, dass die Debatten, soweit ich sie in Erinnerung habe, eigentlich nie von vordergründigem politisch Taktischem geprägt waren, sondern dass uns bewusst ist, dass es da um sehr ernsthafte und ethisch wichtige Fragen geht. Deswegen lege ich auch Wert darauf, dass wir das nicht nur anhand von Parteifarben diskutieren, sondern dass, wie es auch einem Parlament richtig würdig ist, glaube ich, jeder Einzelne hier auch zu einer ethischen Antwort herausgefordert ist. Ich finde, das hat uns ausgezeichnet und sollte uns in dieser Frage auch weiter auszeichnen.
Wir haben im Juni 1997 das erste Mal hier sehr grundlegend im Parlament über die Frage debattiert, ob die damals an der Universität Bremen geplanten wissenschaftlichen Versuche an Primaten ethisch vertretbar sind. Die Fragen waren damals, und sie sind es auch heute noch: Lässt sich Grundlagenforschung an Primatengehirnen aus möglichen Erkenntnisgewinnen über menschliche Krankheiten legitimieren, rechtfertigen, begründen? Wie weit reicht die Freiheit von Wissenschaft und Forschung? Wo liegen die Grenzen durch den Tierschutz, oder allgemeiner formuliert, was verlangt die Verantwortung des Menschen für das Tier?
Das waren die Fragen, und 1997 haben wir, soweit ich das erinnere, in allen Fraktionen dazu schwierige und intensive Debatten geführt und auch öffentliche Veranstaltungen dazu abgehalten oder daran teilgenommen. Die SPD-Fraktion ist damals nach einem sehr intensiven Abwägungsprozess mehrheitlich zu der Auffassung gelangt, dass die seinerzeit geplanten wissenschaftlichen Versuchsverfahren hinzunehmen sind, allerdings unter Auflagen und Bedingungen.
Auf dieser Haltung, die im Juni 1997 von allen Fraktionen hier im Parlament geteilt worden ist, beruhte ein Beschluss vom Juni 1997, und der hatte zwei zentrale Punkte, und an die möchte ich noch einmal erinnern. Erstens hieß es in dem Beschluss: „Der Senat wird aufgefordert, alle Maßnahmen der Universität Bremen zu unterstützen, Tierversuche auf das unbedingt nötige Maß zu beschränken.“ Der zweite zentrale Punkt war: „Die Bürgerschaft erwartet, dass die Hirnforscher die bildgebenden Verfahren so weiterentwickeln, dass in der Perspektive Eingriffe in Primatengehirne unnötig werden.“ Das waren die beiden zentralen Punkte des damaligen Beschlusses.
Seitdem sind sieben Jahre vergangen. Tierversuchsgenehmigungen wurden 1998 für drei Jahre erteilt und im Jahr 2001 für weitere drei Jahre, also sechs Jahre insgesamt, und jetzt ist eine weitere Genehmigung für ein Jahr erteilt. Für mich hat dieser Beschluss der Bürgerschaft vom Juni 1997 bedeutet, dass nach dem Willen dieses Parlaments die Zulassung von invasiven Primatenexperimenten zugleich der Anfang eines geordneten Ausstiegs aus solchen Tierversuchsreihen sein sollte.
Meine Damen und Herren, das haben auch andere so gesehen. Ich darf daran erinnern, dass die damalige Wissenschaftssenatorin Mitte 1998 sagte, sie hoffe, dass die Affen nach den genehmigten drei Jahren wieder aus dem dafür errichteten Neubau an der Universität ausziehen werden. Sie sagte das übrigens unwidersprochen. Auch die Wissenschaftler hatten sich damals – zumindest öffentlich – nicht gegen den von der zuständigen Senatorin avisierten Zeitrahmen gewandt. Unter dieser Zielsetzung eines Einstiegs in einen geordneten Ausstieg sind kurz darauf erhebliche finanzielle Mittel für die Kernspintomographie, also für den Drei-Tesla-Kernspintomographen als Ersatzmethode für invasive Versuche bereitgestellt worden. Das ist die Haltung der Politik und die Haltung der Bürgerschaft, so wie sie sich jedenfalls in Beschlüssen wiederfindet, gewesen.
