Jürgen Martens
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf basiert auf der Annahme, wir bräuchten im Freistaat Sachsen ein – ich zitiere aus dem Vorblatt des Gesetzentwurfes – „Korrektiv
des Bürgerschutzes gegenüber der expandierenden Verwaltung“. Die Bürger müssten also – ich zitiere erneut – „bei der Wahrnehmung ihrer Rechte gegenüber der Verwaltung wirksam unterstützt“ werden. Das neu zu schaffende Landesbüro für Bürgeranliegen solle diese Funktion wahrnehmen und eine – ich zitiere weiter – „sich in das Gewaltenteilungssystem integrierende Kontrolle und Kontrollinstanz unterhalb der Schwelle der justiziablen Gesetzesaufsicht“ gewährleisten.
Dieses Bild einer bürgerfernen, nicht nachvollziehbar handelnden und ohne wirksame Kontrolle agierenden Verwaltung dürfte tatsächlich nicht der Verwaltung und deren Realität in Sachsen entsprechen, meine Damen und Herren.
Zahlreiche Behörden in Sachsen haben schon Bürgerbeauftragte. Im September 2010 hat die Staatsregierung eine Verwaltungsvorschrift erlassen, in der klare Vorgaben für eine bürgernahe Verwaltung gemacht worden sind. Danach haben die Bediensteten der Verwaltung im Umgang mit den Bürgern zuvorkommend, verständlich und nachvollziehbar zu handeln.
Das vom Gesetzentwurf gezeichnete Bild einer Verwaltung, die sich angeblich immer weiter verselbstständigt und vom Bürger entfernt, wird nicht näher belegt. Es handelt sich um eine mit pauschalen Formulierungen behauptete Unterstellung, so will ich es einmal nennen.
Anders als es der Gesetzentwurf suggeriert, gibt es auch kein Kontrolldefizit. Zum einen ist die Kontrolle der Verwaltung schon über die von der Verfassung vorgesehenen parlamentarischen Informations- und Kontrollrechte des Landtags gewährleistet. Das betrifft die Gesetzgebungstätigkeit und anderes. Zum anderen bestehen die verfassungsrechtlich garantierten Kontrollmöglichkeiten durch die Gerichte, die dritte Gewalt. Nicht zuletzt kann sich jeder Bürger, der mit einer Maßnahme oder Entscheidung der Verwaltung nicht einverstanden ist, mit seinen Anliegen an den Petitionsausschuss des Landtages wenden.
Soweit im Gesetzentwurf ausgeführt werde, der Bürger benötige Unterstützung, weil er immer öfter nicht in der Lage sei, Gesetze zu erfassen und Vollzugsbestimmungen zu durchschauen, lassen Sie mich kurz anfügen: Das ist nicht neu. Das wird immer wieder geäußert. In der Tat, das Recht ist komplex und für Laien oft kaum durchschaubar. Aber auch das ist kein neuer Befund.
Allerdings gibt es heute im Gegensatz zu früher Lösungsansätze, etwa mit den Beratungs- und Hinweispflichten, die den Behörden obliegen. Darüber hinaus können auch die Dienste von Rechtsberatern in Anspruch genommen werden, und zwar – jetzt kommt das Wesentliche – gegebenenfalls auch im Wege der kostenlosen Beratungshilfe. Erst vor Kurzem haben wir hier über den anwaltlichen Beratungsdienst debattiert, der Rechtsuchenden in vielen Städten unentgeltlich zur Verfügung steht. Dort
können sie unbürokratisch und einfach Rechtsrat einholen.
Das heißt, wir in Sachsen tun schon mehr als in anderen Bundesländern, um dafür zu sorgen, dass sich die Bürger schnell, einfach, unkompliziert und kostengünstig oder gar kostenlos zurechtfinden und die Verwaltung genau das tut, was wir von ihr wollen, nämlich, dass sie sich durch Bürgernähe auszeichnet.
Wir brauchen deswegen aus der Sicht der Staatsregierung keine neue Stelle in Form einer weiteren unabhängigen Landesbehörde. Es scheint eines der Lieblingsprojekte der LINKEN in diesem Parlament zu sein, immer neue Beauftragte, Ausschüsse oder ähnliche Gremien zu installieren.
Wenn man sich anschaut, was die LINKEN in den letzten 24 Jahren dort alles auf den Weg bringen wollte, wird einem schwindlig. Aus dem Stand fallen mir dazu neben den bereits etablierten Beauftragten für Datenschutz, für Schwerbehinderte, für Umweltschutz und neben der Frauenbeauftragten weitere Beauftragte für Abwasser oder Beiräte für Kleingärten, die Sie auch in der Verfassung verankert wissen wollten, Ausländerbeiräte und auch Nahverkehrsbeiräte ein. Die Liste ließe sich wahrscheinlich so weit verlängern, dass wir sie heute gar nicht mehr abhandeln könnten.
Die LINKEN leben davon, dass sie immer nur Beauftragte schaffen wollen, anstatt das, was vorhanden ist, zur Kenntnis zu nehmen und zu nutzen.
Wir brauchen in Sachsen weder neue öffentliche Stellen noch förmliche Beanstandungsverfahren. Wir wollen den Weg fortsetzen, den wir in den letzten fünf Jahren gegangen sind: Wir wollen die Verwaltungsstruktur einfach und überschaubar gestalten und Überregulierungen abbauen.
In der Tat: Die Verwaltung muss ständig an ihrer Bürgerfreundlichkeit arbeiten, aber – das sage ich Ihnen für die Staatsregierung – das tut die Verwaltung in Sachsen. Ich habe es schon gesagt: Sie tut es vielleicht erfolgreicher als in manch anderem Bundesland.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die kommunistische Diktatur in der ehemaligen DDR gehört zum historischen Erbe des wiedervereinten Deutschlands, und wir sind es auch 25 Jahre nach der friedlichen Revolution den Opfern der Diktatur und den Menschen, die die Überwindung der deutschen Teilung überhaupt erst ermöglichten, schuldig, dass das ihnen nach 1945 und in der DDR widerfahrene Unrecht und ihr Mut, sich dem aktiv entgegenzustellen, nicht aus dem Blick geraten.
Wir brauchen daher weiter eine fundierte Aufarbeitung der historischen Fakten und Zusammenhänge, um ein Verständnis für die Entstehung und Wirkungsweise des totalitären SED-Regimes zu entwickeln, einer stellenweise zu beobachtenden Verklärung der DDR-Vergangenheit
entgegenzuwirken und um Ähnliches in Zukunft zu verhindern. Denn nur bei hinreichender Aufarbeitung können wir insbesondere die nachwachsenden Generationen für die Ursachen und Folgen des SED-Unrechtsregimes sensibilisieren und damit gleichzeitig das Bewusstsein für Demokratie, Freiheit und den Rechtsstaat schärfen.
Der Sächsische Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR übernimmt im Rahmen dieser Aufarbeitung mit seinen zahlreichen und vielfältigen Beratungs- und Bildungsangeboten zweifellos eine Schlüsselfunktion. An dieser Stelle möchte ich für die Staatsregierung dem Beauftragten Lutz Rathenow und seinen Mitarbeitern ausdrücklich für die bisher geleistete Arbeit danken, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren! Der 25. Jahrestag der friedlichen Revolution in der DDR ist durchaus Anlass, zum Stand der Aufarbeitung einmal Bilanz zu ziehen. Im Zuge der Bestandsaufnahme ist auch die Frage berechtigt, ob im Hinblick auf die rechtlichen Grundlagen für die Arbeit des Landesbeauftragten Verbesserungsbedarf besteht.
Der von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachte
Gesetzentwurf hält diesen Änderungsbedarf für gegeben und greift dabei insbesondere Forderungen von Verfolgtenverbänden und Aufarbeitungsinitiativen wie auch eine Anregung des vormaligen Landesbeauftragten, Michael Beleites, auf. Allerdings ist hier die Frage zu stellen, inwieweit diese von einem inzwischen überholten Befund hinsichtlich der tatsächlichen Tätigkeit und den Aufgaben des Beauftragten ausgehen.
Zu den Schwerpunkten des Gesetzentwurfes möchte ich kurz Stellung nehmen. Zur Aufgabenänderung: Gegen die im Gesetzentwurf enthaltene präzisere Aufgabenbeschreibung für die Tätigkeit des Landesbeauftragten ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Zwingend geboten sind diese Änderungen gleichwohl nicht. Auch die jetzige Fassung des Landesbeauftragtengesetzes verankert in § 3 Abs. 1 Nr. 3 die umfassende Beratung von natürlichen Personen und anderen Stellen. Daher genügt auch ein Blick in die Tätigkeitsberichte des Landesbeauftragten, um festzustellen, dass die Beratungstätigkeit inzwischen weit über Fragen der einfachen Akteneinsicht hinausgeht und vielmehr alle Aspekte, zu denen für die Opfer des SED-Unrechtsregimes Beratungsbedarf besteht, einschließt.
Auch im Rahmen seiner Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit ist der Fokus des Landesbeauftragten längst nicht mehr allein auf den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR gerichtet, und zwar aus dem einfachen Grund, als man dessen Wirken, Arbeiten und seinen Wirkungsmechanismus nie isoliert begreifen kann, sondern sich auch das Ministerium für Staatssicherheit immer nur als
Teil des Machtapparates in der DDR darstellt und begreifen lässt.
Vor diesem Hintergrund befassen sich die Aufklärungs- und Bildungsangebote des Landesbeauftragten mit allen Erscheinungsformen der diktatorischen Machtausübung nach dem 8. Mai 1945, um das von Repression und Anpassung geprägte Leben in der Sowjetischen Besatzungszone oder späteren DDR erfahrbar und insbesondere für die nachwachsende Generation verständlich zu machen. Auch insofern nehme ich Bezug auf die Tätigkeitsberichte.
