Thela Wernstedt
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gleichstellungspolitik hat lange ein angestaubtes Negativimage gehabt. Harte, verletzende Auseinandersetzungen um den § 218 in den Siebzigern sind noch im Gedächtnis, ebenso die autonome Frauenbewegung, die sich Freiräume gegen und unabhängig von männlich dominierten öffentlichen und privaten Räumen erkämpfte, das Öffentlichmachen von Gewalt gegen Frauen und Wege heraus aus Gewaltbeziehungen. Es ist inzwischen 40 Jahre her, und vieles hat sich bewegt.
Meine Generation ist in den Achtzigern mit großen Bildungschancen ins Erwachsenwerden gestartet
und glaubte, die große, laute Politik nicht mehr zu brauchen. Das Frauenwahlrecht war lange von der SPD erkämpft. Die Gleichstellung im Grundgesetz besteht seit 1949. Berufschancen konnten ergriffen werden. Was blieb also zu tun? - Eigentlich war alles da: Das eigene Leben in die Hand zu nehmen, eine Familie zu gründen, Geld zu verdienen und mit Partner und Kindern seinen Weg zu gehen.
Blöd nur, dass es zwar gute Ausbildungsmöglichkeiten in den Neunzigern gab, aber weniger Arbeitsplätze. Blöd auch, dass es keine Kindertagesstättenplätze gab. Ärgerlich auch, dass damals viele junge Männer nach wie vor die Einstellung hatten, dass Kinder und Haushalt Frauenarbeit seien. Man fühlte sich modern, sprach viel über die eigenen guten Überzeugungen und ließ den Alltag laufen wie die Großväter.
Und da es keine Kinderbetreuung gab, die Steuerklassen nach wie vor so sind wie in den 50erJahren und die männlichen Berufsnetzwerke nach wie vor sehr gut funktionieren, fand sich meine Generation in der alten Rollenteilung wieder oder hat vor lauter Arbeit und der Anstrengung, immer besser als die männliche Konkurrenz sein zu müssen, keine Familie gegründet und ist trotz großer Leistungsbereitschaft und hohen Qualifikationen irgendwann in der Karriereleiter stecken geblieben.
Da war sie plötzlich spürbar, die gläserne Decke, und mit ihr die Erkenntnis, dass zwar die großen Dinge erkämpft sind, die Sache mit der Gleichstellung aber nach wie vor nicht richtig funktioniert. Also musste man genau hinsehen: Wie funktionieren Karrierenetzwerke? Wer kann darauf aufpassen, dass Frauen trotzdem nicht zu kurz kommen?
Diejenigen, die in den Neunzigerjahren schon älter waren, hatten das verstanden und Druck gemacht. Die rot-grüne Regierung unter Ministerpräsident Schröder richtete Anfang der Neunziger erstmals ein Frauenministerium in Niedersachsen ein und verabschiedete 1994 das erste Gleichberechtigungsgesetz.
Eine wesentliche Neuerung war, eine eigene Berufsgruppe zu schaffen, die zukünftig in Kommunen und Landesbehörden darüber wachen sollte, dass Gleichstellung verwirklicht wird und nicht im feinen Geäst der informellen Netzwerke hängen blieb: die Gleichstellungsbeauftragten. Es ging darum, explizit Frauenförderung zu machen.
Die Neunzigerjahre waren wirtschaftlich schwierig. Der Fall des Eisernen Vorhangs mit der deutschen
Wiedervereinigung, Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien, Migrationsbewegungen nach Deutschland und eine zunehmende Arbeitslosigkeit machten auch dem niedersächsischen Landeshaushalt schwer zu schaffen. Wie so oft wurde bei den Frauen gekürzt und das neue Ministerium ins Sozialministerium eingegliedert. Aber immerhin, die Sache der Frauenförderung und damit das Erreichen der Gleichstellung hatten einen festen Ort für die wachsende Fachexpertise im Land.
Mit dem Verlust der Regierungsmehrheit 2003 hatte die Frauenförderung im Lande Niedersachsen nur noch eine kurze Atempause. Längst waren die Vordenker am Werk, die hinter der Frauenförderung eine Benachteiligung der Männer zu erblicken meinten. Gern wurden verhaltensauffällige Grundschüler, die entsprechend schlechte Zensuren nach Hause brachten, als Beleg dafür genommen, dass in den Schulen eine heimliche Benachteiligung der Jungen stattfinde; denn die Mädchen hätten ja ohnehin viel bessere Zeugnisse. Jungenförderung müsse im frühen Kindesalter her, sonst würden die Männer später ins Hintertreffen geraten. - Oh Graus!
Die Frage, warum die Mädchen trotz guter Noten, hoher Leistungsbereitschaft und Qualifikation in unserer Leistungsgesellschaft in Teilzeit, schlecht vergüteten Berufen und im unteren Drittel der Karriereleitern hängen blieben, geriet - welch ein Zufall! - völlig aus dem Blick.
Unter dem Deckmäntelchen der Gleichstellung wurde die Frauenförderung zurückgedreht. Besonders die Sozial- und Frauenministerin Ursula von der Leyen machte sich hier einen Namen. Sie sorgte dafür, dass nicht nur die Zahl der Gleichstellungsbeauftragten insgesamt reduziert und ins Ehrenamt abgedrängt wurde. Nein, das reichte nicht. Nun musste auch noch eine andere Schwerpunktsetzung her. Die Gleichstellungsbeauftragten sollten sich nur noch um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kümmern. So wurde dem Frauenfördergesetz von 1994 klammheimlich der Boden unter den Füßen weggezogen und das mit dem Deckmäntelchen der Gleichstellung kaschiert. Mit diesem Argumentationsmuster operiert die CDU noch heute.
Ich stelle hier für meine Fraktion noch einmal explizit klar: Auch unser Ziel ist die Gleichstellung von Männern und Frauen. Sie sollen gleiche Chancen eines guten Aufwachsens, gleiche Chancen einer guten Schulbildung und später einer beruflichen oder akademischen Weiterbildung ha
ben. Sie sollen in ihren Berufen gleichermaßen vorankommen können. Was der oder die Einzelne daraus macht, ist dann von den eigenen Entscheidungen und der eigenen Lebenshaltung abhängig. Auch wir halten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Männer und Frauen für ein außerordentlich wichtiges politisches Anliegen. Dafür braucht es mehr Kinderbetreuung.
Die Gleichstellungsbeauftragten heute sollen viel stärker in die strategische Ausrichtung des Behördenhandelns eingreifen und mitgestalten. Gleichstellung ist das Ziel - und kein Argument gegen Frauenförderung.
Mit diesem Gesetzentwurf, den wir in der 17. Wahlperiode sehr gründlich beraten haben, kommen wir diesem Ziel ein Stück näher. Die Hindernisse sind kleinteiliger geworden, aber immer noch wirkungsvoll, um Frauen die gleichen Berufs- und Lebenschancen zu verbauen. Daher haben wir eine Reihe von Details verankert. Bei Lichte besehen, ist das Ganze gar nicht verstaubt, sondern sehr lebendig und aktuell für Frauen und für Männer.
Die wichtigen Punkte im Gesetz sind die 50-%Quote, das Gleichstellungscontrolling über die bereits bekannten Gleichstellungspläne und die Nutzung der Behördenhierarchien. Die Vorgesetzten sind nun in der Begründungspflicht, wenn sie die im Gleichstellungsplan angestrebten Quoten nicht erreichen. Niemand kann sich mehr wegducken oder alles den Gleichstellungsbeauftragten überlassen. Wenn die angestrebte Quote nicht erreicht wurde, muss ein Weg benannt werden, durch welche Fortbildungen und andere Maßnahmen die Quote erreicht werden kann. Es muss regelmäßig überprüft werden - Controlling eben, modernes Verwaltungshandeln.
Die neue Landtagsmehrheit wittert hier schon wieder die Benachteiligung von Männern, wie unlängst zu lesen war. Das Argumentationsmuster hatte ich bereits skizziert. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Diesem Gesetzentwurf heute nicht zuzustimmen, bedeutet, sich gegen die Verfassung zu stellen. Denn Gleichstellungspolitik hat Verfassungsrang.
