Karl-Martin Hentschel

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich für die beiden Berichte der Landesregierung.
Wir haben Ihnen heute zwei Anträge vorgelegt: einen Antrag zur Stilllegung des Atomkraftwerks Krümmel und einen Antrag, der fordert, dass Schleswig-Holstein seine Energiepolitik an dem Ziel einer 100-prozentigen Versorgung mit erneuerbaren Energien im Strombereich ausrichtet. Wir haben also reichlich Stoff zu diskutieren, und das ist gut so. Denn nichts ist so entscheidend für unsere Zukunft wie die Klima- und Energiepolitik von heute.
Meine Damen und Herren, die Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke gehört zu den wichtigsten Vorhaben der angestrebten Koalition von CDU und FDP im Bund.
Die Bundeswissenschaftsministerin Schavan hat sogar eine Studie erstellen lassen - wie gestern bekannt wurde - mit dem Ziel, den Neubau von Atomkraftwerken wieder zuzulassen.
Die Betreiber und Lieferanten von Atomkraftwerken wittern Morgenluft und hoffen, im Zuge der Klimakrise mit ihrer angeblich CO2-freien Kernkraft wieder mehr Akzeptanz zu erreichen. Dazu haben sie Millionen Euro in massive Werbekampagnen investiert.
An der Börse gab es schon Aktienhöhenflüge für Atomkonzerne, denn es winken milliardenschwere Extraprofite.
Dafür sollen CDU und FDP - nach Berichten der „Financial Times Deutschland“ - Parteispenden in sechsstelliger Höhe von den Atomkonzernen bekommen haben.
Aber der Plan droht nun zu scheitern. Der Grund dafür hat einen Namen, und der Name heißt Krümmel. Zum Entsetzen der gesamten Atomgemeinde hat Vattenfall alles falsch gemacht, was falsch zu machen war.
Ein Gutachten der SCEE zeigt gnadenlos auf, welche beispiellose Pannenserie sich innerhalb der 18 Tage zwischen dem Wiederanfahren am 16. Juni 2009 und der Schnellabschaltung am 4. Juli 2009 abgespielt hat.
Es gab ein Leck am Turbinenkondensator, Fehler eines Turbinenstellventils, es gab einen Arbeitsunfall.
Es gab eine Turbinenschnellabschaltung, es gab Fehler an der Speisewasserpumpe, die Reaktorschnellabschaltung, Anormalitäten bei dieser Abschaltung und am Schluss das verspätete Informieren der Atomaufsicht. Das alles innerhalb von zwei Wochen.
Das ist nicht das erste Mal passiert. Es war bereits das vierte Mal, dass wir so etwas erleben mussten. Danach blieb auch Ministerpräsident Carstensen nichts anderes übrig, als sich von Vattenfall zu distanzieren. Nun will unser Ministerpräsident Vattenfall - wie er wiederum erklärt hat - allerdings noch eine Chance geben.
Aber zum Glück entscheidet nicht er darüber, sondern die Atomaufsicht. Krümmel darf aber auf keinen Fall wieder angefahren werden, bevor die Prüfung der Zuverlässigkeit abgeschlossen ist.
Wenn aber die Unzuverlässigkeit des Betreibers Vattenfall festgestellt wird, dann darf es keine politischen Rücksichtnahmen geben.
Dann muss die Betriebserlaubnis entzogen werden. Das wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit das endgültige Aus für Krümmel,
da Krümmel nach dem heutigen Stand der Technik keine neue Zulassung mehr bekommen würde.
Für die Zukunft wollen wir aber -
Herr Kubicki, ich verstehe die Aufregung. Das ist eine schwierige Debatte, und es ist auch für Sie eine schwierige Situation.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD - Wolfgang Ku- (Karl-Martin Hentschel)
Deutschland muss wieder Vorbild werden, weil wir nur dann Technologieführer sein können. Nur dann werden die Schwellenländer folgen, in denen der CO2-Ausstoß am schnellsten wächst.
Weltweit wurden 2008 die meisten Windkraftwerke in den USA gebaut, an zweiter Stelle liegt China, auf Platz drei Indien und dann Spanien. Deutschland folgt weit abgeschlagen im Mittelfeld. Wir müssen wieder an die Spitze. Deutschland muss im Bereich der erneuerbaren Energien wieder an der Spitze stehen.
Wir müssen die Chancen, die wir unter Rot-Grün aufgebaut haben, nutzen, aber nicht kaputt machen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal würde ich mir wünschen, dass es in diesem Haus einen gemeinsamen Antrag gibt, weil ich glaube, dass die beiden Anträge gar nicht so weit auseinander liegen. Die verschiedenen Wege, die man auf dem Weg zum Ziel beschreiten will, ergänzen sich eher, wobei man gucken muss, welchen Weg man beschreitet, möglicherweise den einen oder den anderen. Wenn es nicht zu einem gemeinsamen Antrag kommen sollte, bitte ich um getrennte Abstimmung. Dann werden wir beiden Anträgen zustimmen, damit beide Anträge im Haus eine Mehrheit finden.
Zweitens: Unterschiede zwischen CO2 aus Kohle und CO2 aus Biomasse sind hier vonseiten der CDU erfragt worden. Der Unterschied besteht darin: Wenn ich bei Kohle CCS-Technologie anwende, wird trotzdem erheblich CO2 produziert, und zwar netto immer noch mehr als bei der Gasverbrennung. Das ist kein Ausstieg aus der fossilen Energie. Wenn ich CO2 aus Biomasse versenke, dann bedeutet das, dass ich 100 % von dem CO2 versenke, was vorher durch die Biomasse aus der Atmosphäre herausgezogen wurde. Damit hat man eine Netto-Vernichtung von CO2. Das ist übrigens die einzige bekannte Möglichkeit, netto CO2 aus der Atmosphäre
wieder herauszuziehen. Das ist keine kurzfristige, sondern langfristig ist es eine spannende Angelegenheit.
Was wir ablehnen, ist, CO2-Versenkung als Legitimationsstrategie für Kohlekraftwerkbau zu nutzen, wie es massiv in den letzten Jahren versucht wurde. Dagegen werden wir weiter mit allen Kräften kämpfen.
Letzte Bemerkung zum Weltklimarat: Der Weltklimarat hat nicht immer Recht. Er hat Wege beschrieben, aber er hat auch Punkte benannt, die wir nicht teilen. Zum Beispiel hat sich der Weltklimarat durchaus auch für Atomkraft eingesetzt. Ich glaube aber, dass das eine falsche Strategie ist und nicht viel bringt. Darüber wird auch diskutiert. Herr Hohmeyer sieht das genauso wie wir. Auch er sieht eine Reihe von Punkten anders als der Weltklimarat. Das gilt auch für die CCS-Frage. Natürlich müssen auch die Berichte - der Weltklimarat setzt sich aus vielen Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Ländern zusammen - und das, was dort vorgeschlagen wurde, kritisch diskutiert werden. Wir glauben, dass wir als Bundesrepublik in all diesen Fragen eine gute Chance, aber auch Verpflichtung haben, Vorreiter zu sein. Ich glaube, wenn wir es schaffen, in diesen Fragen Vorreiter zu sein, werden wir letztlich sogar den Nutzen davon haben.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es stimmt, Rot-Grün hat ALG II eingeführt und Arbeitslosengeld und Sozialhilfe zusammengelegt. Seit das im Januar 2005 gemacht wurde, ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse in Deutschland um über 1,5 Millionen gestiegen. Vorher ist sie 40 Jahre lang bei jeder Krise gesunken, bei allen möglichen Regierungen. Erst nach 2005 ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse zum ersten
Mal wieder gestiegen und sind die Arbeitslosenzahlen von über 5 Millionen auf 3 Millionen heruntergegangen. Das war ein Erfolg, und zu diesem Erfolg stehe ich auch trotz der sozialpolitischen Schwierigkeiten, die damit verbunden sind.
Das zum Ersten.
Zum Zweiten: Es war aber ein Fehler, dass wir nicht gleichzeitig einen Mindestlohn eingeführt haben. Denn die Einführung von ALG II hat den Arbeitgebern ermöglicht, Mini-Löhne zu zahlen, die anschließend vom Staat mit Steuergeldern aufgestockt worden sind. Das war der Fehler. Deswegen muss dieser Fehler korrigiert werden. Deswegen ist es auch richtig, wenn wir für Mindestlöhne eintreten, und es ist auch systemkonform. Das ist auch der Grund, warum in den meisten europäischen Ländern das Gleiche getan wird.
Jetzt noch einmal zu der Frage, ob Arbeitsplätze verloren gehen. Das ist ein klassisches Argument. Opel ist eben genannt worden. Es ist nicht die hochtechnisierte Industrie, die Niedriglöhne zahlt, sondern die Niedriglöhne werden überwiegend im Dienstleistungsbereich und überwiegend bei weiblichen Arbeitnehmerinnen bezahlt. Das sind alles Arbeitskräfte wie Friseurinnen, Verkäuferinnen oder Reinigungskräfte, die ihre Arbeit hier machen müssen. Diese Arbeiten laufen nicht ins Ausland davon. Keine dieser Arbeiten kann im Ausland erledigt werden. Man kann weder vom Ausland aus die Wohnung reinigen, noch kann man die Haare im Ausland schneiden, noch kann man in Supermärkten im Ausland bedienen. Das sind alles Arbeiten, die hier gemacht werden müssen und auch hier gemacht würden und nicht verloren gingen.
