Gitta Trauernicht-Jordan
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! CDU und FDP haben einen Antrag vorgelegt, mit dem sie die Landesregierung um einen jährlichen Bericht zum Stand der Energiewende bitten. Das ist ein bemerkenswerter Vorgang, denn offensichtlich glauben die Regierungsfraktionen selbst nicht daran, dass die Landesregierung einen entsprechenden Überblick hat, oder es soll ein Jubelbericht sein, für den es allerdings überhaupt gar keinen Anlass gibt.
Es ist ein dürftiger Antrag, denn dieser Antrag macht deutlich, dass von der CDU- und von der FDP-Fraktion keinerlei Bedarf für Forschung gesehen wird. Es gibt keinen Handlungsbedarf bei der Solarförderung, Sie sehen keine Notwendigkeit, beim Netzausbau über den Tellerrand zu gucken, Sie setzen keinen Bezug zur dezentralen Energieversorgung, sehen folglich auch keinen Bedarf zur Kooperation mit den Kommunen, Sie sagen kein Wort zur Bürgerbeteiligung und vieles andere mehr.
Nun könnte man fragen: Was soll’s? Die Bevölkerung nimmt Ihnen ein ehrliches Engagement für die Energiewende ohnehin nicht ab. Mit dem Namen der CDU wird eher der Begriff der „Energiewendehälse“ verbunden. Das ist im Bewusstsein der Bevölkerung tief verankert.
Zu tief hat sich das Engagement der CDU für die Atomkraft in die Köpfe und Herzen der Menschen eingebrannt. Ihre düsteren Szenarien sind allen noch präsent. Ich selbst erinnere noch gut die Worte des Wirtschaftsministers a. D. Austermann und seines Staatssekretärs de Jager, dass, wenn die Kernkraftwerke vom Netz gingen, in Schleswig-Holstein die Lichter ausgingen. Oder der Ministerpräsident, der fachmännisch immer wieder davor warnte, dann müssten wir Atomstrom aus Tschechien oder Frankreich einführen.
Alles interessengeleitete Panikmache? Ich glaube, die CDU hat das wirklich geglaubt und glaubt das in Teilen immer noch.
Deshalb lassen Sie vielleicht doch ein bisschen die Tür offen für die Kernkraft, deshalb vielleicht diese Halbherzigkeit beim Ausbau der Energiewende.
Ich glaube, die Bevölkerung hat es gemerkt: Atomausstieg und Dauerfrost lassen die Lichter nicht ausgehen. Die Energiefachleute haben festgestellt: Das saisonale Muster von Stromexport im Winter und Stromimport im Sommer läuft nach wie vor in den gewohnten Bahnen.
Nein.
Im Februar vermelden die Agenturen, bestätigt durch den Bundesumweltminister, dass trotz Atomausstieg und Eiseskälte in Deutschland genug Strom produziert wird, um Frankreich mit seinen über 50 AKW vor einem Energieengpass zu bewahren - so der Bundesumweltminister, der durch Aktivitäten zur Forcierung der Energiewende bislang nicht aufgefallen ist. Es steht auch nicht zu erwarten, dass er dies als „Teilzeit-Umweltminister“ in den nächsten Monaten noch tut.
Wir fordern Sie auf: Fangen Sie mit dem Wesentlichen an, das Wachstum der regenerativen Energien und den Ausbau der Netze zu synchronisieren, auf jedmögliche Weise durch Entlastung, Dezentralität und Ausbau, bündeln Sie die Aktivitäten auf Bundes- und Landesebene, und sorgen Sie dafür, dass eine Technologie mit unverantwortlichen Risiken nicht länger Basis unserer Versorgung ist!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ergebnisse der Enquetekommission „Norddeutsche Kooperation“ liegen nun auf dem Tisch, und eines ist klar: Eine engere Kooperation im Norden tut not.
Die Experten haben deutlich gemacht: In einer engeren Kooperation liegen Chancen, die wir nutzen müssen - im Interesse der Menschen, im Interesse des Wohlstands unseres Landes. Dies ist auch eine Frage der politischen Klugheit, der Weitsicht, der Weltoffenheit und nicht zuletzt eine Frage der Verantwortung für unsere Heimat. Was wir brauchen, ist gute Nachbarschaft für eine starke Allianz im Norden.
Wir brauchen eine neue Qualität in der Kooperation mit Hamburg und der norddeutschen Länder untereinander.