Solange das nicht erreicht ist, ist eine Bevorzugung von Frauen geboten. Das ist höchstrichterlich bestätigt.
Wir haben mit dem Instrument der Frauenförderung und dem Ziel der Gleichstellung von Männern
und Frauen eine Modernisierung des Verwaltungshandelns in Niedersachsen im Blick. Von Gleichstellung profitieren alle: Frauen, Männer, Familien und nicht zuletzt das Land Niedersachsen. Frauen in Führung haben oft einen anderen Blick auf Probleme und Fragestellungen. Männer lernen in Elternzeit ihre Kinder besser kennen und den Wert von Hausarbeit zu schätzen. Verwaltungen müssen in Zukunft Stellen grundsätzlich öffentlich ausschreiben und profitieren von einem größeren Bewerberangebot und auch mehr Frauen unter den Bewerbern.
Diese und andere Punkte haben wir in langen Diskussionen abgewogen, mit Verbänden diskutiert und mit den Landesbehörden durchgerungen. Lange hat es gedauert. Gründlich ist der Gesetzentwurf durchdacht. Er ist reif zur Abstimmung.
Wir lassen es der neuen Mehrheit nicht durchgehen, sich aus einem der wichtigsten Vorhaben dieser Legislaturperiode zur Modernisierung Niedersachsens herauszustehlen und das Gesetz der Diskontinuität zu überantworten.
Es gibt ja neuerdings mindestens eine Befürworterin dieses Gesetzes in der CDU-Fraktion. Jetzt kann sie ihre Überzeugung unter Beweis stellen und den Frauen in Niedersachsen einen letzten großen Dienst erweisen.
Ich beantrage die sofortige namentliche Abstimmung über diesen Entwurf des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage die Landesregierung, ob sie noch einmal genauer ausführen kann, was sich hinter dem „Masterplan Medizinstudium 2020“ verbirgt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage die Landesregierung, wie sich die Hospiz- und Palliativversorgung im Lande darstellt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Krankenhäuser sind Schicksalsorte. Hier werden Menschen geboren, von Krankheiten geheilt, hier werden Diagnosen auf den Tod gestellt, und es wird gestorben. Universitätskliniken sind dazu Orte der Lehre und der Forschung. Hier werden Grenzen des Wissens und der Machbarkeit verschoben und die Frage stets aufs Neue abgewogen, was gute Medizin ist.
Die Steuerung einer solchen Institution ist schwierig. Es gilt, Interessen der Forschung und der Krankenversorgung abzuwägen, Personalverantwortlichkeit auszuüben, neue Forscher anzuwerben und die Gebäude stets an die Erfordernisse einer sich weiterentwickelnden Medizin anzupassen. Die Rahmenbedingungen werden gesetzt durch Fallpauschalen, Drittmittelgeber, Krankenkassen, die Hochschulautonomie und Aufsichtspflichten der Landesregierung. Diese Liste ist unvollständig.
In den letzten Jahren - und noch einmal verschärft in den letzten Monaten - gab die MHH Anlass zur Sorge. Der Landesrechnungshof hat es im diesjährigen Bericht angemahnt: Ab 2011 wurden pro Jahr große Fehlbeträge erwirtschaftet, die auf Verstößen gegen das Haushaltsrecht beruhten. Die MHH hat - toleriert durch die Regierung McAllister - jahrelang die Obergrenzen für Personal in der Forschung überschritten.
Das Haushaltsrecht wurde gebrochen, und kompensatorisch - - -
Das Haushaltsrecht wurde gebrochen, und kompensatorisch wurde innerhalb der Hochschule das Personal für Krankenversorgung verringert. Wachstum in der Forschung wurde auf Kosten der Krankenversorgung generiert, und die Regierung McAllister sah zu.
Erst mit dem Regierungswechsel 2013 wurde der Aufsichtspflicht durch das Fachministerium nachgekommen.
Für die MHH kann man formulieren: To big to fail. - Eine Institution von dieser Größe und dieser Bedeutung als Forschungsstandort, Krankenversorger und Arbeitgeber kann man nicht vor die Wand fahren lassen.
Die Regierung Weil - vertreten durch die Fachministerin Dr. Heinen-Kljajić - hat den bedrohlich angewachsenen Fehlbetrag zur Kenntnis nehmen müssen und hat gehandelt.
In engmaschigen Gesprächen mit dem MHH-Präsidium wurde ein Konsolidierungskurs ausgearbeitet und umgesetzt, um den Bilanzverlust von 110 Millionen Euro abzubauen.
Nun ist eine Hochschulklinik nicht nur ein Wirtschaftsunternehmen. Um weiter gute Forscher an die Hochschule zu binden, kann man nicht einfach über mehrere Jahre hinweg einen totalen Einstellungsstopp verhängen. Danach wäre der Forschungsstandort tot. Und man kann keine Weltuntergangsstimmung verbreiten, weil sich schwerkranke Menschen mit gutem Vertrauen in die Leistungsfähigkeit ihrer Universitätsklinik in Behandlung begeben sollen.
Deswegen wurden von uns die Personalobergrenzen angehoben und die Kontrollen über die MHH engmaschig durch das MWK geführt. Dies ist ein erfolgreicher Kurs gewesen. Die MHH hat sich inzwischen stabilisiert.
Was wir alle kritisch zur Kenntnis nehmen müssen, ist der bauliche Zustand der MHH. Nun kann man mit einem 50 Jahre alten Funktionsbau keinen Staat mehr machen. Das erwartet auch niemand. Aber es ist schon bemerkenswert, wie bereitwillig das Recht von der Vorgängerregierung gebrochen und riesige Schuldenberge angehäuft wurden, während bezüglich der Bausubstanz nur im KleinKlein gedacht wurde. Das Alter der MHH ist ja keine wirkliche Überraschung; die Bausubstanz lässt schon länger zu wünschen übrig. Wir denken jetzt das Ganze neu und stellen die Finanzierung zur Verfügung. Think big!
Dass aber notwendige Teilplanungen für neue Gebäude, Labors und Apotheken über Jahre hinweg offensichtlich unzureichend durchgeführt wurden, lässt kritisch auf die Führung der MHH blicken. Von außen betrachtet, scheint die Machtbalance innerhalb der Hochschule schon seit langer Zeit nicht mehr gewahrt zu sein. Die Forschung hat ein derartiges Übergewicht bekommen, dass die Unterbringung der Patienten, die Arbeitsbedingungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Arbeitsabläufe, die Diagnostik und die Therapie anfangen zu leiden.
Universitäten und Hochschulen genießen in diesem Lande große Freiheiten. Das Ganze firmiert unter dem Begriff der Hochschulautonomie. Wir haben darüber schon am Beginn dieser Legislaturperiode debattiert. Wir trauen unseren Professorinnen und Professoren zu, ihre Angelegenheiten zum Wohle der Patientinnen und Patienten weitgehend selbst zu regeln. Die MHH aber hat in den
letzten Jahren genug Anlass geboten, zu überdenken, ob es gerechtfertigt ist, diese Freiheiten zu gewähren.
Vor dem Hintergrund der großen Bauvorhaben an der MHH mithilfe des gerade vom Parlament eingerichteten Sondervermögens von 750 Millionen Euro sind die hochschulinternen Gremien dringend gefordert, gestaltend in die Zukunftsherausforderungen einzugreifen. Ihre Autorität und Fachkompetenz für die Entwicklung der MHH für die nächsten Jahrzehnte sind dringend notwendig. Neubau und Modernisierung von Universitätskliniken sind ein derartig komplexes Unterfangen, dass man viele Fachleute, gute Absprachen, klare Grenzsetzungen und Verantwortungsübernahme durch die Führungspersonen braucht.
Ich komme zum Schluss: Exzellente Bedingungen für Forschung und Krankenversorgung liegen uns als regierungstragende Fraktionen am Herzen. Deswegen haben wir das Sondervermögen eingerichtet, und wir werden die Verwendung der Mittel mit äußerster Aufmerksamkeit begleiten - für die nächsten erfolgreichen 50 Jahre der MHH!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns in dieser Legislaturperiode schon mehrfach mit Fragen der geburtshilflichen Versorgung in Niedersachsen und Fragen rund um den Beruf der Hebamme beschäftigt.