Zur Änderung der Amtsbezeichnung ergibt sich aus meiner Sicht zumindest aktuell keine Regelungsnotwendigkeit. Sicher ist die Bezugnahme auf die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes allein etwas irreführend, da der Landesbeauftragte selbst keine Unterlagen verwaltet.
Andererseits gebe ich zu bedenken, dass die gegenwärtige Amtsbezeichnung auf § 38 des Gesetzes über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR beruht, sich an die inzwischen über erheblichen Bekanntheitsgrad verfügende Amtsbezeichnung des Bundesbeauftragten anlehnt und sich die Amtsbezeichnung des Landesbeauftragten inzwischen in Sachsen in vielen Jahren fest etabliert hat.
Zur Ansiedlung des Landesbeauftragten im Geschäftsbereich des Landtages lassen Sie mich kurz darauf hinweisen: Der Landesbeauftragte untersteht der Dienst- und Rechtsaufsicht, mehr auch nicht, des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa. Die Unterstützung der Arbeit des Landesbeauftragten war mir in der ganzen Amtszeit bisher ein wichtiges Anliegen und das gilt auch für meine Amtsvorgängerin. So meine ich, dass der Landesbeauftragte und seine Vorgänger auch in der bestehenden Struktur in den vergangenen Jahren hervorragend ihre Aufgaben erfüllen konnten und dies auch getan haben. Die Verantwortung dafür zu übernehmen bin ich auch weiterhin bereit, meine Damen und Herren.
Im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss wurden von den verschiedenen Fraktionen auch andere Vorstellungen zur Perspektive des Landesbeauftragten vorgetragen. Auch heute war das wieder der Fall.
Sie sehen, die Diskussion zu diesem Thema ist noch nicht abgeschlossen und daher wird es – dessen bin ich mir sicher – auch in der nächsten Legislaturperiode hierzu Diskussionen geben. Für diese Diskussionen empfehle ich uns allen, dass wir sie einbetten in die begonnene und weiterlaufende Diskussion über die Zukunft und die Aufgabengestaltung des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, damit wir zu einer abgestimmten Lösung zwischen Bundes- und Landesebene kommen können.
Aus den genannten Gründen können wir gegenwärtig eine Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf nicht empfehlen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Aktuelle Debatte hätte die Chance geboten, dass man sich über einen Diskurs verständigt, wie man in diesem Land mit dem Landesamt für Verfassungsschutz umgeht, was man an ihm hat, was man von ihm gerne möchte. Aber ich glaube, dass die NPD nicht die geeignete Fraktion darstellt, um ernsthaft über dieses Thema zu debattieren. Das, was Sie heute hier geboten haben, war
kein Diskussionsbeitrag, sondern nur die Offenbarung einer tief greifenden Paranoia, die Sie hier seit zehn Jahren in diesem Parlament umtreibt.
Da wird der NSU, meine Damen und Herren, zu einem Konstrukt der Geheimdienste, als würde es sich um irgendwelche außerirdischen Wesen handeln, die vom Verfassungsschutz erfunden und geschickt worden sind, um die NPD zu diskreditieren.
Nein, meine Damen und Herren, es handelt sich – und so lautet auch schon die Eigenbezeichnung – um nationalsozialistische Mörder. Die haben sich – und das ist aktenkundig – oft genug auf Veranstaltungen herumgetrieben, die auch von NPD-Anhängern und -mitgliedern sehr, sehr gerne besucht werden, meine Damen und Herren. Tun Sie doch nicht so, als hätten Sie mit denen nichts zu tun, als sei das eine Veranstaltung, die Ihnen von außen sozusagen wie ein Bonbon an die Backe geklebt worden ist!
Nein, das ist aus Ihren Reihen emporgewachsen und das sind die Früchte Ihrer Ideologie, die sich dort offenbart haben, meine Damen und Herren.
Dementsprechend ist auch der Verfassungsschutz kein Instrument einer irgendwie gearteten Verschwörung gegen die „nationalen Kräfte“ oder die selbsternannten „volkstreuen Kameradinnen und Kameraden“. Der Verfassungsschutz ist da, um zu beobachten, wie Extremisten versuchen, sich an der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu schaffen zu machen. Das treibt sie von morgens bis abends um. Herr Jennerjahn hat mit seinen Zitaten, die übrigens allgemein bekannt sind, das noch einmal klargemacht. Sie sind Verfassungsfeinde und sie stehen dazu. Tun Sie doch nicht so, als würden Sie sich auf einmal Sorgen um die Verfassung machen oder gar um den Verfassungsschutz!
Wenn Sie hier Ihre kruden Verschwörungstheorien offenbaren, muss man sich schon wundern. Das Einzige, was
Sie fertigbringen, ist – das, was Herr Schimmer sagte –, das habe fast schon beinahe Beweischarakter. Fast schon beinahe Beweischarakter. In anderen historischen Fragen gehen Sie von gesicherten Erkenntnissen aus, zum Beispiel mit Herrn Irving zusammen, dass es Auschwitz gar nicht gegeben habe. Das ist für Sie eine bekannte feststehende Faktenlage.
Wenn demgegenüber die Hinweise auf eine Verschwörung bezüglich des NSU beinahe schon Beweischarakter haben, dann weiß der geneigte Beobachter genau, wie es bei Ihnen ausschaut. Sie wissen ganz genau, dass dieser NSU aus Ihren Reihen gekommen ist
und Ihnen politisch immer zuzurechnen sein wird, meine Damen und Herren.
Beim Thema NSA hat man gedacht, jetzt kommen wieder die üblichen antiamerikanischen Verschwörungstheorien und paranoiden Theorien hoch. Nö, eigentlich nicht. Nicht mal das. Das waren zusammenhanglose Versatzstückchen, mit denen Sie sich gegen irgendeine Bespitzelung wehren.
Was ist denn, wenn das Landesamt auf einmal versucht, extremistische Islamisten, Salafisten oder Dschihadisten abzuhören? Dürfen die das nicht?
Ist das unanständig? Nein, unanständig ist es dann, wenn man es bei der Beobachtung auf Sie abgesehen hat. Die heutige Diskussion hat deutlich gezeigt, dass die NPD ein sehr, sehr wichtiges Ziel für die Beobachtung der Verfassungsschutzbehörden in diesem Land ist und bleibt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Projekt der Staatsmodernisierung in Sachsen – die Kollegen vor mir haben es bereits angesprochen – hat viele Facetten. Es gibt viele Einzelmaßnahmen, mit denen wir uns der Frage stellen: Wie wollen wir Sachsen so aufstellen, dass es an die Spitzengruppe der deutschen Bundesländer gelangt? Wie wollen wir Sachsen zukunftsfest machen, damit es auch finanziell auf eignen Beinen stehen kann? Wie wollen wir Sachsen mit einer Verwaltung ausstatten, die effizient, schnell und ohne Qualitätseinbußen arbeitet und die darauf bedacht ist, die Bürger nicht mehr als notwendig zu belasten? Wenn Sie heute Bürger auf der Straße fragen, was sie im Alltag, vor allem im Umgang mit Behörden oder mit dem Staat, am meisten stört, erhalten Sie als Antwort: die Bürokratie.
Die in den letzten Jahren immer stärker zutage getretene Überregulierung durch staatliches Handeln hat in der Tat – und zwar zu Recht – zu einem Paradigmenwechsel geführt. Der Staat ist nicht für alles zuständig, obwohl das manche in diesem Haus nach wie vor gerne hätten. Der Staat kann nicht alles besser regeln als seine Bürger. Diese Einsicht setzt sich langsam durch. Bei manchen, wie bei Frau Jähnigen, ist sie noch gar nicht angekommen. Aber wir sind zuversichtlich, dass sich diese geänderte Auffassung allgemein durchsetzt.
Im Jahr 2006 wurde auf der Bundesebene ein nationaler Normenkontrollrat eingerichtet, und diesem Vorhaben folgend haben wir uns in Sachsen für ein solches Vorhaben entschieden. Das Ziel lautet: Wir wollen mehr Freiraum für die Bürger und die Wirtschaft und für die Gesellschaft insgesamt erreichen, und in der Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP im Jahre 2009 für diese Legislaturperiode steht: „Wir werden einen Normenkontrollrat einsetzen, der Vorschläge unterbreitet, wie der Freistaat sinnvoll Bürger und Wirtschaft von Kosten befreien kann, unter anderem mit einem Standardkostenmodell.“
2010 fand hier eine Expertentagung statt, auf der festgestellt wurde, dass auch auf Länderebene der Erfüllungsaufwand von Gesetzesfolgekosten erfasst werden kann und dass dies wünschenswert und möglich ist, meine Damen und Herren, auch wenn die Gesetzgebungstätigkeit des Landes längst nicht solche weitreichenden Auswirkungen und Kostenfolgen hat, wie die des Bundes.
Mit dem Sächsischen Normenkontrollrat soll ein externer Berater im Gesetzgebungsverfahren installiert werden. Herr Bartl, wenn Sie beanstanden, dass dies nur die Gesetzentwürfe der Staatsregierung betrifft, muss ich Ihnen entgegenhalten: Natürlich kann die Staatsregierung nur Vorschläge für das eigene Gesetzgebungsverhalten unterbreiten. Wir werden einen Teufel tun, dem Landtag vorzuschreiben, welche Prüfungsschritte er in seinen eigenen Gesetzesinitiativen vornimmt. Es bleibt selbstverständlich diesem Hohen Haus völlig unbenommen, selbst eine vergleichbare Institution, einen Normenkontrollrat zu
schaffen oder ihn einzuschalten, wenn er meint, er müsste das im Gesetzgebungsverfahren machen. Aber das ist nicht Aufgabe der Staatsregierung.
Ja, bitte.
Es ist Sache des Parlamentes, einen solchen Gesetzentwurf zu beraten und zu verabschieden. Selbstverständlich würde ich für die Staatsregierung sagen, wir wären für einen solchen Vorschlag offen und würden ihn zunächst im Einzelnen bewerten.
