Wolfgang Grotheer
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Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gesetz zur Sicherung des Kindeswohls, über das wir jetzt beraten und das wir jetzt beschließen wollen, ist ein weiterer Baustein zur Verbesserung des Kindesschutzes in Bremen. Dem Senat haben in der Sitzung am 10. April 2007, als der Gesetzentwurf beraten wurde, Unterlagen aus dem Sozialressort vorgelegen, in denen noch einmal aufgelistet wurde, welche verschiedenen Maßnahmen schon auf den Weg gebracht worden sind, nämlich das Projekt „Lies mir vor!“, junge Eltern sollen lernen, mit ihren Kindern entwicklungsgerecht umzugehen, Pro-Kind, also das Pfeiffer-Projekt, das ja umstritten ist, das wir aber im Jugendhilfeausschuss ausdrücklich mehrheitlich gebilligt haben.
Der Ausbau des Familienhebammenprogramms, auch das will ich an dieser Stelle sagen, hat unmittelbar zu tun mit dem, was hier soeben diskutiert worden ist, denn in dem Bericht des Untersuchungsausschusses ist auf Seite 56 darauf hingewiesen wor
den, dass die Kapazitäten bei den Familienhebammen nicht ausgereicht haben zu einem Zeitpunkt, als der Einsatz notwendig gewesen wäre. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt.
Weiterhin ist erwähnt in der Vorlage für den Senat das Projekt Tipp Tapp, aufsuchende Beratung, die dort für bestimmte Wohngebiete stattfinden soll. Hier geht es um ein Gesetz, mit dem flächendeckende Früherkennungsuntersuchungen mit einem verbindlichen Einladungssystem sichergestellt werden sollen. Ich halte dies für eine sehr vernünftige Lösung, will aber an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass dies nicht ausschließlich Thema bei uns hier in Bremen ist und gewesen ist, sondern dass es dazu eine Initiative der Ministerpräsidenten gab, die bundesweit eine verpflichtende Regelung bei den Früherkennungsuntersuchungen haben wollten. Diese Entschließung der Ministerpräsidenten hat aber leider nicht weitergeholfen, weil nämlich die Bundesregierung die Auffassung vertreten hat, dass eine solche bundesgesetzliche Regelung nicht möglich sei, dies mit zwei Argumenten:
Erstens hat die Regierung gesagt, es sei unverhältnismäßig, alle Eltern zu verpflichten, ihre Kinder bei den Untersuchungen vorzustellen, da ja 97 Prozent der Eltern das ohnehin bei den ganz kleinen Kindern tun und immerhin zu 84 Prozent noch bei den sechsjährigen Kindern eine Vorstellung beim Kinderarzt zu den Früherkennungsuntersuchungen erfolgt. Also hat die Bundesregierung argumentiert, es sei unverhältnismäßig, Sanktionen auszusprechen, weil ja nur wenige sich nicht an diese Vorgaben halten. Zum Zweiten hat sie gesagt, das Ganze passe nicht in das System der gesetzlichen Krankenversicherung.
Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich bin sehr enttäuscht und halte auch die Argumente nicht für stichhaltig. Ich finde, es ist kein Argument, hier von Unverhältnismäßigkeit zu reden. Wenn wir diesen Maßstab anlegen würden für andere Bereiche, dann müssten wir auch die Straßenverkehrsordnung außer Kraft setzen, weil sich ja 95 bis 98 Prozent aller Autofahrer ohnehin an gewisse Regeln halten, auch wenn es nicht ausdrücklich mit Sanktionen belegt ist. Also, ich finde, das geht völlig am Thema vorbei.
Ich finde es auch völlig unzulässig, damit zu argumentieren, dass die Verbindlichkeit, dass Sanktionen nicht in das System der gesetzlichen Krankenversicherung passen, denn es ging ja gerade darum, das System der gesetzlichen Krankenversicherung zu verändern mit dieser Initiative der Ministerpräsidenten. Dazu ist zu sagen: Es wird viel heiße Luft gemacht in Berlin. Wir hören viele Erklärungen von der Familienministerin, das wird aber längst nicht alles umgesetzt, da gibt es wenig Handlungsbereitschaft, das finde ich schade. Umso wichtiger ist es, dass wir unsere Landeskompetenzen nutzen.
Ich will darauf hinweisen, mit diesem System soll erreicht werden, dass die Meldeämter Daten an den Gesundheitsdienst übermitteln, dass dann eine Einladung der Eltern erfolgt, die Kinderärzte melden dann dort, wo die Untersuchungen stattgefunden haben, dies zurück an den Gesundheitsdienst. Wenn keine Untersuchung stattfindet, da wird also ein Datenabgleich stattfinden, dann werden die Jugendämter in die Lage versetzt, tätig zu werden. Sie sollen dann den Fällen nachgehen, in denen kleine Kinder nicht zu den Früherkennungsuntersuchungen vorgestellt werden.
Wir finden, das ist eine sehr schöne Lösung. Diese Lösung hat den Charme, dass keine neue bürokratische Institution geschaffen werden muss,
sondern die Lösung bewegt sich innerhalb der vorliegenden Strukturen. Es werden übrigens auch die Zuzüge aus Niedersachsen, es gibt ja viel Mobilität, mit erfasst, weil ja die Meldeämter jeweils dann zeitnah die entsprechenden Informationen an den Gesundheitsdienst weitergeben müssen. Das ist ein gutes System. Wir schaffen mit unserem Beschluss heute gleichzeitig auch die melderechtliche Grundlage für die Datenübermittlung zwischen den Meldebehörden und dem Gesundheitsdienst. Diese Regelung, das will ich aber auch ausdrücklich betonen, ist nur – nur in Anführungszeichen – eine melderechtliche Ermächtigung. Eine Verpflichtung daraus ergibt sich noch nicht, sondern dies umzusetzen ist dann eben nicht nur Sache des Gesundheitsamtes und des Jugendamtes, sondern ist auch Sache des Innensenators, der die Meldebehörden anweisen muss, entsprechende Daten dann auch tatsächlich auf dieser Grundlage zu übermitteln.
Es ist noch ein Punkt – ich darf das noch zu Ende führen, weil es wirklich wichtig ist – bei der Umsetzung zu beachten. In dem Gesetzesantrag wird davon gesprochen, dass die Adressaten der Mitteilungen die gesetzlichen Vertreter der Kinder sein sollen, die früh untersucht werden sollen. Das sind aber nicht immer diejenigen, bei denen die Kinder wohnen, sondern das kann auseinanderfallen. Der Vormund kann ein Amtsvormund sein, oder gesetzlicher Vertreter kann ein Elternteil sein, bei dem das Kind nicht wohnt, also etwa in den Fällen, in denen die Kinder in Pflegefamilien leben. Das alles kann man gesetzestechnisch gar nicht regeln, das muss im Verwaltungsvollzug geregelt werden. Wir setzen darauf, dass die Behörden das schaffen. Wir haben absichtlich, das will ich abschließend sagen, davon abgesehen, hier Sanktionen vorzusehen, etwa für Kinderärzte, die sich nicht an diesem Meldesystem beteiligen. Wir setzen auf Freiwillig
keit bei der Mitwirkung. Ich glaube, das ist hier in diesem Zusammenhang auch vernünftig. Kosten entstehen in Höhe von zirka 310 000 Euro jährlich für dieses System. Es befindet sich in einem guten Rahmen. Nach zwei Jahren soll das Gesetz evaluiert werden, auch das ist sehr vernünftig. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und entschuldige mich beim Präsidium, dass ich etwas überzogen habe!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich schaue jetzt auch nicht auf meine Uhr. Nein, aber im Ernst, ich fand, es war ein sehr sachlicher Bericht, deswegen konnte ich es aushalten, dass die Vorsitzende des Ausschusses die verabredete Redezeit von 20 Minuten bei Weitem überschritten hat, ich denke, das muss auch einmal möglich sein.
Wir haben sehr gut zusammengearbeitet, und wir haben dort in dem Ausschuss keine Wahlkampfshow veranstaltet. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich auch aus meiner Sicht zunächst einmal für den sachlichen Bericht bedanken, den Frau Linnert abgegeben hat.
Außerdem möchte ich mich bei Herrn Focke und Frau Linnert, in dieser Reihenfolge, weil wir auch eine Koalitionsrolle in diesem Ausschuss hatten, für die wirklich gute Zusammenarbeit innerhalb des Ausschusses und auch bei allen anderen Mitgliedern bedanken.
Das ist, glaube ich, keine Selbstverständlichkeit gewesen. Für mich war das eine Premiere, das war mein erster Untersuchungsausschuss, seitdem ich im Jahr 2003 ins Parlament gekommen bin. Ich habe spannende Erfahrungen sammeln können, insbesondere auch bei der Frage, wie eigentlich Zeugen mit Fragen im Ausschuss umgehen. Es war aus meiner Sicht bemerkenswert, wie dort zum Teil doch langatmig und an der Sache vorbei geredet wurde. Das ist mir manchmal etwas nahegegangen, weil ich es aus meiner früheren beruflichen Tätigkeit doch etwas anders kenne. Aber das nur am Rande!
Da wird auch gelogen, sagt Herr Focke! Aber es ist doch auffällig, es gibt doch große Unterschiede, es ist noch etwas anderes. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss ist eben kein Gericht. Aber mir hat die Arbeit bei aller Anstrengung in den letzten Monaten Spaß gemacht, und deshalb würde ich fast sagen, ich würde gern mit Frau Linnert und Herrn Focke auch einen nächsten Ausschuss besetzen. Aber ich sage dazu auch, es muss nicht dieses Ressort sein, das wir untersuchen, sondern dann sollten wir uns vielleicht anderen Themen zuwenden.
Ich habe zu Beginn der Arbeit in unserer Fraktion gesagt, ein Untersuchungsausschuss ist kein Gericht, sondern ein parlamentarisches Gremium, und ich habe darauf hingewiesen, dass in der einschlägigen juristischen Literatur darauf verwiesen wird, dass parlamentarische Untersuchungsausschüsse ein, wie es dort
heißt, Kampfinstrument der Opposition sind, jeweils mit dem Ziel, Regierungshandeln an den Pranger zu stellen. Ich habe damals schon gesagt, ich möchte das gern anders handhaben.
Wir haben als SPD-Mitglieder unseren Auftrag so interpretiert, dass wir einen politischen Auftrag des Parlaments hatten, nämlich aufzuklären. Diesen Auftrag haben wir gemeinsam mit allen anderen Mitgliedern des Ausschusses ernst genommen, und wir haben zusammen solide Aufklärungsarbeit geleistet, und unsere politischen Konkurrenten, ich möchte jetzt einmal nicht von Gegnern sprechen, sind auch nicht der Versuchung aufgesessen, im Ausschuss eine Wahlkampfshow zu veranstalten. Das hat uns natürlich auch gefreut, es hat sehr zu diesem sachlichen Klima beigetragen.
Wie gesagt, wir haben als SPD den Auftrag ernst genommen. Wir haben uns deshalb auch nicht darauf verlassen, dass die Opposition im Ausschuss nur ausschusseigene Beweisanträge stellt, sondern wir haben selbst Beweisanträge gestellt, um die Sache voranzutreiben. Wir haben insgesamt die Aufgabe gesehen aufzuklären, nicht zu vertuschen. Wir wollten dazu beitragen, dass Fehler erkannt werden, dass aus Fehlern Lehren gezogen werden können, damit wir in diesem für Bremen so wichtigen Bereich auch zu Verbesserungen gelangen können. Deshalb sind wir sehr froh über diesen einstimmigen Beschluss des Ausschusses, der zwar an manchen Stellen noch einige Interpretationen zulässt, aber im Wesentlichen auch ein einmütiges Ergebnis darstellt.
Ich möchte mich an dieser Stelle auch ganz herzlich bei Herrn Professor Ziemann bedanken, der mit seinem Ermittlungsbericht eine wesentliche Grundlage für die Arbeit des Ausschusses geboten hat. Wir haben an keinem einzigen Punkt entdecken können, dass der Bericht von Herrn Professor Ziemann unzutreffend war. Er hat das, was er ermitteln konnte, in einer relativ kurzen Zeit richtig ermittelt und hat das sehr klar dargestellt. Herzlichen Dank an Herrn Professor Ziemann!
In diesem Tatzusammenhang darf ich sagen, es war eine richtige Entscheidung des Senats, damals sofort einen Sonderermittler einzusetzen, um möglichst schnell zur Aufklärung beizutragen, denn wir haben nun gesehen, dass sowohl die Staatsanwaltschaft und die Polizei als auch der Ausschuss einige Monate gebraucht haben, um noch weitere Einzelheiten aufzudecken.
Im Übrigen geht unser Dank auch an die Kriminalpolizei und an die Staatsanwaltschaft! Diese Institutionen haben auch sehr präzise gearbeitet und erheblich dazu beigetragen, dass der Ausschuss seiner Aufgabe gerecht werden konnte.