Diese Haltung der Bürgerschaft ist Anfang 2003 noch einmal bekräftigt worden. Die Haltung war, mit der Weiterentwicklung bildgebender Verfahren im Allgemeinen und der Anschaffung dieses Kernspintomographen im Besonderen sollten die Primatenexperimente so schnell wie möglich ersetzt werden. Auch gegen diesen Beschluss erhob sich, jedenfalls soweit mir bekannt ist, kein Widerspruch der Wissenschaftler, die heute allerdings behaupten, der Kernspintomograph sei kein Ersatz für diese Versuche.
Tatsächlich, und auch daran muss man erinnern, wenn man in die Geschichte der Debatten um die Affenversuche geht, hat es bis zum Dezember 2003 gedauert, bis der Kernspintomograph endlich instal
liert war. Das, wenn ich mich recht entsinne, rund 1,7 Millionen Euro teure Gerät ermöglicht strukturelle und funktionelle Untersuchungen des Gehirns, ohne dass dabei in den Organismus eingegriffen werden muss.
Das Gerät ist jetzt also einsatzfähig, und nun heißt es von Seiten der beteiligten Wissenschaftler, wir konnten das ja nachlesen, Frau Schön hat es angesprochen, zur Gewinnung von grundlegenden Erkenntnissen über Struktur und Funktion von Gehirnen werde es auch weiterhin notwendig sein, neben den bildgebenden Verfahren Versuche an Tieren durchzuführen. Es wird behauptet, man brauche die Fortsetzung dieser ursprünglichen Tierversuche, um Referenzdaten für die Untersuchung mit dem Kernspintomographen zu gewinnen, also für einen Methodenvergleich.
Das ist der Hintergrund, meine Damen und Herren, auf dem wir hier heute und in der Öffentlichkeit darüber diskutieren, ob Affenversuche fortgesetzt werden können, dürfen oder sollen. Frau Schön, mir liegt daran, ich habe auch eine Herzenssprache, aber man muss auch darüber nachdenken, was unsere Rolle hier ist. Ob und in welchem Umfang Tierversuche stattfinden, ist einerseits eine zutiefst politische und nach meiner Überzeugung auch ethische Frage, und deshalb ist es richtig und notwendig, dass man in der Öffentlichkeit darüber diskutiert, und es ist nicht nur notwendig, sondern höchst legitim, dass auch hier in der Bürgerschaft darüber diskutiert wird. Über ethische Fragen können die beteiligten Wissenschaftler jedenfalls nicht allein entscheiden.
Herr Professor Kreiter hat in dem von Ihnen angesprochenen Interview gesagt, jeder hat seine eigene Ethik.
Das will ich jetzt gar nicht beurteilen und bewerten, aber, meine Damen und Herren, man darf seine eigene Ethik nicht absolut setzen, sondern man muss in der Konkurrenz oder im Gespräch mit anderen, erst recht, wenn man Wissenschaftler ist und in einer demokratischen Gesellschaft Wissenschaft betreibt, diese Ethik diskutieren, und damit muss man sich auch auseinander setzen.
Andererseits, Frau Schön, muss jeder wissen, über Tierversuche wird nicht abschließend durch politischen Beschluss entschieden. Diese Zuständigkeit hat weder die Bürgerschaft noch der Senat, noch hat sie die zuständige Gesundheitssenatorin. In Deutschland wird über die Erteilung, die Versagung und auch, was Gegenstand Ihres Antrags ist, über die Rücknahme einer Genehmigung für einen Tierversuch in einem rechtlich geregelten und geordneten
Verfahren nach dem Tierschutzgesetz von einer Behörde entschieden. Im Streitfall gibt es Gerichte.
