Madeleine-Rita Mittendorf

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen meiner Vorredner und Vorrednerinnen macht sich bei mir - das muss ich sagen - Ärger breit, und zwar deshalb, weil wir gerade vor dem Hintergrund der gestern geführten Debatte über Bildungspolitik in diesem Lande und darüber, dass Bildung in dieser Gesellschaft eher ungerecht als gerecht verteilt ist, eine
Diskussion führen, die logischerweise zwei Ansätze hat, nämlich den bildungspolitischen und natürlich auch einen finanzpolitischen Ansatz.
Aber ich finde, vor dem Hintergrund dessen, was wir gerade gestern diskutiert haben bzw. was uns in den letzten Jahren an Erkenntnissen über die Dinge vorgebracht worden ist, die mit Bildung in Deutschland, ganz besonders in Sachsen-Anhalt zu tun haben, muss man sich einfach dazu durchringen, den bildungspolitischen Ansatz vernünftig zu Ende zu bringen.
Ich habe gar nichts dagegen, dass man dann über die Finanzen redet. Das ist notwendig, weil man schlecht über das Geld anderer Leute bestimmen kann. Aber vor dem Hintergrund der Tatsache, wie das mit diesen Anträgen gelaufen ist, denke ich schon, dass der Schwerpunkt der Debatte bei der Bildungspolitik liegen sollte.
Es ist in der Tat ungewöhnlich, dass aus Anträgen heraus, die noch im Ausschuss behandelt werden, ein neuer Antrag entwickelt wird, der hier zur Abstimmung gestellt wird. Das ist ungewöhnlich, aber nicht unmöglich, weil man, wenn man aus der Diskussion im Ausschuss Erkenntnisse gewinnt und meint, das Ganze zu qualifizieren, das tun kann. Ich denke, es ist in der Tat in Ordnung.
Wir werden diesen Antrag in der Sache unterstützen, wohl wissend, dass wir, wenn wir ihn in den Ausschuss überweisen würden, ein größeres Problem bekämen, als wenn wir über den Antrag abstimmen würden, und zwar aus dem folgenden Grund: Sie wissen selbst, dass die Frist, in der wir in diesem Landtag zu Entscheidungen kommen müssen, nur noch sehr kurz ist.
Wenn wir - ich glaube, darum geht es der Antragstellerin - ein eindeutiges politisches Signal senden wollen, nämlich dass wir die Bildung und die Ansprüche an die Bildung ernst nehmen, dass wir die Kritik ernst nehmen, die wir bezüglich unseres Bildungssystems und der sozialen Aussonderung in diesem System erfahren, müssen wir einem solchen Antrag zustimmen.
Dieser Antrag fordert dazu auf, Vorschläge zu entwickeln und initiativ zu werden. Das heißt noch lange nicht, dass alle Vorschläge, die unterbreitet werden, letztendlich auch in die Tat umsetzbar sind. Es ist ein umfangreicher und komplexer Prüfauftrag.
Ich denke, diesen Auftrag sollte man der Landesregierung heute geben; denn sie soll auch die Chance haben, ihren eigenen Worten gerecht zu werden, wenn sie sagt: Bildung in Deutschland ist vom Prinzip für alle erreichbar.
Wir haben - möglicherweise nehmen wir das unterschiedlich wahr - tatsächlich die Situation, dass Kinder aus sozial schwächeren oder aus einkommensärmeren Schichten erheblich seltener Zugang zu Bildung haben, weil sie schon durch das Schulsystem „ausgesondert“ werden. Durch die unterschiedlichen Regelungen bezüglich des Zugangs zu weiterführenden Schulen wird diese Aussonderung noch einmal verstärkt.
In diesem Sinne wird die SPD-Fraktion einer Überweisung nicht zustimmen, sondern sie fordert die direkte Abstimmung über den Antrag. Es geht hier um Goodwill und um ein ehrliches Bekenntnis dazu, wie wichtig Bildung uns für alle Kinder aus allen Schichten der Bevölkerung ist. - Vielen Dank.
Nein, dazu bin ich nicht bereit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bereich der Bildungspolitik ist seit Jahren Gegenstand kontroverser Auseinandersetzungen zwischen den Parteien. Bei den unterschiedlichen Grundpositionen ist es bis zum heutigen Tag geblieben. Trotzdem ist es in der ausklingenden Legislaturperiode gelungen, in Einzelfragen zu pragmatischen Annäherungen zu kommen und sogar gemeinsame Beschlüsse herbeizuführen. Das ist erfreulich.
Aus unserer Sicht ist die Frage des Umgangs mit den Einflussfaktoren, denen der Bildungsbereich ausgesetzt ist, entscheidend. Einige Faktoren sind nur bedingt zu beeinflussen, zum Beispiel die demografische Entwicklung oder die Globalisierung. Diesbezüglich müssen wir Strategien für den Umgang mit solchen Faktoren entwickeln.