Wenn Sie mir gestatten, will ich noch einige Anmerkungen zu einzelnen Themen machen: Zunächst
einmal zu dem Einstellungsverfahren von Herrn Tissen als Geschäftsführer für die Gesundheit Nord! Da ist zunächst ein Personalberater ausgesucht worden in einem normalen, völlig korrekt verlaufenen Ausschreibungsverfahren, bis dahin war nichts zu beanstanden. Dann gab es Bewerbungen. Frau Linnert, Herr Stremmel hat übrigens selbst davon erzählt, dass er sich beworben hatte, von daher war es kein Wunder, dass andere davon erfahren hatten. Es war ein Bewerbungsverfahren, in dem es verschiedene Bewerbungen gab, soweit war eigentlich alles in Ordnung. Es gab eine Auswahlkommission, man hat sich Gedanken über geeignete Bewerber gemacht.
Dann kam plötzlich Herr Tissen ins Spiel. Wir konnten, Frau Linnert hat es berichtet, nicht ganz genau aufklären, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass er ein Bewerber in diesem Verfahren wurde. Aber eines wissen wir: Der Personalberater, der bis dahin ganz ordentlich gearbeitet hatte, hat zunächst einen Bewerbebericht aus einem früheren Verfahren über Herrn Tissen eingereicht, das war die Grundlage dafür, dass Herr Tissen an diesem Verfahren überhaupt teilnehmen konnte, weil dieser Bewerbebericht positiv war. Der Personalberater hat dann später im Herbst des Jahres einen zweiten Bericht über Herrn Tissen eingereicht, der noch positiver und auf dieses Bewerbungsverfahren in Bremen bezogen war und letztlich die Grundlage dafür bot, dass die Gremien dieser Bewerbung zugestimmt haben.
Dieser zweite Bericht hatte, das wissen wir, überhaupt keine weitere sachliche Grundlage. Der Personalberater hat uns jedenfalls nicht berichten können, dass er in der Zwischenzeit zwischen Frühjahr und Herbst des Jahres noch weitere Ermittlungen angestellt hätte, dass er Referenzen eingeholt hätte, dass er Näheres zu der beruflichen Tätigkeit von Herrn Tissen wusste. Nichts davon, sondern das war, das behaupte ich, und so haben wir es auch gesehen, ins Blaue hinein, was er dort im Herbst des Jahres aufgeschrieben hat, das war eine wesentliche Grundlage dafür, dass es zu dieser Einstellungsentscheidung gekommen ist.
In dem Verfahren selbst, das sagen wir auch in Richtung Ressort, sind Fehler gemacht worden, weil man letztlich entschieden hat, ohne dass Referenzen vorgelegen haben. Es bleibt streitig, ob der Personalberater oder das Ressort die Referenzen einholen sollte, aber jedenfalls ist Herr Tissen eingestellt worden, ohne dass Referenzen vorlagen, und das war ein Fehler.
Auch die Gremien, die damit befasst worden sind, haben in diesem Fall nicht nachgesteuert, nicht nachgehakt. Es gab eine einzige kritische Anmerkung in diesem Einstellungsverfahren, sie stammte von meinem Kollegen Winfried Brumma, der in einer E-Mail an den Staatsrat danach gefragt hatte, was denn die Gründe dafür seien, dass ein Bewerber wie Herr Tissen, der an anderer Stelle, an anderer Wirkungsstätte viel mehr Geld verdient hatte als in Bremen, nun
bereit wäre, nach Bremen zu kommen. Das blieb unbeantwortet, am Ende ist jedenfalls eine Einstellung erfolgt.
In Bezug auf Herrn Lindner, der Geschäftsführer des Klinikums Bremen-Ost geworden ist, sagen wir, das Einstellungsverfahren war von Anfang an frisiert. Herr Lindner war der Favorit von Herrn Tissen, Herr Lindner sollte Geschäftsführer werden! Die beiden Herren kannten sich aus früherer Zusammenarbeit bei den Wittgensteiner Kliniken. Auch hier ist es so, das muss man sagen, dass das Verfahren selbst nicht in Ordnung war, weil Herr Tissen daran beteiligt war, darauf komme ich gleich noch.
Aber auch das Ressort hat hier Fehler gemacht, weil kein Bundeszentralregisterauszug, kein polizeiliches Führungszeugnis eingefordert worden ist. Es gab das Problem, dass die Krankenhausreferenten gerade vor diesem Bewerbungsverfahren verabredet hatten, es sei nicht mehr notwendig, dass polizeiliche Führungszeugnisse eingeholt werden müssten. Daraufhin hat man im Fall von Herrn Lindner auch davon abgesehen.
Das ist ein schwerer, wie wir sagen, verhängnisvoller Fehler gewesen, denn hätte man ein polizeiliches Führungszeugnis gesehen, wäre der Mann nie eingestellt worden. Er wäre auch nicht eingestellt worden, wenn man seine Zeugnisse ordentlich kontrolliert hätte, wenn man, was immer mehr der Fall ist, von ihm verlangt hätte, dass er eine Schufa-Auskunft vorlegt, denn daraus hätte sich ergeben, dass er hoch verschuldet war.
Es war aber auch nicht in Ordnung, dass Herr Tissen an diesem Verfahren beteiligt war, denn der Geschäftsführer des Klinikums Bremen-Ost sollte, so war die Konstruktion dieser Holding, gleichzeitig Mitgeschäftsführer von Herrn Tissen in der GeNo, in der übergeordneten Gesellschaft, werden. In der GeNo, der Holding-Mutter, war es aber so organisiert, dass zwei Geschäftsführer nur gemeinsam zeichnungsberechtigt waren. Das heißt, Herr Tissen hat sich mit der Auswahl von Herrn Lindner auch gleichzeitig einen Mitgeschäftsführer in die Holding geholt und war damit auch in die Lage versetzt, alle möglichen Verträge zu unterschreiben, ohne dass er dazu noch andere befragen musste. Das war nicht in Ordnung, das hätte man eigentlich bemerken müssen. Auch das war falsch, so etwas darf nicht mehr passieren!
Wir haben uns aus gutem Grund sehr intensiv mit dem Vorleben von Herrn Lindner beschäftigt, weil wir aufgrund der Aktenlage Anhaltspunkte dafür hatten, dass sein Lebenslauf nicht nur nicht in Ordnung, sondern geradezu fürchterlich frisiert war. Das war übrigens nicht ganz unumstritten in unserem Ausschuss, weil es auch Bedenken gab, ob der Untersuchungsauftrag das zulässt. Wir standen auf dem Standpunkt, dass es hier um die Frage eines Anstellungsbetrugs geht und dass in diesem Zusammenhang selbstverständlich das berufliche Vorleben eine Rolle spielt.
Es war gut, dass wir uns hier durchgesetzt haben, deshalb sind wir nämlich dazu gekommen, unter anderem Frau Puschmann zu vernehmen, die, wie wir alle in der Presse gelesen haben, auch wegen Steuerhinterziehung zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden war. Mit Frau Puschmann hatte Herr Lindner früher zusammengearbeitet, sie war Gesellschafterin, er Geschäftsführer in einem Krankenhaus, die beiden haben offenbar gut kooperiert. Man kann fast sagen, dass Herr Lindner bei ihr in die Lehre gegangen ist, jedenfalls, was den Umgang mit der Steuerpflicht angeht, gibt es durchaus Ähnlichkeiten, denn auch Herr Lindner ist wegen Steuerhinterziehung bestraft worden.
Für uns war auch wichtig zu wissen, in welchem Umfang es Verbindungen zwischen Herrn Lindner und den Firmen aus dem Marseille-Konzern gibt. Der Name Marseille sagt uns allen etwas, insbesondere auch den Bremerhavenern, glaube ich, das will ich jetzt nicht näher erläutern, die wissen, worum es geht. Das ist nicht als Vorwurf an die Bremerhavener gemeint, nur, denke ich, sie haben da einen Wissensvorsprung vor den bremischen Abgeordneten.
Für uns war erstaunlich, dass Herr Lindner ganz erhebliche persönliche Verbindlichkeiten gegenüber den Firmen aus dem Marseille-Konzern hat. Er hatte, das heißt nicht er, sondern Gesellschaften, deren Gesellschafter beziehungsweise Geschäftsführer er war, hatten mit diesen Gesellschaften aus dem Marseille-Konzern Geschäfte betrieben und hatten dort Verbindlichkeiten angehäuft. Dann hat Herr Lindner eines Tages für diese Verbindlichkeiten die persönliche Haftung übernommen, was sich überhaupt nicht weiter erschließt, es gibt an sich keinen nachvollziehbaren Grund dafür. Es ging dort nicht um Peanuts, um 100 oder 1000 Euro, sondern es ging um Beträge weit über eine Million Euro, die er dort als Verbindlichkeit anerkannt hat. Er hat sich in einem Schuldanerkenntnis auch der Zwangsvollstreckung unterworfen. Es gibt dazu einen Zahlungsplan, in dem er verabredet hat, dass monatlich unglaublich hohe Beträge zurückgezahlt werden sollten auf diese Darlehen. Das ist dann zum Teil auch sogar passiert und zum Teil nicht.
Dann hat er am Ende sogar in seiner Zeit, in der er hier in Bremen in Untersuchungshaft sitzt, seine Geschäftsanteile an der Siekertal-Klinik BetriebsGmbH an Marseille zur Sicherheit für diese Verbindlichkeiten verpfändet. Da gibt es also Verbindungen, die wir nicht alle völlig aufklären konnten, aber die sicherlich ganz wichtig sind. Wenn man die Motivation von Herrn Lindner untersucht, stellt sich die Frage: Warum musste er so schnell zu so viel Geld kommen? Eine Detailerklärung ist sicherlich, dass er an Marseille in diesem Bereich schnell Zahlungen leisten musste.
Zum Bereich Schädigungen wollte ich nur noch darauf hinweisen, Frau Linnert hat es auch erwähnt: Wir gehen davon aus, dass unsere Arbeit im Ausschuss
ganz erheblich mit dazu beigetragen hat, dass es gelungen ist, das Schadensrisiko, das Herr Professor Ziemann mit über 14 Millionen Euro beziffert hat, auf etwa 7 Millionen Euro zu drücken. Die Differenz besteht darin, dass die Firma Quadroplan, bei der ja diese sogenannten Nachtschränke – Nachtschränke ist ein bisschen harmlos ausgedrückt – bestellt worden sind, ihre Ansprüche nicht mehr geltend macht, ihre Klage zurückgenommen hat und auf die Ansprüche verzichtet hat. Der reine Kaufpreis betrug etwas über 4 Millionen Euro, es kamen noch Zinsen und Kosten aus dem Leasinggeschäft, das parallel dazu verabredet worden ist, hinzu, sodass sich das Risiko ganz erheblich vermindert hat.
Ich finde, da kann man auch ganz selbstbewusst als Ausschuss und auch als Parlament sagen: Wir haben keinen Fehler gemacht, einen Ausschuss einzusetzen. Er hat zwar Geld gekostet, es ist ja nicht unerheblich, wir haben über 400 000 Euro verbraucht für Personalkosten, Protokolle, Mitarbeiter und so weiter, nicht für uns, wir haben ja nichts davon außer den Sitzungsgeldern bekommen, aber wir können sagen, diese Entscheidung hat sich gelohnt, und auch die Arbeit hat sich gelohnt.
Wichtig ist noch der Hinweis darauf, dass wir keinen Zweifel daran haben, dass Herr Tissen und Herr Lindner sich sehr intensiv kannten. Herr Tissen und Herr Lindner haben sich bereits getroffen, bevor Herr Lindner hier in Bremen eingestellt worden ist. Im Sommer 2005 hat Herr Lindner dafür gesorgt, dass Herr Tissen ein privates Darlehen bei der SiekertalKlinik Betriebs-GmbH in der Größenordnung von 50 000 Euro erhalten hat. Die Frau von Herrn Tissen hat einen Beratervertrag erhalten, der mit monatlich 7000 Euro dotiert war, für den sie keine Gegenleistung erbringen musste, und das Ganze im zeitlichen Zusammenhang in einem Gespräch in Berlin, in dem einem Zeugen klar wurde, so hat er es uns erzählt, dass Herr Lindner in Gegenwart von Herrn Tissen als Geschäftsführer der Siekertal-Klinik BetriebsGmbH aufgetreten ist.
Das ist ein Gesichtspunkt, auf den ich insbesondere das Ressort noch einmal ganz deutlich aufmerksam machen möchte, denn dieser Punkt ist wichtig für die Frage, ob man Herrn Tissen auch für das, was sich an Schaden aus der Anmietung Rastede ergibt, in die zivilrechtliche Haftung nehmen kann. Wir meinen, es müssen alle, aber wirklich alle Schritte unternommen werden, um hier auch diesen Geschäftsführer der GeNo in die Haftung zu nehmen.