Deswegen ist es ein falsches Argument, das vorgetragen worden ist.
Das letzte Argument: Deutschland hat im Vergleich zu den meisten OECD-Ländern ein Problem: Wir sind ein reiches Land, wir haben aber immer noch einen schlechten Stand bei der Binnenkonjunktur.
In Deutschland ist die Situation so, dass wir, obwohl wir Exportüberschüsse noch und nöcher haben, es nicht schaffen, das Geld, das Deutschland durch die Exportüberschüsse einnimmt, die riesigen
Milliarden, die jedes Jahr dadurch verdient werden, intern in Deutschland so umzuverteilen, dass alle Menschen etwas davon haben. Deswegen ist ein Mindestlohn auch für die Binnenkonjunktur und auch für die deutsche Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Das ist übrigens eine Erkenntnis, die der alte Henry Ford schon damals gehabt hat, als er gesagt hat: Die Arbeiter müssen Autos kaufen können, sonst kann die Autoindustrie nicht funktionieren. Wir müssen dafür sorgen, dass wir diesen Dumpingbereich aufheben, damit die Binnenkonjunktur in Deutschland in Ordnung kommt und damit der Wohlstand auch alle Schichten ergreift.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich bin ein bisschen traurig, dass uns ein Landesminister hier ununterbrochen Reden vorliest, die ihm sein Haus aufgeschrieben hat, und gar nicht zuhört, was hier in der Debatte gesagt wird und worum es eigentlich geht.
Das ist jetzt wiederholt passiert. Ich finde, so etwas geht überhaupt nicht. Ich erwarte von einem Minister, dass er in der Lage ist, auf eine Debatte einzugehen.
Wir haben im Baubereich allgemeinverbindliche Tarifverträge in Schleswig-Holstein, also ist das Tarifvertragsgesetz gültig, und es ist auch nicht von der EU aufgehoben worden. Das ist doch völliger Unsinn. Es ist nur in dem Bereich aufgehoben worden, in denen es keine gültigen Tarifverträge gibt. Aber da, wo sie gültig sind, existiert es. Und der Baubereich ist nun einmal der wichtigste Bereich für öffentliche Aufträge. Also was erzählen Sie eigentlich?
Ich bin über das, was Sie als Wirtschaftsminister hier verzapfen, wirklich ein bisschen fassungslos. Im ÖPNV und im Abfallbereich waren wir uns immer alle einig, dass wir tarifliche Regelungen wollen. Es ging von der Abfallwirtschaftsgesellschaft Nordfriesland aus. Damals waren es CDULeute, die gesagt haben: Wir müssen eine Regelung finden, sonst kriegen wir Billigangebote. Wir wollen unsere Leute in Nordfriesland weiter beschäftigen. Und wir wollen keine Billigangebote aus dem Rheinland. Ich glaube, es ging damals von RWE aus. Damals haben wir mit Ihnen zusammen diesen Tarifvertrag genau aus dem Grunde gemacht. Was
wir brauchen, wäre für diesen Bereich eine Art von Allgemeinverbindlichkeitserklärung für SchleswigHolstein. Und genau das sollten wir tun.
Im Bahnbereich ist es ähnlich. Im Bahnbereich ging es darum, dass wir - übrigens mit Unterstützung der CDU auf Initiative der Grünen - im Land eingeführt haben, dass es einen Wettbewerb im Bahnbereich gibt. Es ist damals mit Peer Steinbrück initiiert worden, dass wir die Bahnlinien ausschreiben. Man muss doch erwarten - das war immer die Befürchtung -, dass, wenn wir die Bahnlinien ausschreiben, dann nicht der Konkurrent - damals war es die Nord-Ostee-Bahn an der Ostküste - deswegen gewinnt, weil er Billiglöhne zahlt, sondern dass er gewinnt, weil er bessere Angebote macht, bessere Qualität bringt und weil er es schafft, durch bessere Werbung und besseren Service mehr Fahrgäste zu holen.
Das ist auch erfolgreich gelungen. Genau das ist gelungen. Und dann ist es doch richtig - und das war immer eine Position, ich war damals neun Jahre im Wirtschaftsausschuss und weiß es -, dass alle diese Anträge damals gemeinsam mit der CDU verabschiedet und von der CDU mitgetragen worden sind. Das war genau dieser Prozess, weil alle sagen, dass es notwendig und sinnvoll ist. Wir haben Betriebsbesuche gemacht und mit den Leuten geredet. Genau das war einvernehmlich vereinbart. Wir müssen jetzt den nächsten Schritt tun und die Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklären. Das ist völlig richtig.
Aber sich jetzt daraus zu verabschieden, das kann nicht sein, das ist noch nie CDU-Politik gewesen, und das ist ein erbärmliches Zeugnis, wenn Sie das tun.
Herr Wadephul, ich habe nicht ganz verstanden, worauf Sie hinaus wollen. Ist es richtig, dass Sie gerade versuchen zu begründen, warum Sie der Resolution des Innen- und Rechtsausschusses, die von Grünen, FDP und SPD eingebracht worden ist und die Sie dort abgelehnt haben, jetzt doch zustimmen wollen?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die finanzielle Lage des Landes ist schlimmer als je zuvor. SPD, FDP und Grüne haben im Innen- und Rechtsausschuss gemeinsam den jetzt vorliegenden Antrag verabschiedet. Die CDU war dagegen. Herr Wadephul hat eben versucht zu erklären, warum er eventuell doch dafür ist. Ich kenne die Tänze Tango, Cha-cha-cha und Walzer. Diese Art von Eiertanz war mir neu.
Der vorliegende Antrag hat drei Teile. Erstens wollen wir beschließen, dass das Land Klage gegen die Schuldenregelung in Artikel 109 Grundgesetz erhebt. Zweitens erklären wird unmissverständlich, dass wir statt der Bundesregelung eine Schuldenbremse in die Verfassung des Landes SchleswigHolstein aufnehmen wollen.
Da meine Vorredner die Notwendigkeit dieser beiden Punkte ausführlich begründet haben, werde ich auf diese Punkte jetzt nicht weiter eingehen. Wir Grünen haben in diesem Landtag als Erste eine Verfassungsänderung vorgelegt, die nach unserer Auffassung noch deutlicher ist als das, was der Kollege Kayenburg vorgelegt hat. Darüber kann man in der nächsten Legislaturperiode diskutieren. Wir haben ohne Zweifel klargemacht, dass wir eine Schuldenbremse für notwendig halten. Dazu stehen wir.
Der dritte Punkt der Resolution, über den ich jetzt reden will, fordert die Landesregierung auf, ein konkretes Konzept darüber vorzulegen, wie der Abbau der strukturellen Neuverschuldung bis 2020 erfolgen soll. Nur wenn wir das wissen, können wir konkret festlegen, wie eine Schuldenbremse aussehen soll.
Deswegen habe ich im Innen- und Rechtsausschuss beantragt, die Abstimmung über die Verfassungsänderung zu vertagen. Wir brauchen mehr als einen Satz in der Verfassung, der besagt, dass das Land
keine Schulden mehr machen darf. Nachher verstößt die Regierung dagegen, weil sie nicht anders kann. Wir brauchen ein Konzept, wir brauchen eine neue Finanzverfassung. Wahrscheinlich brauchen wir sogar eine Finanzverfassung für Deutschland. Wenn es aber - wie beide großen Parteien es im Ausschuss angestrebt haben - heute schon zu einer Abstimmung über die Verfassungsänderung kommen sollte, dann werden wir aus unserer grundsätzlichen Überzeugung heraus dafür stimmen, weil wir nicht gegen eine solche Änderung stimmen werden. Das gilt auch, wenn wir in einigen Punkten unterschiedliche Auffassungen haben. Ich sage das als eine klare Ankündigung. Ich hoffe, dass wir hier zu einer Einigung kommen.
Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung hat in seiner Stellungnahme zur geplanten Schuldenbremse in Schleswig-Holstein dargestellt, wie aussichtslos die finanzielle Lage des Landes ist. Das Institut hat das strukturelle Defizit des Landes auch zu meiner Überraschung mit circa 1,4 Milliarden € bewertet. Zugleich hat es unsere Rechnung bestätigt, dass alle von CDU und SPD in ihrem Konzept im Juli vorgeschlagenen Maßnahmen bis 2020 nur ein Einsparvolumen von circa 300 Millionen € erbringen. Es bleibt also selbst nach dem Abbau von 4.800 Stellen im Bereich der Landesbeschäftigen immer noch ein Defizit von circa 1 Milliarde €. Wollten wir das durch Personalabbau decken, dann müsste fast die Hälfte aller Landesbediensteten entlassen werden. Das ist offensichtlich nicht möglich.