Meine Damen und Herren! Mit dem Normenkontrollrat soll, wie gesagt, ein externer Berater installiert werden. Es wird eben nicht nur wieder aus Mitteln der Verwaltung mit den üblichen Verdächtigen über Gesetze gesprochen, sondern hier sollen Experten aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, aus der Kommunalverwaltung und der Politik eingeschaltet werden. Angestrebt wird der Abbau der Kosten, die sich aus Gesetzgebungsvorhaben ergeben, die sich als Belastungen für die Bürger und die Wirtschaft darstellen.
Daher wird von Beginn an die Prüfung des gesamten Erfüllungsaufwandes inklusive der reinen Bürokratiekosten eine Prüfungsaufgabe für den NKR. Hier ist das Prüfungsprogramm weiter als das sogenannte Standardkostenmodell, meine Damen und Herren. Dieses betrifft nämlich lediglich den Bürokratieerfüllungsaufwand, das heißt, die mit einem Gesetz verbundenen Bürokratiekosten aufseiten der Unternehmen. Nein, der Sächsische Normenkontrollrat soll auch weitergehend den gesamten Erfüllungsaufwand – also etwa auch Investitionskosten – aufseiten der Wirtschaft erfassen und bewerten.
Wenn Frau Jähnigen hier den Kostenaufwand von 50 000 Euro beanstandet, den der Normenkontrollrat jährlich verursacht, sage ich: Das ist gut angelegtes Geld; denn dem steht möglicherweise eine wesentlich größere Einsparung für die Bürger und die Wirtschaft gegenüber. Dieser Normenkontrollrat wird zunächst die Staatsregierung bei Gesetzgebungsvorhaben beraten, aber er wird auch einen jährlichen Bericht über seine Gesamttätigkeit geben, der dann auch dem Landtag zur Verfügung steht.
Trotz des bestehenden Modells auf Bundesebene betreten wir mit unserem Normenkontrollrat auf der Ebene des Landes Neuland. Wir wollen als erste Erfahrungen gewinnen und diese analysieren. Dann soll entschieden werden, ob das Gremium dauerhaft etabliert werden kann. Wir haben deshalb das Gesetz zunächst auf drei Jahre befristet. Es wird sich zeigen, ob dieser Zeitraum für eine entsprechende Evaluierung ausreichend ist. Auf jeden Fall werden wir in drei Jahren über dieses Projekt noch einmal neu sprechen.
Ich halte es auch für sinnvoll, dass wir ein Gremium erst auf seine Tauglichkeit und seinen tatsächlichen Nutzen überprüfen, bevor wir von vornherein einen – ich sage jetzt einmal – ewigen Normenkontrollrat institutionalisieren, der vielleicht nicht das hält, was wir uns gegenwärtig von ihm versprechen. Der so angelegte Normenkontrollrat jedenfalls – das ist meine feste Erwartung – wird uns helfen, die Kosten von Gesetzgebungsvorhaben frühzeitig einzuschätzen und zu erfassen und vielleicht den Gesetzgeber in Gestalt der Staatsregierung davon abhalten, die eine oder andere kostspielige Dummheit – dann allerdings stets auf Kosten der Bürger und der Verwaltung – zu begehen.
Deshalb bitten wir um Zustimmung für diesen Gesetzentwurf.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Entwurf des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung und zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung der SAkD – kurz E-GovernmentGesetz – möchte ich für die Staatsregierung Folgendes zusammenfassend ausführen. Die Arbeit der Verwaltung wird seit Jahren durch moderne Kommunikations- und Informationstechnik beeinflusst. Diese Techniken finden Sie im täglichen Leben, im Berufsleben, überall vor. Die staatliche Verwaltung, so finden wir, muss dem Folge leisten. Sie muss sich anpassen und ein Stück vorausgehen bei dem, was wir eine moderne Verwaltung nennen.
Unser Anspruch ist es, Sachsen bis zum Jahr 2020 ein gutes Stück weiter voranzubringen und es langfristig in die Spitzengruppe der deutschen Bundesländer zu führen. Das heißt auch, Sachsen mit einer Verwaltung zu versehen, die zu den besonders leistungsfähigen Verwaltungen in Deutschland gehört. Das ist kein Selbstzweck. Meine Damen und Herren, wir machen das im Interesse der Bürgerinnen und Bürger sowie der Steuerzahler in diesem Land.
Wir haben dieses Gesetz in intensiver Abstimmung mit den kommunalen Interessenträgern und dem Sächsischen Datenschutzbeauftragten erarbeitet. Für diese Zusammenarbeit, Herr Schurig, möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich bedanken.
Wir haben im Ergebnis des Anhörungsverfahrens in diesem Haus Änderungsanträge der Koalition vorgelegt bekommen. Diese, lassen Sie es mich sagen, finden natürlich die Zustimmung der Staatsregierung. In der Tat, die Frage der Barrierefreiheit, des Datenschutzes und die Stärkung der Rechte des sorbischen Volkes sind Anliegen, die wir unterstützen möchten.
Dieses E-Government-Gesetz schafft die Rechtsgrundlagen für die schon entstandene E-Government-Landschaft und setzt Regelungen auf Landesebene um, die mit dem Bundes-E-Government-Gesetz bereits geschaffen sind. Wir werden die Voraussetzungen schaffen, um die Schriftform durch die elektronische Form zu ersetzen oder Fortschritte bei der elektronischen Bezahlung zu erreichen.
Dieses Gesetz in seinen Grundlagen schafft überhaupt die Voraussetzungen dafür, dass wir elektronische Zugänge zu allen Verwaltungsstellen anbieten können und eine effizientere Verwaltung aufstellen, indem wir medienbruchfreie Verfahren schaffen. Das heißt, dass wir Verfahren ermöglichen, bei denen nicht etwas ausgedruckt, elektronisch gespeichert, dann wieder ausgedruckt und noch einmal elektronisch gespeichert wird, sondern es wird durchgängig elektronisch bearbeitet. Wir legen großen Wert auf die Gewährleistung von Datenschutz und Informationssicherheit, meine Damen und Herren. Dieses Gesetz ist ein Anfang für das Zugänglichmachen von Daten der öffentlichen Verwaltung für Bürger, indem wir Daten in einem Umfang bereitstellen, den es so bisher nicht gegeben hat.
Wir möchten eine effektive IT-Organisation. Wir möchten dies ebenenübergreifend machen. Wir möchten mit dem Auseinanderfallen der verschiedenen technischen Voraussetzungen zwischen Kommunen, Landkreisen und dem Land aufhören. Es soll durchgängig eine einheitliche elektronische Kommunikation möglich sein. Das spart Zeit und Geld und ist im Interesse auch einer schnelleren Sachbearbeitung.
Die staatlichen Behörden und die Träger der Selbstverwaltung müssen ab sofort die elektronische Kommunikation ermöglichen. Nach dem Sächsischen E-GovernmentGesetz aber auch schon nach dem Gesetz des Bundes sind die öffentlichen Hände ab dem 1. Juli dieses Jahres verpflichtet, die elektronische Kommunikation beim Vollzug von Bundesgesetzen jedenfalls zu ermöglichen. Wir schaffen dies auch für die Landesverfahren. Hierbei sind Verschlüsselungsverfahren anzubieten und grundsätzlich anzuwenden. Darüber hinaus ist der Zugang für alle Verfahren für den elektronischen Ersatz der Schriftform mit einer Übergangsfrist von zwei Jahren zu schaffen. Wir finden, dass das eine ausreichende Zeitfrist ist.
Meine Damen und Herren! Wenn hier gesagt wird, dass wir in dem Gesetz festschreiben müssten, dass nur OpenSource-Software zum Einsatz kommen dürfe, dann verkennt diese Auffassung, dass wir gerade eben keine bestimmten Formen vorschlagen und keine bestimmten Modelle von Software, Programmen und Ähnlichem in das Gesetz hineinschreiben. Wir wissen, dass die Technik sich rasant ändert. Das Gesetzgebungsverfahren ist ein sehr zeitaufwendiges und aufwendiges Projekt und Unternehmen und der Gesetzgeber hinken der technischen Entwicklung oftmals um Jahre hinterher. Deswegen haben wir diesen Gesetzentwurf technikoffen gestaltet. Wir legen gerade nicht fest, welche Technik im Einzelnen zum Einsatz kommen soll. Wir sagen stattdessen, welche Ergebnisse mit ihr zu erzielen sind. Das ist ein Ansatz, der grundsätzlich eine möglichst effiziente und schnelle technische Erneuerung ermöglicht.
Meine Damen und Herren! Die Barrierefreiheit wird in diesem Gesetz ausdrücklich angesprochen und mit dem Änderungsantrag noch einmal weitergehend präzisiert. Es gibt kein anderes Bundesland, das eine vergleichbare
gesetzliche Regelung zum E-Government oder im Weiteren zur Barrierefreiheit für elektronische Verfahren hat. Meine Damen und Herren! An diesem Punkt ist Sachsen ebenfalls führend im Vergleich zu den anderen Bundesländern in Deutschland. Das sollte man einmal anerkennen, anstelle sich darüber zu beschweren, dass es nicht noch weitergehende Regelungen gibt. Es gibt viele andere Landesregierungen, für die sowohl E-Government als auch Barrierefreiheit bisher kein Thema ist.
Meine Damen und Herren! Im Weiteren sind auch der Datenschutz und die Informationssicherheit für uns Themen, denen wir uns im Gesetz widmen. Daten müssen, wenn wir sie von dem Bürger einfordern, auch sicher behandelt und verwahrt werden. Mit diesem Gesetz schaffen wir die Voraussetzungen dafür. Wir werden übrigens – die Staatsregierung wird dies auch noch in der nächsten Legislatur weiter betreiben –, die Sicherheit für die Verwaltung der Daten in Sachsen erhöhen, etwa mit dem Projekt der Sachsencloud, das bereits angesprochen wurde.