Die Geschäftsführung des Klinikums Bremen-Ost, so sagen wir, hat als Kollektiv versagt. Die Rechte und Pflichten waren zwar bekannt, aber waren nicht geläufig, wurden nicht gelebt. Trotz Kenntnis von Missständen sind keine gegenläufigen Entscheidungen
in den Geschäftsführungen zustande gekommen. Das hat mit Verschulden, sagen wir Verantwortung, auf der einen Seite zu tun, auf der anderen Seite aber auch damit, dass Herr Lindner ein ganz raffiniertes System der Günstlingswirtschaft dort aufgebaut hat, indem er Leute dadurch an sich gebunden hat, dass er ihnen Vorteile verschafft hat, Chefarztverträge, hier ist schon ein Name genannt worden. Auch die Frau H., wie ich sagen würde, ist in dieses Geschäft eingebunden gewesen.
Herr Lindner hat sogar versucht, den Betriebsrat zu kaufen, hat ihm also angeboten: Ihr könnt meine Tantieme haben. Da ist er nicht zum Zuge gekommen, er hat das nicht gemacht. Aber es gab auf allen Ebenen Versuche, Leute an sich zu binden. Das ist also ein richtiger Betrüger, so muss man es sagen, so darf man es hier im Parlament auch diskutieren. Wir hoffen, dass die Anklage gegen Herrn Lindner möglichst bald beim Gericht eingehen wird. Er sitzt ja seit Anfang des Jahres in Untersuchungshaft, und die Staatsanwaltschaft hat noch bis Anfang Juni Zeit. Es gibt eine Frist von 6 Monaten, um die Anklage zu erheben. Wir gehen fest davon aus, dass das gelingen wird. Die Beweislage ist mehr als erdrückend, und vielleicht kommt es ja noch dazu, dass Herr Lindner angesichts dieser Beweislage auch dazu bereit sein wird, endlich ein Geständnis abzulegen und zuzugeben, was er hier alles angerichtet hat.
Wir haben aber auch eine mangelhafte Organisation im Gesundheitsressort zu kritisieren, was die Aufsicht und Kontrolle über die Kliniken anging. Da muss es zu Verbesserungen kommen. Es lagen ja Informationen vor, denen nicht zeitnah genug nachgegangen worden ist, das muss besser werden. Es ist unklar geblieben, wann das Ressort wirklich zum ersten Mal Informationen über Unstimmigkeiten, Unregelmäßigkeiten in den Krankenhäusern erhalten hat. Es gab Behauptungen, die hätten schon Ende 2005 vorgelegen, das hat sich so nicht bestätigen lassen. Es bleibt sozusagen der Verdacht, der ist auch nicht ganz ausgeräumt, aber er hat sich nicht bestätigen lassen. Jedenfalls lagen Informationen Anfang 2006 vor, und denen hätte man damals zeitnäher als geschehen nachgehen müssen.
Das Stichwort Aufsichtsräte möchte ich noch erwähnen! Da haben wir festgestellt, dass die Aufsichtsräte ihre Aufgabe als eigenständiges Organ der Gesellschaft nicht wahrgenommen haben, sondern dass die Entscheidungen des Senats nur nachvollzogen worden sind. Es ist ja öffentlich und ordentlich kritisch diskutiert worden, ob wir diese Konstruktion im Krankenhausbereich brauchen. Der Bericht beschäftigt sich ausführlich damit, das ist aber nur eine Teilfrage.
Die andere Frage ist, und die ist viel wichtiger: Wie soll es mit der Struktur der bremischen Krankenhäuser weitergehen? Da sagen wir: Es muss vor allen Dingen darauf geachtet werden, dass die Existenz der vier Häuser, der vier kommunalen Kliniken in Bre
men, an den Standorten gesichert wird. Das ist das Anliegen, das wir verfolgen.
Dem hat sich alles andere unterzuordnen. Da müssen steuerrechtliche, mitbestimmungsrechtliche Fragen geprüft werden, um dieses Ziel zu erreichen. Aber eines ist klar, ich will jetzt gar nicht auf Einzelheiten eingehen, diese Konstruktion, so, wie wir sie jetzt gehabt haben, hat sich nicht bewährt, sie muss auf jeden Fall verändert werden. Ob am Ende aber eine Einheitsgesellschaft steht oder eine andere Form von mehreren Gesellschaften für die verschiedenen Standorte, das muss jetzt in Ruhe rechtlich und steuerrechtlich geprüft werden, das wird einige Zeit dauern.
Das haben wir als Ausschuss natürlich nicht leisten können, das war auch nicht unsere Aufgabe. Aber wir gehen davon aus, dass das Ressort diese Aufgabe erfüllen wird. Der Bericht liegt jetzt vor, er muss jetzt abgearbeitet werden. Wir geben auch noch Empfehlungen, was Einstellungsverfahren betrifft, polizeiliche Führungszeugnisse, Schufa-Unterlagen sollen geprüft werden und so weiter, das findet sich alles in dem Bericht wieder.
Ich bin ganz froh darüber, das wollte ich zum Schluss sagen, dass der Senat doch eine Reihe von Konsequenzen gezogen hat, die sich auf diesen Bereich beziehen. In dem Public Corporate Governance Codex für das Land Bremen und die Stadtgemeinde Bremen hat der Senat unter anderem verabredet, und das ist uns mitgeteilt worden, dass die Geschäftsführergehälter künftig individuell und aufgeschlüsselt nach fixen und variablen Bestandteilen offengelegt werden sollen.
Das soll auch Aufsichtsratsentschädigungen betreffen. Das ist gut so. Der Aufsichtsrat soll regelmäßig seine Arbeit evaluieren und darüber berichten, auch das ist notwendig. Es wird auch darauf hingewiesen, dass eine verantwortungsvolle Wahrnehmung eines Aufsichtsratsmandates Zeit erfordert und dass die Zahl der Aufsichtsratsmandate, die ein Aufsichtsratsmitglied wahrnimmt, deshalb beschränkt werden sollte, damit er dieser Aufgabe auch wirklich nachkommen kann. Das ist auch ein wichtiger Beitrag.
Dann wird empfohlen, das finde ich auch richtig, man könnte auch sagen, das ist eine Aufgabe, die man an sich nicht hier durch Senatsbeschluss beschreiben muss, aber trotzdem ist es gut, dass es hier steht, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats angesichts der hohen persönlichen Verantwortung für ihre Arbeit ihre Kompetenz durch Fortbildung weiterentwickeln. In der kommenden Legislaturperiode, heißt es hier, gibt es dafür besondere Angebote.
Das ist gut, das ist übrigens kein Thema, das sich nur auf den Bereich der öffentlichen Gesellschaften beschränkt, sondern wenn man die Wirtschaftspresse
verfolgt, ist das ein Thema, das generell bundes-, europa- und weltweit diskutiert wird. In der Privatwirtschaft gibt es auch Probleme mit der Wahrnehmung der Rechte und Pflichten von Aufsichtsräten, also auch dort kann man Anleihen nehmen.
Zum Schluss ist noch Gegenstand dieses Beschlusses, dass das Vier-Augen-Prinzip eingeführt werden soll, auch das ist dringend notwendig. Das ist eines der Ergebnisse der Arbeit unseres Ausschusses. Ich denke, hier ist eine ganze Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht worden, andere werden noch folgen. Insgesamt können wir sagen, wir haben als Parlament gut daran getan, diesen Ausschuss einzusetzen, und ich sage noch einmal an unsere eigene Adresse, wir haben als SPD auch gut daran getan, uns diesem Anliegen, das ja damals von den Grünen ausging, nicht zu verschließen, sondern uns dieses Anliegen zu eigen zu machen und aktiv daran mitzuwirken, hier Aufklärung zu leisten. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als der Kollege Wedler eben von seinen Freunden in der FDP sprach, sind einige zusammengezuckt und haben gefragt: Welche sind denn das?
Wir lesen in der Presse immer nur, dass es da großen Streit gibt. Das war aber nur eine kleine Bemerkung am Rande! Ich denke, wenn wir hier über Verantwortlichkeiten sprechen, und damit beschäftigen wir uns ja, dann dürfen wir nicht ausblenden. Ich möchte Verantwortlichkeiten jetzt nicht kleinreden, das möchte ich voranstellen, damit hier nicht ein falscher Eindruck entsteht, aber wenn wir über Verantwortlichkeiten in diesem Bereich des Gesundheitswesens reden, dann müssen wir sehen, dass es leider nicht nur in Bremen – wir haben ja auch eigene Erfahrungen, die schon 15 Jahre zurückliegen –, sondern auch in anderen Bundesländern immer wieder Vorfälle gibt, Skandale im Gesundheitsbereich, wo es Korruptionsfälle gibt, wo es Bestechlichkeit gibt und so weiter, also Dinge, die wirklich nicht schön sind. Man muss eben sehen, dass im Gesundheitsbereich sehr viel Geld umgesetzt wird. Es sind zum Teil sehr undurchsichtige Strukturen, daraus kann man nur den Schluss ziehen, es ist ein Bereich, der anfällig ist, und wenn man das sieht, dann muss man umso genauer hinsehen und umso bessere Kontrollelemente finden und umsetzen, um Derartiges zu verhindern.
Es ist auch eine der Konsequenzen, die wir in unseren Berichten diskutieren, wenn wir über die Frage, Dieter Focke hat es eben angesprochen, des Versagens der Führung sprechen, er hat das eben sehr in den Vordergrund gestellt. Ich finde, auch das ist richtig! Wir haben zum einen ein Versagen der politischen Führung, da sind aber Konsequenzen gezogen worden. Es ist also nicht die jetzige politische Führung, sondern Staatsrat Arnold Knigge hat die politische Verantwortung getragen, er hat das auch öffentlich erklärt,
und da muss man auch anerkennen, dass hier jemand zu seiner Verantwortung steht. Das tun wir jedenfalls auch. Was aber nicht angeht, das will ich ganz deutlich sagen: dass man hier die Verantwortung der politi
schen Führung, die getragen wird, wo Konsequenzen gezogen werden, vermischt mit der Verantwortung nachgeordneter Mitarbeiter. Das kommt nicht hin. Ich denke, man muss da unterscheiden: Es gibt diejenigen an der Spitze, die die politische Verantwortung getragen haben, aber man kann nicht so tun, als ob dann sozusagen der Sachbearbeiter, der Zahlenkolonnen nachzuprüfen hat, auch eine politische Verantwortung zu tragen hat.
Dies sind Mitarbeiter, die abhängig sind von Anweisungen, von internen Strukturen, die sie wiederum nicht zu verantworten haben. Da bitte ich doch ganz genau hinzusehen und ein bisschen zurückhaltend zu sein! Ich kann mir auch vorstellen, dass in einem solchen Apparat gewissermaßen abgeschottete Bereiche vorhanden sind, wo man nur Teile von Informationen hat, aber nicht das große Ganze im Zusammenhang sehen kann. Von daher tun wir gut daran, den Blick in die oberen Etagen zu richten.
Was die Frage der Absprache zwischen den Geschäftsführen betrifft und die Frage, ob es auch eine Absprache zwischen dem Ressort oder der Ressortspitze und den Betriebsräten gab, da muss ich ganz deutlich sagen: Nach dem, was wir herausgefunden haben im Ausschuss, ist es offen geblieben, ob diese Passage, die hier zitiert worden ist in dem Brief des Herrn Hollnagel an die Senatorin, dass absprachegemäß keine interne Besetzung erfolgen sollte, bedeutet, es gehe um die Absprache zwischen den Geschäftsführen oder um eine Absprache zwischen der Senatorin und den Betriebsräten. Nach meiner Erinnerung hat der Verfasser des Schreibens selbst diesen Brief so interpretiert, dass es um die Absprache zwischen den Geschäftsführen ging. Aber das ist am Ende offen geblieben, da sind beide Interpretationen denkbar.
Dann meine ich auch allerdings: Es ist nicht verboten, dass Senatoren, welche auch immer, mit Betriebsräten sich über die Frage auseinandersetzen, welche Geschäftsführer denn eingestellt werden sollen. Natürlich ist es auch die Frage der Kommunikationsfähigkeit, der Kommunikation zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat, was ein Eignungskriterium jedenfalls sein kann. Ich finde, das ist nicht zu geißeln, sondern das ist ein Aspekt, mit dem sich ein Senator in einem solchen Einstellungsverfahren auseinanderzusetzen hat. Einen Geschäftsführer, von dem zum Beispiel von vornherein feststeht, dass er nicht in der Lage ist, mit Betriebsräten zu kommunizieren, würde ich niemals einstellen. Das ist für mich, aus meiner Sicht jedenfalls, eine Eignungsvoraussetzung.