Das ist nicht alles. Deutschland muss in den kommenden Jahren die Bildungsausgaben auf 7 % des Bruttoinlandprodukts steigern, darüber sind sich alle klar. Um das zu realisieren, müsste das Land ungefähr eine weitere Milliarde für Schulen, Kitas, Universitäten, Berufsbildungszentren und Weiterbildungseinrichtungen ausgeben. Außerdem müssen das Land und der Bund in den kommenden Jahren einen gigantischen Ausbau des Pflege- und des Gesundheitssystems stemmen, um der Demografieentwicklung gerecht zu werden. Wer sich das alles klarmacht, der versteht, warum meine Fraktion immer wieder gefordert hat, dass die Landesregierung ein realistisches Konzept darüber vorlegt, wie die Schuldenbremse umgesetzt werden kann.
Wer eine Schuldenbremse beschließt, ohne zu wissen, wie diese umgesetzt werden kann, wer dann
wie FDP und CDU auf Bundesebene - noch die Steuern senken will, der amputiert sich selbst und hat noch nicht einmal eine Krücke, um sich zukünftig bewegen zu können.
Ich habe mir die Geschichte der Verschuldung Schleswig-Holsteins sehr genau angeschaut. Ich denke, jeder, der darüber redet, sollte sie kennen. Alle sind schuld. In den 70er-Jahren war ein Wachstum der Einnahmen von 10 % jährlich noch normal. Trotzdem wuchs damals die Neuverschuldung in Schleswig-Holstein jährlich im Durchschnitt um über 10 %. Das ist heute nicht mehr vorstellbar.
In den 80er-Jahren lag die Neuverschuldung achtmal über 10 % - und das bei Wachstumsraten, die immer noch durchschnittlich über 3 % lagen. In den 90er-Jahren wurde die Neuverschuldung zwar langsam gesenkt, aber leider sanken auch die Einnahmen. Erst 1999 wurde der bisherige Tiefstand der Neuverschuldung von 5,8 % erreicht. Doch dann sanken sechs Jahre lang die Einnahmen absolut, und die Neuverschuldung wurde wieder zweistellig.
Als dann 2006 und 2007 die Einnahmen wieder sprudelten und wir Wachstumsraten um 7,2 und 8,7 % hatten, war wieder alles vergessen. Die Große Koalition wiegte sich in Sicherheit, glaubte, es ginge so weiter, und die Sparbemühungen wurden wieder einmal eingestellt.
Meine Damen und Herren, wenn jetzt aus den Reihen der Union gesagt wird, man brauchte Wachstum, dann würde das mit der Schuldenbremse schon werden, dann ist das angesichts der Zahlen nur noch lächerlich.
Ich erinnere mich noch, wie wir unter Rot-Grün über Kitakosten gestritten haben. Damals wollten CDU-Opposition und unser Koalitionspartner SPD in der Regierung die Gruppengrößen auf über 20 Kinder erhöhen, damit die Kommunen Geld sparen. Das haben wir Grüne damals verhindert. An kostenlose Kindergärten wagten wir überhaupt nicht zu denken.
Jetzt haben beide großen Parteien beschlossen, ein Jahr kostenlos zu machen, und die SPD will die Gebühren komplett abschaffen.
Hat sich irgendetwas an der Finanzlage geändert?
- Ja, sie ist schlechter geworden, genau. Aber angesichts der schauerlichen Prognosen bei Umfragen ist den Carstensens und Stegners dieser Welt anscheinend alles egal. Zu dieser Vogel-Strauß-Politik gehört auch, wenn CDU und FDP heute über die Schuldenbremse beschließen wollen - Sie haben im Ausschuss zugestimmt, Herr Kollege, das hat sich ja zum Glück geändert - und ihre Bundesparteien zugleich Steuersenkungen in Höhe von 50 Milliarden € versprechen. Wer das beschließt und so in den Wahlkampf geht, den interessiert überhaupt nicht mehr, was aus dem Land wird. Wahlkampf ist alles, und nach Ihnen kommt die Sintflut.
Meine Damen und Herren, so geht es nicht. Aber ich möchte Ihnen Hoffnung machen, wie es geht. Denn unsere nördlichen Nachbarn Dänemark und Schweden haben in den letzten 15 Jahren genau das bewältigt. Sie waren vor 15 Jahren genau in der Lage, in der wir heute sind, und haben die Kehrtwende hingekriegt. Dort wird das Sozialsystem überwiegend von den Kommunen organisiert. Schulen, Kitas, Alten- und Pflegeheime, Krankenhäuser, Arztversorgung, Arbeitsvermittlung und öffentlicher Verkehr sind kommunal. Die Kommunen dürfen keine Schulden machen, aber sie dürfen über ihre Einnahmen selbst bestimmen.
Dänemark hat nichts an Ressourcen, was nicht auch wir haben, keine Bodenschätze, aber viel Wind. Und trotzdem: Die Arbeitslosigkeit liegt bei 4 %, der Staatshaushalt liegt seit Jahren im Plus. Schulen und Pflegeheime sind gut ausgestattet und das Personal gut bezahlt.
Der grundlegende Unterschied zwischen Dänemark und Deutschland drückt sich in zwei Zahlen aus: In Dänemark werden zwei Drittel aller Staatsausgaben von den Kommunen getätigt. In Deutschland sind es 15 %, also ein Sechstel. Das ist der erste Unterschied.
Der zweite Unterschied ist - der hängt damit zusammen - : Die Dänen sind bereit, höhere Steuern zu zahlen.
Ich bin sicher: Wenn unsere Kommunen selbst über ihre Einnahmen bestimmen könnten, dann wären die Menschen viel eher bereit, Steuern zu zahlen, dann hätten wir gut ausgestattete Schulen, Kinder
gärten und Pflegeheime, und der Staat hätte weniger Schulden.
Wer aber wie Schwarz-Gelb die Steuern senken will, der ruiniert nicht nur den Sozialstaat und das Bildungssystem.
Wer in der größten Finanzkrise des Landes verspricht, 50 Milliarden € an Steuern zu verschenken, der treibt diese Republik noch weiter in den Ruin.
Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Schuldenbremse. Aber auch eine Schuldenbremse ohne eine Änderung unserer Finanzverfassung wird die Probleme nicht lösen. Das gilt nicht nur für Schleswig-Holstein.
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen in BadenWürttemberg sagte mir neulich, dass die Finanzplanung für sein Land bis 2012 ein Defizit von 7 Milliarden € jährlich vorsieht. Niemand weiß mehr, wie das bewältigt werden soll, und das im reichsten Bundesland.
Noch schlimmer ist es in der Finanzmetropole Hessen. Dort brechen die Steuerzahlungen der Banken weg, auf denen der Wohlstand der Metropole Frankfurt und der gesamten Region begründet war.
Meine Damen und Herren, dies ist meine letzte Landtagstagung. Als scheidender Politiker könnte mir das alles egal sein, aber als Bürger dieses Landes, als Vater von Kindern und Großvater von Enkeln ist es mir nicht egal. Wir brauchen eine neue Finanzverfassung, damit unser Staat endlich wieder handlungsfähig wird, damit Regierungen endlich wieder Politik machen und gestalten können. Unser Präsident Kayenburg hat in der Föderalismuskommission den Mut gehabt, für die Steuerhoheit der Länder und Kommunen zu kämpfen. Aus heutiger Sicht war das geradezu visionär.
Auch wenn wir heute das Problem nicht lösen werden - wir beschließen heute den Start des Klageverfahrens und den Auftrag an die Landesregierung, ein Konzept zu erarbeiten. Wir schaffen Grundlagen, die nötig sind, damit über eine neue Finanzregelung beraten werden kann. Herr Kayenburg und ich werden dem neuen Landtag nicht mehr angehören. Diese Aufgabe zu lösen, hinterlassen wir Ihnen, die hier bleiben, und denen, die neu kommen.
Ich wünsche Ihnen und den neuen Abgeordneten Mut und Kraft, diese Aufgabe zu bewältigen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Koalition ist Geschichte. Ich hoffe, das bleibt so.
Dennoch vereint sie immer noch der Wille, die Demokratie zu schwächen. Was Sie hier mit dem Gesetz vorlegen, bedeutet, dass Sie, nachdem die Koalition beendet ist, es sich in der letzten Tagung des Landtags unbedingt noch leisten müssen, die Direktwahl der Landräte abzuschaffen. Ich finde das unglaublich.
Dass die SPD da auch noch auftritt und erzählt, dass es um eine Stärkung des Ehrenamtes gehe dann hätte sie das Gesetz doch gar nicht erst einbringen müssen! Was hier vorgelegt worden ist, bedeutet, dass die Öffentlichkeit des Verwaltungsausschusses, des ehemaligen Hauptausschusses, abgeschafft wird. Was hat das denn mit Stärkung von Ehrenamt zu tun?