Während Fragen der Berufshaftpflichtversicherung und der Beschäftigungsart für angestellte Hebammen kein Problem sind oder dabei nur sehr definierte Probleme bestehen, sieht es für freiberufliche Hebammen schwieriger aus. Wie bereits von Kollegin Piel ausgeführt, steht in zwei Tagen der Schiedsspruch an, der über eine wichtige Vergütungsfrage entscheiden wird, die auch die Arbeitsorganisation der freiberuflichen Hebammen empfindlich trifft, die in Krankenhäusern Belegbetten betreuen.
Etwa 20 % der Geburten in Deutschland werden von freiberuflichen Hebammen im Krankenhaus begleitet, die sich in Schichtsystemen organisiert haben, um eine umfassende Versorgung 24 Stunden am Tag auch bei langen Geburten sicherzustellen. Das System funktioniert gut, wird jedoch nicht ausreichend honoriert. Daher hat der Hebammenverband eine Erhöhung der Vergütung gefordert. Seit dem Sommer 2016 verhandeln die Hebammen mit dem GKV-Spitzenverband über diese Erhöhungen.
Der GKV-Spitzenverband hat eine solche Erhöhung auch angeboten, jedoch gibt es dabei mehrere Pferdefüße. Der Hebammenverband befürchtet weitergehende Folgen auf die Arbeitsorganisation der Beleghebammen und glaubt, dass das Berufsfeld der Beleghebammen im Krankenhaus regelrecht kaputt gemacht wird.
Wenn ich das einmal mit meiner Berufsgruppe vergleiche: Niemand würde auf die ernsthafte Idee kommen, durch einen Vertrag, der ärztliche Honorare betrifft, gleich die gesamte niedergelassene Ärzteschaft abzuschaffen. Wollte man das politisch tatsächlich durchsetzen, würde es lange dauern und einen ganz anderen politischen Prozess erfordern. Und: Es würde erdbebengleich die gesamte Republik erschüttern, weil die Interessenverbände sofort lautstark auf der Matte stehen würden. Hier wehren sich die Hebammenverbände ebenfalls bundes- und landesweit, aber, wie das bei Frauenberufen oft so ist, nicht so laut, wie es nötig wäre.
Die Fachfrauen des Hebammenverbandes sehen durch die neuen Vergütungsvorschläge, die in den Verhandlungen gemacht worden sind, die gute 1:1-Betreuung der Schwangeren in Gefahr. Es muss uns ein Anliegen sein, dass Schwangere eine Wahlfreiheit haben, wie und wo sie ihr Kind zur Welt bringen wollen, und dass die Betreuung möglichst individuell durchgeführt wird.
Dass nicht in jedem Dorf eine geburtshilfliche Abteilung und auch nicht eine freiberufliche Hebamme vorhanden sein können, sehen auch werdende Mütter und Väter ein. Dass wir allerdings in manchen Gegenden, z. B. auf der nordfriesischen Insel Sylt, keine geburtshilfliche Versorgung mehr haben, muss uns alarmieren.
Es steht zu befürchten, dass durch die neue Vergütungsregelung eher weitere geburtshilfliche Abteilungen schließen, weil die Krankenhäuser das finanzielle Risiko von angestellten Hebammen scheuen. Wir fordern daher beide Verhandlungsseiten, insbesondere den GKV-Spitzenverband, auf, keine Systemänderung über Honorarverhandlungen herbeiführen zu wollen.
Eine Wahlfreiheit der geburtshilflichen Begleitung durch eine freiberufliche oder angestellte Hebam
me sollte für schwangere Frauen in unserem Land gewährleistet werden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich frage die Landesregierung, warum das Krankenhausgesetz und die Änderung des Bestattungsgesetzes erst jetzt kommen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben den 70. Jahrestag des Zusammentritts des ersten frei gewählten Niedersächsischen Landtages zum Anlass genommen, aufzuschreiben, was wir aus dieser Geschichte für wichtig halten, woran man erinnern sollte und was man daraus lernen kann. Es ist selbstverständlich, dass man das auf anderthalb Seiten nicht erschöpfend tun kann und manches auch anders gesehen werden kann.
Ich möchte den Inhalt unseres Antrages nach Stichworten etwas anders gliedern, als der Text es vorgibt:
Der Niedersächsische Landtag zeichnet sich durch demokratisches Verhalten aus. Er hat sich in unterschiedlichen Zeiten immer innovativ gezeigt. Er hat sich gegenüber anderen Überzeugungen und Fremdheit im Rahmen demokratischer Grundsätze
tolerant und weltoffen gezeigt. Er war immer geschichtsbewusst und hat auf die Vielfältigkeit des Landes Niedersachsen stets Rücksicht genommen. Er hat sich gegenüber allen Hilfsbedürftigen im Rahmen seiner Möglichkeiten stets hilfsbereit gezeigt.
Zum Begriff „demokratisch“: Der Landtag ist von der britischen Besatzungsmacht aufgefordert worden, nach demokratischen und repräsentativen Grundsätzen die zivile Macht zu ermöglichen und zu sichern. Da es in Niedersachsen erst in späteren Jahrzehnten absolute Mehrheiten gab, hatten die demokratischen Parteien die Gelegenheit, die Kultur der politischen Absprachen und Kompromisse einzuüben.
Bis 1970 hat es immer Koalitionsregierungen gegeben. Daran waren alle demokratischen Parteien in unterschiedlichen Koalitionen beteiligt. Das hat dazu geführt, dass harte politische Auseinandersetzungen kaum zu persönlichen Beleidigungen oder Hassreden geführt haben. Jeder war zu unterschiedlichen Zeiten mal in der Regierung, mal in der Opposition.
Man vergisst schnell, dass Niedersachsen nach Berlin das erste Land war, das eine Große Koalition hatte: 1957 bis 1959 unter Heinrich Hellwege von der CDU und 1965 bis 1970 unter Schorse Diederichs von der SPD. Damit hat der Niedersächsische Landtag die Diffamierung der Parlamente als „Schwatzbude“, wie die Gegner der Demokratie das Parlament in der Weimarer Republik genannt haben, erfolgreich und mit Autorität zurückgewiesen.
Wir sollten darauf achten, dass die schleichende Diffamierung der repräsentativen Demokratie, wie sie aktuell von rechtspopulistischer Seite betrieben wird, entschieden zurückgewiesen wird.
Zu den Begriffen „tolerant“ und „weltoffen“: Die ersten Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg waren in Niedersachsen wie in allen Besatzungszonen und den folgenden Staaten durch den Zustrom von Flüchtlingen aus den deutschen Ostgebieten und aus Ländern Osteuropas gekennzeichnet. Mehr als zweieinhalb Millionen Menschen
mussten innerhalb kurzer Zeit in einem zerstörten Land untergebracht und versorgt werden. Nicht alle haben das mit Freude getan, aber es ist nach 20 Jahren gelungen. Der wirtschaftliche Erfolg auch Niedersachsens wäre ohne den Fleiß und das Engagement der Flüchtlinge und Vertriebenen nicht denkbar gewesen.
Dasselbe gilt für die Flüchtlinge, die bis 1961 aus der DDR kamen und hier oft als gut Ausgebildete in Wirtschaft, Verwaltung und anderen Einrichtungen den Aufbau des Landes mitgestaltet haben.
Desgleichen haben seit Ende der 60er-Jahre die sogenannten Gastarbeiter aus Italien, Portugal, dem ehemaligen Jugoslawien, Griechenland und später auch der Türkei nicht unwesentlich zur Sicherung des Wohlstandes beigetragen. Ihre Integration ist teilweise gut gelungen, und manches bleibt noch zu tun.
Eine erfolgreiche Integration ist nur dann gewährleistet, wenn die Verschiedenheit der kulturellen Identitäten auf der Grundlage gegenseitigen Respekts, der Neugier und der Toleranz geschieht. Glaubwürdig kann man allerdings eine solche Politik nur machen, wenn man Tendenzen islamistischer oder salafistischer Intoleranz oder rechtsextreme völkische Denkweisen entschieden bekämpft.