Andererseits ist auch richtig, dass natürlich nicht nur ausschließlich darauf zu schauen ist, welche Vorstellungen die Betriebsräte haben. Sie sind zu beteiligen, ihre Argumente sind anzuhören, und man muss sich mit ihnen auseinandersetzen.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass nach unserem Eindruck die Verwaltung, das Gesundheitsressort, nicht richtig in der Lage war, mit diesen neuen Strukturen, die mit der Privatisierung der kommunalen Kliniken eingeführt worden sind, umzugehen. Hier ist also der traditionelle öffentliche Dienst auf das private Recht, auf das GmbH-Recht, gestoßen, und man kann sagen: Das passte so nicht zueinander. Es benötigt offenbar einige Zeit, bis die öffentliche Verwaltung in der Lage ist, diese Instrumente zu handhaben: eine völlig andere Buchhaltung, ein anderes Rechnungswesen, andere Strukturen, ein anderes Mitbestimmungsrecht als im öffentlichen Dienst, Aufsichtsräte, die es in den Behörden nicht gibt.
Es gibt Abgeordnete, die eine ganz andere Funktion haben, das muss man lernen. Nun gibt es Bereiche in der bremischen Verwaltung, die sich mit dem privaten Recht auskennen und damit umgehen können. Im Gesundheitsbereich war es so, dass das nicht funktionierte. Wir müssen ganz klar sagen: Die Privatisierung der Krankenhäuser, die mit zu diesem Ergebnis beigetragen hat, war politisch von den Regierungskoalitionen gewollt. Vielleicht ist man dabei etwas über das Ziel hinausgeschossen.
Wir sagen in unserem Bericht: Die Gesundheitsabteilung im Ressort muss gestärkt werden, damit auch politische Führung stattfinden kann. Die Gesellschaften müssen angeleitet und kontrolliert werden, das geht nur, wenn man sich mindestens auf Augenhöhe begegnet. Das heißt, das Fachwissen, das in den Geschäftsführungen der Krankenhäuser vorhanden ist, muss mindestens auch auf der Behördenseite vorhanden sein, damit man richtig miteinander sprechen kann. Anders kann es nicht funktionieren!
Da gibt es Nachsteuerungsbedarf, das sehen wir so. Wir haben auch vorgeschlagen, dass eine Revisionsabteilung auf der Ebene des Senatsressorts eingeführt wird, eine Instanz, die Hinweisen jedweder Art nachgehen muss, wenn irgendetwas nicht zu stimmen scheint. Das ist in der Vergangenheit nicht so organisiert gewesen. Auch hier kann man die Kontrollmöglichkeiten noch verbessern, das sollte dann, bitte sehr, auch geschehen.
Frau Linnert, dann wollte ich noch einmal auf die Frage der Stimmbindung zu sprechen kommen! Sie haben das ja eben noch einmal erwähnt. Das war ein Thema, das uns sehr beschäftigt hat. Ich denke, mit etwas Distanz auch zu der Beweisaufnahme betrachtet ist es ein schwieriger Spagat, den der Senat versucht mit dem, was Sie als Stimmbindungserklärung bezeichnen. Es ist ja in Wirklichkeit nur eine Verfahrensregelung. Ein Abgeordneter, der als Aufsichtsrat den Vorgaben des Senats nicht folgen möchte, soll das anzeigen, und im Zweifel hat er sein Aufsichtsratsmandat sogar zur Verfügung zu stellen. Eine Stimmbindung in dem Sinne, dass ein Abgeordneter ge
zwunden werden kann, mit rechtlichen Mitteln oder wie auch immer, in einer bestimmten Weise abzustimmen, gibt es nicht, aber er verliert dann das Aufsichtsratsmandat, dazu hat er sich verpflichtet.
Das ist ein Ergebnis des Widerspruchs zwischen der exekutiven Aufgabe, die der Senat wahrnimmt, und dem Mandat. Der Senat vertritt den Gesellschafter, die Bürger Bremens in den Gesellschaften, und die Aufsichtsräte sind Vertreter der Gesellschafter. Die exekutive Aufgabe auf der einen Seite und die Wahrnehmung des freien Mandats auf der anderen Seite hat man versucht, mit dieser Erklärung unter einen Hut zu bringen. Wir müssen sagen: Das ist nicht richtig gelungen! Jedenfalls haben alle Abgeordneten gesagt, dass sie sich in dieser Rolle unwohl fühlen.
Wir haben andererseits festgestellt: Es gibt Bereiche, die haben wir nicht untersucht, in denen die Abgeordneten als Aufsichtsräte mit ihrer Rolle zufrieden sind. Bei der BSAG hört man das, bei der Gewoba soll es so sein, aber im Krankenhausbereich war es nicht so. Also muss man schauen, ob man hier zu Veränderungen kommen kann. Wir haben nicht sagen können, es muss jetzt generell anders werden im bremischen Beteiligungswesen, aber für den Bereich der Krankenhäuser sagen wir, so wie es war, war es nicht in Ordnung.
Im Übrigen betrifft dieses Problem nicht nur die Abgeordneten, sondern auch die Senatoren. Wir sagen in dem Bericht, die fachfremden Senatoren, das sind in diesem Fall nicht der Gesundheitssenator und nicht der Finanzsenator, denn das sind die Fachsenatoren, die fachfremden, das waren der Wirtschaftssenator und der Bausenator. Sie haben auch keine eigenständige gestaltende Funktion als Aufsichtsräte wahrgenommen, sondern sie haben nur das nachvollzogen, was der Senat vorher beschlossen hatte.
Es ist zu überprüfen, ob das eigentlich notwendig ist, zumal, wie wir gesehen haben, es erhebliche terminliche Probleme gab. Nicht alle Senatoren konnten immer teilnehmen. Einer war dabei, der nur an der Hälfte der Aufsichtsratssitzungen teilgenommen hat, nicht, weil er keine Lust hatte, glauben wir, sondern weil es auch noch viele andere Aufgaben gibt, die er wahrzunehmen hat. In diesem Bereich muss man zu Veränderungen kommen.
Zum Schluss noch ein paar Sätze zur Frage der Struktur: Frau Linnert, in dem Bericht sagen wir, wir sind der Auffassung, dass überprüft werden muss, ob die gewählte, also die jetzige Struktur für die Erfüllung der Aufgaben, die dort vorhanden sind, geeignet ist. Dieser Satz ist aus meiner Sicht nicht beliebig interpretierbar, sondern es ist ganz eindeutig so, dass wir damit ausdrücken, die jetzige Struktur ist nicht geeignet, sonst brauchen wir sie nicht zu untersuchen.
Dann können wir sagen, prima, alles wunderbar, bestens. Da sage ich noch einmal: Ganz wichtig ist, dass wir uns vor Augen führen, welche Ziele wir haben. Wir wollen, dass die kommunalen Krankenhäuser erhalten bleiben, dass sie wirtschaftlich existieren können, und dazu sind bestimmte Maßnahmen notwendig.
Deshalb hatte bei der Gründung der Holding der Senat das Ziel zu erreichen, dass der Einkauf verbessert werden sollte. Es sollte ein zentraler Einkauf möglich gemacht werden, das ist nur teilweise gelungen, jedenfalls mit ganz erheblichen Schwierigkeiten verbunden gewesen.
Es sollte ein einheitliches Personalmanagement her. Wir reden über den sogenannten Personal-Binnenmarkt, das ist ja nur ein Hilfsmittel, weil es notwendig war, wenn man die Organschaft herstellen wollte, dass man dort diese Verknüpfungen herstellte. Das ist jedenfalls das Ziel: ein einheitliches Personalmanagement. Es muss eine einheitliche Fortbildung geben für die Mitarbeiter in den bremischen Kliniken. Es muss natürlich ein Leistungsaustausch zwischen den Kliniken, wie er ja tagtäglich läuft, stattfinden, ohne dass dort Mehrwertsteuer anfällt. Es muss ein einheitliches Buchhaltungs- und Rechnungswesen geben, das gibt es bis heute nicht, das ist doch unglaublich!
Es muss eine einheitliche Führung von Patientenakten geben, auch das scheint nicht der Fall zu sein. Es muss gehen in Richtung elektronische Patientenakte, alles Dinge, die dringend notwendig sind, die man unbedingt umsetzen muss. Da sagen wir, diese Ziele müssen erreicht werden, die Frage ist zu prüfen, in welcher Rechtsform das stattfindet.
Es müssen diese gesamten Ziele erreicht werden, an diesem Projekt müssen wir arbeiten. Ich glaube, Frau Linnert, auch wenn wir da in Nuancen unterschiedlicher Auffassung sind, dass wir mit unseren Empfehlungen dazu ganz entscheidende Anregungen gegeben haben. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit!
Vizepäsidentin Dr. Mathes: Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Focke.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu diesem Tagesordnungspunkt ist eine 5-Minuten-Debatte vereinbart worden, sodass er also nicht in allen Einzelheiten beleuchtet werden kann, was, finden wir, sehr schade ist.
Dieses Thema ist sehr wichtig. Wir haben ja nicht nur wegen Jan Ullrich das Thema auf der Tagesordnung, sondern es gibt immer wieder Berichte über
Dopingfälle im Sport, sei es in der Leichtathletik oder beim Fußball, es sind viele Bereiche betroffen.
Nun könnte man sagen: Was soll uns das angehen? Sollen doch die Sportler sich gesundheitlich schädigen, das ist doch deren Sache, und sollen sie doch machen, was sie wollen! Wir finden das nicht richtig. Die Sportler, gerade die Spitzensportler, haben für unsere Jugend eine ganz wichtige Vorbildfunktion, und deshalb wollen wir das, was dort passiert, so nicht hinnehmen. Wir haben den Eindruck, ganz oberflächlich betrachtet, dass doch die Sportgerichtsbarkeit nicht mit allen Erscheinungsformen des Dopings fertig wird, sondern dass es da auch einer Begleitung, so will ich es einmal sagen, durch das Strafrecht bedarf, auch wenn – das ergibt sich aus der Antwort des Senats, es ist uns auch bekannt – natürlich gewisse Verstöße ohnehin nach dem Arzneimittelgesetz strafbar sind.
Wir haben uns zu dieser Großen Anfrage entschieden, weil wir damit einen Beitrag leisten wollen zu der öffentlich laufenden Debatte, und fragen danach, welche gesundheitlichen Risiken mit Doping verbunden sind, ob effektive Aufklärungs- und Sanktionsmöglichkeiten bestehen, wie etwa vergleichbare Sachverhalte im europäischen Ausland strafrechtlich und sonst rechtlich geregelt sind. Wir wollen wissen, wie der Senat die laufende Debatte beurteilt und wie er insbesondere die Forderung der Sportverbände sieht, die Behandlung des Dopings weiterhin der Sportgerichtsbarkeit zu überlassen, und wir wollten gern wissen, welche Entwürfe, welche Tatbestände, welche Regelungen es dort geben soll und wie der Konflikt zwischen strafrechtlichen Regelungen und Sanktionen durch die Sportgerichtsbarkeit gesehen wird, und natürlich wollen wir wissen, wie unser Senat sich bei Beratung dieses Themas im Bundesrat verhalten hat und verhalten wird.
Die Antwort des Senats, das will ich vorweg sagen, ist weitestgehend für uns sehr zufriedenstellend. Der Sachverhalt ist dort wirklich ordentlich dargestellt. Also kann man sagen: Wer die Antwort des Senats gelesen hat, der ist schlauer als vorher. – Das ist ja schon einmal ganz wichtig. Es gibt aber auch einige kritische Anmerkungen.
Zunächst einmal zu den Risiken, die mit Doping verbunden sind! Das ist eine richtige Horrorliste, die der Senat dort zusammengestellt hat, das entspricht alles den Tatsachen. Medizinisch gesehen gibt es ganz erhebliche Risiken, die, so glauben wir, von vielen jungen Leuten, die in den Sportstudios oder woanders mit Anabolika, also mit Doping, zu tun haben, gar nicht erkannt werden: Herzinfarktrisiko, Bewusstseinstrübung, Atemlähmung, die bis zum Tode führen kann, und dann Lebertumore, bei Männern das Wachsen einer weiblichen Brust und andere schlimme Dinge,
bei Frauen die Vermännlichung mit Zurückbildung der weiblichen Brust, Vertiefung der Stimme, Bartwachstum, bei Jugendlichen wird von Wachstumshemmungen berichtet, Bluthochdruck, Reizbarkeit, Depressionen, Halluzinationen, also ganz viele Folgen, die mit Doping verbunden sein können!