Dass Sie Parteilosen oder Abgeordneten von Parteien, die nur als Einzelne in den Kreisrat gewählt werden, das Rede- und Antragsrecht nehmen wollen, was das mit Stärkung von Ehrenamt zu tun hat, verstehe ich überhaupt nicht.
Was Sie da gemacht haben, dient lediglich der Stärkung der großen Parteien und der Ausschaltung von kleinen. Das ist undemokratisch, und das können wir nicht mittragen.
Ich fasse die Initiative der Expartner zusammen: Lediglich auf die Abschaffung eines Stücks Demokratie konnte sich die ehemalige Große Koalition als kleinster gemeinsamer Nenner noch einigen. Damit setzt sie der Unfähigkeit und Erfolglosigkeit
ihrer vierjährigen Regierungszeit die Krone auf. Meine Fraktion wird das Gesetz ablehnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema Flüchtlings- und Einwanderungspolitik ist, glaube ich, ein ausgesprochen schwieriges Thema. Es beschäftigt mich seit vielen Jahren. Ich bin sehr froh, dass wir heute eine solche Resolution gemeinsam hinkriegen. Ich weiß, dass das Thema leicht anfällig für Populismus ist. Wir wissen alle, dass es ein schwieriges Thema ist und dass leicht damit Wahlkampf gemacht werden kann. Ich finde es gut - das geht auch an die Union hier in Schleswig-Holstein -, dass die Union auch in den letzten Wahlkämpfen nicht dem Versuch erlegen ist, damit Politik zu machen, wie das in anderen Bundesländern der Fall war.
Ich finde es schade, dass Sie heute nicht zustimmen können. Aber ich möchte durchaus meinen Respekt dafür aussprechen, dass diese billige Art von Politik nicht betrieben worden ist.
Ich weiß auch, dass es teilweise auch für die Sozialdemokratie schwierig ist; das ist völlig klar. Und dass die Situation in anderen Bundesländern anders ist, wissen wir auch. Ich sehe durchaus, dass in Schleswig-Holstein in vielen Bereichen Dinge liberaler oder freundlicher gehandhabt worden sind als in anderen Bundesländern. Aber ich sehe auch, dass es auch in Schleswig-Holstein erhebliche Probleme gibt, wenn ich zum Beispiel an die Betreuung von minderjährigen Jugendlichen denke, wenn ich an die Situation in Neumünster denke. Es gibt noch vieles zu tun, was wir tun könnten.
Das Bleiberecht ist für mich ein Herzensanliegen. Es kann nicht sein, dass Ende dieses Jahres praktisch qua Datum Tausende von Menschen in der Bundesrepublik ihr Aufenthaltsrecht verlieren. Das wäre wirklich furchtbar.
Das wäre völlig kontraproduktiv gegen alle Integrationsbemühungen.
Ich möchte noch etwas zu den Zahlen zum Resettlement sagen, weil das von Herrn Kubicki angesprochen worden ist. Ich respektiere, dass man darüber eine Anhörung machen möchte und dass man sich das genauer anguckt. Ich gehe von folgender Überlegung aus: Wenn wir 200.000 Menschen pro Jahr die Möglichkeit der Einwanderung nach Deutschland geben, dann heißt das, dass wir nicht in der Lage sind, unsere Bevölkerungsverluste durch geringe Geburtenzahlen auszugleichen. Wir werden dann trotzdem in den nächsten 30 Jahren einen massiven Bevölkerungsrückgang haben, selbst wenn wir jedes Jahr 200.000 Einwanderer haben. Das sagen die statistischen Zahlen. Die Frage ist: Wollen wir das, und wenn wir es wollen, wie kriegen wir eine vernünftige Integration, wie kriegen wir eine vernünftige Steuerung hin?
Ich gehe davon aus, dass man es quotieren sollte, dass man 100.000 Einwanderer im Sinne einer Green Card zulassen sollte, die sich bewerben können, wenn sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen, und die dann auch entsprechend selber die Voraussetzungen dafür liefern sollten, dass eine Integration ohne Probleme stattfinden kann.
Ich gehe davon aus, dass weitere 100.000 Menschen über Flüchtlingskontingente und andere Kontingente aufgenommen werden sollten, wobei ich das Resettlement-Programm das absolut span
nendste finde, weil es ein Programm ist, das anders als die bisherigen Programme nicht auf vorübergehenden Aufenthalt, sondern von Anfang an auf eine feste Eingliederung in Deutschland, in den Kommunen abzielt.
Ja, es tut mir leid. Wenn Sie mir noch einen letzten Gedanken gestatten.
Ja. Ich möchte noch einen Gedanken sagen, weil immer die Befürchtung herrscht, wer da alles kommt. Man darf die Flüchtlinge, die über ein Resettlement-Programm kommen, nicht mit Arbeitsmigranten vergleichen, die teilweise von ihren Qualifikationen her sehr große Integrationsprobleme haben. Die Menschen, die Flüchtlinge sind in der Regel aus der Mittelschicht ihrer Länder, es sind gebildete Menschen, die durchaus bereit sind, sich zu integrieren, und sehr viel zu dem beitragen können, was hier in Deutschland ist.
Von daher glaube ich, dass wir gerade im Bereich der Flüchtlinge die existierenden Ängste in der Öffentlichkeit abbauen und deutlicher und offener an das Thema herangehen sollten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Koalition ist gescheitert. Sie ist vordergründig gescheitert, weil die Akteure nicht miteinander konnten. Aber inhaltlich war sie schon längst am Ende. Sie hat seit mindestens zwei Jahren nichts mehr auf die Reihe bekommen und ist schließlich an der HSH Nord-Wand zerschellt.
Aber das Scheitern dieser Koalition ist nicht der Grund dafür, dass wir heute noch einmal zusammenkommen müssen. Dass die Koalition ausgerechnet jetzt beendet wurde, ist offensichtlich das Ergebnis des Machtkalküls von CDU-Strategen, die die Landtagswahl zusammen mit der Bundestagswahl durchführen wollen.
Sie tun das, weil sie befürchten, dass bis zum Mai nächsten Jahres die FDP wieder auf ein Normalmaß zurückgestutzt wird und dann angesichts der Finanzkrise, angesichts des Untersuchungsausschusses und angesichts neuer Horrormeldungen aus der HSH die CDU noch weiter in den Keller sinkt.
Der Vorwand für den Bruch, den Sie letzte Woche geliefert haben, Herr Carstensen, nämlich dass Ihr Koalitionspartner nicht zu den Entscheidungen über die HSH Nordbank steht, spricht Bände. Denn Ihre diesbezügliche Aussage - das ist hier ja ausführlich diskutiert worden -, das Gehalt von Nonnenmacher sei mit den Fraktionsspitzen abgestimmt, hat sich als frei erfundene Unwahrheit herausgestellt.
Natürlich haben Sie recht, wenn Sie sagen, dass Lothar Hay informiert war. Ich sage hier auch: Lothar Hay hätte, wenn er sein Amt ernsthaft wahrgenommen hätte, spätestens im November 2008 informiert sein können. Denn schließlich hat er all die Zeit im Aufsichtsrat der Bank gesessen und Zugriff auf alle Informationen gehabt. Natürlich erwartet man von einem Minister, der für die SPD-Seite im Aufsichtsrat sitzt, dass er mindestens seine eigene Fraktion informiert.
Aber, Herr Carstensen, dieses Chaos rechtfertigt nicht den einseitigen Bruch der Koalition. Wenn Sie eine Woche brauchen, um festzustellen, dass Sie eine Falschaussage gegenüber dem Parlament gemacht haben, dann können Sie hinterher nicht sagen, das sei ein Irrtum gewesen.
Ganz absurd aber war die Veranstaltung am letzten Mittwoch: Vormittags machen Sie noch auf ,,Friede, Freude, Eierkuchen“ und verabschieden im Landtag gemeinsam mit der SPD den Nachtragshaushalt, und abends erklären Sie nach einer Fraktionssitzung, jetzt könne man nicht mehr zusammen regieren. Das war unterirdisch.
Herr Carstensen, Sie sind schon lange nicht mehr Herr des Verfahrens. Sie unterschreiben Briefe, die Unwahrheiten enthalten, ohne sie gelesen zu haben. Sie erklären, dass für Sie die Vertrauensfrage nicht infrage kommt, und machen dann das Gegenteil. Sie erklären, dass Sie die SPD-Minister nicht entlassen wollen, weil Sie mit denen so gut zusammengearbeitet haben, und jagen sie dann wie Hunde vom Hof.
Längst diktieren Ihnen die Scharfmacher in Ihrer Partei den Weg. Der Bruch der Koalition genau zu diesem Zeitpunkt erweckt den Eindruck, Sie hätten sich zur Marionette von Parteistrategen gemacht.
Herr Carstensen, Ihr Vorgehen ist aber nicht nur politisch anrüchig, es ist auch, wie mir gestern in einer Runde von Juristen, mit denen ich mich darüber ausgetauscht habe, gesagt wurde, verfassungsrechtlich zumindest riskant. Es gibt drei verfassungsrechtliche Bedenken.