Niedersachsen hat Erfahrung mit dem politischen Ausgleich und mit Toleranz gegenüber unterschiedlichen religiösen Auffassungen; denn es hat als erstes Bundesland einen Vertrag mit den evangelischen Kirchen, den Loccumer-Vertrag im Jahre 1955, und mit der katholischen Kirche das Konkordat im Jahre 1965 geschlossen. Wir sollten in Zukunft das Erbe der Weltoffenheit nicht verspielen.
Zum Begriff „innovativ“: Der Landtag hat sich in allen 70 Jahren für die innovative und moderne Entwicklung des Landes verantwortlich gefühlt. Er hat deshalb mit Haushaltsmitteln, politischen Rahmenbedingungen und dem Einsatz aller Abgeordneten und Minister entsprechende Maßnahmen unterstützt. Die von den Briten angeregte Gründung der Hannover Messe, der Emslandplan, die Strukturhilfen für schwache Gebiete sind Beispiele
dafür. Diese Aufgabe ist nie abgeschlossen, wie die Probleme in Südniedersachsen heute zeigen.
Seit den 50er- und 60er-Jahren haben alle Regierungen und Landtage für die Förderung der Bildung gearbeitet. Die Landschulreform dieser früheren Jahre, die enorme Ausweitung der Gymnasien, die immer mit Elternzustimmung erfolgte Gründung von Gesamtschulen sind Beispiele dafür.
Desgleichen ist der enorme Ausbau der Hochschulen kennzeichnend. Die Gründung der MHH in den 60er-Jahren, die Erweiterung der Technischen Hochschulen in Hannover und Braunschweig zu Volluniversitäten, der Ausbau der Pädagogischen Hochschulen in Oldenburg und Osnabrück in den 70er-Jahren und in Hildesheim und Lüneburg in den 80er-Jahren sind beispiellos.
In Niedersachsen ist sehr früh über die Gefährlichkeit der Nutzung der Atomenergie gesprochen worden. Nachdem man bis Mitte der 70er-Jahre noch allgemein der Überzeugung war, dass die friedliche Nutzung der Atomenergie ein Segen sei, hat sich das seitdem massiv geändert. Seit den Demonstrationen in Grohnde, den schweren Auseinandersetzungen um ein Endlager in Gorleben und einer möglichen Wiederaufbereitungsanlage sind Jahrzehnte vergangen. Heute stehen alle Parteien für den Ausstieg aus der Kernenergie. Doch die Diskussion um ein Endlager beschäftigt uns bis heute. Umweltbewusstsein hat inzwischen einen ganz anderen Stellenwert als früher. Das ist auch den Menschen vor Ort in Niedersachsen zu verdanken.
Zum Begriff „geschichtsbewusst“: Niedersachsen ist ein vielfältiges Land. Seine kulturellen Traditionen in den einzelnen Landesteilen hat der Landtag immer respektiert. Seine Abgeordneten haben stets darauf geachtet, dass die kulturellen Anliegen ihrer Regionen gewahrt und gefördert wurden. Das gilt nicht nur für die alten Länder Hannover, Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg, sondern auch für Ostfriesland, den Harz und die Lüneburger Heide.
Vor 70 Jahren, bei Gründung des Landes Niedersachsen, war es noch nicht lange her, dass sich mit dem nationalsozialistischen Regime auch auf niedersächsischem Gebiet niedersächsische Menschen mit der grausamen und schuldhaften Geschichte der Jahre 1933 bis 1945 auseinandersetzen mussten. Die Bilder von Bergen-Belsen gehö
ren zu den weltweit eindrücklichsten mahnenden Zeugnissen der Barbarei, in die Deutschland geraten war.
Bergen-Belsen ist das einzige ehemalige Konzentrationslager, in dem die Opfer in Gräbern - wenn auch in Massengräbern - liegen. Auschwitz, Majdanek, Sobibor, Treblinka, Belzec und Stutthoff kennen keine Gräber, weil die Täter die Opfer verbrannt haben. Deshalb hat das Land Niedersachsen eine ganz besondere Verantwortung, auf die wissenschaftlich notwendige und menschlich gebührende Erinnerung an den Völkermord an den Juden, Sinti und Roma sowie an Minderheiten verschiedener Kennzeichnung zu achten.
Seit dem einstimmigen Beschluss des Landtags 1985 zum Ausbau der Gedenkstätte BergenBelsen bis zur heutigen Gestalt der Gedenkstättenstiftung findet dies im ganzen Land und darüber hinaus Anerkennung. Es ist gut, dass sich hierin alle Fraktionen des Landtags immer einig waren.
Zum Begriff „hilfsbereit“: Den Antragstellern ist es ein Anliegen, den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu danken, die die Arbeit des Landtages immer unterstützt haben.
Es waren die Mitarbeiter unseres Landtags - einige sind noch heute hier -, die 1990 unserem Partnerland Sachsen-Anhalt geholfen haben, die prozeduralen Regeln parlamentarischer Arbeit kennenzulernen und zu übernehmen. Auch die Abordnung niedersächsischer Beamtinnen und Beamter hat den demokratischen Aufbau dort beschleunigt.
Niedersachsen ist durch die weltpolitische Entwicklung geografisch in die Mitte Europas gerückt. Wir konnten das schon eindrücklich in der Rede von Jean-Claude Juncker hören. Man muss sich in Niedersachsen nur auf eine Brücke über die A 2 stellen, um das jeden Tag zu sehen. Wir wissen, was wir an Europa haben. Deswegen wäre es ein schönes Zeichen, wenn wir, die niedersächsischen Abgeordneten, uns in jeder Phase der weiteren Entwicklung zu Wort meldeten, um denen, die durch Rückfall in nationalistische Politik und Rhetorik planen, den Frieden in Europa zu gefährden, eine gebührende Antwort zu erteilen.
Wir haben 70 Jahre Frieden in Europa hinter uns. Wir sind es den nachwachsenden Generationen schuldig, dass das auch für sie gelten kann.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich beantrage die sofortige Abstimmung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Hausärzte lässt uns nicht los. Wir stellen aber auch fest, dass das Feld der medizinischen flächendeckenden Versorgung, der Ausbildung und Weiterbildung sowie der Delegation von Aufgaben bereits bearbeitet ist, bearbeitet wird und dass Erfolge sichtbar werden.
Zum Beispiel gelingt es, junge Allgemeinmediziner in ländlichen Regionen anzusiedeln; das Land gibt Geld für eine studentische Vergütung im Praktischen Jahr beim hausärztlichen Tertial, und es gibt an der Universität Oldenburg ein besonders intensives Praktikumsprogramm Allgemeinmedizin.
Der Antrag der CDU-Fraktion hatte sich der Ausbildung und der Stärkung bestimmter ärztlicher Versorgungsstrukturen wie MVZs und Delegationsmodellen zugewendet. Ich will hier nicht zu sehr in die Einzelheiten gehen. Die CDU hatte im Wesentlichen Ideen aufgegriffen, die zu dem Zeitpunkt von der Gesundheitsministerkonferenz bereits fast endverhandelt waren, und im letzten Monat wurde entschieden, dass sie als Masterplan Medizinstudium umgesetzt werden sollen. Das schon jetzt, noch nicht einmal einen Monat später, für gescheitert zu erklären, finde ich schon selbstbewusst und sehr prophetisch vonseiten der CDU. Ich würde mir ein bisschen mehr Zeit dafür nehmen.
Insofern wollte man noch auf den letzten Waggon eines bereits fahrenden Zuges aufspringen. Das war unser Eindruck, als der Antrag eingebracht wurde. Delegationsmodelle gibt es bereits. Wir haben darüber auch schon am Beginn der Legislaturperiode diskutiert. Auch die MVZ gibt es bereits. Es ist Aufgabe der KV, dies in angemessener Weise mit den Ärzten zusammen zu regeln.
Im Übrigen fallen diese Themen - wir werden es langsam müde zu wiederholen - nicht in die Zuständigkeit des Landes. Die Einflussmöglichkeiten einer Landesregierung sind beschränkt, und es hilft auch nichts, dies immer wieder ausblenden zu wollen. Wir haben uns in unserem Antrag auf Themen der Ausbildung fokussiert, indem wir die Maßnahmen des Masterplanes begrüßen.