Die Daten und Informationen der Verwaltung sollen aufgrund dieses Gesetzes allgemein zugänglich gemacht werden, jedenfalls die Daten, die nicht personenbezogen sind. Sie sollen maschinenlesbar vorgehalten und so veröffentlicht werden, dass sie mit Metadaten versehen werden.
Meine Damen und Herren! Das ist noch kein allgemeines Informationsfreiheitsgesetz. Es ist aber ein erster wesentlicher Schritt hin auf dem Weg zu einer Öffnung der Daten für die Bürger, meine Damen und Herren. Wir werden mit diesem Gesetz als erstes Bundesland die Einstiegsmöglichkeit schaffen, dass wir von der papiergebundenen Akte zu einer elektronischen Aktenführung kommen. Das heißt nicht, dass jeder Bürger nur noch per E-Mail oder Computer mit der Verwaltung korrespondieren kann. Wir werden aber die Voraussetzungen schaffen, dass dies in Zukunft möglich ist, meine Damen und Herren.
Der Freistaat ist bereits dabei, das Projekt der elektronischen Vorgangsbearbeitung und Aktenführung zu definieren und umzusetzen. Dafür sind bereits Haushaltsmittel eingestellt. Frau Friedel, wenn Sie sich darüber beschweren, dass Haushaltsvorbehalte im Gesetzentwurf enthalten sind und keine Mittel zur Verfügung stehen, dann ist das schlichtweg unzutreffend. Dann haben Sie es nicht richtig verstanden.
Die elektronische Vorgangsbearbeitung ist bereits im laufenden Doppelhaushalt unter der Titelgruppe 06 15 in der Gruppe 96 für das Jahr 2013 mit 8,3 Millionen Euro und für das Jahr 2014 mit 9,2 Millionen Euro veranschlagt. Es wäre für die Diskussion sicherlich hilfreich gewesen, wenn Sie dies vorher zur Kenntnis genommen hätten, meine Damen und Herren.
Ja, gestatte ich.
Ja, weil dies im laufenden Haushalt der Fall ist und dies zukünftige Kosten sind, die anfallen. Es handelt sich um zusätzliche Kosten. Das ist bereits in der mittelfristigen Finanzplanung ausgewiesen.
Es geht um zusätzliche Kosten. Das sind die feinen Unterschiede, auf die Sie anscheinend nicht richtig achten können: laufend und zusätzlich.
Frau Friedel, wir haben diese in der mittelfristigen Finanzplanung bereits eingestellt. Herr Schiemann hat es bereits deutlich klargestellt. Das war Thema bei mehreren Besprechungen und auch im Ausschuss. Soweit ich mich daran erinnere, waren Sie anwesend. Lassen Sie mich fortfahren.
Im Moment gestatte ich keine weitere Zwischenfrage.
Meine Damen und Herren! Wir haben mit diesem Gesetz die Grundlage für eine effektive IT-Organisation und eine weitere Zusammenarbeit – vor allen Dingen, darauf lege ich Wert, zwischen den Behörden des Freistaates und den kommunalen Ebenen – geschaffen. Das wird sich langfristig auszahlen. Andere Länder haben diesen Weg noch nicht in Angriff genommen. Wir kommen auf diesem Weg heute mit diesem Gesetzentwurf ein ganz beachtliches Stück weiter. Meine Damen und Herren! Wir werden mit der Verabschiedung des Gesetzes einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass die Bürger und Unternehmen in Sachsen elektronisch unterstützte Verwaltungsleistungen abrufen können. Das wird die Qualität der Verwaltungsarbeit verbessern. Sachsen nimmt hier bundesweit eine Vorreiterrolle ein.
Das ist ein Projekt, das sehr viel Arbeit gekostet und sehr viel Mühen bereitet hat. Ich möchte allen Beteiligten, auch hier in diesem Haus, für ihr Engagement und ihr Interesse bei dieser nicht ganz leichten und abstrakten Materie ausdrücklich danken. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit dem Gesetzentwurf und den Änderungsan
trägen der Koalition ein hervorragendes Gesetz geschaffen haben, das uns den Weg nach morgen ein wenig weiter eröffnet.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Kollegin, lassen Sie mich auf diese Intervention eines klarstellen: Es geht hier nicht darum, wer lügt – das will ich Ihnen gar nicht unterstellen –, sondern es geht schlicht und ergreifend darum, ob man etwas versteht oder nicht.
Wir haben in unserem Vorblatt die zusätzlichen Kosten ausgewiesen, die durch dieses Gesetz entstehen. Die Projekte der elektronischen Vorgangsbearbeitung – eVA.SAX, VIS.SAX-Programm – sind bereits definiert und im laufenden Haushalt veranschlagt. Sie entstehen nicht durch das E-Government-Gesetz. Das schafft nämlich nur die gesetzlichen Voraussetzungen für die umfassende Anwendung dieser elektronischen Verfahren, die wir bereits zu definieren begonnen und im Haushalt veranschlagt haben. Das ist das ganze Problem. Das hat nichts mit Lügen zu tun, sondern einfach damit, ob man sich die Mühe macht, das Ganze einmal ein wenig zu durchdenken oder nicht. Wir haben es jedenfalls getan.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, wie sich die Fraktionen hier gegenseitig immer vorwerfen, der aktuell vorliegende Antrag sei in reiner Wahlkampfabsicht gestellt worden. Natürlich wird die Antragstellerin in diesem Fall ebenfalls eine derartige Unterstellung mit Ekel und Abscheu zurückweisen. Meine Damen und Herren, aber aus Sicht der Staatsregierung ist das schon auffällig, wenn – in gewissen zeitlichen Abständen zwar, aber komischerweise just immer im Zusammenhang mit Wahlkämpfen – dieselben Anträge gestellt werden.
Meine Damen und Herren, dieser Antrag ist das Gegenteil von dem, was er vorgibt zu sein. Er ist nämlich nicht ausgewogen. Er bevorzugt einseitig die Grundstücksnutzer und nimmt gegenläufige Interessen der Grundstückseigentümer nicht einmal wahr.
Herr Kollege Bartl, wenn Sie diesen Antrag damit begründen, dass im Schuldrechtsanpassungsgesetz in Artikel 231 § 4 EGBGB die Umdrehung eines sachrechtlichen Grundsatzes beabsichtigt gewesen sei, so ist dem zu widersprechen.
Mit dieser Regelung wurde lediglich eine Überleitungsregelung, eine temporäre Kollisionsnorm, geschaffen, die es ermöglichen sollte, die an und für sich nichtvereinbare Konstruktion der Nutzungsrechte nach DDR-Recht mit
dem Grundgesetz kompatibel zu machen, indem man sagt, es gibt eine Überleitungsphase. Was Sie hier wollen, ist nicht die Überleitung, sondern die Perpetuierung, das heißt die letztlich auf unabsehbare Zeit weiter fortgeschriebene Beibehaltung einer Rechtskonstruktion, die dem Eigentümer – und das ist das Perfide daran – nicht das Eigentum selbst weggenommen hat, sondern es formal bestehen ließ, aber durch den Umfang und die Ausgestaltung der Nutzungsrechte praktisch wertlos gemacht hat.
Das ist auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes so nicht möglich.
Die gestatte ich.
Sehr geehrter Herr Kollege Bartl, lassen Sie sich bitte einmal die Nebelkerze aus der Hand nehmen.
Der Unterschied der rechtlichen Regelungen im Sachenrechtsbereinigungsgesetz und im Schuldrechtsanpassungsgesetz folgt sogar der unterschiedlichen Ausgestaltung der Nutzungsrechte im DDR-Recht. Die Nutzungsrechte für Wohngrundstücke waren formal mit Nutzungsurkunden verliehene förmliche Nutzungsrechte, die praktisch eigentumsgleiche Befugnisse für den Inhaber der Nutzungsrechte – dieses war vererblich – einräumte.
Demgegenüber waren die ausgestellten Nutzungsrechte privatschriftlich möglich – sie waren bisweilen zu registrieren, aber es waren privatschriftliche Urkunden über Nutzungsverträge für Erholungsgrundstücke – und hatten eine ganz andere Qualität. Sie waren nämlich eher schuldrechtlich ausgestaltet, während die zivilrechtlichen Nutzungsrechte für Eigenheimgrundstücke eine deutliche sachenrechtliche Komponente hatten, und dem hat sowohl der Einigungsvertrag als auch die Folgegesetzgebung in der Bundesrepublik Rechnung getragen.
Bitte versuchen Sie nicht, die Menschen zu verwirren und auf ihre Unkenntnis zu bauen, wenn Sie jetzt auf einmal
herkommen und Nutzungsrechte an Eigenheimen mit Nutzungsrechten an Datschen und am besten noch – wie von Ihnen genannt – Nutzungsrechten an Garagen in einen Topf werfen.
Wenn ich höre, dass Ihnen die Garage genauso lieb gewesen ist wie Ihre Datsche, dann möchte ich nicht wissen, wie Ihre Datsche ausgesehen hat.
Um es noch einmal klarzumachen: Wir sollten uns schon der Mühe hingeben zu differenzieren zwischen Eigenheim, Datsche und Garage, lieber Herr Kollege Bartl. Dass manches im realen Sozialismus ziemlich ähnlich ausgesehen hat,
dürfte allerdings heute nicht mehr von Belang sein.
Meine Damen und Herren, seit 20 Jahren tariert das Schuldrechtsanpassungsgesetz die Interessen von Nutzern von Erholungsgrundstücken und ihren Eigentümern aus. Beide Seiten haben sich jetzt zwei Jahrzehnte lang auf die Rechtslage einstellen können. Das Bundesverfassungsgericht hat das Regelungssystem 1999 überprüft und Benachteiligungen festgestellt – allerdings nur für die Grundstückseigentümer. Dort hat der Gesetzgeber notwendige Korrekturen vorgenommen. Brandenburg hat jetzt – zweifelsfrei im Vorwahlkampf und ohne Erörterung mit den anderen ostdeutschen Ländern –
eine Gesetzgebungsinitiative gestartet, die die Rechte der Grundstücksbesitzer stärken soll. Ich bin skeptisch, ob die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes überhaupt eine solche Neujustierung des Schuldrechtsanpassungsgesetzes zulässt, und damit bin ich nicht allein. Die brandenburgischen Vorschläge hat DIE LINKE übrigens 2010 in den Bundestag eingebracht, und diese sind dort einhellig von CDU, SPD, GRÜNEN und FDP abgelehnt worden. Der Sächsische Landtag – Sie werden sich daran erinnern – hat einen vergleichbaren Antrag schon 2006 abgelehnt.