Die Vertrauensfrage ist für den Fall gedacht, dann, wenn der Ministerpräsident konkrete politische Entscheidungen für zwingend geboten hält, zu überprüfen, ob er dafür noch die Mehrheit hat. Damit kann er schwankende Koalitionspartner, die Teile seiner Politik nicht mehr mittragen wollen, zwingen, sich zu entscheiden. Entweder sie stützen ihn, oder er ruft Neuwahlen aus.
Genau diese Situation ist in Schleswig-Holstein aber nicht gegeben. Denn am Morgen des Koalitionsbruchs hat die Koalition noch den Haushalt und die Eckpunkte der Arbeit der Landesregierung ohne Abweichler verabschiedet. Das spricht aber dafür, dass es sich um keine eigentliche Vertrauensfrage im Sinne der Verfassung handelt.
Dazu kommt noch der Akt der Entlassung der SPDMinister. Sie haben bis zuletzt gesagt - das haben Sie heute wiederholt -, dass Sie mit den Ministerinnen und Ministern der SPD gut zusammengearbeitet haben. Es gab keine Differenzen, die öffentlich geworden sind. Es spricht deshalb Vieles dafür, dass Sie die Entlassung der Minister nur deshalb vorgenommen haben, um die SPD zu zwingen, in der Vertrauensfrage gegen Sie zu stimmen.
All das verstärkt die Vermutung, dass es sich heute nicht um eine echte, sondern um eine fingierte Vertrauensfrage handelt.
Das zweite verfassungsrechtliche Problem besteht darin, dass Schleswig-Holstein - anders als der Bund - das Selbstauflösungsrecht des Parlaments kennt. Dieses fordert aber die hohe parlamentarische Hürde einer Zweidrittelmehrheit. Das gewählte Vorgehen des Ministerpräsidenten riecht deshalb geradezu danach, als sollte mit dem Trick der Vertrauensfrage die Zweidrittelmehrheit des Parlaments ausgehebelt werden. Auch das kann verfassungsrechtlich problematisch sein.
Gern.
- Herr Kubicki, ich kann dazu wenig sagen, weil ich kein Verfassungsrechtler bin. Was ich vortrage, sind Bedenken, die mir gestern Abend von Juristen, die sich mit der Frage beschäftigt haben, vorgetragen worden sind. Wir debattieren heute über die Vertrauensfrage. Wir müssen damit rechnen, dass es möglicherweise aus den Reihen des Parlaments zu einer Klage kommen kann. Deshalb müssen wir uns diese Dinge bewusst machen, wenn wir heute entscheiden. Es muss zumindest vorgetragen werden.
Die größten Bedenken bestehen aber gegen die Terminierung. Es spricht alles dafür, dass der Ministerpräsident schon seit Monaten, spätestens seit seiner berühmt gewordenen Ankündigung, er sei ,,bereit zu Neuwahlen“, den Bruch der Koalition und damit Neuwahlen angestrebt hat. Deshalb besteht der Verdacht, dass er den Bruch bewusst auf Mitte Juli gelegt hat, um den Wahltermin auf den 27. September zu legen. Unsere Verfassung sieht aber aus gutem Grund gerade nicht vor, dass der Ministerpräsident den Wahltermin bestimmen kann. Deswegen spricht viel dafür, dass die Manipulation des Wahltermins durch die willkürliche Terminierung des Bruchs der Koalition am letzten Mittwoch ohne einen aktuellen Anlass verfassungsrechtlich problematisch ist.
Herr Ministerpräsident, ob es zu Klagen kommt und ob sie vor Gericht durchtragen, weiß ich nicht. Auf jeden Fall aber haben Sie sich mit Ihrem Vorgehen auf ein brüchiges Glatteis begeben. Damit riskieren Sie, dass das Land mitten in der Krise auch noch monatelang ohne handlungsfähige Regierung - ich muss angesichts dieses Rests hier sagen, ohne eine noch handlungsfähige Regierung dasteht. Gerade in kritischen Zeiten ist die willkürliche Manipulation der Verfassung ein gefährliches Spiel. Dass Sie sich in dieser Situation auf ein solches parteitaktisches Manöver eingelassen haben, ist des Amtes nicht würdig.
Herr Carstensen, nun komme ich zur Antwort auf Ihre Frage. Der Ministerpräsident von SchleswigHolstein hat an dieses Parlament die Vertrauensfrage gestellt. Hier ist meine Antwort: Meine Fraktion wird Ihnen heute das Misstrauen aussprechen.
Erstens, weil wir im Zusammenhang mit der HSH Nordbank von Ihnen und Ihrem Finanzminister systematisch hinters Licht geführt worden sind.
Zweitens, weil Sie versprochen haben, die Finanzen des Landes in Ordnung zu bringen und dazu eine große Verwaltungsreform durchzuführen, und dann eingeknickt sind, um den parteipolitischen Frieden in der CDU zu retten.
Drittens, weil Sie unser Land, das vor vier Jahren Vorreiter bei der Energiewende, beim Umwelt- und Naturschutz und beim Schaffen neuer Arbeitsplätze in diesen Sektoren war, ausgebremst haben durch die Rückkehr zu Klientelpolitik und ideologischen Entscheidungen.
Und viertens, weil Sie aus rein machtstrategischen Gründen einen Bruch der Koalition inszeniert haben, um einen Wahltermin zu bekommen, der Ihnen politisch in den Kram passt.
Immer wieder waren Ihnen Machterhalt und Parteitaktik wichtiger als das Wohl des Landes, das Sie in Sonntagsreden und auf Volksfesten so unablässig beschwören - auch heute wieder. Deswegen wird meine Fraktion Ihnen das Misstrauen aussprechen.
Meine Damen und Herren, auch wenn der aktuelle Anlass fingiert ist, gescheitert ist diese Regierung schon seit mindestens zwei Jahren. Denn bereits vor zwei Jahren wurde klar, dass beide großen Vorhaben, mit denen die CDU in die Wahl gegangen war - die Verwaltungsreform und die Sanierung der Finanzen -, gescheitert sind.
Es ist allerdings auch der SPD vorzuwerfen, dass sie Monat für Monat dieses Elend mitgetragen hat.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht heute um drei Fragen: Erstens.
Ist der Betreiber Vattenfall noch zuverlässig? Zweitens. Ist der Reaktor sicher zu betreiben? Drittens. Welche Konsequenzen muss die Regierung daraus ziehen?
Ich beginne mit einer Chronik der letzten Jahre. 2002: Nach unerklärbaren Messergebnissen im Atomkraftwerk Brunsbüttel dauerte es Monate, bis das Ministerium gegenüber dem neuen Betreiber Vattenfall durchsetzen konnte, dass der Reaktor untersucht wurde. Ergebnis: Durch eine Wasserstoffexplosion war eine Rohrleitung geplatzt. Der Reaktor stand daraufhin eineinhalb Jahre still. Damals wurde bereits die Zuverlässigkeit des Betreibers Vattenfall infrage gestellt.
Um die Zuverlässigkeit wiederherzustellen, musste damals das gesamte leitende Personal ausgetauscht werden. Mitarbeiter mussten nachgeschult werden. Abläufe und Dokumentationen wurden überarbeitet, und technische Änderungen wurden vorgenommen.
2003 wurde bei der periodischen Sicherheitsüberprüfung des Atomkraftwerks Brunsbüttel eine Mängelliste von 600 Punkten erstellt. Von diesen waren vier Jahre später 200 Punkte immer noch nicht abgearbeitet. Vattenfall weigerte sich drei Jahre lang, entgegen der Umweltinformationsrichtlinie der EU diese Liste zu veröffentlichen.
September 2006: Unfall im Atomkraftwerk Forsmark in Schweden - bis heute der größte Unfall in einem Atomkraftwerk in Westeuropa! Durch einen Kurzschluss im Trafo wurde der Reaktor vom Netz getrennt. Darauf erfolgte eine Schnellabschaltung. Danach versagten Teile der Notstromversorgung, und das Notkühlsystem konnte nicht die volle Leistung bringen. Außerdem fiel die zentrale Reaktorkontrolle aus, sodass die Reaktorkontrolle praktisch blind war. Erst nach 20 Minuten gelang es, per Handschaltung die Notstromdiesel zu starten und den Reaktor wieder unter Kontrolle zu bekommen. Zu diesem Zeitpunkt war nach Aussage des Chefkonstrukteurs Höglund der Reaktor kurz vor der Kernschmelze.
Wieder informierte Vattenfall die Öffentlichkeit und die Behörden zum Teil falsch, zu spät und nicht umfassend. Der interne Vattenfall-Bericht hat der Mannschaft des AKW eine völlig unakzeptable Sicherheitskultur bescheinigt. In Deutschland erklärt Vattenfall aber, ein vergleichbares Ereignis sei in Brunsbüttel oder Krümmel angeblich nicht mög
lich. Es dauert Monate, bis Vattenfall einräumen muss, dass diese Aussage nicht stimmte.