Wir fordern die Landesregierung auf, auch die Beratung für die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse im medizinischen Bereich zu fördern. Es ist richtig, streng Qualifikationen zu prüfen, denn wir wollen fachlich qualifizierte Ärzte und Pflegende und andere Berufstätige im medizinischen Feld aus dem Ausland haben. Dazu kann dann auch gehören, dass man Ausbildungen prüft und Zusatzqualifikationen anbietet, neben den notwendigen Sprachkursen.
Sehr wichtig erscheint uns eine Neujustierung der Bedarfsplanung, die die CDU-Fraktion in ihrem Antrag angesprochen hat und die auch schon 2013 Thema unseres eigenen Antrages zur hausärztlichen Versorgung gewesen ist. In einer Gesellschaft, in der die Bevölkerung älter wird - Kollege Jasper hat darauf hingewiesen - und die Menschen mehr Gesundheitsleistungen bei geringerer Mobilität brauchen, um lange selbstständig leben zu können, müssen die Zahlen neu berechnet werden. Ich denke, da sind wir eines Sinnes. Auch das ist aber Bundesangelegenheit.
Wir nehmen mit unserem Antrag auch das Thema Digitalisierung in den Blick. Hier geht es uns besonders um Datenbanken, die sicher sind und von Pflegediensten, niedergelassenen Ärzten und Kliniken genutzt werden können, um damit in der Versorgung Informationsverluste bei Patienten vermeiden zu helfen.
Auch das eigentlich schon alte Thema Telemedizin kann eine Renaissance erleben, da mit den heutigen Techniken die Handhabung einfacher wird. Man braucht heute keine umständlichen Fernsehschaltungen mehr, und Kameras sind inzwischen ja überall verfügbar. Man braucht nur eine Breitbandversorgung, und dafür setzen wir uns als regierungstragende Fraktionen ein.
Wir wollen die Aus- und Weiterbildung so gestalten, dass Studierende früh und nachhaltig mit der Arbeit niedergelassener Hausärzte in Berührung kommen. Wir wollen die Beibehaltung der vielen Initiativen, zusammen mit den Gesundheitsregionen und der KV durch eine Fülle von Maßnahmen junge Hausärzte aufs Land zu bekommen. Ich will
sie nicht im Einzelnen aufzählen; wir haben darüber schon hinlänglich diskutiert. Sie greifen inzwischen auch.
Interessierte können einen Blick in das Niedersächsische Ärzteblatt werfen, in dem regelmäßig über erfolgreiche Ansiedlungen von Hausärzten berichtet wird. Die KV ist immer als Player dabei, und das ist auch gut so, weil es Aufgabe der KVN ist, für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung zu sorgen. Die Gesundheitsregionen haben viel in ganz Niedersachsen in Bewegung gesetzt. Die Kommunen sind dabei, aktiv für ihre Regionen bei jungen Ärzten zu werben und Hilfen bei der Niederlassung anzubieten.
Eine flächendeckende, qualitativ hochwertige medizinische Versorgung ist uns als regierungstragende Fraktionen ein sehr wichtiges Anliegen, das wir zusammen mit der Landesregierung nach Kräften erfolgreich unterstützen.
Wir stimmen dem Punkt der Bedarfsplanung aus dem Antrag der CDU-Fraktion uneingeschränkt zu. Er ist aber, wie ausgeführt, nicht neu und wurde von uns bereits vor Jahren angesprochen und auch im Bund schon zur Sprache gebracht.
Wir haben in einem eigenen Antrag die Schwerpunkte in Richtung Digitalisierung und Anerkennung bereits vorhandener Qualifikationen gesetzt. Daher stimmen wir dem Antrag der CDU-Fraktion nicht zu, sondern werben für unseren eigenen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben im November 2016 erstmals über das Thema „Kostenübernahme für Verhütungsmittel für Frauen im Sozialleistungsbezug“ debattiert. Ich rufe noch einmal kurz die wichtigen Punkte in Erinnerung:
Seit 2004 werden Verhütungsmittel im Sozialleistungsbezug nicht mehr gesondert finanziert, sondern müssen aus den allgemeinen Gesundheitsaufwendungen genommen werden. Die monatliche Zuwendung für Gesundheitsmittel ist jedoch zu niedrig angesetzt, um selbst das preiswerteste Hormonpräparat zu kaufen. Schwangerschaftsabbrüche bei nicht gewollten Schwangerschaften werden jedoch von den Sozialämtern bezahlt.
Schwangerschaftsabbrüche bei nicht gewollten Schwangerschaften werden jedoch von den Sozialämtern bezahlt. Dieser Zustand tut moralisch regelrecht weh. Da muss praktisch erst eine
Schwangerschaft eingetreten sein, um sie dann abbrechen zu können, weil man nicht genug Geld zur Verfügung hat, um sein Selbstbestimmungsrecht über Familienplanung ausüben zu können. Ich glaube, niemand hier im Raum findet es richtig, wenn beginnendes Leben abgebrochen wird, weil der deutsche Sozialstaat lebensferne Regelungen aufrechterhält.
Wir haben im Ausschuss versucht, zu einem gemeinsamen Antrag zu kommen. Dies ist trotz einiger Gespräche nicht gelungen. Wir glauben, dass es richtig ist, auf Bundesebene eine Regelung zu treffen, die die Übernahme der Kosten für Verhütungsmittel gesondert regelt und Frauen zur Verfügung stellt, um ihr Selbstbestimmungsrecht auf Familienplanung zu sichern. Wir wollen in Deutschland nicht dauerhaft einen Flickenteppich tolerieren, weil manche Kommunen in der Not eigene Fonds dafür gebildet haben und andere nicht.
Heute wollen wir mit den Stimmen der Grünen, der SPD und auch der FDP den Antrag beschließen und die Landesregierung beauftragen, sich über den Bundesrat für eine bundesgesetzliche Regelung zur unbürokratischen Übernahme von Kosten für Verhütungsmittel für einkommensschwache Frauen aus dem Sozialleistungsbezug einzusetzen und dabei ebenfalls eine rückwirkende Erstattung von vorverauslagten Kosten für Notfallkontrazeptiva zu berücksichtigen. Es ist zwar ein leises Thema und interessiert nicht so viele Leute, wie wir gerade sehr aktiv hier sehen konnten. Aber es ist frauenpolitisch ein wichtiges Thema. Wir stärken hier das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und indirekt auch von Männern in Bezug auf ihre Familienplanung.
Ich finde es schade, dass sich die CDU-Fraktion nicht durchringen konnte mitzustimmen, obwohl auch sie den Antrag von der Sache her richtig findet.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die niedersächsischen Landkreise und kreisfreien Städte werden von der Landesregierung bei der Gestaltung des regionalen Gesundheitswesens unterstützt. Für innovative Versorgungsprojekte einerseits und als Anschubfinanzierung andererseits werden jährlich 600 000 Euro für die „Gesundheitsregionen Niedersachsen“ auf den Weg gebracht.
Mit dem Ende 2014 von der Landesregierung initiierten Projekt der „Gesundheitsregionen Niedersachsen“ werden die niedersächsischen Landkreise und kreisfreien Städte dabei unterstützt, neue Konzepte in der örtlichen Gesundheitsversorgung zu entwickeln und umzusetzen.
Die regionale Gesundheitsversorgung ist ein Schwerpunkt für die Landesregierung. Landkreise, Städte und Gemeinden sind herausgefordert, soziale und gesundheitliche Belange der Menschen direkt vor Ort bedürfnisgerecht zu gestalten.
In den Gesundheitsregionen entwickelte Ideen werden zur Verbesserung der Versorgungsstruktur vor Ort ausgewählt. Weitere Mittel für dieses Projekt stellen die Kooperationspartner - Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen, AOK Niedersachsen, Ersatzkassen, BKK Landesverband Mitte - zur Verfügung. Insgesamt zeigt sich eine breite Themenvielfalt in den Gesundheitsregionen, die ein Abbild der aktuellen Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung darstellen. Vor Ort wurden zunächst mit finanzieller Unterstützung der Landesregierung die erforderlichen Strukturen ge
schaffen, um den regionalen Prozess unter Beteiligung der interessierten Fachöffentlichkeit auf den Weg zu bringen.