Im Rechtsausschuss des Bundesrates hat auch das Bundesjustizministerium den Entwurf aus Brandenburg abgelehnt und darauf verwiesen, dass die derzeitige Rechtslage durchaus für einen angemessenen Ausgleich der Rechtsinteressen geeignet ist.
Unabhängig davon besteht gar kein Anlass für gesetzgeberischen Aktionismus, weil die Datschennutzungsverträge 2015 – anders, als von Ihnen hier suggeriert – gar nicht automatisch auslaufen; sie werden nur kündbar.
Da kommt schon wieder die gleiche Methode ins Spiel, die Sie bei den Garagen angewendet haben. Sie sind am Samstagvormittag durch Garagensiedlungen gestrichen und haben den Leuten erzählt, am 03.10. ist alles vorbei,
dann müsst ihr eure Autos auf die Straße stellen, weil die Nutzungsverträge auslaufen. Nein, sie waren nur kündbar. Und was ist passiert? In den meisten Fällen gar nichts, es hat nämlich keiner gekündigt.
Das Gleiche wird auch mit der Mehrzahl der Datschenverträge passieren, sollte eine Kündigung ab 03.10.2015 möglich sein.
Gleichwohl hat sich Sachsen im Bundesrat entschlossen, wie Sie am letzten Freitag bemerkt haben – auf Wunsch des Koalitionspartners, das sage ich ausdrücklich dazu –, sich dem brandenburgischen Vorschlag anzuschließen. Das ist etwas ganz anderes als das, was Sie hier vorlegen. Bei Ihnen geht es nämlich nicht um eine dreijährige Verlängerung, sondern es ist von einer „zunächst“ Verlängerung die Rede, meine Damen und Herren. Sie überbieten das, was Brandenburg gebracht hat, und zwar in ziemlich unschöner Weise. Wie lange soll eigentlich nach Ihrer Auffassung den Eigentümern der Zugriff auf das eigene Grundstück verwehrt bleiben? Der Antrag verrät es gar nicht. Stattdessen steht dort kryptisch nur „zunächst bis 2018“. Ja, und dann zunächst wieder bis 2028 und dann vielleicht bis 2038?
Meine Damen und Herren, das ist die Fortführung eines Rechtszustandes, der einer geordneten und dem Grundgesetz entsprechenden Rechtslage widerspricht. Darüber hinaus verstoßen Sie gegen die Interessenausgleichsgrundsätze. Sie wollen grundsätzlich den Eigentümer des Grundstücks für die Kosten des Abrisses zahlen lassen und auch noch – jetzt wird es besonders interessant – ein Ankaufsrecht des Nutzers statuieren. Zu welchem Preis? Das verschweigen Sie in Ihrem Antrag allerdings. Es wäre aber interessant, das zu erfahren. Die Stunde der Offenbarung ist dann erreicht, wenn Sie der eigenen Wählerschaft klarmachen müssen, dass das Grundstück nicht zu DDRPreisen, sondern nur zum amtlichen Verkehrswert erworben werden kann. Die Stimmung wird garantiert ziemlich eingetrübt sein, wenn Sie das gestehen müssen. Deswegen steht es in Ihrem Antrag auch nicht drin. Das wäre aber fair gewesen.
Meine Damen und Herren! Ich habe es schon dargestellt: Eine Datsche ist etwas anderes als das selbst genutzte und selbst gebaute Einfamilienhaus mit einem Nutzungsrecht. Für Letzteres hat man eine andere Lösung gefunden: Der Eigenheimnutzer hat das Recht, das Grundstück zu erwerben, um seinen Lebensmittelpunkt zu sichern. Eine Datsche ist in aller Regel nicht der Lebensmittelpunkt.
Natürlich ist sie ein Refugium. Sie kann auch zum Lebensmittelpunkt werden, spätestens dann, wenn die Schwiegermutter daheim einzieht. Das mag es geben. Aber man kann das nicht generalisieren und auf dieser Grundlage rechtliche Regelungen treffen. Das müssen Sie doch einmal einsehen.
Kurz und knapp: Dieser Antrag ist fachlich undurchdacht. Auf die zu lösenden Probleme – die Antragsteller geben vor, sie lösen zu wollen – wird nicht wirklich eingegangen. Dieser Antrag ist vielmehr ein Beitrag zum Wahlkampf. Es wird Sie nicht wundern, dass wir dem nicht zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Mein sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich mit Blick auf die sehr umfangreiche Tagesordnung des heutigen Tages vorweg die folgende Bemerkung machen: Ich muss diejenigen enttäuschen, die gerne möchten, dass ich die Regierungserklärung zu Protokoll gebe.
Gleichzeitig werde ich der überwiegenden Mehrheit des Hauses entgegenkommen, indem ich es möglichst kurz mache.
Meine Damen und Herren! Eines der wesentlichen Ziele der Staatsregierung sowie der sie tragenden CDU/FDPKoalition ist es, Sachsen mit Blick auf das Jahr 2020 und darüber hinaus deutlich weiterzuentwickeln und es langfristig in die Spitzengruppe der deutschen Bundesländer zu bringen. Dieser Anspruch ist nicht nur historisch begründbar, sondern er beruht auch auf einer realistischen Einschätzung der vorhandenen Basisfaktoren: eine in langer Tradition gewachsene Industriekultur mit zahlreichen mittleren und kleineren hoch innovativen Unternehmen, ein großes Innovationspotenzial durch zahlreiche Bildungs- und Forschungseinrichtungen, Arbeitskräfte, die hervorragend ausgebildet und hoch motiviert sind, und
ein gesellschaftliches Klima der Technikoffenheit und Veränderungsbereitschaft. Das alles zeichnet Sachsen aus. Das sind hervorragende Startbedingungen für dieses Land.
Neben diesen Faktoren möchten wir weitere Rahmenbedingungen schaffen, damit unser Ziel, Sachsen soll eine der modernsten und wohlhabendsten Regionen in Deutschland und Europa werden, auch Wirklichkeit wird. Neben einer leistungsfähigen Infrastruktur und dem bestmöglichen Schul- und Bildungssystem gilt es, Staat und Verwaltung so zu organisieren, dass diese ihre Aufgaben über alle Verwaltungsebenen hinweg schnell, in hoher Qualität und effizient erledigen kann und dabei für die Bürger und Unternehmen in diesem Land einfach und jederzeit erreichbar ist.
Meine Damen und Herren! Dieses Ziel ist ohne Zweifel anspruchsvoll. Wir werden es nur erreichen, wenn wir den Freistaat Sachsen weiterentwickeln und den Aufholprozess mit anderen Bundesländern sogar noch beschleunigen können. Dafür benötigen wir an vielen Stellen Veränderungen, die wir mit dem Begriff Staatsmodernisierung umschreiben.
Der Weg ist nicht einfach für Sachsen. Er ist zusätzlich mit erheblichen Schwierigkeiten befrachtet. Die Bevölkerung wird bis zum Jahr 2025 um weitere 350 000 Menschen abnehmen. Sinkt die Zahl der Einwohner, gehen die Einnahmen der Haushalte der öffentlichen Hand ebenfalls zurück. Hinzu kommt das Auslaufen des Solidarpakts, der
weitere Rückgang von EU-Fördermitteln und mit dem Bevölkerungsrückgang auch Nachteile beim Länderfinanzausgleich. Daraus folgen – verglichen mit dem Status quo – für den Freistaat ab dem Jahr 2020 geschätzte Mindereinnahmen in Höhe von 2,4 Milliarden Euro jährlich. Die Staatsmodernisierung ist demgegenüber nicht nur eine Reaktion auf die schon immer knappe Ressourcenlage. Sie ist auch eine Anpassung an eine sich verändernde Welt, geänderte Arbeitswelten und ein geändertes Kommunikationsverhalten der Bürgerinnen und Bürger.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich heute Bilanz über die letzten fünf Jahre ziehen, in denen wir uns der Aufgabe der Staatsmodernisierung gewidmet haben. Zu Beginn des Vorhabens mussten Zielwerte definiert werden, die es zu erreichen gilt. Wir haben strategische und operative Ziele und Zielwerte bis in das Jahr 2020 formuliert. Beispielhaft möchte ich hier anfügen, dass der größte Teil der Verwaltungsverfahren bis zum Ende des Jahres 2020 im Freistaat elektronisch abgewickelt werden kann, die Bürger sowie Unternehmen an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr einen elektronischen Zugang zu allen Bereichen der Landesverwaltung haben oder eine Vielzahl von Genehmigungserfordernissen durch Anzeigeverfahren und Genehmigungsfiktionen ersetzt werden können. Diese Ziele sowie auch das Ziel einer möglichst effizienten Verwaltung machen Veränderungen in vielen Bereichen nötig.