Wir haben natürlich zum einen ein Interesse an der Gesundheit der Bevölkerung, das ist richtig, zum anderen wollen wir aber auch nicht zu sehr mit staatlichen Eingriffen reagieren. Dass aber der Senat hier sagt, Strafrecht ist die Ultima Ratio und deshalb eigentlich für diese Fälle nicht angebracht, finde ich nicht so ganz zutreffend, sondern gerade nach der Beschreibung dieser gravierenden gesundheitlichen Risiken, die bestehen, muss man sagen: Wenn wir erkennen, dass weder das Arzneimittelrecht noch die Sportgerichtsbarkeit ausreichen, um dieses Problem in den Griff zu bekommen, dann muss dringend über eine strafrechtliche Begleitung und Sanktion nachgedacht werden.
Richtig ist dann allerdings, wie der Senat dann selbst ausführt, dass die bestehenden Aufklärungs- und Sanktionsmöglichkeiten verbesserungsbedürftig sind, also der Senat sieht es durchaus teilweise so, dass es dort zu Veränderungen kommen muss, allerdings nicht in der Schärfe, in der wir es, zum Teil jedenfalls, formulieren.
Dem Sport ist es jedenfalls nach Auffassung des Senats nicht ausreichend gelungen, das Doping-Problem effektiv zu bekämpfen. Es wird nicht nur verwiesen auf die bekannt gewordenen Doping-Fälle, die wir in den Medien verfolgen können, sondern der Senat verweist darauf, dass es in Deutschland allein im Jahr 2006 etwa 400 Versuche von Trainingskontrollen gab, die nicht stattfinden konnten, weil die Betroffenen, also die dafür vorgesehen Sportler, sich dieser Kontrolle nicht gestellt haben. Das ist ja ein deutlicher Hinweis darauf, dass sie etwas zu verbergen hatten; vielleicht nicht alle, es gibt ja manch einen, bei dem funktioniert das nicht. Wir haben letztens über Oliver Kahn gelesen, da klappte es nicht mit der Abgabe der Probe, aber das wird nicht in allen Fällen die Erklärung sein, sondern wir können vermuten, dass in vielen Fällen auch die Sportler einer Probe entgehen wollen, weil sie ein schlechtes Gewissen haben.
Ermittlungsverfahren, die es im Moment auch gibt, werden geführt wegen des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz, bei den Staatsanwaltschaften sind spezielle Zuständigkeiten gebildet worden. Das läuft auf der fachlichen Ebene nach der jetzigen Gesetzeslage ordentlich, da gibt es keine Kritik. Wir wollen aber auch wissen: Wie würde es denn funktionieren, wenn wir das Gesetz ändern? Da sind also noch einige Fragen offen. Leider ist auch unsere Frage
nicht beantwortet worden, wie die Sachverhalte im europäischen Ausland geregelt sind.
Der Senat teilt uns mit – ich komme zum Schluss! –, dass er darüber keine Erkenntnisse hat. Dazu sage ich nur: Man hätte auch einmal beim Bundesinnenministerium nachfragen können, vielleicht weiß man dort etwas mehr, das ist zu vermuten. Wir meinen also zusammenfassend, dass es einer Regelung bedarf. Wir sind froh darüber, dass der Senat doch einige Anhaltspunkte dafür bietet: Strafverschärfung, Strafvorschriften, Festlegung von Grenzwerten et cetera, also an sich sind wir auf einem guten Weg. Ich kann Ihnen versprechen, wir werden dieses Thema weiter im Auge behalten. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin begeistert über das, was ich eben von Herrn Bartels gehört habe. Meine Kollegin Frau Wangenheim ist ebenfalls begeistert, sie freut sich, dass sie hier in ihrer letzten Sitzung im Landtag noch solche Worte, solche Versprechungen von der CDU hören kann. In der Vergangenheit war das nicht so, und wenn man das an der konkreten Politik misst, die bisher vertreten worden ist, Herr Bartels, dann kann ich also nur sagen: Wir sind gespannt, wie sich das weiterentwickelt.
Wir sind natürlich erfreut über die vielen Vorschläge, die wir aus Berlin von Frau von der Leyen hören, in denen es darum geht, im Kindergartenbereich zu Verbesserungen zu kommen. Leider fehlt es da an konkreten Zusagen, die sich auf die Finanzen beziehen. Man kann in Berlin wunderbar Vorschläge machen und sagen: Das sollen die Länder und die Kommunen bezahlen. Aber das hilft uns ja hier vor Ort überhaupt nicht weiter. Also, ich denke, da muss
man auf dem Teppich bleiben und sich wirklich an der Realität orientieren. So, finden wir, geht das nicht!
Um diese Themen geht es jetzt hier in dem Antrag aber nicht, sondern hier geht es unter der Überschrift „In Kinder investieren heißt in die Zukunft investieren“ um die Frage, welche Verbesserungen in der Erzieherinnenausbildung, insbesondere hier in Bremen, vollzogen werden können. Wir haben dieses Thema ausführlich in der Sozialdeputation debattiert und uns damit sehr eingehend beschäftigt. Es geht also um die Frage, wie frühkindliche Betreuung verbessert werden kann, das ist das Ziel. Der Weg dahin führt sicherlich über die Qualifikation der Erzieherinnen. Aber da sagen wir, da ist mit dem Antrag zu kurz gesprungen, besser gesagt, da ist daneben gesprungen.
Die Forderung der Grünen geht ja im Prinzip dahin, dies ist erläutert worden, mittelfristig die Ausbildung auf Hochschulniveau anzuheben, zu akademisieren. Daran ist richtig, dass die Ansprüche an den Beruf gestiegen sind. Wenn wir einerseits frühkindliche Bildung wollen, sprachliche Fähigkeiten wecken wollen, Kinder auf die Schule vorbereiten wollen, dann brauchen wir natürlich Personal, das über eine entsprechende Qualifikation verfügt. Aber nur eine akademische Ausbildung, da machen wir drei Fragezeichen, ob dies wirklich der einzig denkbare Weg ist.
Die Forderung, Herr Crueger, so finden wir, läuft Gefahr, die jetzt tätigen Erzieherinnen abzuqualifizieren. Da müssen wir, meinen wir, sehr aufpassen. Wir müssen diese Debatte doch etwas vorsichtiger führen. Die Erzieherinnen machen eine richtig gute Arbeit. Wer Betreuungseinrichtungen besucht, der sieht das und der spürt das, wie dort eine wirklich wunderbare Arbeit im Erziehungsbereich stattfindet.
Nun verweist uns die Antwort des Senats auf ein Konzept, das ist hier schon angesprochen worden, das eine dreijährige Ausbildung mit einer Praxisphase von je 10 Wochen im ersten und zweiten Jahr und einer Praxisphase von 20 Wochen im dritten Jahr vorsieht. Insgesamt bedeutet das eine Präsenz von 40 Wochen in den Kindertageseinrichtungen. Was nicht gesagt wird: Wir haben jetzt eine Ausbildung, die zwei Jahre Praxis hat und ein Anerkennungsjahr, das sich anschließt. Diese Ausbildung beinhaltet den praktischen Einsatz der Auszubildenden über 68 Wochen in den Kindertageseinrichtungen.
Wer also jetzt über eine Änderung dieses Ausbildungsgangs redet, der muss sich klarmachen, dass sich hier natürlich eine ganz erhebliche Differenz ergibt. 68 Wochen während der Ausbildungszeit jetzt, 40 Wochen sollen es künftig sein. Also, es sind pro Praktikantin, es sind ja im Wesentlichen Praktikantinnen, 28 Wochen weniger Einsatz in dieser Ausbildungszeit. Wer also die Ausbildung ändern will, muss sich klarmachen, dass es auch darum geht, den Einsatz dieser Praktikantinnen während der Ausbildungszeit durch andere Kräfte zu ersetzen.
Wir haben einmal versucht, zu ermitteln und hochzurechnen, was das eigentlich für die Betreuungskräfte in den Kindertageseinrichtungen bedeutet, und haben uns sagen lassen, dass in den Einrichtungen etwa 350 Praktikantinnen eingesetzt sind. Wenn man das umrechnet, 28 Wochenstunden pro Person, die künftig weniger an Einsatzmöglichkeiten vorhanden sind, dann ergibt das 100 Praktikantinnen, die vielleicht zu 50 Prozent bedarfsdeckend eingesetzt werden. Man brauchte also vielleicht 50 oder 60 Vollzeitkräfte zusätzlich, um den Ausfall zu kompensieren, der durch eine Änderung des Ausbildungsgangs entstehen wird. Da sagen wir: Das ist, was den Bedarf in den Kindertageseinrichtungen angeht, auch noch überhaupt nicht zu Ende gedacht, an dieses Thema müssen wir wieder heran. Wir sind so, wie es hier formuliert wird, nicht einverstanden.
Der Grund, der zu diesem Vorschlag geführt hat, ist übrigens ein ganz banaler. Auch das, Herr Bartels, sehen Sie mir nach, wenn ich das noch einmal erwähne an dieser Stelle: Dieses Konzept geht ja nicht ausschließlich auf pädagogische Erwägungen zurück, sondern Ausgangspunkt für diese Überlegungen, die in der Verwaltung angestellt werden, war ein Koalitionsbeschluss, der zum Ziel hatte, Einsparungen zu erzielen, nämlich bei der Ausbildungsvergütung dieser Erzieherinnen. Bisher erhalten sie alle während der Ausbildungszeit eine Vergütung, das soll sich nach dem neuen Konzept ändern. Das ist das eigentliche Ziel. Aber was man dort als Ausbildungsvergütung einspart, das wird mit Sicherheit, jedenfalls zu einem großen Teil, an anderer Stelle eingesetzt werden müssen, um Ersatz zu schaffen für die Betreuungsleistung, die diese Praktikantinnen in den Kindertageseinrichtungen erbringen.
Da sagen wir: Das ist nicht zu Ende gedacht, das muss überprüft werden, und wir erwarten dazu, dass zunächst die weiteren Beratungen der Kultusministerkonferenz abgewartet werden, um zu schauen, wie diese Ausbildungsgänge in den anderen Bundesländern reformiert werden. Dann können wir sehen, was wir davon auf Bremen übertragen können, und wir müssen das kompatibel machen mit den tatsächlichen Bedarfen in unseren Kindertageseinrichtungen.
Ist meine Zeit schon wieder herum?
Zu dem Antrag kann ich nur sagen, wir entnehmen der Antwort des Senats, dass es zahlreiche Weiterbildungsangebote gibt, wir entnehmen der Mitteilung des Senats auch, dass es Be
schlüsse der Kultusministerkonferenz gibt, die Bachelor-Studiengänge für Elementarpädagogen auszubauen.
Mit beiden Forderungen rennen die Grünen offene Türen ein. Deshalb schlagen wir vor: Wir nehmen die Antwort des Senats zur Kenntnis. Den Antrag der Grünen müssen wir aus den dargelegten Gründen leider ablehnen. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind gemeinsam mit unserem Koalitionspartner der Auffassung, dass regelmäßig kontrolliert werden sollte, ob gefährdete Kinder – das sind die Fälle, die den Behörden bekannt sind – bei den Eltern, den Pflegeeltern richtig untergebracht sind oder ob eine stationäre Unterbringung notwendig ist oder ob die Pflegefamilie im Einzelfall die bessere Lösung ist und ob sie zur Verfügung steht. Deshalb haben wir uns gemeinsam zu dieser Großen Anfrage entschlossen.
Die Initiative dazu ist von unserem Koalitionspartner ausgegangen. Wir haben diese um einige Gesichtspunkte ergänzt und haben danach gefragt: Wie viele solche Unterbringungsmaßnahmen gibt es eigentlich? Wie sind die Kinder untergebracht, in stationären Einrichtungen oder in Pflegefamilien? Wie viele Pflegefamilien gibt es überhaupt in Bremen? Welche Erfahrungen sind damit gemacht worden? Gibt es weitere Möglichkeiten für die Unterbringung in Pflegefamilien? Wie findet eine regelmäßige Beobachtung statt? Wie ist die Auslastung der stationären Einrichtungen in Bremen? Wie ist die Verweildauer in den Pflegefamilien, und wie ist die Verweildauer in den Einrichtungen?
Die Ergebnisse, die wir vorliegen haben, sind zum Teil erhellend, zum Teil liegen aber auch gewisse Fakten noch im Dunkeln. Das finden wir noch verbesserungswürdig, denn wenn wir eine richtig gute Politik in diesem Bereich machen wollen, und da sind wir uns ja einig, dann müssen wir natürlich wissen, wie die Verhältnisse in Wirklichkeit sind, wie die Dinge sich in den stationären Einrichtungen und auch in den Pflegefamilien entwickeln.