Alle Beteiligten sind sich einig: Die Unterstützung von Landkreisen und kreisfreien Städten, das Engagement aller Beteiligten in den Gesundheitsregionen vor Ort und die Entwicklung von innovativen und regionalen Versorgungsangeboten zeigen, dass sich die Gesundheitsregionen in Niedersachsen tatsächlich zu einem Erfolgsmodell entwickelt haben. Eine regionale Vernetzung führt nicht nur zu optimalen Versorgungstrukturen, sondern auch dazu, dass die öffentlichen Mittel zielgerichtet eingesetzt werden. Gesundheitsregionen sind Zukunftsprojekte.
Wir fragen daher die Landesregierung:
1. Welche Gesundheitsregionen in Niedersachsen gibt es?
2. Welche Ziele verfolgen die Gesundheitsregionen?
3. Wo und wie können die Gesundheitsregionen weiterentwickelt werden?
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Gibt es ein besonderes Projekt zur Palliativ- und Hospizversorgung im Rahmen der Gesundheitsregionen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, welche Maßnahmen ergriffen wurden, um die Zusammenarbeit mit dem Justizministerium zu verbessern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch zwei wichtige Themen zur Gleichstellung ansprechen. Im Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz haben wir festgelegt, dass
wieder mehr Gleichstellungsbeauftragte in den Kommunen angestellt werden müssen. Es werden insgesamt 80 sein, die mit ihrer hauptamtlichen Tätigkeit für Gleichstellung am Arbeitsplatz, für Gleichstellung im Handeln der Kommunen in ihre Behörden und auch in die Kommunen hineinwirken und die für kreative Ideen die Arbeit und das Wirken von Frauen in den Blick rücken.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch einmal auf das wunderbare Projekt „Frauenorte“ hinweisen, das wir zu Beginn der Legislaturperiode als Ausstellung hier schon einmal im Landtag gehabt haben und das wesentlich von den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten unterstützt wird.
Besonders intensiv konnte ich das in Ostfriesland erfahren, wo die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten sogar einen Runden Tisch entwickelt haben, der dazu beitragen soll, mit den „Frauenorten“ Frauengeschichte und Frauenkultur einen festen Platz im Spektrum kulturtouristischer Angebote zu geben.
Die FDP empfiehlt in ihren Haushaltsvorschlägen den Kahlschlag:
Streichen von 1 Million Euro bei den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten. Das passt auch zu den Äußerungen, die bereits in diesem Jahr vom Abgeordneten Oetjen gemacht worden sind.
Die FDP in Niedersachsen hat immer noch nicht begriffen, dass wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Fortschritt nur mit der Arbeitskraft und Fantasie von Männern und Frauen gleichermaßen zu erreichen ist. Es geht hier um die Zukunftsfähigkeit Niedersachsens. Schade um diese einst stolze liberale, für Bürgerrechte eintretende Partei.
Die kürzlich verstorbene Hildegard Hamm-Brücher hatte sicherlich Gründe, warum sie noch im hohen Alter ausgetreten ist.
Sie hätte passende Worte für eine FDP-Fraktion gefunden, die es nicht einmal für nötig hält, auch nur eine einzige Frau in die Bundesversammlung zu entsenden.
Wer nur noch auf Männer setzt - wie die FDP -, braucht auch keine Forschung zu Gender-Themen. Man macht einfach weiter wie seit Jahrhunderten.
Perspektivenwechsel, Aufklärung, Austausch von Argumenten und streitbares Erringen von Positionen scheint die FDP für gesellschaftliche Fortschrittsfragen nicht zu benötigen.
Ein leider sehr wichtiges Thema ist nach wie vor die Gewaltausübung gegen Frauen bis hin zu Tötungsdelikten. Europaweit, in Deutschland insgesamt und auch in Niedersachsen hat jede dritte Frau in ihrem Leben Gewalt erlitten. 2015 wurden in Niedersachsen sieben Frauen von ihren Partnern oder ehemaligen Partnern sogar getötet. Bis Ende November 2016 wurden neun Frauen hier in diesem Bundesland getötet.
Wir alle haben zur Kenntnis nehmen müssen, welch furchtbarer Fall von Gewalt sich vor einiger Zeit in Hameln ereignet hat. Ein männlicher Gewalttäter hat die Öffentlichkeit für seine Gewaltausübung gesucht und hat der Frau, seinem eigenen Kind, der sozialen Umgebung und dem Rechtsstaat deutlich gemacht, dass er das Gewaltmonopol des Staates nicht anerkennt, sondern selber Recht spricht und von ihm selbst gesetzte Strafen bis hin zur Todesstrafe ausführt.
In meinem eigenen Wahlkreis ist vor einigen Monaten eine 21-jährige Frau bei einer Hochzeit erschossen worden, und es hat in meinem Wahlkreis auch eine schwere Verletzung mit Säure im Gesicht einer jungen Frau gegeben.
Die Arbeit, Frauen und in weniger Fällen auch Männer vor Gewalt zu schützen, ist wichtig. Wir unterstützen sie mit insgesamt 3,75 Millionen Euro. Eine entsprechende Richtlinie wird überarbeitet.
Ein Leben ohne Gewalterfahrung zu leben ist Menschenrecht. Wir unterstützen das, damit die Arbeit fortgesetzt werden kann.
Zum Schluss möchte ich mich noch bei den frauenpolitischen Sprecherinnen für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken, die zwar im Ausschuss nicht immer im Konsens erfolgt, aber das muss in einer Demokratie auch so sein.
Vielen Dank.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte das Problem kurz umreißen. Frauen und Männer - - -
Vielen Dank, Herr Präsident.
Ich möchte das Problem kurz umreißen. Besonders Frauen und Männer, die im SGB-II-Bezug
leben, andere Geringverdiener, Auszubildende und auch Studierende können die Kosten für Verhütungsmittel aus ihren Bezügen in aller Regel nicht decken. Das ist so, seit 2004 das Gesundheitsmodernisierungsgesetz beschlossen wurde und weil im SGB II keine Hilfe für die eigenständige Familienplanung vorgesehen ist.
Unser Antrag zielt darauf, die Landesregierung zu beauftragen, eine Bundesratsinitiative anzustreben, damit der Zugang zu Verhütungsmitteln für Frauen und Männer gewährleistet ist und ein Bundesgesetz zur Übernahme der Kosten für ärztlich verordnete Verhütungsmittel für Frauen mit geringem Einkommen und solche, die im SGB-II-Bezug sind, sowie zur Erstattung von Notfallkontrazeptionen initiiert wird.
Das Ganze dient nicht irgendeinem Spaßfaktor, sondern der sexuellen Selbstbestimmung in der Familienplanung.
Die Organisation pro familia spricht zugespitzt sogar von einem Menschenrecht auf Verhütung.
In den letzten Jahren hat es verstärkt kommunale Anstrengungen gegeben, um Fonds einzurichten, um Menschen mit geringem Einkommen die Kosten für die Verhütungsmittel über diese Fonds zu erstatten: Denn man hat in einigen Gegenden schon beobachtet, dass insbesondere Frauen mit geringem Einkommen unter diesen Umständen auf Verhütung verzichten oder unsichere Methoden anwenden mit der Folge vermehrter ungewollter Schwangerschaften. Das wiederum wird der sexuellen Selbstbestimmung in der Familienplanung nicht gerecht.
Diese Forderung - um einmal etwas historisch zu werden - ist nicht neu. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts hat die Philosophin und Aktivistin Helene Stöcker einen Bund für Mutterschutz und Sexualreform mit anderen zusammen gegründet. Schon 1905 wurde gefordert, dass ein freier Zugang zu Verhütungsmitteln ermöglicht werden sollte.