Oktober 2006: Im Atomkraftwerk Biblis müssen über 7.000 falsche Dübel ausgetauscht werden. Alle anderen Atomkraftwerke werden auf falsche Dübel untersucht. Die Überprüfung in Krümmel und Brunsbüttel ergibt angeblich keine Hinweise auf falsche Dübel.
Oktober 2006: Im Atomkraftwerk Ringhals in Schweden, ebenfalls von Vattenfall betrieben, brennt ein Trafo und explodiert anschließend.
Dann kam der 28. Juni 2007: Es begann mit einem Kurzschluss in der Schaltanlage des Atomkraftwerks Brunsbüttel. Es erfolgt eine automatische Schnellabschaltung. Außerdem wird ein Brennstab zu langsam eingefahren. Ein Schwelbrand im Bereich der Turbine musste durch Feuerlöscher gelöscht werden. Das sind allein drei unabhängige Fehler an einem Tag in Brunsbüttel.
Zwei Stunden später brennt im Atomkraftwerk Krümmel in einer Trafostation die Kühlflüssigkeit. Fehler Nummer vier an diesem Tag. Ob dieser Brand durch die Netzschwankung infolge der Schnellabschaltung von Brunsbüttel verursacht war, ist bis heute ungeklärt, wie wir heute erfahren haben. Dann drangen Brandgase in den Leitstand des Atomkraftwerks. Fehler Nummer fünf.
Aufgrund eines Bedienungsfehlers wird auch der zweite Trafo von Krümmel ausgeschaltet. Fehler Nummer sechs.
Damit war Krümmel im gleichen Zustand wie das Atomkraftwerk Forsmark vor dem Beinahe-GAU im Jahr 2006. Die automatische Schnellabschaltung des Reaktors wurde gestartet, allerdings funktionierten diesmal die Notstromdiesel. Nun fiel jedoch eine Speisewasserpumpe aus. Der Kühlwasserstand fiel erheblich ab. Fehler Nummer sieben.
Nach sieben Minuten sprang zum Glück das erste automatische Wiedereinspeisesystem an. 14 Minuten später dann Fehler Nummer acht: Ein Mitarbeiter öffnete irrtümlich zwei Ventile von Hand. Der Wasserstand im Reaktor sinkt erneut um 2 m. Das zweite automatische Hochdruckeinspeisesystem springt an und rettet die Situation.
Dann Fehler Nummer neun: Es kommt zu einem kurzfristigen Ausfall der Eigenstromversorgung des Atomkraftwerks, zum Glück nachdem das Wasser wieder auf dem normalen Stand ist. Sonst hätten die das Problem von Forsmark gehabt.
Dann Fehler Nummer zehn: Auch die Datensicherung in der Kontrollwarte fällt aus.
Aber damit nicht genug: Obwohl Dioxin in der Abluft gemessen wurde, wurde weder die Bevölkerung noch die eingesetzte Feuerwehr über die Giftgase informiert. Die zuständigen Katastrophenschutzbehörden wurden, selbst nachdem der Wasserstand im Reaktor gesunken war, nicht informiert, zu keinem Zeitpunkt.
Meine Damen und Herren, wer sich nach all diesen Vorkommnissen hinstellt und eine Verlängerung der Laufzeiten fordert, hat nichts begriffen.
Die Behauptung, solche Anlagen seien hundertprozentig sicher, ist eine fromme Glaubensanmaßung, Herr Carstensen. Früher hätte man das als Gotteslästerung bezeichnet. Als eifriger Wallfahrer sollten Sie wissen, wovon ich rede.
Doch zurück zu Vattenfall! Im anschließenden Bericht verschweigt Vattenfall zunächst alle Bedienungsfehler des Personals und behauptet wahrheitswidrig, der Reaktorkern sei von dem Unfall gar nicht betroffen gewesen, obwohl das Wasser im Reaktorkern um 2 m gesunken ist. Mehrere Anträge von Vattenfall, Krümmel in den nächsten Tagen wieder anzufahren, mussten von der Ministerin persönlich gestoppt werden.
Brunsbüttel wird wieder hochgefahren, produziert innerhalb von drei Wochen mindestens vier neue Störfälle und geht dann wieder vom Netz. Unter anderem bestand wieder einmal Explosionsgefahr, weil sich Wasserstoff gebildet hatte.
Und dann eine weitere unglaubliche Feststellung bei der Überprüfung der Reaktoren: Bei den folgenden Untersuchungen wird bei beiden Reaktoren festgestellt, dass sowohl in Krümmel als auch in Brunsbüttel doch falsche Dübel eingebaut waren. Übrigens war die Firma, die das geprüft hat, dieselbe Firma, die das in Hessen geprüft hat und anschließend in Hessen den Vertrag gekündigt bekommen hat. In Schleswig-Holstein wurde sie weiterbeschäftigt.
Meine Damen und Herren, erneut wird die Zuverlässigkeit von Vattenfall infrage gestellt. Wieder musste leitendendes Personal gehen, diesmal sogar der Konzernchef von Europa. Ministerpräsident Carstensen forderte „absolute Offenheit“. Dann erklärte er aber, jüngste Erklärungen ließen hoffen, dass Vattenfall - man höre! - Fehler eingesehen ha
be und diese nicht wiederholen wolle. - Das war genau vor zwei Jahren.
Seither standen dann beide Meiler still. Doch auch während des Stillstands kam das Atomkraftwerk Krümmel nicht aus der Presse. Juli 2007: Leckage im Turbinenbereich. Februar 2008: Schwelbrand in der Lüftungsanlage. August 2008: Ausfall von vier Pumpen des Nebenkühlwassersystems und Ausfall eines Notstromdiesel. März 2009: Automatische Abschaltung eines Notstromtransformators.
Was dann nach dem Wiederanfahren am 19. Juni passierte, hat uns die Regierung gerade berichtet. Das will ich nicht wiederholen.
Meine Damen und Herren, unser Vertrauen in diese Firma ist erschöpft.
Es geht um die Gesundheit und Sicherheit von Millionen Menschen. Es ist Zeit festzustellen, dass Vattenfall nicht zuverlässig ist. Die ehemalige Ministerin hatte erklärt, dass sie das jetzt prüfen will. Bravo! Aber unser Ministerpräsident hat erneut erklärt, er gebe Vattenfall wieder eine Chance. Dann würde er aber persönlich dafür sorgen, dass Krümmel für immer abgeschaltet werde. So habe ich es in der Zeitung gelesen, Herr Ministerpräsident. Im Klartext: Unser gutmütiger Ministerpräsident hat wieder einmal die Zuverlässigkeit von Vattenfall bescheinigt, bevor sie überhaupt geprüft wurde. Das klingt markig, ist aber ein Persilschein.
Der markige Satz ist aber noch in anderer Hinsicht erstaunlich, sagte uns doch die Ministerin regelmäßig - das hat der neue Minister auch gesagt -, dass eine endgültige Stilllegung aufgrund des laxen Atomgesetzes nicht möglich ist.
Weiß also der Ministerpräsident mehr, oder hat er nur Sprüche in die Luft geblasen, die keinerlei rechtliche Grundlage haben?
Herr Carstensen, ich erwarte von Ihnen eine Antwort.
Nun komme ich zur zweiten Frage: Sind die Reaktoren Krümmel und Brunsbüttel noch sicher zu betreiben? Dazu zwei Aussagen: Der frühere Konstruktionsleiter des Atomkraftwerks Forsmark, Lars
Olov Höglund, erklärte nach dem Transformatorbrand in Krümmel 2007, dass seit mehr als 20 Jahren nicht mehr genügend in die Atomkraftwerke investiert worden sei. Der Reaktorexperte des Ökoinstituts, Michael Sailer, sagte: Die Anlagen seien aufgrund der aus Sicherheitsgründen durchgeführten technischen Änderungen von den Reaktormannschaften schwieriger zu überblicken. Da die erste Generation der Betriebscrews oft aus Altersgründen bereits ausgeschieden sei, fehlten zunehmend Kenntnisse aus der Zeit der Inbetriebnahme.
Die häufigen Unfälle sind also nicht Zufall. Ursache der Unfälle, von denen wir reden, sind die Veralterung der Anlagen, Materialien, die im Laufe der Zeit spröde werden, und immer neue Änderungen und Reparaturen, die die Anlagen immer undurchschaubarer und schwerer zu bedienen machen. Die Folge sind Materialschäden und Bedienungsfehler. Bei einer Notabschaltung, also einer Vollbremsung, die den Reaktor maximal unter Stress setzt, passiert dann Folgendes: Es treten jedes Mal reihenweise Folgestörungen auf, es kommt aufgrund der Hektik zu Bedienungsfehlern, und in der Folge entstehen dann regelmäßig kritische Situationen.
Egal, was man von der Atomkraft hält: Diese Anlagen sind nicht mehr sicher kontrollierbar, diese Anlagen dürfen nicht wiederanfahren, sondern müssen vom Netz.