Für die Verwaltung des Freistaates bedeutet dies erstens Strukturveränderungen bei den zugewiesenen Aufgaben, dem Behördenzuschnitt und den Behördenstandorten. Zweitens bedeutet es eine Aufgabenkritik, bei der die zu erledigenden Aufgaben ebenenübergreifend auf ihre Notwendigkeit und eine bessere Erledigungsmöglichkeit hin untersucht werden, und ein Prozessmanagement, bei dem Verwaltungsprozesse auf ihre Leistungsfähigkeit und eine optimale Organisation hin überprüft werden. Schließlich umfasst es auch einen Bürokratieabbau, bei dem Normen überprüft, gestrafft oder nach Möglichkeit abgeschafft werden, um Effizienzreserven zu schaffen und das Leben der Bürger und das Arbeiten der Unternehmen zu vereinfachen. Wir möchten moderne Technik zum Einsatz bringen, mit der sich die Verwaltung auf allen Ebenen an geänderte Kommunikationsgewohnheiten und Erwartungen der Bürger anpasst.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was heißt das konkret bezogen auf die letzten fünf Jahre? Bei den Strukturveränderungen in der Verwaltung und der Justiz bedeutet es etwa die Verabschiedung des Standortegesetzes und weitere Strukturveränderungen bei den Behörden. Ein wesentliches Element der Staatsmodernisierung in dieser Legislatur war das Standortegesetz. Der Verfassungsgerichtshof hat kürzlich dessen Verfassungsmäßigkeit bestätigt. Unter anderem schafft der Freistaat mit der Standortkonzeption die Voraussetzungen dafür, dass die Staatsverwaltung auch nach 2025 weiterhin ihre Leistungen erbringt, ohne Abstriche in der Servicequalität und der Bürgerfreundlichkeit hinnehmen zu müssen.
Gleichzeitig ergeben sich aus der Umsetzung dieser Maßnahmen und der damit verbundenen Anpassung des Personalbestandes natürlich perspektivisch Einsparungen, und die Entlastung zukünftiger Haushalte eröffnet dem Freistaat Sachsen Spielräume für Investitionen weit in die Zukunft; Spielräume, die wir in Sachsen haben, Spielräume, die andere Bundesländer nicht haben.
Ein Beispiel ist etwa die Fusion der Oberfinanzdirektion mit dem Landesamt für Finanzen zum Landesamt für Steuern und Finanzen oder die Zusammenführung der Staatsbetriebe Sächsische Staatsoper und Staatsschauspiel zum Staatsbetrieb Sächsische Staatstheater im Zuständigkeitsbereich des SMWK. Zu nennen ist auch die Integration der Staatlichen Ethnografischen Sammlungen in den Verbund der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.
Neben den großen gibt es auch kleine Strukturveränderungen, etwa im Innen- und Wirtschaftsministerium, die jetzt gemeinsam ihre Bibliotheken betreiben. Das wurde vorher in den verschiedenen Ressorts gemacht. Man mag dies als Petitesse abtun, meine Damen und Herren, aber das ist es nicht, denn in der Summe resultieren daraus erhebliche Einsparungen. Nebenbei bemerkt: Man hätte diese Maßnahmen auch schon früher unternehmen können.
Wir haben ein Aufgaben- und Prozessmanagement eingeleitet, bei dem wir zunächst einen Handlungsleitfaden ausgearbeitet haben. Aufgabenkritik lässt sich hiernach in Aufgabenwegfall, die Aufgabenreduzierung oder die Verlagerung von Aufgaben, deren Privatisierung bzw. ein Outsourcing aufteilen. Konkrete Beispiele der Aufgabenkritik und der Folgen sind etwa, dass in meinem Haus die Aufbewahrung von Betreuungsverfügungen durch die Gerichte auf das zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer übertragen wurde. Das SMF hat den Staatsbetrieb Schlösser, Burgen und Gärten in eine gemeinnützige GmbH umgewandelt, und das SMWK hat den Staatsbetrieb Landesbühnen in eine Landesbühnen GmbH überführt. Die Privatisierung des Bekleidungswesens in Polizei und Justiz ist auf den Weg gebracht worden. Und noch ein Beispiel: Seit November 2010 sind die Vereinsregister im Freistaat Sachsen auf drei Standorte konzentriert worden.
Dennoch bleibt die Aufgabenkritik eine Daueraufgabe der gesamten Verwaltung, da sich die Bedingungen für das Handeln des Staates ständig verändern werden.
Meine Damen und Herren! Zum Thema Prozessmanagement ein kurzer Hinweis. Wie in Wirtschaftsunternehmen längst üblich, muss auch die Verwaltung jederzeit überprüfen können, ob die Abläufe, also die Art und Weise der Bearbeitung von Aufgaben, auch in ihren Details wirklich optimal gestaltet sind. Nötigenfalls gilt es hier anzupassen. Wir haben in den letzten Jahren 40 Verwaltungsverfahren mit den Methoden des Prozessmanagements untersucht. Ein Beispiel aus meinem Ressort: Der Rechnungshof hatte bei der Vollstreckung von Geldstrafen
Optimierungspotenzial angemahnt. Die dann vorgenommene Prüfung der Vollstreckung haben wir mit den Methoden des Prozessmanagements vorgenommen. Dort konnten wir Möglichkeiten aufzeigen, einzelne Arbeitsschritte wegfallen zu lassen, um Kosten zu sparen und die Prozesse zu beschleunigen. Die Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften und der Landesjustizkasse ist effektiver gestaltet worden. Das spart Kosten, hat aber keinerlei Abstriche bei der Qualität der Arbeit mit sich gebracht.
Im Sächsischen Oberbergamt und im Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie wurden die behördenübergreifenden Prozesse zu Bohranzeigen analysiert. Für 2 000 Bohrvorhaben waren zwei separate Anzeigen erforderlich; im Rahmen eines gemeinsamen Projektes wird künftig nur noch eine einzige Anzeige erforderlich sein. Dieses Projekt, wird die elektronische Abwicklung der Vorgänge ermöglichen und wiederum zu deutlichem Effizienzgewinn führen. Dieses Prozessmanagement, meine Damen und Herren, läuft in Sachsen ebenenübergreifend. Das geschieht aktuell mit den Kommunen in Coswig, Radebeul, Wilsdruff, Pirna, Dresden und Riesa, wo wir mit den Kommunen gemeinsam die Möglichkeiten für weitere Optimierungen in der Verwaltung erproben.
Im Übrigen haben wir dabei die Kommunen in der letzten Legislaturperiode aktiv gefördert. Wir haben in diesem Jahr erstmals den Preis „KOMMUNOVUM“ für Innovationen in der Verwaltung vergeben. Gewonnen hat die Stadt Heidenau mit einem Projekt über die Einführung der onlinegestützten Vergabe von Kita-Plätzen. Wir haben einen weiteren Wettbewerb ins Leben gerufen, die „Innovationskommune“, mit dem Ziel, sächsische Kommunen zu gewinnen, die verschiedene Instrumente der Staatsmodernisierung einführen und nutzen.
Ein wesentlicher Punkt ist der Bürokratieabbau. Wir haben im Koalitionsvertrag beschlossen, den Bestand an Vorschriften um 20 % zu reduzieren. Das war ein ausgesprochen ehrgeiziges Ziel. Am Anfang war nicht sicher, ob es uns gelingen würde, dieses Ziel zu erreichen. Zu Beginn der Legislaturperiode im Herbst 2009 haben wir einen Ausgangsbestand von 2 868 staatlichen Vorschriften ermittelt. Am 1. Januar 2014 war der Bestand staatlicher Vorschriften auf noch 2 054 gesunken. Das heißt, 814 Vorschriften per Saldo, also 28,4 % des ursprünglichen Bestandes sind reduziert worden. Meine Damen und Herren, das Ziel des Vorschriftenabbaus um 20 % ist von dieser Staatsregierung in der Legislaturperiode deutlich übererfüllt worden.
Zudem haben wir den Entwurf eines Normbereinigungsgesetzes in den Landtag eingebracht. Ich hoffe, er findet die Zustimmung des Hauses. Ein plastisches Beispiel für den Bürokratieabbau ist die Abschaffung des staatlichen Vorkaufsrechtes im Sächsischen Wassergesetz. Das Vorkaufsrecht nach dem Wassergesetz musste in Sachsen im Jahr 2008 18 833 Mal geprüft werden. 18 833 Grund
stücksgeschäfte wurden zur Überprüfung, ob man das Vorkaufsrecht nach Wassergesetz ausüben möchte, bei der Verwaltung vorgelegt. Ausgeübt wurde das Vorkaufsrecht im Jahr 2008 kein einziges Mal.
Eine Bewertung der Verwaltungsprozesse ergibt sich allein schon durch diese Zahlen, meine Damen und Herren. Durch die Abschaffung des staatlichen Vorkaufsrechts haben wir nicht nur den Verwaltungsaufwand erheblich reduziert. Der Grundstückserwerb und der Grundstücksverkauf für die Bürger wurden deutlich erleichtert, und das ist letztlich das Entscheidende. Die damit einhergehenden Verfahrensschritte und Gebühren als Belastungen für den Bürger sind weggefallen. Der Grundstücksverkehr in Sachsen konnte damit deutlich beschleunigt werden. Nachteile, etwa im Hinblick auf die Regelungsziele des Wassergesetzes, waren damit nicht verbunden. Weiterhin hat mein Haus den Entwurf eines Gesetzes über einen Sächsischen Normenkontrollrat erstellt, der gegenwärtig hier im Landtag vorliegt. Es soll ein verwaltungsexternes unabhängiges Gremium geschaffen werden, welches nach dem Vorbild auf Bundesebene die Staatsregierung bei der Gesetzgebung im Hinblick auf die Kosten der geplanten Regelung berät. Die Betonung – möchte ich noch einmal klarstellen – liegt auf verwaltungsextern und unabhängig. Auch hierbei wäre Sachsen Vorreiter unter den deutschen Bundesländern.
Lassen Sie mich im Zusammenhang mit Deregulierung oder Bürokratieabbau noch kurz weitere Beispiele nennen. Die Regelungen zur Ladenöffnung und Sonntagsöffnung wurden liberalisiert, meine Damen und Herren. Wir haben dafür gesorgt, dass Autowaschanlagen und Videotheken nun sonntags öffnen.