In der Kairoer Weltbevölkerungskonferenz von 1994, die von der UN einberufen wurde, wurde im Abschlussbericht ein Recht auf reproduktive Gesundheit formuliert. Darin wurde ein umfassendes Wohlergehen in ganz vielen reproduktiven Fragen gefordert, u. a. für die Familienplanung. Diese Weltbevölkerungskonferenz ist eine Abkehr von staatlichen Vorgaben, wie sich die Bevölkerung
entwickeln soll, und sozusagen ein gegenseitiger Meilenstein, damit sich die Bevölkerung aufgrund individueller Entscheidungen der jeweiligen Frauen und Männer entwickeln kann. Das ist insbesondere auch eine Stärkung der Frauenrechte; denn Frauen sollen über die Anzahl ihrer Kinder selbst entscheiden.
Ich glaube, das ist ein gutes Schlusswort. Ich freue mich auf die vielleicht auch kontroversen Auseinandersetzungen im Ausschuss.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hiebich
- Hiebing; ich bitte um Entschuldigung; das sollte nicht sein -, das Herstellen von Gleichstellung in den Lebensbereichen ist Verfassungsauftrag.
Das vergisst die CDU-Fraktion sehr gerne. Wenn wir uns die Veränderungen noch einmal vergegenwärtigen, die Ihre Regierung im Jahre 2005 vorgenommen hat und die zur Folge haben, den Arbeitsrahmen der Gleichstellungsbeauftragten auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fokussieren - so wichtig das Thema ist, so ist es doch nicht das einzige Thema von Gleichstellungsbeauftragten, und das führt letztlich zu einem Abdrängen ins Ehrenamt -, dann, meine ich, ist es ein bisschen zu wenig zu sagen, dass es hier nur auf Konnexitätsfragen ankäme. Ich hätte mir da von Ihnen noch ein bisschen mehr Aussagen dazu gewünscht, wie Sie die Arbeit von Gleichstellungsbeauftragten eigentlich sehen, und ich hätte mir gewünscht, dass Sie sie eigentlich ein bisschen mehr wertschätzen. Dies zeigt einfach, dass es für Sie nicht bedeutsam ist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, welche Auswirkungen die Städtebauförderung auf die Stabilität von Quartieren und ein gutes Wohnumfeld hat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dafür, dass Herr Bode uns gerade unterstellt hat, wir wollten geradewegs in den Staatssozialismus, hat uns Herr Jasper doch eine ganz erstaunliche Liste von Tätigkeiten vorgestellt, die der Staat übernehmen sollte.
Meine Damen und Herren, das Thema „Hausärztliche Versorgung in ländlichen Regionen“ treibt in Niedersachsen seit vielen Jahren alle Landesregierungen um. Es ist also kein neues Thema. Es
wird immer wieder intensiv debattiert. In den letzten Jahren gab es auch viele Anfragen dazu. Unsere letzte große Debatte haben wir im Jahr 2013 im Sozialausschuss geführt: zu den Themen Medizinstudium, Gestaltung des praktischen Jahrs, Delegationsmodelle, Substitutionsmodelle, Bedarfsplanung und Praxisgründungshilfen.
Im Blick auf den CDU-Antrag habe ich ein wenig spekuliert, warum Sie dieses Thema ausgerechnet jetzt wieder neu auflegen. Ich habe es in einen zeitlichen Zusammenhang mit der Gesundheitsministerkonferenz Ende Juni gebracht, die einen Maßnahmenkatalog zur Behebung der genannten Probleme verkündet hat. Bestandteil dieses Maßnahmenkatalogs war u. a. ein Masterplan für das Medizinstudium 2020. Dass Sie, Herr Jasper, sich als Sprachrohr des Hausärzteverbandes verstehen, haben Sie selbst gesagt - ich hatte den Antrag aber eher mit dieser Konferenz in Verbindung gebracht.
Dass wir auf dem Land dringend mehr Hausärzte brauchen, ist unstrittig. Darüber haben wir überhaupt keinen Dissens, ebenso wenig wie darüber, dass wir alle Anstrengungen unternehmen müssen, damit dieses Problem möglichst bewältigt wird. Für eine freiheitliche Gesellschaft wie uns ist das allerdings nicht ganz einfach: Auf der einen Seite sind wir verpflichtet, sicherzustellen, dass die Lebensbedingungen, zu denen auch die medizinische Versorgung gehört, möglichst überall im Lande gleich sind. Auf der anderen Seite können und wollen wir Menschen aber auch nicht vorschreiben, welche Berufe sie zu ergreifen und wo sie sie auszuüben haben.
In einem solchen Fall kann man immer nur eine Mixtur aus verschiedenen Maßnahmen ergreifen, hier: die Attraktivität des Berufes fördern, Niederlassungen fördern usw. Aber das geschieht ja auch. Ich vermute, dass Frau Ministerin Rundt gleich noch detailliertere Ausführungen dazu machen wird, was in den letzten Jahren passiert ist.
- Wenn Sie es so verstehen, Herr Siemer!
Die Stichworte sind schon gefallen. Die Landesregierung hat u. a. die Gesundheitsregionen weiter vorangebracht, sie hat eine Vergütung für PJ-Studenten im Fach „Allgemeinmedizin“ aufgelegt, und sie hat einige Praxisgründungshilfen gegeben.
Jetzt möchte ich noch auf den Masterplan „Medizinstudium“ der Gesundheitsministerkonferenz eingehen. Dieser nimmt das Studium in den Blick, um einem drohenden Versorgungsmangel zu begegnen. Wenn Sie es verfolgt haben - das ist bisher nicht unwidersprochen geblieben. Die Vertretung der Medizinstudierenden, der Marburger Bund und auch der Medizinische Fakultätentag warnen in diesem Zusammenhang davor, sich das Studium zurechtzuschnitzen, um damit einen - fraglos drohenden - Versorgungsmangel zu beheben. Mit solchen Maßnahmen ist vorsichtig umzugehen.
Dazu muss man auch sagen: Jede Fachgesellschaft streitet natürlich für die Bedeutung ihres Faches, so auch die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin. Der hohe Wert einer einheitlichen ärztlichen Ausbildung wurde im 19. Jahrhundert bis Anfang des 20. Jahrhunderts erstritten, um sich gegenüber allen möglichen auf diesem Feld vorhandenen Berufsgruppen abgrenzen zu können. Insofern ist es ein hoher Wert, dass wir heute überall im Land einheitliche Lehr- und Prüfungsstandards haben. Plakativ gesagt: Da, wo „Arzt“ draufsteht, ist in ganz Deutschland auch „Arzt“ drin.
Ich will noch einmal kurz durch Ihre Forderungen gehen. Wir werden darüber ja noch intensiver im Ausschuss debattieren.
Für die Nrn. 1 und 2 sind Landesregierungen nicht zuständig. Trotzdem kann man natürlich Anstrengungen unternehmen.
Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und der Medizinische Fakultätentag haben sich nach einem jahrelangen Streit jüngst darauf geeinigt, genau die Forderungen umzusetzen, die Sie - ich sage einmal: wohlfeil - als allererste formuliert haben, nämlich die Einteilung des praktischen Jahres in Quartale statt in Tertiale und die Einführung eines verpflichtenden Quartals Allgemeinmedizin. Darüber besteht inzwischen bei den Fachleuten Einigkeit. Das wird sicherlich auch durchgehen und kann eben den Erfahrungshorizont der Studenten in dem Sinne erweitern, dass sie es überhaupt in den Blick nehmen, Allgemeinarzt zu werden.
Mit der Einführung einer Prüfung im dritten Staatsexamen würde die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin den Wert des Faches Allgemeinmedizin innerhalb der Medizin erhöhen. Ob es die Aufgabe einer Landesregierung ist, dieser innermedizinischen Strategie nachzugeben, müsste
man diskutieren. Ich halte es eher nicht für sinnvoll.
Wenn man auf die Nr. 2 guckt: Der Hausärztemangel ist inzwischen auch bei Studierenden hinreichend bekannt. Die Struktur des Faches Allgemeinmedizin im Studium ist verbessert worden. Es gibt mehr Praxisanteile. Die medizinischen Fakultäten haben sich in den letzten Jahren sehr viel Mühe gegeben, damit Studierende die Arbeit kennenlernen und auch lieben lernen können. Ob eine Kampagne weiterhilft, wage ich eher zu bezweifeln. Aber auch darüber können wir diskutieren.