Was aber, Herr Ministerpräsident, ist die derzeitige Lage? - Ein Tiefstand in den Beziehungen zu Hamburg ist erreicht. Die Zahl der Konflikte steigt ständig.
Ob HUSUM Wind oder Gastschulabkommen, ob Sicherungsverwahrung oder Asbesttransport - die Landesregierung läuft diesen Konflikten hinterher. Andere politische Großthemen liegen brach. Sie sind ungelöst oder gar nicht erst angepackt. Es gibt keine gemeinsame norddeutsche Hafen- beziehungsweise Flughafenpolitik, es gibt keine norddeutsche Energieoffensive, keinen gemeinsamen Vorstoß bei offensichtlichen Benachteiligungen gegenüber dem Bund, es gibt keine Vision, gar nichts.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, gute Nachbarschaft und eine starke Allianz im Norden das geht anders. Es muss Schluss sein mit dem Hinterherhecheln bei Problemen, Schluss mit den schwelenden Konflikten, mit hektischen Symbolaktionen oder gar - wie zuletzt - mit beleidigtem, kleinlichem Verweigern der ausgestreckten Hand unseres Nachbarn.
Der Konflikt um die Idee eines Gemeinsamen Ausschusses mit der Hamburgischen Bürgerschaft ist mehr als ein Konflikt um Verfahren, ist mehr als ein Randthema.
Er verweist auf unterschiedliche Haltungen. Das ist in der Rede von Herrn Callsen noch einmal sehr deutlich geworden.
Es ist nicht Halbherzigkeit und Kleinteiligkeit gefragt, sondern der Wille zu einer Umkehr in der Nachbarschaftspolitik. Wir müssen norddeutsch denken und handeln. Die Grenzen müssen fallen in den Köpfen der Menschen, aber auch im realen Alltag. Dazu brauchen wir keine Nordstaatdebatte, aber den Mut zu gemeinsamer Politik.
Zum Beispiel in der Bildung: Unser Ziel ist die freie Schulwahl im Norden. Dazu brauchen wir eine gemeinsame Schulentwicklungsplanung. Wir brauchen ein politisch abgestimmtes, kompatibles Schulsystem und eine stimmige Finanzierung.
Oder in der Energiepolitik: Ohne den Norden wird es keine Energiewende geben. Unser Know-how wird gebraucht, aber im Miteinander, nicht im Gegeneinander. Eine norddeutsche Netzagentur, ein norddeutsches Gesamtkonzept zur Energiewende, gemeinsam formulierte Ziele - all das ist mit den bisherigen Instrumenten und Haltungen nicht zu haben.
Wenn der Norden gemeinsam auftritt, mit einer Stimme spricht - das macht der Bericht der Enquetekommission deutlich -, stärkt dies seine Chancen im föderalen Wettbewerb in Deutschland, in Europa und darüber hinaus.
Ein enger Verbund im Norden - das zeigt der Bericht der Enquetekommission ebenfalls - kann die Wirtschaft ankurbeln, den gesamten Standort stärken, Haushalte entlasten und die Durchsetzung gemeinsamer Interesse erleichtern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die SPD hat verstanden: Wir haben uns auf den Weg gemacht. Der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz, der zukünftige Ministerpräsident Torsten Albig,
die Senatoren, die Bürgerschaftspräsidentin, wir als SPD-Fraktionen in der Bürgerschaft und hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag, wir sind die
einzige Partei, die eine vernünftige Nachbarschaft mit Hamburg will und pflegt.
Wir wissen, was wir wollen. Wir wollen eine kluge Politik für eine starke Allianz im Norden. Selbstbewusst und auf gleicher Augenhöhe mit Hamburg werden wir neue Wege gehen. Wir werden mit Hamburg einen Gemeinsamen Ausschuss einrichten und dafür die rechtlichen Voraussetzungen schaffen. Vor allen Dingen aber werden wir am 6. Mai die Mehrheiten für eine neue Kooperation im Norden schaffen. Das ist wichtig für die Menschen in unserer Heimat.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In Schleswig-Holstein hat sich ein breites Bündnis gebildet, um gegen Kürzungspläne der Landesregierung im Kita-Bereich zu demonstrieren. Wir alle konnten dies heute Morgen eindrucksvoll anschauen und miterleben. Eltern, Erzieher, Lehrer, Lehrerinnen und Verbände sind in Sorge. Ihre Befürchtung ist klar: Diese Landesregierung will die Beitragsfreiheit kippen. Sie will die Standards der pädagogischen Qualität verschlechtern.