Obgleich die Zahlen nicht völlig statistisch ausreichend erhoben worden sind, gibt es doch einige Hinweise darauf, dass es signifikante Unterschiede gibt
bei der Praxis der Jugendbehörden in Bremen und Bremerhaven. Wir haben in Bremen auf einen Stichtag gerechnet insgesamt 1210 Maßnahmen, davon 503 Kinder in Heimen, 430 in der Vollzeitpflege. Das ergibt dann 943, der Rest verteilt sich auf andere Maßnahmen. In Bremerhaven sind es 508 Maßnahmen. Das ist ja schon auffällig, denn Bremerhaven stellt ein Fünftel der Bevölkerungszahl Bremens, und da muss man ja schauen: Wie geht das eigentlich auf? In Bremerhaven sind 63 Kinder in Heimen untergebracht und 252 in der Vollzeitpflege. Es gibt in der Praxis offenbar ganz erhebliche Unterschiede.
Da fragen wir uns: Wie kommt das zustande? Das ist hier nicht erläutert. Ich glaube, dass wir als Fachpolitiker die Aufgabe haben, das noch näher auszuleuchten und zu schauen: Was sind die fachlichen Gesichtspunkte, nach denen in diesen unseren beiden Städten so unterschiedlich verfahren wird? Wir können ja vielleicht auch als Bremer von den Bremerhavenern lernen.
Das wird die Bremerhavener freuen. Vielleicht ist es aber auch so, dass die Bremerhavener von uns noch etwas lernen können.
Man muss voneinander abgucken können. Ich finde, da muss man, jedenfalls schon innerhalb des Bundeslandes, doch bereit sein, sich auch das Bessere anzuschauen und es sich dann eventuell zu eigen zu machen.
Wir fragen uns allerdings auch – da möchte ich eine ganz vorsichtige Kritik an dem üben, was in der Vergangenheit geschehen ist –, warum diese Statistiken nicht zur Verfügung stehen! Wer hat eigentlich entschieden, oder wer ist nach dem Gesetz dafür zuständig zu entscheiden, wie die Statistiken geführt werden? Wie kommt das zustande – das ist ja hier nicht erläutert –, dass die Daten unterschiedlich erfasst werden? Das ist auf den ersten Blick schon ziemlich unsinnig. Das muss also geändert werden, damit überhaupt eine Möglichkeit geschaffen wird, die Praxis in den beiden Gemeinden miteinander zu vergleichen. Da gibt es noch Handlungsbedarf, jedenfalls auf diesem Feld.
Wir sehen dann, das entnehmen wir der Antwort des Senats, dass noch Plätze zur Verfügung stehen für Unterbringungsmaßnahmen: in Bremen-Stadt 60 und in Bremerhaven 15. Das ist gut. Das heißt also, es gibt noch Luft. Wenn Maßnahmen notwendig sind, darf das nicht daran scheitern, dass keine Plätze vorhanden sind.
Aus unserer Sicht ist wichtig und das müssen wir betonen, dass die Erfahrungen in Bremen und in Bremerhaven mit der Unterbringung in den Pflegefami
lien positiv sind. Das wird hier nicht weiter erläutert, aber das ist ohne Weiteres nachvollziehbar. Wir haben ja auch als Sozialdeputierte vielfältige Kontakte in diese Bereiche hinein. Das ist richtig gut. Wir dürfen nicht aus dem Blick verlieren, dass Pflegeeltern freiwillig ein hohes soziales Engagement haben. Das können wir nur unterstützen.
Wir müssen als Politik dafür sorgen, dass Pflegeeltern bei dieser schwierigen Arbeit vernünftig, seriös und dauerhaft begleitet werden, überprüft, aber auch begleitet werden. Das ist mindestens genauso wichtig. In diesem Zusammenhang kann ich hervorheben: Wir haben ganz viele positive Rückmeldungen über eine Einrichtung, die in Bremen geschaffen worden ist: PiB, Pflegekinder in Bremen, dort wird eine sehr gute Arbeit gemacht.
Also, wir sehen, es sind Reserven vorhanden, und deshalb müssen keine Maßnahmen unterbleiben, die notwendig sind. Es ist noch keine einzige Maßnahme deshalb abgelehnt worden, weil keine Plätze vorhanden sind. Das ist eine ganz wichtige Erkenntnis.
War das eine Glocke?
Ganz dezent war das die Glocke. Also, wir haben noch Handlungsbedarf, was die statistische Erfassung angeht, was das Abarbeiten der Praxis angeht, und wir sollten uns darüber einig sein, dass wir gut daran tun, alles zu unternehmen, um weitere Familien zu bewegen, Pflegekinder aufzunehmen, weil es mit Sicherheit besser ist, wenn Kinder aus gefährdeten Familien eine intakte Familie vorfinden, eine Pflegefamilie, in der sie behütet aufwachsen können und für die Zukunft gerüstet sind. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde, auch dieses Thema eignet sich, Herr Crueger, genauso wenig wie das vorangegangene übrigens, nicht als Wahlkampfthema, sondern wir müssen über die Sache reden. Ich will das auch versuchen.
Wir haben über dieses Thema hier bereits diskutiert und den Senat gebeten, einen Bericht über die konzeptionellen Überlegungen vorzulegen. Das hat er gemacht. Der Bericht macht deutlich, wie schwierig ist es, hier eine politische Konzeption auf den Weg zu bringen, die all das erfasst, was notwendig ist, um etwas dafür zu tun, Jugendliche vor Verschuldung zu schützen. Es geht nicht darum, dass wir neue Instrumente entwickeln, um Minderjährige zu bevormunden, also ihnen noch mehr Vorschriften zu machen, als ihnen ohnehin schon gemacht werden, sondern es muss darum gehen, und so ist auch der Bericht des Senats zu verstehen, dass Kinder und Jugendliche fit gemacht werden müssen für die Realität.
Nun ist demjenigen, der sich in unserem Rechtsund Wirtschaftssystem auskennt, bekannt, dass nur derjenige eine Chance hat, sich zu behaupten, der seine Rechte und seine Pflichten kennt. Zu Recht weist der Senat auf die Regelung der sogenannten Taschengeldsparagrafen in den Paragrafen 106 bis 110 BGB hin. Danach besteht hier ein gewisser Schutz von Jugendlichen, sich zu verschulden, aber das Rechtliche ist das eine, das Tatsächliche ist dann doch in der Praxis das andere. Kinder sind, wie wir alle wissen, wie Erwachsene, wenn sie etwas sehen, was sie gern haben möchten, das kennen wir ja von uns selbst auch, dann finden sie Wege und Mittel, das in der Familie zu diskutieren und in vielen Fällen auch durchzusetzen. Wer Kinder hat, wer diese Diskussion in der Familie kennt, der weiß, worüber wir hier reden.
Dabei ist es so, dass auch bei der Erfüllung dieser Wünsche natürlich eine Rolle spielt, was wir als Erwachsene kennen. Die vielen Möglichkeiten, die es heute gibt, sich zu verschulden, die bargeldlose Zahlung, Abbuchung, Daueraufträge, Kreditkarten, vieles davon verstellt in den Familien den Blick für die wirklichen finanziellen Möglichkeiten, und da geht es Kindern und Jugendlichen nicht anders als den Erwachsenen. Deshalb ist es gut, wenn der Senat hier schildert und zu dem Ergebnis kommt, dass die vielen vorhandenen Beratungseinrichtungen, die es in Bremen und Bremerhaven und in anderen Großstäd
ten gibt, zum Teil doch sehr unabhängig voneinander arbeiten, wie der Senat das relativ freundlich formuliert hat. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass eine Gesamtkonzeption hilfreich sein kann, um effektivere Angebote zu machen, Kompetenzen zu bündeln.
Wir wollen nicht hoffen, dass es hier etwas mit Verschuldungsproblemen zu tun hat, dass das Licht hier im Plenarsaal ausgegangen ist.
Der Senat geht davon aus, dass ein präventiver Ansatz notwendig ist, das sehen wir auch so. Wir sehen es auch so, dass ressortübergreifend gearbeitet werden muss. Es sind sowohl Schulen als auch Jugendeinrichtungen, die Einrichtung der Familienhilfe, die Schuldnerberatung, der Verbraucherschutz und alle möglichen Einrichtungen zuständig und anzusprechen. Wir werden schauen, wie die Zielgruppen im Alter von 10 bis 16 Jahren erreicht werden können mit den Stichworten, die der Senat zutreffendenweise benannt hat: Konsumentenkompetenz zu stärken, Medienkompetenz zu stärken, Finanzkompetenz zu stärken und Werte zu vermitteln.
Ich möchte noch eine Ergänzung vornehmen zu dem, was der Senat uns mitgeteilt hat. Ich finde, dass es vor allem wichtig ist für Kinder und für Jugendliche, dass grundlegende Kenntnisse unserer Wirtschafts- und Rechtsordnung vermittelt werden. Kinder und Jugendliche müssen wissen, wie Verträge abgeschlossen werden können, damit sie nicht auf die falsche Fährte gelockt werden, damit sie nicht übertölpelt werden. Sie müssen wissen, dass man Verträge mündlich oder schriftlich abschließen kann, es gibt das Internet, es gibt Ratenverträge.
Wir selbst haben es auch erlebt, dass unsere Kinder, 14 und 15 Jahre alt, aus der Stadt nach Hause gekommen sind und einen Vertrag unterschrieben haben, ein Zeitschriftenabonnement, wobei ihnen angeblich gesagt wurde: Das ist nur zur Probe, dafür müsst ihr nichts bezahlen, das kommt kostenlos ins Haus. Wir haben das widerrufen können, aber ich weiß, und deshalb, denke ich, ist es wichtig, dass auch solche praktischen Erfahrungen in die Politik mit einfließen, dass andere Eltern dann die Rechnungen, die ins Haus kamen, bezahlt und den Betrag den Kindern vom Taschengeld abgezogen haben. Die Kinder waren da Betrügern, Drückerkolonnen aufgesessen. Davor kann man sich schützen, wenn man weiß, wie man mit solchen Dingen umgehen muss.
Es ist aber, das möchte ich noch abschließend sagen, natürlich nicht nur Aufgabe des Staates, also der Schulen und der Jugendeinrichtungen und der anderen Institutionen, die ich genannt habe, sondern vor allen Dingen auch die Aufgabe der Eltern, ihre
Kinder fit zu machen für die Teilnahme am Wirtschaftsleben, am Rechtssystem. Deshalb müssen wir auch unseren Eltern immer wieder klarmachen, wie wichtig ist es, zu Hause über diese Dinge zu sprechen, den Kindern diese Dinge zu vermitteln, ihnen die Werte zu vermitteln und vor allen Dingen zu versuchen, einen ordentlichen Umgang in den finanziellen Dingen zu lernen. Das kann man pädagogisch gar nicht überbetonen, und ich finde, dass wir an diesem Thema alle weiterarbeiten sollten.
Herr Crueger, wie ich eben gesagt habe, das ist kein Wahlkampfthema, über das wir reden, sondern ein ganz ernst zu nehmendes alltägliches Problem in unseren Familien. – Schönen Dank! Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben eben zu dem vorherigen Tagesordnungspunkt gehört, wie sich Herr Tittmann für die DVU zu dem Umgang mit älteren und gebrechlichen Menschen äußert. Mich macht das ein bisschen betroffen, die Art und Weise, in der er hier versucht, Stimmung zu machen.
Es passt auch zu diesem Tagesordnungspunkt, das hier anzusprechen, denn man muss wissen, dass die Partei, die er vertritt, offen mit der NPD paktiert – das ist gerade wieder in der Presse zu lesen –, dass es Absprachen gibt, wie man sich in Wahlkämpfen aufstellt, wie man Listen aufstellt, wie man sich gegenseitig unterstützt, und die NPD, das sind genau diejenigen, die die Verbrechen der Nazis leugnen und verharmlosen, unter anderem auch, soweit es um die Euthanasie, also um den Umgang mit behinderten Menschen geht.
Ich finde, das darf man hier so nicht stehen lassen. Kein Wort des Bedauerns, kein Wort der Distanzierung zu diesen schrecklichen Vorgängen! Ich finde, dazu musste hier etwas gesagt werden.
Wir sprechen hier über das Thema „Hilfen für die Angehörigen Demenzkranker“. Dazu kann ich Ihnen berichten, dass wir als SPD-Fraktion – wir hören uns ja in der Stadt um, wir versuchen, uns zu informieren, wir bekommen Informationen – vor einigen Monaten DIKS besucht haben. Das ist die Demenzinformations- und Koordinationsstelle, die es in Bremen gibt, sie ist bei der AWO angesiedelt. Wir haben dort interessante Dinge erfahren über den Umgang mit Demenz, mit Altersdemenz, und wir haben erkannt, dieses Thema hat für uns in Bremen und in Deutschland eine enorme Bedeutung.
Nach den Informationen des zuständigen Ministeriums gibt es allein in Deutschland etwa über eine Million Menschen, die an Demenz erkrankt sind. Das zuständige Ministerium spricht davon, dass in der
Altersgruppe ab 65 Jahren der Anteil leichter Demenzen bei 5 Prozent und bei den mittelschweren bis schweren Demenzen bei über 7 Prozent der Bevölkerung liegt. Das heißt, wenn man es auf Bremen umrechnet, dass es in Bremen 5000 Fälle sogenannter leichter Demenzen gibt und etwa 7000 Fälle sogenannter mittelschwerer bis schwerer Demenzen. Das bedeutet, dass insgesamt 12 000 Menschen im Lande Bremen von dieser Erkrankung betroffen sind.