Weiterbildungsstellen für Allgemeinmediziner an Krankenhäusern - das hat mich etwas irritiert. Es gibt solche Weiterbildungsstellen. Diese sind aber in den Fächern Innere Medizin und Chirurgie sowieso vorgeschrieben. Sie sind auch in kleineren und größeren Krankenhäusern vorhanden und werden von angehenden Allgemeinärzten in Anspruch genommen. Insofern kann ich nicht allzu viel mit dieser Forderung anfangen. Aber auch darüber diskutieren wir sicherlich noch.
Die Nr. 3 halte ich für wichtig. Die Bedarfsplanung ist ein sehr wichtiger Aspekt, den wir im Ausschuss gründlich diskutieren sollten. Ich sage ganz zum Schluss noch einen Satz dazu.
Die Niederlassungsförderung wird durch das Land, verschiedene Kommunen und die KV bereits betrieben. Ich lese regelmäßig im Niedersächsischen Ärzteblatt, dass an diversen Stellen Niedersachsens kreative, neue Praxismodelle erfunden worden sind, eben unter Beteiligung der genannten Kommunen und der KV.
Delegationsmodelle - Sie hatten das VERAH-Modell angesprochen - sind erprobt. Wir haben das bereits 2013 diskutiert. Wir haben vor drei Jahren aber auch gesagt, dass wir Substitutionsmodelle noch stärker in den Blick nehmen wollen, nicht nur unter der Leitung des Hausarztes, sondern auch die selbstständige Übernahme in teilärztlichen Aktivitäten durch Pflegepersonen.
Die Anpassung der Versorgungsstrukturen sprechen Sie in Ihrem letzten Punkt an. MVZs sind aus unserer Sicht sehr zu begrüßen - die gibt es ja schon - und auch andere Formen von Angestelltenpraxen, die möglicherweise durch die KV betrieben werden, damit man regelmäßige Arbeitszeiten, regelmäßige Urlaubszeiten und Ähnliches gewährleisten kann und damit die Arbeit für junge Mediziner attraktiv wird.
Zusammenfassend kann ich sagen: Es passiert bereits viel von dem, was gefordert wird. Aus meiner Sicht ist es notwendig, die Grundstrukturen der medizinischen Versorgung anders zu denken. Ich formuliere es einmal etwas provokant: Das alte Hausarztmodell, für das Ärztevereinigungen seit der Weimarer Zeit gestritten haben und das über die politischen Systeme hinweg immer weiter ausgebaut und stabilisiert wurde, hat ausgedient. Wir müssen unter Einbeziehung von neuen Bedarfsberechnungen, Telemedizin, Substitutionsmodellen und einer Verknüpfung von ambulanter und stationärer Versorgung die flächendeckende hausärztliche und wahrscheinlich auch die fachärztliche Versorgung neu denken.
Dazu haben wir dann im Ausschuss Gelegenheit. Ich bin gespannt auf die Beratung und danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Gesetz über die Übertragung von Aufgaben der klinischen Krebsregistrierung in Niedersachsen wird ein Teilstück des Nationalen Krebsplanes in die Tat umgesetzt.
In Deutschland sterben weit über 200 000 Menschen jährlich an Krebserkrankungen. Fast 500 000 Menschen erkranken jährlich neu an Krebs. Die Tendenz ist steigend, weil Krebs statistisch eine Erkrankung des alternden Menschen ist und Deutschland älter wird. Nach Herz-KreislaufErkrankungen ist Krebs die zweithäufigste Todesursache in Deutschland. Das war Grund genug für die Deutsche Krebsgesellschaft, die Deutsche Krebshilfe und die Arbeitsgemeinschaft deutscher Tumorzentren, gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit 2008 den Nationalen Krebsplan zu initiieren, um durch eine Vielzahl von Maßnahmen die Behandlungserfolge bei den Krebstherapien zu erhöhen.
Im Rahmen des Nationalen Krebsplans trat 2013 das Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz in Kraft, das die Bundesländer dazu verpflichtet, klinische Krebsregister aufzubauen. Diese klinischen Krebsregister erfassen alle behandelten Krebsfälle mit Angaben zur Behandlung, Therapie, Nachsorge, zu Rezidiven und Verläufen bis hin zum Versterben der Patienten.
Diese Form der Verlaufsbeobachtung hilft erstens allen von dieser Erkrankung Betroffenen. Zweitens haben die behandelnden Ärzte Erkenntnisgewinne.
Drittens können endlich zusammenhängende wissenschaftliche Auswertungen vorgenommen werden. Viertens tragen flächendeckende Daten zur Qualitätssicherung und -steigerung der Therapien bei. Fünftens bekommen die Kostenträger mehr Informationen zur Planung gesundheitspolitischer Maßnahmen.
Die klinischen Krebsregister erheben in großem Umfang Daten, die in die Beratung und Entscheidungen über Behandlungsschritte der Patientinnen und Patienten einfließen, wenn einzelfallbezogene Tumorkonferenzen und onkologische Konsile gemacht werden.
Auch sozialpolitisch sind diese Daten von großer Bedeutung, weil Krebs - etwas platt gesprochen - mehr und mehr vom Todesurteil zur chronischen Erkrankung wird, mit der viele Erkrankte heute Gott sei Dank viele Jahre leben können. Dabei sind sie aber nicht mehr oder nicht mehr voll erwerbstätig, was gravierende Auswirkungen auf die Lebensumstände der betroffenen Familien hat und auch neue Herausforderungen für unsere Sozialversicherungen mit sich bringt.
Die klinischen Krebsregister sind also auch für die zukünftige Politikplanung von großer Bedeutung. Daher freuen wir uns nun, den Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen, damit möglichst bald die Daten erhoben werden können.
In den Ausschussberatungen wurde ausführlich über die Form der zu errichtenden Anstalt diskutiert. Daher haben sie länger gedauert, als wir eigentlich wollten. Aus dem anfangs von mir geschilderten Sachverhalt können Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ermessen, dass jeder weitere Monat, der verstreicht, von Nachteil für die Erkrankten und auch für uns alle ist. Wir haben uns letztlich für eine sehr schlanke Form des Gesetzes als ersten Schritt entschieden, indem wir der Ärztekammer und der Zahnärztekammer diese Aufgabe übertragen haben. Die beiden Kammern sind eingespielte und zuverlässige Partner in der Zusammenarbeit mit dem Land Niedersachsen. Sie haben sich sehr schnell bereitgefunden, die Aufgabe zu übernehmen, ein solches Register aufzubauen. Die Ärztekammern können sicherstellen, dass die notwendige fachliche Expertise bereitgestellt wird und die notwendigen landesweiten Fallmeldungen kontinuierlich erfolgen.
Beim ersten Gesetzentwurf, den wir diskutiert haben, hatte der GBD verfassungsrechtliche Bedenken geäußert, weil Aufgaben- und Errichtungslast auseinandergefallen wären. Man muss angesichts
der Kritik der Opposition sehen, dass alle 16 Bundesländer jeweils eine eigene Form der Institutionalisierung gewählt haben.
Wir haben im Ausschuss in der Sache stets im Konsens diskutieren können. Niemand stellt inhaltlich die Bedeutung eines solchen Registers infrage - abgesehen davon, dass die Aufgabe vom Bund vorgegeben wurde.
Die Opposition hätte lieber eine andere Form der Institution gewählt. Daher können wir dieses gesundheits- und sozialpolitisch außerordentlich wichtige Gesetz nicht fraktionsübergreifend verabschieden.
Uns war wichtig, die Ärztekammern jetzt zügig in die Lage zu versetzen, mit dem Aufbau der Organisation beginnen zu können. In einem zweiten Schritt wird in einem weiteren Gesetz die genauere Ausgestaltung festgelegt werden.
Mit der Verabschiedung des Gesetzes heute leistet Niedersachsen einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Versorgung Krebskranker. Ich persönlich freue mich darüber, dass ich in dieser Wahlperiode daran mitwirken kann.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesem Jahr begehen wir den 300. Todestag des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz. Einer seiner folgenreichsten Einfälle war der binäre Zahlencode, die Grundlage für moderne Rechenmaschinen, modern gesprochen: für die Digitalisierung.