Damit komme ich zu der dritten Frage, und zwar an die Landesregierung: Was ist zu tun? - Ich fordere Ministerium und Vattenfall auf, alle Fakten auf den Tisch zu legen. Vorletzte Woche wurde groß verkündet, nun würden neue Transformatoren bestellt. Nach meinen Informationen sind die Trafos schon im letzten Jahr ausgeschrieben worden und längst bestellt worden. Wieder einmal werden wir von Vattenfall an der Nase herumgeführt.
Auch die Geschichte mit dem fehlenden Einbau der Messgeräte für Teilentladungen der Trafos ist mysteriös. Wieso wurde das nicht kontrolliert, obwohl die Messungen mit solchen Geräten vor zwei Jahren ergeben haben, dass die Trafos an der Grenze der Funktionsfähigkeit waren? Deswegen fordere ich: Alle Fakten müssen auf den Tisch!
Zweitens. Das Ministerium muss unverzüglich das Verfahren einleiten, um die Zuverlässigkeit des Betreibers zu überprüfen. Wir haben in unserem Antrag - Sie haben es falsch zitiert - extra gesagt, es
sollen alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. So steht es im Antrag. Wir haben nicht gesagt, es soll willkürlich abgeschaltet werden, unrechtmäßig, sondern wir haben gesagt, die rechtlichen Möglichkeiten sollen ausgeschöpft werden angesichts der ganzen Ereignisse, die eingetreten sind, die uns als Parlament zweifeln lassen, dass die Sicherheit noch gegeben ist, um diesen Reaktor abzuschalten. Ich halte das rechtlich für einen absolut zulässigen Antrag.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ein Persilschein von Carstensen nach dem Motto, Vattenfall bekommt noch eine Chance, ist nach Jahren von Pannen und Pleiten nicht mehr zu ver- treten. Meine Damen und Herren, Atomkraftwerke müs- sen nach dem Atomgesetz und dem Kalkar-Urteil stets dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen. Deswegen hatte Minister Trittin 2003 den Auftrag gegeben, das noch aus den 80er-Jahren stammende Regelwerk grundlegend zu überarbeiten. Das Ergebnis liegt jetzt vor und heißt jetzt „Revision D“. Nach Atomgesetz gilt dieser Wissensstand unverzüglich. Dass Umweltminister Gabriel jetzt eine eineinhalbjährige freiwillige Pro- bephase mit den Ländern vereinbart hat, ist unseres Erachtens rechtswidrig. (Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Angesichts dieses eklatanten Versagens sind Gabriels Forderungen nach Übernahme der Atomaufsicht durch den Bund und seine Kraftmeierei, er würde Krümmel persönlich stilllegen, purer Populismus.
Deswegen fordere ich drittens, dass das Ministerium unverzüglich eine grundlegende Sicherheitsüberprüfung beider Reaktoren auf Grundlage der Revision D anfordert und - viertens - dass auf Grundlage der Ergebnisse der beiden Ereignisse die rechtlichen Möglichkeiten geprüft werden, um das Atomkraftwerk Krümmel endgültig stillzulegen. Dabei ist auch zu prüfen, ob das Atomgesetz verfassungswidrig ist. Die Regierung - Sie, Herr Minister - ist verpflichtet, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden. Daran darf Sie auch ein laxes und betreiberfreundliches Atomgesetz nicht hindern.
Meine Damen und Herren, ein GAU in Krümmel nach dem Muster von Tschernobyl würde große Teile von Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg unbewohnbar machen. Ein solcher Unfall
ist schon im Normalbetrieb nicht auszuschließen. Hinzu kommt, keiner dieser Reaktoren ist gegen Terrorangriffe gesichert, und das, obwohl ein Gericht entschieden hat, dass Terrorangriffe nach dem 11. September nicht mehr als vernachlässigbares Risiko gelten dürfen. Eine solche Technologie darf nicht länger akzeptiert werden. Je schneller uns der Ausstieg gelingt, desto besser!
Meine Damen und Herren, das Atomgesetz ist kein Tabu. Der Atomkonsens war lediglich ein Kompromiss. Seit Monaten fordern nun die Stromkonzerne eine Verlängerung der Laufzeiten. Was sind das für Kaufleute, was sind das für Geschäftsleute, die einen Vertrag schließen und sich anschließend nicht mehr darum scheren? Ich stelle dagegen fest: Das Wachstum der erneuerbaren Energien ist in den letzten Jahren schneller gewesen, als für den Atomkonsens erforderlich, und zwar auch ohne Kohlekraftwerke. Wir brauchen die Atomkraft von Jahr zu Jahr immer weniger. Im Gegenteil, der Unfall hat durch die Ereignisse, die in Hamburg passiert sind, deutlich gemacht, dass solche Großkraftwerke immer mehr zu einem Problem für die Stabilität unserer Netze werden. Deshalb ist eine Verlängerung der Laufzeiten unverantwortlich.
Wenn sich die Betreiber nicht mehr an den Vertrag gebunden fühlen, dann fühlen wir uns auch nicht mehr daran gebunden. Das sage ich hier ganz deutlich. Hier hat Gabriel recht. Wir sollten jetzt die Genehmigung der alten Reaktoren einziehen, weil sie nicht mehr sicher sind. Eine Übertragung von Laufzeiten auf neue Reaktoren sollte dann nur noch in dem Maße erfolgen, wie es für den Übergang erforderlich ist. Je schneller die Atomkraftwerke abgeschaltet sind, desto besser!
Meine Damen und Herren, wir beantragen Abstimmung in der Sache, und zwar Einzelabstimmung über alle vier Punkte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ministerpräsident hat die Vertrauensfrage gestellt. Mir wurde gesagt, dass es nicht klar ist, wer in dieser Situation für die Regierung spricht. Wir werden in den nächsten zwei Monaten bis zur Wahl und darüber hinaus bis zur Neuwahl der Regierung eine Situation haben, in der eine Regierung weiter kommissarisch regiert. Die Krümmel-Frage hat große Bedeutung, sie hat so große Bedeutung, dass ich nicht auf die Debatte verzichten möchte,
sondern dass ich Wert darauf lege, dass die Debatte in einem angemessenen Rahmen stattfindet.
- Alle Fraktionen haben signalisiert, dass sie anwesend sein werden, dass es eine hohe Präsenz im Haus gibt
und dass wir die Debatte in einem angemessenen Rahmen führen werden. Das ist mir wichtig.
Es besteht die Möglichkeit, bis Donnerstag zu klären, wer in welcher Form für die Regierung spricht. Außerdem besteht die Möglichkeit, bis Donnerstag zu klären, ob die Resolution überarbeitet werden soll oder nicht und in welcher Form sie gegebenenfalls überarbeitet wird. Ich habe die Hoffnung, dass wir bis Donnerstag eine Resolution haben, die mehrheitsfähig ist und mit großer Mehrheit im Hause verabschiedet werden wird.
Aus diesem Grund glaube ich, dass es sehr klug ist, die Debatte auf Donnerstag zu vertagen. Deswegen werde ich den Antrag, der gestellt worden ist, unterstützen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schleswig-Holstein steht vor gravierenden Problemen. Wir befinden uns mitten in einer internationalen Finanzkrise, die gerade beginnt, die Wirtschaft in ein tiefes Tal zu reißen. Wir stehen vor einem Einbruch der Einnahmen des Landes, der vermutlich ohnegleichen in der Geschichte ist und die großen Einbrüche von 2002 und 2005, als wir über 4 % Einnahmenrückgänge hatten, noch deutlich übertreffen wird. Wir stehen vor radikalen Weichenstellungen in der Klimapolitik, wenn wir nicht wollen, dass Ende des Jahrhunderts ein Drittel des Landes unter Wasser steht. Und wir stehen vor einer sozialen Krise, denn angesichts der Wirtschaftsentwicklung klafft die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinander. Immer mehr Menschen im Land fragen sich, ob es noch gerecht zugeht, oder ob die reichen Nonnenmachers nicht immer mehr absahnen, während wachsende Arbeitslosenzahlen Menschen in Armut und Verzweiflung treiben.
Angesichts dieser Lage ist der Rosenkrieg, den sich die regierende Koalition in den vergangenen Monaten geliefert hat, unverständlich, unwürdig und unverzeihlich.
Meine Damen und Herren, ich hätte es sehr gut verstanden, wenn es in den letzten Monaten um inhaltliche Konzepte gegangen wäre. Einen solchen Streit
hätte ich verteidigt. Denn Demokratie braucht den Austausch von Argumenten, der oft als Streit denunziert wird. Aber darum ging es nicht. Sie haben hier am Mittwoch - vorgestern - noch einmütig einen Nachtragshaushalt und ein Positionspapier verabschiedet, das Sie beide, beide Seiten der Großen Koalition, in höchsten Tönen als zukunftsweisend gelobt haben.
Es gab offensichtlich keine wesentlichen inhaltlichen Differenzen über diesen Kurs. Dabei war an Ihren Papieren gar nichts zukunftsweisend. Sie haben einen Haushalt verabschiedet, in dem nichts, aber auch gar nichts davon erkennbar war, dass Sie die Weichen in der Politik des Landes neu stellen wollen.