Das ist übrigens das Bedauerliche in dieser Angelegenheit. Jetzt lasse ich einmal wieder mein Herz sprechen. Sie wissen, dass ich Jurist bin. In Deutschland hat man Möglichkeiten, ganz viele Klagen gegen alles Mögliche zu erheben, aber in diesem Fall, wenn Sie fragen, wer kann gegen eine solche Genehmigung klagen, dann werden Sie finden, dass Sie eigentlich niemanden finden, der für den oder die klagen könnte, die von einer solchen Genehmigung beschwert sind. Mich hat sehr betrübt, dass ein richtig guter Antrag des Landes Schleswig-Holstein im Bundesrat vom Mai dieses Jahres, der ein Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzvereine und -verbände vorsieht, im Bundesrat gescheitert ist. Ich finde, es lohnt alle Anstrengungen, das, was wir im Umweltschutz und in Bremen gerade in einer besonders vorbildlichen Weise haben, auch auf den Tierschutzbereich zu übertragen.
Also, Frau Schön, was ich damit sagen will: Wir haben rechtsstaatliche Grundsätze zu beachten, wie wir mit der Erteilung, Versagung oder Rücknahme einer solchen Genehmigung umgehen, und deswegen ist der Antrag der Grünen mit der schlichten Aufforderung, eine erteilte Genehmigung zurückzuziehen,
der Ernsthaftigkeit der Sache jedenfalls vom Verfahren her nicht angemessen, und deswegen, Frau Schön, das wissen Sie aber auch, geht der Antrag an der Sache vorbei. Ich glaube, wenn man es ernsthaft, und Sie hören aus meinen Bemerkungen hoffentlich heraus, dass ich ernsthaft bei der Sache bin, eine Perspektive diskutiert, dann muss man zunächst einmal zur Kenntnis nehmen, dass die jetzige Verlängerung aus der Sicht der Behörde vermutlich unausweichlich war,
und zwar deshalb – hören Sie doch einmal zu, Frau Linnert! –, weil es Richtlinien des Bundes zur Ausführung des Tierschutzgesetzes gibt, und diese Richtlinien sehen bei der nur einjährigen Verlängerung ein stark vereinfachtes Verfahren vor.
Ich bin aber davon überzeugt, dass bei einer längerfristigen Verlängerung ein ganz anderes Verfahren zur Anwendung kommt. Das sehen die Richtlinien des Bundes vor, und ich habe einem Schreiben der Gesundheitssenatorin entnommen, wenn ich das einmal zitieren darf, ich darf auch erklären, wie ich zu diesem Schreiben gekommen bin, Frau Schön, das werden Sie mir erlauben! Die Grünen haben Akteneinsicht genommen bei der Gesundheitssenatorin. Frau Schön war so nett, mir dieses Schreiben zur Verfügung zu stellen. In diesen Akten befindet sich ein Begleitschreiben zur Genehmigung.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Einige wenige Bemerkungen, allerdings will ich mich dabei mit dem Abgeordneten der DVU nicht auseinander setzen. Ich habe vorhin gesagt, es geht hier um ethische Fragen, und wenn eines gewiss ist in Deutschland, dann ist es, dass Rechtsradikale von Ethik nichts verstehen. Da können sie allenfalls schamlose Reden halten.
Frau Schön, zur Verbandsklage, geschenkt, was Sie da gesagt haben! Es ist bekannt, auch Bremen hat im Bundesrat den Antrag von Schleswig-Holstein abgelehnt. Ich bedauere das, aber das ist wie mit dem Bohren dicker Bretter. Man kann darauf setzen, dass unter dem Eindruck, dass der Tierschutz nun in Artikel 20 a Grundgesetz eine prominente Rolle eingenommen hat, wir auch in dieser Frage zunehmende Weisheit, auch politische Weisheit haben und wir da zu einer Lösung kommen. In Schleswig-Holstein arbeitet man daran, möglicherweise eine landesgesetzliche Regelung zu schaffen. Lassen Sie uns doch einmal anschauen, was sie in Schleswig-Holstein zustande bringen! Ich bin da ganz zuversichtlich, und dann können wir überlegen, ob wir das in Bremen übernehmen.