Davon werden viele in stationären Einrichtungen gepflegt, aber, man höre und staune, immerhin zwei Drittel, das wären 8000 betroffene Menschen, werden zu Hause gepflegt. Man kann sich vorstellen, dass das für die Angehörigen, für das pflegende Personal natürlich eine enorme Belastung bedeutet. Demenz heißt Vergesslichkeit, unfähig, den Alltag zu bewältigen, rund um die Uhr betreut werden müssen, und dies ist natürlich gerade für die Angehörigen mit allerschwersten physischen und auch psychischen Belastungen verbunden.
Diese Menschen benötigen unsere Hilfe, unsere Unterstützung, und wir sind sehr froh darüber, dass es in Bremen diese Informations- und Koordinationsstelle gibt. DIKS hilft hier als Projekt mit dem Ziel, die vorhandenen Angebote, davon gibt es eine ganze Menge, zu bündeln und zu vernetzen und den Angehörigen Zugang zu diesen Angeboten zu verschaffen. DIKS funktioniert in Bremen als eine telefonische Anlaufstelle und als eine Vermittlungsstelle für die Einrichtungen und Dienste in Bremen.
In Bremen sind insgesamt 5 Angehörigengruppen gebildet worden, die bei den Dienstleistungszentren ansässig sind, in Vegesack, Gröpelingen, Schwachhausen, im Buntentor und in der Vahr. Angehörige finden hier Anleitung und Begleitung einer pädagogischen Fachkraft, es werden in den Stadtteilen zwischen 6 und 18 Angehörige in diesen Gruppen betreut, und wir unterstützen dieses Projekt nachhaltig.
Nun fragt man sich natürlich, wie denn so etwas finanziert wird. Wir sind ja eine arme Stadtgemeinde und haben wenig Geld, auch in diesen Bereichen finanzielle Unterstützung zu leisten. Von daher ist es gut, dass es im SGB eine Regelung gibt, wonach die Pflegekassen Modellprojekte unterstützen können, die dann zu 50 Prozent von den Pflegekassen finanziert werden, zu den anderen 50 Prozent von den Gemeinden. Diese Möglichkeit wird in Bremen genutzt.
Wir können froh darüber sein, dass es diese bundesgesetzliche Regelung gibt, dass die Pflegekassen hier in einem Modellversuch mitziehen und auch die Stadtgemeinde die entsprechenden Komplementärmittel zur Verfügung gestellt hat. Das Projekt, das hier in Bremen läuft, ist allerdings, so sehen es die gesetzlichen Vorgaben vor, bis zum Oktober 2008 befris
tet. Dann müsste es auslaufen, dann darf die Pflegekasse eine Weiterfinanzierung nicht beschließen, und das würde natürlich angesichts unserer engen finanziellen Voraussetzungen in der Stadtgemeinde Bremen bedeuten, dass dieses Projekt jedenfalls gefährdet ist, oder man müsste die Mittel, die jetzt von den Pflegekassen zur Verfügung gestellt werden, dann aus dem Stadthaushalt finanzieren.
Da sehe ich Probleme, deshalb wollen wir dafür sorgen, dass sich das Land hier rechtzeitig auf den Weg macht, eine Entfristung auf den Weg zu bringen, also die Möglichkeit zu verstetigen, dass die Pflegekassen solche Projekte unterstützen, denn es ist zwar eine Auswertung vorgesehen, die noch nicht vorliegt, aber es gibt Zwischenberichte, und nach denen arbeitet die Einrichtung in Bremen ausgesprochen erfolgreich.
Wir möchten politisch hier den Willen bekunden, dass der Senat gebeten werden soll, sich für eine Fortsetzung dieser sinnvollen Arbeit auf Bundesebene einzusetzen. Wir sind froh darüber, dass unser Koalitionspartner dieses Projekt unterstützt, und wir hoffen auch darauf, dass die Grünen es unterstützen werden. Dies ist kein Thema, über das man im Wahlkampf streiten kann, es ist ein vernünftiges Projekt, das eine möglichst einstimmige Unterstützung dieses Hauses braucht. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir waren etwas beunruhigt über Pressemeldungen, die darauf hindeuteten, dass es auf Bundesebene Pläne gäbe, das Prozesskostenhilferecht ganz entscheidend zu beschneiden, und haben gemeinsam mit unserem Koalitionspartner diese Große Anfrage auf den Weg gebracht, um uns auch Informationen zu verschaffen und herauszubekommen, wie denn eigentlich der Senat dieses Projekt, das von erheblicher rechts- und sozialpolitischer Bedeutung ist, beurteilt. Wir müssen sagen, wir sind froh, dass wir diese Anfrage gestellt haben, weil wir doch eine gewisse Aufklärung über die Hintergründe, über die Entwicklung in diesem Bereich bekommen, und das kann uns nur von Nutzen sein.
Ich möchte darauf hinweisen, dass die Regelungen der Prozesskosten im Zusammenhang unseres gesamten Rechtsschutzsystems gesehen werden müssen. Der Staat sanktioniert Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, er regelt aber auch alle anderen Bereiche des Zusammenlebens. Das, was im Wilden Westen oder im Wilden Osten mit der Faust oder mit dem Revolver gelöst wird, das gibt es bei uns nicht, sondern wir haben Gerichte, die Streitigkeiten entscheiden. Wir müssen sehen, dass das System insgesamt funktionsfähig bleibt, damit es auch gesellschaftliche Akzeptanz hat.
Wer sich um Verträge, Schadensersatz, Bauprozesse, Unterhaltsfragen und vieles andere streitet, der muss sich an die Gerichte wenden, um zu seinem Recht zu kommen. Aber das ist nicht so ohne Weiteres möglich, sondern wer zum Gericht geht, kann das zum Teil ohne Anwalt machen, aber es gibt viele Verfahren, in denen man einen Anwalt beauftragen muss
oder jedenfalls beauftragen sollte, um keinen Schiffbruch zu erleiden.
Das wiederum geht meistens nur dann, wenn man einen entsprechenden Kostenvorschuss beim Anwalt zahlt, oder wenn man direkt zum Gericht geht, muss man dort einen Gerichtskostenvorschuss einzahlen. Ohne Geld passiert da nicht viel, Geld ist nicht alles, aber ohne Geld geht da gar nichts, das heißt Gerichtskostenvorschuss, Vorschuss für Zeugengebühren, Vorschuss für Sachverständigenkosten! Wer baut und mit Baumängeln zu kämpfen hat, muss unter Umständen damit rechnen, dass er erst einmal mehrere 1000 Euro vorstrecken muss, bevor ein Gerichtstermin stattfinden kann, bei dem er dann vielleicht am Ende des Verfahrens recht bekommt oder auch nicht. Das hängt dann auch vom Sachverhalt ab. Aber es ist eben Vorraussetzung, dass ein Vorschuss gezahlt wird.
Das betrifft übrigens auch den von uns häufig diskutierten Bereich des Opferschutzes. Wer im Adhäsionsverfahren in einem Strafprozess als Geschädigter einen Anspruch geltend machen will und dazu einen Anwalt beauftragt, muss auch dort einen Vorschuss bezahlen. Auch da, wie gesagt, geht das nur, wenn die entsprechenden Mittel zur Verfügung stehen.
Früher gab es dafür das sogenannte Armenrecht. Wem Armut von seiner Gemeinde bescheinigt wurde, der konnte den Prozess unter bestimmten Voraussetzungen ohne Vorschuss führen. Das war aber ein sehr eingeschränktes Recht. Wir waren als SPD, und die CDU hat es auch mitgetragen, auch die FDP, die Grünen waren damals noch nicht in der Bundespolitik tätig, sehr froh, als die Regelungen zu den Prozesskosten vor nun über 25 Jahren in die Zivilprozessordnung aufgenommen wurden.
Das Gericht prüft jetzt die Erfolgsaussicht einer Klage oder der Verteidigung gegen eine Klage und prüft, ob die Einkommensverhältnisse die Prozesskostenhilfe notwendig machen. Das heißt, dass ein Prozess gestaffelt nach der Einkommenssituation ohne Vorschuss geführt werden kann oder dass sonst gewisse geringe Raten gezahlt werden müssen. Im Übrigen wickelt sich das finanzielle Verhältnis zum Anwalt dann über die Staatskasse ab. Dieses System hat sich in der Praxis sehr bewährt. Wir haben da ein sehr ausgefeiltes System des Rechtsschutzes und sind nach dem europäischen Maßstab auch gut aufgestellt. Andere Länder geben übrigens noch mehr Geld für diesen Bereich aus, aber wir stehen gut da.
Nun gab es, wie gesagt, Bestrebungen, die Prozesskostenhilfe einschneidend zu beschränken, und zwar wegen der steigenden Kosten, aber nicht, weil man das grundsätzlich nicht will, sondern weil die Landeshaushalte extrem belastet sind. Die Ausgaben sind in den Jahren von 1999 bis 2006 von 3,7 Millionen auf 4,5 Millionen Euro gestiegen. 800 000 Euro mehr sind wirklich nicht wenig. Das ist natürlich für einen ohnehin gebeutelten Justizhaushalt eine Menge Geld.
Deshalb kann man schauen, wie man dort einen weiteren Anstieg begrenzen kann.
Die stärkste Steigerung hat es übrigens beim Arbeitsgericht, beim Landesarbeitsgericht gegeben. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist die Steigerung aus ganz naheliegenden Gründen am stärksten bei den Familiengerichten. In Bremen, das kann ich Ihnen berichten, gibt es ganz wenige Scheidungen, die die Beteiligten aus eigener Tasche bezahlen können, sondern in den meisten Fällen wird ein Verfahren beim Familiengericht nur dadurch möglich, dass es die Prozesskostenhilferegelungen gibt.
Was kann man da ändern? Würde man die Prozesskostenhilfe abschaffen, würde man viele Bürger rechtlos stellen. Das wollen wir natürlich überhaupt nicht, das kommt überhaupt nicht infrage!
Im Übrigen ist es aber so, dass wir, wenn man unsere Entwicklung mit den Entwicklungen in den anderen Bundesländern vergleicht, gar nicht so schlecht dastehen. In Bremen beträgt die Steigerung der Ausgaben von 2003 bis 2005 etwa 13 Prozent, in Hamburg liegt sie bei 9 Prozent, aber in Hessen bei erstaunlichen 38 Prozent. Da gibt es noch Auffälligkeiten, die ich auch anhand der Antwort des Senats nicht durchschauen konnte, aber das mögen regionale Besonderheiten sein. Vielleicht liegt es auch daran, wie die Statistiken in den verschiedenen Bundesländern geführt werden. Das finde ich doch etwas rätselhaft.
Fest steht jedenfalls, dass die jüngsten Steigerungen auf eine Änderung im Gebührenrecht der Rechtsanwälte zurückgehen. Das ist so, das ist auch mit den Anwaltsverbänden auf Bundesebene vereinbart worden, das kann man nicht zurückdrehen. Der Senat kommt zu dem Ergebnis, dass eine maßvolle Überprüfung dieser Regelungen angebracht ist.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident!
Wir sagen, wie auch der Senat, es ist in Ordnung, wenn für bestimmte Fälle eine Bearbeitungsgebühr eingeführt wird. Das ist vertretbar. Wir haben aber erhebliche Bedenken, wenn generell das aus dem Rechtsstreit Erlangte für die Prozessführung eingesetzt werden soll. Das passt zum Beispiel dann nicht, wenn ein Schmerzensgeld ausgeurteilt wird, weil das andere Dinge ausgleichen soll. Wir sind aber sehr einverstanden, dass der Senat in der Gesamtbewertung zu dem Ergebnis kommt, dass das Prozesskostenhilferecht eine sozialstaatliche Errungenschaft ist, die wir nicht aufgeben wollen. In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Schmidtmann, Sie haben es ja heute Morgen schon gesagt: Sie sind jetzt im Wahlkampf angekommen. Das haben wir auch bei dem vorherigen Tagesordnungspunkt gemerkt.
Herr Dr. Güldner, das ist überhaupt kein Vorwurf! Ich finde dies merkwürdig, wie das hier diskutiert wird. Wahlkampf in einer parlamentarischen Demokratie ist nichts Schlimmes, das ist eher eine Selbstverständlichkeit. Natürlich ist es notwendig, dass wir uns über Konzepte auseinandersetzen und streiten, damit der Wähler auch merkt, wo die Unterschiede zwischen den Parteien und den Kandidatinnen und den Kandidaten liegen. Ich kritisiere das nicht. Ich stelle es an dieser Stelle nur fest. Ich finde aber, auch in dieser Debatte muss man Wahrheiten sagen, und man muss auch Wahrheiten vertragen können.