Aber wie Sie sehen, ist das nicht das Einzige, was wir im Rahmen des Bürokratieabbaus und der Liberalisierung gemacht haben. Aber jeder einzelne Schritt führt zur Summe, die es ausmacht, ob Sachsen schneller vorankommt als andere Bundesländer oder nicht. Wir haben von Regelungen, die uns zur Verfügung standen, Gebrauch gemacht, um das Leben flexibler und vielleicht auch für die Bürger ein klein wenig leichter zu gestalten. Der Einsatz von Informationstechnik wird im Rahmen der Staatsmodernisierung ebenfalls besondere Beachtung finden. Ich habe das eingangs klargestellt.
Eines der Projekte dabei ist die Einführung der elektronischen Vorgangsbearbeitung und der Aktenführung in der Staatsverwaltung. Das heißt, wir wollen die Möglichkeiten der Informationstechnologie bestmöglich zum Einsatz bringen. Der Einsatz der elektronischen Akte ist daher auch gegenwärtig keine Glaubensfrage mehr, sondern eine Notwendigkeit. Wir haben schon heute den Kabinettsprozess im sachsenweit eingesetzten System
VIS.SAX abgebildet. Auch das ist bundesweit erstmals der Fall.
Aktuell laufen in sächsischen Ministerien und den nachgeordneten Behörden Projekte zur Einführung der elektronischen Vorgangsbearbeitung. Das heißt, wir nehmen in der Breite von der Papierakte in der Verwaltung Abschied. Wir sind das erste Bundesland, das konsequent den Weg geht, die gesamte Vorgangsbearbeitung in der Verwaltung auf IT, auf eine elektronische Aktenführung umzustellen.
Meine Damen und Herren, Sachsen ist auch hier im Hinblick auf die technologische Entwicklung in der Verwaltung in Deutschland an der Spitze.
Ein Leuchtturmprojekt etwa ist die Landesdirektion Sachsen. Die Zusammenlegung von drei Landesdirektionen zu einer Behörde mit drei Standorten hat dem Projekt der elektronischen Akte neue Dynamik verliehen. Am Standort Leipzig gibt es seit Oktober 2009 die elektronische Akte, und jetzt sind auch die anderen Standorte – Dresden und Chemnitz – damit ausgestattet worden. Sachsen war das erste Bundesland, das am 25. Februar 2013 ein elektronisches Staatsarchiv in Betrieb genommen hat, das zusammen von meinem Haus und dem Staatsarchiv entwickelt wurde.
Meine Damen und Herren, bei der Staatsmodernisierung wollen wir auch den demografischen Herausforderungen Rechnung tragen und die Infrastrukturen und Dienstleistungen an veränderte demografische Strukturen anpassen. Eine Variante etwa ist der mobile Bürgerkoffer. Hierbei kommt der Verwaltungsmitarbeiter nach Hause oder aber etwa auch in Pflege- oder Seniorenheime, um dort die Anliegen der Bürger vor Ort direkt mit ihnen zu besprechen und zu bearbeiten.
Damit werden Wege für vor allen Dingen ältere und gebrechliche Menschen oder auch Wege in dünn besiedelte Regionen überflüssig. Die Verwaltung kommt zum Bürger. Der Bürgerkoffer befindet sich inzwischen in Treuen, in Limbach-Oberfrohna, in Schkeuditz, im Vogtlandkreis, im Landkreis Sächsische Schweiz–Osterzgebirge und anderen Städten im Einsatz.
Eine weitere Variante ist das Bürgerterminal. Das sind keine Automaten, wie wir sie etwa von der Bank her kennen, sondern über ein Bürgerterminal wird eine Videotelefonverbindung zu einem Verwaltungsmitarbeiter aufgebaut. Damit können die Verwaltungsanliegen bearbeitet werden, als würde man am Schalter einer Behörde stehen. Dabei sind keine technischen Vorkenntnisse beim Bürger nötig, weil die Bedienung durch den Mitarbeiter der Verwaltung gesteuert wird.
Meine Damen und Herren, Rückmeldungen zu diesem Bürgerterminal erhalten wir inzwischen auch aus anderen Bundesländern, nachdem wir dieses Terminal auf Messen, etwa der CeBIT in Hannover, vorgestellt haben. Das Interesse besteht auch im Ausland. Regionen, die vergleichbare demografische Probleme oder Probleme mit einer extrem dünnen Besiedlung haben, fragen nach, wollen das Bürgerterminal sehen und bei sich ausprobie
ren. Wir erhalten Anfragen aus Spanien, Litauen, Indien, Finnland oder Schweden.
Das Bürgerterminal könnte sich auf diese Weise tatsächlich sogar zu einem Exportschlager aus Sachsen entwickeln, und das meine ich wörtlich, denn die Herstellung des Bürgerterminals passiert in Sachsen. Die Herstellerfirma eKiosk sitzt in Dresden; die Blechbearbeitung für das Bürgerterminal passiert bei der Firma Käppler & Pausch in Neukirch in der Lausitz.
Die Staatsmodernisierung hat damit auch unmittelbare Auswirkungen auf die Wirtschaft in Sachsen, nicht nur auf die Verwaltung, und das finden wir gut.
Zur Multikanalstrategie: Um die Verwaltung rund um die Uhr erreichbar zu machen, gehören weiterhin auch die einheitliche Behördenrufnummer 115, das Internetportal Amt24 und die Online-Bezahlplattform ePayBL dazu. Das ist so eine Art staatliches PayPal-System. 15 000 Bezahlvorgänge sind im letzten Jahr darüber abgewickelt worden, und dieses System aus Sachsen wird nicht nur in Sachsen eingesetzt. Auch der Deutsche Wetterdienst lässt seine Bezahlvorgänge inzwischen über dieses Portal abwickeln.
Meine Damen und Herren, Staatsmodernisierung ist auch das Vorhaben, Chancen zu nutzen, um eine bessere Beteiligung der Bürger möglich zu machen, etwa über die Online-Bürgerbeteiligung. Wir haben den Bürgerinnen und Bürgern in Sachsen erstmals ermöglicht, sich schon im Vorfeld bei Gesetzgebungsverfahren, nämlich bei der Erarbeitung von Gesetzen, online zu beteiligen. Die Anhörung zum Normenkontrollratsgesetz hat gezeigt, dass die Bürger diese Möglichkeit tatsächlich nutzen. Meine Damen und Herren, eine solche Online-Beteiligung im Gesetzgebungsverfahren gibt es in anderen Bundesländern nicht.
Ein kleines konkretes Beispiel für die bessere Kommunikation mit den Bürgern, nicht nur in Gesetzgebungsverfahren, sondern bei den vielen alltäglichen Kleinigkeiten, ist die Kommunikation hier in Dresden zwischen Bürgern und Verwaltung über die sogenannte Dreck-weg-App. Das heißt: Die Bürgerinnen und Bürger haben mit einem Smartphone ganz einfach die Möglichkeit, der Verwaltung unmittelbar Verschmutzungen zu melden. Das wird über GPS gesteuert eingespeist, und die Bürger machen auch regelmäßig davon Gebrauch.
Die Nutzung von IT erstreckt sich nicht nur auf die Verwaltung, sondern auch auf die Kommunikation mit den Bürgern. Das wollen wir ausbauen, sei es bei den großen wichtigen Dingen – wie in den Gesetzgebungsverfahren – oder auch in den kleinen Dingen; wir wollen es überall einsetzen.
Nach umfangreichen Abstimmungen haben wir jetzt den Entwurf eines Sächsischen E-Government-Gesetzes in den Sächsischen Landtag eingebracht. Der Datenschutz
beauftragte war von Anfang an in die Entwicklung des Gesetzes eingebunden. Dieses Gesetz regelt den Umstieg der Verwaltung eines Bundeslandes von der Papierakte auf die elektronische Akte. Sachsen ist auch hier das erste Bundesland, das ein solches Gesetz erarbeitet und einführt, und in der Tat: Sachsen wäre dann auch insofern bei der Einführung der IT in der Verwaltung insgesamt Spitzenreiter in Deutschland. Das mag nur einen Randbereich oder einen kleinen Bereich der Verwaltung betreffen, aber es ist ein Bereich, der für die Verwaltungsarbeit im Freistaat ausgesprochen wichtig ist und der so auch Auswirkungen auf alle Bürgerinnen und Bürger, auf die Staatskasse, auf die Unternehmen und den Standort hat, meine Damen und Herren.
Wir sind davon überzeugt, dass Sachsen es mit dieser und weiteren geschilderten Maßnahmen schaffen kann, dahin zu kommen, wo wir es in zehn, 15 Jahren sehen wollen: in der Spitzengruppe der Bundesländer, in der Gruppe der führenden Regionen in der europäischen Region. Die fünf Jahre, über die ich jetzt gesprochen habe, sind eine kurze Zeit für die Umsetzung eines solch komplexen Projektes wie dem der Staatsmodernisierung. Wir haben noch viel vor. Die Ressorts werden Deregulierung und Normenabbau weiterhin als Daueraufgabe ansehen. Wir werden nicht stehenbleiben, und auch die Entwicklung der IT wird weitergehen. Wir haben die Chance, Sachsen bundesweit an die Spitze zu führen. Wir wollen das auch in allen anderen Bereichen unternehmen, in denen wir es noch nicht haben, meine Damen und Herren.
Diese Staatsregierung wird sich nach Möglichkeit weiter dafür einsetzen, dass wir es schaffen, Sachsen tatsächlich an die Spitze der deutschen Bundesländer zu bringen, und wir hoffen dabei auf Ihre Unterstützung.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat: Wir haben am 10. Juli 2013 die Ände
rung der Artikel 85, 94 und 95 der Sächsischen Verfassung beschlossen, und nach Einschätzung der Staatsregierung ist die Mehrheit dieses Hauses der Auffassung, dass es damit zunächst auch sein Bewenden haben sollte.