Sie haben ein Papier verabschiedet, dem man kaum noch etwas anderes als Realitätsverlust bescheinigen kann. Aber hat denn einer von Ihnen beiden irgendeine Kritik an diesem Papier geübt? Hat einer von Ihnen weitergehende Sparvorschläge gehabt? Hat einer von Ihnen weitergehende Weichenstellungen und eine andere Politik gefordert? Hat einer von Ihnen öffentlich ein Positionspapier vorgelegt, wie Sie die Probleme des Landes lösen wollen? Ich muss feststellen: In allen Punkten Fehlanzeige.
Anstelle einer Auseinandersetzung um inhaltliche Konzepte gab es nur permanente Versuche, den Partner zu diskreditieren. Da schreibt die SPD Briefe, da streut der Finanzminister Gerüchte, die SPD sei im Koalitionsausschuss nicht vorbereitet gewesen, was die SPD postwendend dementiert. Da schreibt die SPD Briefe, die CDU hätte bei der Polizei operativ sparen wollen, was die CDU ebenso entschlossen postwendend dementiert. Da führt die CDU die SPD als verlogen vor, weil sie sich von den Beschlüssen der HSH Nordbank distanziert, obwohl ihre Vertreter im Aufsichtsrat gesessen haben. Da wirft die SPD Ministerpräsident Carstensen Lüge vor, weil er fälschlicherweise geschrieben hat, die Fraktionsspitzen hätten der Entscheidung zugestimmt.
An all diesen Vorwürfen ist eine Menge zutreffend. Aber entscheidend ist doch: Diese Art der Auseinandersetzung hat nichts, aber auch gar nichts mit unterschiedlichen Positionen zu tun.
Hier geht es nicht im Geringsten um einen Streit in der Sache. Sie verhalten sich original so, wie ein verbittertes Ehepaar in einer zerrütteten Ehe: Jeder sucht nur noch gezielt nach den Stichworten, von denen er weiß, dass er den anderen maximal damit reizt und in Wut bringen kann.
Ich halte deshalb fest: Das Scheitern dieser Koalition liegt nicht darin, dass SPD und CDU inhaltlich nicht mehr zusammengefunden haben. Es liegt an der Unfähigkeit der Regierung, Regierungshandeln ordentlich zu organisieren, in der mangelnden sozialen Kompetenz der Akteure und in dem Mangel an politischen Visionen.
Meine Herren Carstensen, Stegner, Wiegard oder Wadephul, hören Sie auf, sich gegenseitig die Schuld zu geben! Niemand will das noch hören. Und ich sage das ganz besonders auch in Hinblick auf den bevorstehenden Wahlkampf. Seien Sie ehrlich, suchen Sie die Schuld doch einmal bei sich selbst! Das kommt viel besser an.
Herr Carstensen, natürlich hat auch Ihre Staatskanzlei mit ihrem organisatorischen Chaos ganz erheblich zur Krise beigetragen. Unklare Entscheidungsstrukturen führen genau zu den Missverständnissen, aus denen dann in gereizter Atmosphäre erneut Misstrauen und Wut beim Partner produziert werden. Herr Carstensen, es wäre sehr gut, wenn Sie einsehen würden: Eine Staatskanzlei ist eine politische Schnittstelle, wo die Politik der Regierung koordiniert wird. Das ist kein Kumpelladen, wo man seine Buddies unterbringt, gute Laune pflegt und sich über den Koalitionspartner amüsiert. So kann man das Land nicht aus der Krise führen.
Aber Herr Stegner, natürlich hat auch Ihr Ansatz, Politik als theatralische Veranstaltung zu verstehen, erheblich zur Situation beigetragen. Ja, man kann damit die Bühne beherrschen, das ist Ihnen wunderbar gelungen. Aber irgendwann laufen Sie dann Gefahr, dass die Bürgerinnen und Bürger das Stück nicht mehr sehen wollen. Dann wenden sich diese mit Grausen ab, weil sie schlicht und einfach nur noch ordentlich regiert werden wollen.
Herr Wiegard, auch Ihnen hätte ein bisschen mehr Demut angesichts der Vergangenheit Ihrer Fraktion in der letzten Legislaturperiode gut angestanden. Wenn aber ein Finanzminister in der größten finanzielle Krise des Landes keine transparente Informationspolitik mehr über öffentliche Gremien und Pressekonferenzen macht, sondern nur noch mit Hintergrundgesprächen operiert, über die dann anschließend Sticheleien und Gerüchte über den Koalitionspartner verbreitet werden, dann trägt das nicht gerade zu einer Vertrauenskultur bei.
Angesichts dieser Art von Politik und Misstrauenskultur hatten wir als Opposition manchmal das Gefühl, dass wir überflüssig werden, weil die Regierung die Opposition gegen sich selbst gleich mitliefert und sich selbst zertrümmert. Den Schaden davon hat aber das Parlament als Ganzes. So zerstört man das Vertrauen der Menschen.
Der Ministerpräsident stellte vorgestern fest, dass er in dieser Regierung nicht mehr weitermachen kann, und fordert Neuwahlen. Deswegen haben wir hier gemeinsam mit der CDU, der FDP und dem SSW einen Antrag auf Neuwahlen gestellt, denn so geht es nicht weiter. Ich sage an dieser Stelle aber auch ganz deutlich: Ich weiß aus vielen Gesprächen mit Abgeordneten der CDU, dass der Bruch der Koalition vorgestern kein Zufall war. Dieser Bruch ist seit Langem geplant, um die Landtagswahl gemeinsam mit der Bundestagswahl durchführen zu können.
Die CDU hofft, sich auf diese Weise im Schatten der Bundestagswahl durchschummeln zu können und zu einer schwarz-gelben Mehrheit mit der FDP zu kommen. Die CDU hatte die Befürchtung, dass bei einem Wahltermin im nächsten Jahr der Höhenflug der FDP wieder vorbei sei und sie insofern schlechte Karten habe. Die CDU flüchtet sich in die Wahlen, bevor der Untersuchungsausschuss noch weitere Vorgänge über die Katastrophe bei der HSH Nordbank und die Politik ihres Finanzministers aufdeckt. Sie hofft, so durchzukommen, ohne dass es zu einer politischen Auseinandersetzung über die gescheiterte Politik dieser Koalition in Schleswig-Holstein kommt.
Ich sage Ihnen deswegen an dieser Stelle: Wir werden, obwohl wir all das wissen, das Elend Ihrer Regierung nicht künstlich verlängern. Wir stimmen für den Antrag auf Auflösung des Parlaments. Wir werden Ihnen Ihre Taktik aber auch nicht einfach
durchgehen lassen. Wir fordern Sie heraus, um über die inhaltlichen Konzepte in diesem Land zu streiten.
Wir fordern Sie auf: Schluss mit diesem Rosenkrieg! Wir wollen einen kreativen Wettstreit um Visionen. Ich sage das auch an die Adresse der SPD. Meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich erinnere mich sehr gut an einen Altbundeskanzler, der einmal sagte: Wer Visionen hat, sollte lieber gleich zum Arzt gehen. - Das war in meinen Augen der Anfang vom historischen Niedergang der Sozialdemokratie.
Ich bin überzeugt: Wir brauchen Visionen, wenn wir die Welt zum Besseren verändern wollen. Wie sonst wollen wir die Menschen in diesem Land dafür begeistern, dass ein Ruck durch diese Republik geht und wir uns der Zukunft zuwenden?
Worum geht es denn in diesem Wahlkampf? - Es geht in diesem Wahlkampf darum, wesentliche Fragen bezüglich der Zukunft dieses Landes zu klären. Da sind wir alle gemeinsam gefordert. Ich möchte Ihnen das an fünf zentralen Punkten erläutern.
Erstens. Es geht um die Frage - diese Frage stellt sich uns allen, egal, wer regiert -, wie wir 10 % der Ausgaben dieses Landes einsparen können, ohne das Land totzusparen. Das ist die Vorgabe der Schuldenbremse, an die wir gebunden sind. Die beiden zerstrittenen Regierungsfraktionen haben uns vorgestern ein Konzept vorgelegt, in dem erstens keine Antwort auf diese Frage gegeben wird, und bei dem zweitens die Hauptlast der Einsparungen im Bildungsbereich liegt, weil sie glauben, dort den demografischen Faktor nutzen zu können. Wir haben Ihnen einen Gegenentwurf vorgelegt, der von Ihnen endlich den Mut zu einer radikalen Verwaltungsreform fordert. Wir brauchen eine radikale Reform der Kommunalverwaltungen, wie sie unsere Nachbarn in Niedersachsen oder in Dänemark längst durchgeführt haben. Wir brauchen eine radikale Reform der Verwaltungen des Landes, von den Katasterämtern bis hin zu den Straßenbaubehörden. Dazu gehört auch eine tabulose Diskussion über die Chancen eines gemeinsamen Nordstaats Nordelbien.