Herr Schmidtmann, es gibt in der Sache, ich sage das vorab, viele Gemeinsamkeiten zwischen uns. Wir sehen die Dinge in der Sache ähnlich, aber es gibt zwischen den Grünen und der SPD in dieser Frage einen ganz entscheidenden Unterschied. Wir leug
nen die Vergangenheit nicht, und wir leugnen auch nicht die Verantwortlichkeiten. Wir haben nicht vergessen, was wir vor einigen Jahren in Berlin im Bundestag beschlossen haben, was unsere Partei mitgetragen hat. Das ist bei Ihnen offenbar ganz anders.
Ich war nicht im Bundestag, ich war hier in Bremen, ich habe es aber in der Presse verfolgt wie die Öffentlichkeit auch. Es gab monatelange Auseinandersetzungen und Streitigkeiten um die Einzelheiten der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe unter der Überschrift Hartz IV. Haben Sie eigentlich nicht mitbekommen, dass die Grünen sich daran ordentlich beteiligt haben, dass die Grünen im Bundestag zugestimmt haben? Ich verstehe nicht, weshalb in Ihrem Antrag nicht mit einem Wort auf diese Geschichte eingegangen wird. Ich finde das nicht in Ordnung, dass es weder schriftlich noch in dem, was Sie hier vortragen, zur Geltung kommt, dass auch die Grünen dieses Projekt mitgetragen haben. Ich komme darauf später noch zurück.
Ich finde aber, um zur Sache zur kommen, wir haben in der Tat ein großes Problem besonders hier im Land Bremen, weil wir an der Spitze liegen, was den Anteil der Arbeitslosigkeit und auch was den Anteil der Bezieherinnen und Bezieher von ALG II angeht. Aus unserer Sicht ist dabei vor allem dramatisch, dass es 42 000 Bedarfsgemeinschaften allein in der Stadt Bremen gibt. Davon sind besonders viele Kinder betroffen. Es ist ein enormer sozialer Sprengsatz, den wir natürlich sehen, zumal es nach allen Berichten, die wir bekommen, auch zunehmend Anzeichen dafür gibt, dass Armut vererbt wird. Wer als Kind armer Eltern auf die Welt kommt, hat eine große Chance, auch später als Erwachsener auf den Bezug von staatlichen Transferleistungen angewiesen zu sein. Das ist nichts Gutes, das ist eine ganz schlimme Entwicklung. Das können und wollen wir nicht hinnehmen. Da geht es nicht um eine Neiddebatte, die wir hier anfangen wollen, wie uns von unserem Koalitionspartner vorgeworfen wird, sondern es geht darum, dass wir dafür streiten, dass ein sozialstaatlicher Anspruch, den unsere Verfassung formuliert, auch in praktische Politik umgesetzt wird. Chancengleichheit und Teilhabe haben nichts mit Neid zu tun, sondern mit der Forderung nach Gerechtigkeit.
Ich frage Sie an dieser Stelle: Was können eigentlich Kinder dafür, wenn die Eltern langfristig arbeitslos sind? Welche Verantwortung trägt ein siebenjähriger Junge dafür, dass seine Mutter oder sein Vater den Arbeitsplatz verliert? Diese Frage müssen wir doch stellen! Wir müssen auch überlegen, was wir tun können, um im Einzelfall behilflich zu sein. Wir sind Realisten, das sage ich auch ganz deutlich, wir sind nicht in der Lage, mit staatlichen Transferleistungen die Folgen von Arbeitslosigkeit komplett zu beseiti
gen. Das behauptet wahrscheinlich auch niemand hier, aber wir können die Folgen abmildern, und deshalb müssen wir unsere Rolle als Land und als Kommune nutzen, um zu Verbesserungen zu kommen, wo immer es geht.
Um noch einmal auf die Geschichte von Hartz IV einzugehen: Es ist ja so, ich kann mich gut daran erinnern, dass bei uns in der SPD auch viele kritische Stimmen waren, die davor gewarnt haben, dass die Pauschalierung von Leistungen zu ungerechten Ergebnissen führen wird, aber wir müssen doch sagen: Am Ende hat die SPD dieses Projekt mitgetragen, die Grünen haben es mitgetragen und CDU/CSU hat es auch über die Vereinbarungen, die dann im Bundesrat getroffen worden sind, politisch mitgetragen. Wer diese Urheberschaften verschweigt, finde ich, versucht, die Öffentlichkeit in die Irre zu führen. Das ist bitter, vor allen Dingen ist es für die Betroffenen bitter, dass auf ihrem Rücken eine solche politische Auseinandersetzung ausgetragen werden soll.
Die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe ist nach wie vor als vernünftig zu betrachten. Es ist auch rückblickend richtig, dass der Bund hier finanzpolitisch in die Pflicht genommen worden ist, soweit es um die Grundsicherung geht, das ist nicht mehr Sache der Kommunen. Wir sagen auch: Es muss nachgebessert werden! Die Bedarfssätze reichen aus unserer Sicht nicht aus. Wir wissen, wie es sich in der Praxis auswirkt. Es ist kein Inflationsausgleich vorgesehen, es ist eine Anpassung an die Rentenentwicklung vorgesehen. Das passt aber als Bezugsgröße eigentlich nicht, weil Renten nicht nur das Existenzminimum sichern, sondern weil Renten ein Ergebnis von Arbeitseinkommen sind.
Es mag sein, dass bei kurzfristiger Bezugsdauer die Bedarfssätze ausreichen, bei langfristigem Bezug geht das jedenfalls nicht. Besonders ärgerlich ist, dass wegen der Pauschalierung – das war politisch so gewollt, das müssen wir heute so erkennen, das muss nachgebessert werden – es in vielen Fällen so ist, dass im Einzelfall gerechte Lösungen nicht gefunden werden können. Das betrifft insbesondere die Kinder. Dort, wo früher ein Sonderbedarf anerkannt werden konnte bei der Sozialhilfe, gibt es heute nichts nebenher, sondern es ist alles mit einer Pauschale abgegolten. Das heißt, auch die warme Kleidung im Winter, das Fahrrad, das zu klein geworden ist, kann heutzutage nicht mehr als besonderer Bedarf anerkannt werden, sondern das ist in den Pauschalen mit enthalten. Besonderen Lebenslagen kann hier keine Rechnung getragen werden.
Das sehen auch die Sozialverbände übereinstimmend: Sie haben eine Resolution verfasst, dass eine Erhöhung der Bedarfssätze um 20 Prozent notwendig sei. Die Entscheidung darüber treffen nicht die Kommunen, um es deutlich zu sagen, sondern diese Entscheidung muss der Bund treffen, er ist für diese Gesetzgebung zuständig. Wir können da als Bremer keinen Alleingang machen. Wir sagen aber als So
zialdemokraten, wir wollen eine Überprüfung dieser Sätze mit dem Ziel einer Erhöhung.
Das ist etwas, was auf Bundesebene verhandelt werden muss, wo wir mit den anderen Ländern zusammen an diesem Thema arbeiten müssen.
Darüber hinaus stellen wir uns aber natürlich die Frage, und wir beantworten sie auch: Was können wir eigentlich in Bremen und Bremerhaven machen? Da sagen wir: Es gibt Möglichkeiten mit kreativen Lösungen, die nicht immer viel Geld kosten müssen. Da muss ich in Richtung unseres Koalitionspartners sagen, der ja sagt, wir fordern immer nur Geld, das bringt doch da gar nichts! Das meinen wir nicht, sondern wir wollen kreative Lösungen, wir wollen kommunale Einrichtungen nutzen und so organisieren, dass Leistungen auch bei den Kindern ankommen.
Ich frage Sie, auch die Kollegen von der CDU: Wissen Sie eigentlich, wie viele Kinder in der Lage sind, unsere Hallenbäder zu nutzen, wenn in die Bedarfssätze ein Betrag von knapp 2,70 Euro für Freizeit monatlich eingestellt ist
und eine Eintrittskarte 2,30 Euro beziehungsweise 2,50 Euro kostet? Wie soll das eigentlich funktionieren? Das geht doch nicht! Also, sagen wir, müssen wir schauen: Was kostet es eigentlich zusätzlich für die Gesellschaft für öffentliche Bäder, wenn Kinder, die heute diese Bäder nicht benutzen, weil sie das Geld nicht haben, diese Bäder benutzen dürfen mit geringem oder mit gar keinem Eintritt? Ich finde, darüber muss man reden, man muss darüber reden, wie man das organisieren kann. Es soll nicht die Einnahmen der Gesellschaft für öffentliche Bäder schmälern, sondern es soll so organisiert werden, dass diese Leistungen auch bei den Kindern tatsächlich ankommen.
Das Gleiche betrifft Museen, andere Kultureinrichtungen, auch dort ist die Frage zu stellen: Was kostet es die Stadtgemeinde, was kostet es das Land, wenn dort Besucher hingehen, die jetzt nicht gesehen werden, weil sie den Eintritt nicht bezahlen können? Wir wollen, dass das alles Stück für Stück überprüft wird, und wir wollen hier zu Veränderungen kommen. Es wird nicht alles ohne Geld gehen, aber es wird nicht sehr viel Geld kosten, in diesen Bereichen zu Verbesserungen zu kommen.
Wir wollen außerdem deutlich machen, dass die Bekämpfung von Armut in der Stadtgemeinde und im Land Bremen nicht ausschließlich Sache des Sozialressorts ist. Das Sozialressort ist natürlich zuständig dafür, aber die anderen Senatsressorts sind genauso zuständig. Wir möchten gern, dass eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe eingesetzt wird, die überlegt, prüft und plant, wie – über das Ganze gesehen, mit Bau, mit Wirtschaft, Kultur, Bildung und Sozia
les natürlich selbstverständlich dabei – Konzepte auf den Weg gebracht werden können, die hier eine Verbesserung bringen. Das wollen wir alles politisch.
Wir werden Ihrem Antrag, Herr Schmidtmann, heute nicht zustimmen können, aus einem ganz banalen Grund. Das ist nicht besonders aufregend, finde ich, muss man aber deutlich benennen! Wir haben einmal einen Antrag formuliert, der in der Sache ähnlich ist wie Ihrer, der aber die Rolle der damaligen Regierungsparteien in Berlin mit würdigt, und unser Koalitionspartner hat dazu schlank gesagt: Das machen wir nicht mit, wir stimmen dem nicht zu! Also sind wir auch nicht in der Lage, hier politisch besonders beweglich zu sein, wir haben einen Koalitionsvertrag, der uns zunächst bis zum Schluss der Legislaturperiode bindet. Wir sehen keinen Sinn darin, 4 Wochen vor dem Wahltermin mit einer Abstimmung gegen die Verfahrensregelung des Koalitionsvertrags hier quasi den Koalitionsvertrag aufzukündigen. Das werden wir nicht machen, aber ich denke, ich habe in der Sache deutlich gemacht, wo unsere Prioritäten liegen.
Wir werden mit dem Wahltag nicht aufhören, an diesem Thema zu arbeiten, sondern wir haben uns als Fraktion und als Partei vorgenommen, dass wir dieses Thema weiter bearbeiten. Das, was wir heute hier nicht im Wege der Beschlussfassung durchsetzen können, werden wir selbstverständlich in die Koalitionsverhandlungen mit wem auch immer einbringen,
und wir werden darum kämpfen, dass für Projekte, die sinnvoll sind, die den armen Leuten in Bremen helfen, die insbesondere den Kindern helfen, Geld zur Verfügung steht, damit es dort zur Verbesserungen kommt. In diesem Sinne bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit und denke, dass wir noch weitere spannende Beiträge zu diesem Thema jetzt hier hören werden. Ich bin gespannt, was unser Koalitionspartner uns jetzt erklären wird!
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Schmidtmann, Sie haben ja gerade selbst eingeräumt, dass Sie vergesslich waren bei der Frage, wer das in Berlin mitbeschlossen hatte.
Also, das haben Sie jetzt richtiggestellt, und das finde ich auch so in Ordnung!
Hier ist der Hinweis gekommen von Herrn Bartels auf das laufende Verfahren beim Bundesverfassungsgericht. Das haben wir natürlich auch im Auge, und deshalb sagen wir ja auch, Herr Bartels: Wir werden nicht in der Lage sein, unseren Haushalt aufzublähen. Schulden zu machen, um weitere Sozialleistun
gen zu bezahlen, das geht nicht! Das ist ja auch der Grund, weshalb wir sagen: Wir müssen uns auf die Suche machen nach kreativen Lösungen, bei denen wir vorhandene Möglichkeiten nutzen, um sie heranzubringen an diejenigen, die diese Leistungen tatsächlich benötigen.