Der Vorstoß der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf erneute Verfassungsänderung war in seinen inhaltlichen Punkten nach Einführung der sogenannten Schuldenbremse im letzten Jahr schon nicht mehr mehrheitsfähig. Dass man diesen Entwurf heute in dieser Weise hier zur Diskussion stellt, obwohl das Vorhaben erkennbar aussichtslos ist, lässt schon die Frage aufkommen, welche Absichten damit verfolgt werden. Das gibt inhaltlich eine Bauchlandung mit Anlauf. Man könnte höchstens versuchen, in der Haltungsnote noch etwas herauszuholen, aber das dürfte, Frau Hermenau, etwas schwierig fallen.
Meine Damen und Herren, die Gründe, warum dieses Vorhaben aussichtslos ist, sind schon ausführlich erörtert worden. Aber auch inhaltlich kann man eigentlich keinem der drei Vorhaben zustimmen.
Zum ersten Punkt, der Einführung einer neuen Staatszielbestimmung, meine Damen und Herren: Mit Blick auf Artikel 10 Abs. 1 Satz 1 der Sächsischen Verfassung ist festzustellen, dass die Umwelt als Lebensgrundlage ausdrücklich schon erfasst ist.
Bitte.
Es gab durchaus aussichtsreiche Vorhaben, die auch als Anregungen von der Koalition aufgegriffen worden sind.
Das können wir nachher noch im Einzelnen heraussuchen.
Aber: Die Frage einer Verfassungsänderung hat schon ein anderes Gewicht als ein einfacher Entschließungsantrag oder ein Vorschlag zur Gesetzesänderung. Sie wissen genau, welche Vorarbeiten für die letzte – und bisher
einzige – Verfassungsänderung in Sachsen notwendig waren. Dass das so, wie das die GRÜNEN hier vorhaben, nicht gelingen kann, wird Ihnen auch nicht verborgen geblieben sein, meine Damen und Herren.
Lassen Sie mich zu diesem Entwurf und der Einführung einer neuen Staatszielbestimmung zurückkommen.
Artikel 10 Abs. 1 Satz 1 nennt die Umwelt als Staatszielbestimmung, und anders, als Herr Bartl dies sieht, ändert sich durch die Aufzählung in Satz 2 der Umfang dieses Schutzes nicht. Natürlich bleibt auch der Schutz der Atmosphäre durch Satz 1 gewährleistet. Die Aufzählung in Satz 2 macht durch die Einführung des Wortes „insbesondere“ klar, dass die dort genannten Ziele auch insbesondere schutzwürdig sind, aber das ist keine abschließende Aufzählung, die alles andere ausschließt. Das verkennen Sie, und das verkennen auch die Antragsteller.
Über die Erforderlichkeit eines Verbandsklagerechts – für Tierschutzverbände etwa – ist hier schon ausführlich etwas gesagt worden, meine Damen und Herren. Das bedarf keiner Verfassungsänderung. Eine gesetzliche Regelung würde vollständig ausreichen. Aber auch ich habe Zweifel, ob das zum jetzigen Zeitpunkt noch sinnvoll sein kann.
Etwas anderes gilt auch nicht für die Regelung zur Informationsfreiheit. Hier wäre ein Gesetz der richtige Weg zur Einführung der verlangten Rechtsänderung.
Inhaltlich wäre der Entwurf im Übrigen auch deswegen abzulehnen, weil Sie ausdrücklich – in der Entwurfsbegründung ist das genannt – den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen relativieren möchten, meine
Damen und Herren. Auf der einen Seite treten Sie angeblich für Datenschutz ein, aber in diesem Gesetzentwurf geht es Ihnen ausdrücklich darum, den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, also von Daten der Wirtschaft, zu relativieren.
Das widerspricht sich, meine Damen und Herren.
Im Übrigen lassen Sie mich eines sagen: Die Informationsfreiheit nach der Verfassung soll durch ein Gesetz ausgestaltet werden. Dazu heißt es: „Das Nähere regelt ein Gesetz.“
Was ist denn aber mit dem zeitlichen Zwischenraum zwischen dem Inkrafttreten der gewünschten Verfassungsänderung und dem Erlass eines Informationsfreiheitsgesetzes? Eine Antwort auf diese Frage bleibt uns der Gesetzentwurf ebenfalls schuldig.
Schließlich der dritte Punkt: Die Kombination eines 5-%Quorums für Volksbegehren mit einem quorenlosen Volksentscheid ist verfassungsrechtlich schlicht bedenklich, meine Damen und Herren. Es würden Gesetze zustande kommen können, die nur von einer verhältnis
mäßig kleinen Minderheit der Bevölkerung gewünscht wären.
Das ist auch der Unterschied zu den von Ihnen in der Begründung des Gesetzentwurfes angeführten Voraussetzungen für Quoren in anderen Ländern. In den Ländern Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, die Sie anführen, gelten Quoren für Volksentscheide. Das wollen Sie hier ausdrücklich nicht. Sie verschweigen das aber. So widersprechen sich der Antrag und dessen Begründung in diesem ganz erheblichen Punkt, meine Damen und Herren.
Konkret müssen bei Volksentscheiden über einfache Gesetze in Schleswig-Holstein und Brandenburg mindestens ein Viertel, 25 %, der Stimmberechtigten dem Gesetz zustimmen, in Mecklenburg-Vorpommern sogar ein Drittel aller Stimmberechtigten und in NordrheinWestfalen sind es noch 15 %. Das sind höhere Hürden als Sie die Verfassung von Sachsen momentan vorsieht.
Noch etwas zu dem sogenannten kassatorischen Volksbegehren. Sie verkennen, dass die Sächsische Verfassung von der Gleichrangigkeit des parlamentarischen Gesetzgebers und des Volksgesetzgebers ausgeht. Das wollen Sie jetzt umkehren. Jetzt soll der Volksgesetzgeber Gesetze, die der parlamentarische Gesetzgeber erlassen hat, außer Kraft setzen können. Das widerspricht der Gleichrangigkeit zwischen Volksgesetzgebung und parlamentarischer Gesetzgebung. Dafür werden Sie in diesem Haus keine Mehrheit finden, meine Damen und Herren.
Der Änderungsvorschlag, den Sie bringen, engt das Recht der Volksgesetzgebung in einigen Punkten sogar noch ein. Sie wollen eine Jahresfrist für die Aufhebung eines Gesetzes durch Volksentscheid einführen. Wenn Sie den Vorschlag allerdings dahin gehend verstanden wissen wollen, dass man auch rückwirkend Gesetze aufheben kann, dann geraten Sie in gefährliches Fahrwasser, jedenfalls verfassungsrechtlich; denn eine rückwirkende Aufhebung ist aus verschiedenen Gründen – etwa des Vertrauensschutzes oder der prinzipiellen Gleichbehandlung – mit Sicherheit unzulässig.
All dies sind Gründe, warum sich die Staatsregierung dafür ausspricht, diesen Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung nicht anzunehmen.
Sehr geehrter Herr Präsident, der letzte Teil dieser Stellungnahme fordert doch eine Gegenstellungnahme heraus. Sehr geehrte Frau Jähnigen! Man muss nicht auch einmal Gesetze rückwirkend ändern können. Anderer Ansicht ist nämlich unsere Verfassung. Darin gibt es so etwas wie Vertrauensschutz und es gibt die Regelung von der Gleichwertigkeit der Volksgesetzgebung und der parlamentarischen Gesetzgebung.
Die Lässigkeit, mit der Sie hier aufgrund einfacher politischer Präferenzen meinen, man müsse doch auch
einmal rückwirkend Gesetze aufheben können, ist in der Tat beängstigend. Es ist an der Zeit, dass ich als für die Verfassung zuständiger Minister sage: Mit dieser Staatsregierung und mit dieser Mehrheit in diesem Haus werden Sie das nicht hinkriegen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
In dieser Debatte versucht die NPD-Fraktion in deutlich leiseren Tönen als in der Vergangenheit gleichwohl ihre – wie ich finde – nur schwer erträglichen Ansichten über Europa unters Volk zu bringen, und dabei werden natürlich all jene sattsam bekannten Klischees wieder hervorgeholt, die benutzt werden, um die Idee der europäischen Einigung und die Europäische Union zu diskreditieren.
Da wird von einem bürokratischen Monster gesprochen, mal wieder das Bild vom armen Michel bemüht, der für die EU-Bürokraten zahlt und dann, wie heißt es, die „Ausbeutung der Steuerzahler durch die Europäische Union“ angeprangert.
Herr Gansel, der schon wieder dazwischenkreischt, meinte dann, 146 Milliarden Euro hätte jemand ausgerechnet, die für die EU netto zwischen 1991 und 2008 gezahlt worden wären.
Ich weiß, Sie berufen sich immer auf irgendwelche angeblich neutralen Experten, und am Ende stellt man fest, dass es ein Zitat des bedeutenden Historikers David Irving ist.
146 Milliarden von 1991 bis 2008 stellen Sie in den Raum. Die öffentlichen Haushalte in der Bundesrepublik haben in diesem Zeitraum nicht 146 Milliarden, sondern 5 100 Milliarden ausgegeben. Um die Größenordnung zurecht zu schieben: Diese 5 100 Milliarden der öffentlichen Haushalte sind zum großen Teil auch im Ausland erwirtschaftet worden. Die öffentlichen Haushalte leben von dem Geld, das die deutsche Wirtschaft im Ausland verdient. Wir stellen mehr Autos her, auch in Sachsen, als wir in Deutschland oder in Sachsen brauchen. Wir verdienen Geld damit, dass Franzosen, Italiener, Niederländer, Belgier, Briten, Schweden, Dänen, Polen und Tschechen deutsche Autos kaufen, neben den USA, meine Damen und Herren.
Aber der große Teil des Handels findet mit der Europäischen Union statt und dort verdienen wir Geld. Das ist in dem genannten Zeitraum ein Vielfaches dessen, was wir an die Europäische Union gezahlt haben.
Wir sind nicht nur das größte Land in der Europäischen Union, wir sind bei Licht betrachtet auch der größte wirtschaftliche Gewinner der Europäischen Union.