Ihre Rede, sehr verehrte Frau Abgeordnete Herdan, hat die schlimmsten Befürchtungen noch übertroffen.
Das ist wirklich schlimm, denn die Menschen in unserem Land haben verstanden: Diese Landesregierung spart nicht, wie sie sagt, für die Zukunft der Kinder, sondern sie spart an den Kindern.
Deshalb trifft auch das Motto des Bündnisses den Kern: „Kürzt den Kindern nicht die Zukunft! Uns reicht’s!“
Ich sage Ihnen: Kinder, Eltern, Erzieher und Verbände lassen sich nicht täuschen. Ich fordere Sie deswegen auf: Geben Sie Ihre unsozialen Pläne auf! Lassen Sie die Finger von der Beitragsfreiheit und von den Standards!
Und versuchen Sie gar nicht erst, faule Kompromisse zu machen! Spielen Sie nicht Beitragsfreiheit gegen Qualität aus! Wir brauchen beides.
Herr Ministerpräsident, können Sie, wie angekündigt, den Kindern und Eltern wirklich in die Augen schauen
angesichts Ihrer wohlfeilen Versprechungen für eine bessere Kinder- und Familienpolitik in den letzten Jahren?
Die CDU war es doch,
die großen Wert auf das Erstlingsrecht zum Beitragsfreiheitsgesetz gelegt hat. Wollen Sie denn heute behaupten, Sie hätten im letzten Jahr die Haushaltslage nicht erkannt?
Ich wiederhole: Wollen Sie denn wirklich behaupten, Sie hätten im letzten Jahr die Haushaltslage nicht erkannt?
Und waren Sie es nicht, Herr Ministerpräsident, der noch im März 2010 öffentlichkeitswirksam die Kindergelderhöhung problematisiert und sein Herz für arme Kinder entdeckt hat? Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten. Herr Carstensen, Sie haben gesagt:
„Wir stellen fest, dass wir in unseren Kindergärten immer noch viele Kinder haben, die ungefrühstückt kommen, die sich das Mit
tagessen nicht leisten und viele Dinge nicht kaufen können, die für andere selbstverständlich sind. Und das sind keinesfalls alles Hartz-IV-Kinder. Wir müssen unsere alte konservative Familienpolitik auch in diesem Bereich ein Stück zur Seite schieben. Wir müssen die Lebenswirklichkeit sehen und für die Kinder arbeiten.“
Ja, genauso ist es richtig. Dann lassen Sie doch Ihren Worten auch Taten folgen! Investieren Sie in eine qualitativ hochwertige, in eine kostenfreie Infrastruktur für Kinder, und nehmen Sie nicht noch den Ärmsten das warme Mittagessen weg, sondern verstetigen Sie das Programm „Kein Kind ohne Mahlzeit“!
Liebe Abgeordnete, für die Zukunft sorgen heißt, heute kein Kind mehr zurückzulassen, jedem Kind die Chance zu geben, sich zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu entwickeln. Inzwischen weiß es doch eigentlich jeder: Auf den Anfang kommt es an, auf frühkindliche Bildung, verbunden mit Gesundheitsförderung, Kinderschutz und Familienbildung. Deshalb fordere ich die Landesregierung auf: Gehen Sie den bereits in der letzten Legislaturperiode beschrittenen Weg weiter! Er ist angesichts der Haushaltslage schwierig. Aber es gibt keine Alternative.
Keine Streichung des beitragsfreien Jahres, sondern schrittweiser Ausbau. Keine Öffnung der Kita-Standards, sondern gleiche Chancen für alle Kinder im Land. Kein Auslaufen des Programms „Kein Kind ohne Mahlzeit“, sondern seine strukturelle Verankerung. Kümmern Sie sich um strukturelle Ausbildung von genügend Fachkräften und deren Arbeitsbedingungen sowie eine angemessene Entlohnung! Stützen Sie die Sprachförderung, und sichern Sie die Umsetzung des präventiv auf Kinder und Familien ausgerichteten Kinderschutzgesetzes! Nicht zuletzt: Setzen Sie sich mit den Beteiligten zusammen, mit den Eltern, mit den Erziehern und Verbänden, und sagen Sie nicht länger, Sie hielten die Proteste schon aus! Lassen Sie sich berühren von den Protesten, und merken Sie endlich, dass es die Kinder und ihre Eltern sind, die die Folgen Ihrer Sparpolitik letztlich aushalten müssen und dies nicht können!