Andere Faktoren kann man jedoch verändern, wenn man es denn will. Hierbei denke ich an die Organisation und die finanziellen Rahmenbedingungen. Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang ist der amtierenden Landesregierung einiges geglückt, aber auch vieles missglückt.
Sehr geehrter Herr Minister Olbertz, Vorhaben, die aus unserer Sicht notwendig und richtig waren, wurden von der SPD unterstützt und sogar mitgestaltet.
- Danke schön. - Ich denke hierbei an die Fortsetzung der inneren Schulreform und die Qualitätssicherung sowie an die Erhöhung der Autonomie von Schulen, wobei wir uns mit einem eigenen Gesetzentwurf entscheidend in die parlamentarischen Beratungen eingebracht haben. Aber auch die Einführung von Förderzentren, die flächendeckende Einführung der flexiblen Schuleingangsphase, mit der die SPD-Regierung bereits in der dritten Legislaturperiode begonnen hatte, die Erhöhung des Stundenumfangs in den Fächern Deutsch und Mathematik in der Grundschule sowie die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur fanden unsere Zustimmung.
Dem, meine Damen und Herren, standen jedoch grundlegend falsche bildungspolitische und hochschulpolitische Weichenstellungen gegenüber, die unserem Land mittelfristig Schaden zufügen werden. Vor diesem Hintergrund erscheint die Pisa-Kampagne der CDU als völlig deplatzierte Selbstbeweihräucherung.
Auf großflächigen Plakaten, in einem offenen Brief bzw. in einem Flyer an die Schulen im Land wird der Eindruck erweckt, die Verbesserung der Leistungen unserer Schüler bei Pisa 2003 stünde in einem direkten Zusammenhang mit den von Ihnen vorgenommenen Neuregelungen.
Dies, meine Damen und Herren, ist ein Missbrauch der Pisa-Ergebnisse, um die eigene Politik schönzureden;
denn selbst einem Laien dürfte klar sein,
dass der im Frühjahr 2003 im Rahmen der Pisa-Studie geprüfte Schülerjahrgang in keiner Weise von den Regelungsänderungen der CDU-FDP-Landesregierung berührt war. Sie müssen nur einmal nachrechnen.
Ich gehe eben nicht so weit, meine Damen und Herren, zu behaupten, das wäre der einzige Grund für die Leistungssteigerung. Aber die Ergebnisse zeigen zumindest, dass die Förderstufe und der gemeinsame Sekundarschulbildungsgang zu Unrecht verunglimpft wurden. Das ist das Problem.
Die Landesregierung hätte sehr gut daran getan, vor der Abschaffung tatsächlich Ergebnisse abzuwarten. Diese liegen jetzt vor. Insofern, sehr geehrter Herr Kollege Olbertz, wurden Sie Ihrem eigenen Anspruch, strukturelle Veränderungen inhaltlich zu begründen, nicht gerecht.
Meine Damen und Herren! Die Pisa-Studie bescherte Sachsen-Anhalt aber nicht nur positive Ergebnisse, sondern zeigte auch große Defizite im Hinblick auf die Chancengleichheit im Bildungssystem auf.
So sind die Chancen für Jugendliche aus unterschiedlichen sozialen Schichten, ein Gymnasium zu besuchen, ungleich verteilt.
- Sie brauchen sich nicht zu erregen. Sie können nachher noch reden. Dann haben Sie viel Zeit.
Es kommt hinzu, dass auch im Jahr 2005 der Anteil jener Schüler, die die Schule ohne einen Abschluss verlassen haben, in Sachsen-Anhalt mit fast 12 % im Vergleich aller Bundesländer am höchsten war.
Die Angabe der Prozentzahl 8 ist eine Zahlenspielerei. Wie sie zustande kommt, wissen Sie selbst; man hat dabei nämlich in Bezug auf die Sonderschulen etwas abgerechnet.
Meine Damen und Herren! Insgesamt sind das aber beunruhigende Werte. Über diese müssen wir reden, weil sie eines verdeutlichen: Unser Land Sachsen-Anhalt verfügt über entschieden zu viele Bildungsbenachteiligte. Um diese müssen wir uns kümmern.
Meine Damen und Herren! Vor diesem Hintergrund muss analysiert werden, inwieweit die von der CDU-FDP-Landesregierung vorgenommenen Veränderungen tatsächlich dazu beitragen, diese Defizite abzubauen. Exemplarisch möchte ich an dieser Stelle vier Eckpfeiler christlich-liberaler Bildungspolitik in dieser Legislaturperiode benennen:
erstens die Wiedereinführung der Bildungswegetrennung ab Klasse 5, zweitens die Zugangsbeschränkung zum Gymnasium, drittens die Wiedereinführung des Hauptschulbildungsganges und viertens die Herabsetzung der Vollzeitschulpflicht von zehn Jahren auf neun Jahre.
All diese Neuregelungen leisten aus unserer Sicht keinen Beitrag zur Reduzierung der Chancenungleichheit.
Im Gegenteil, der von dieser Landesregierung eingeschlagene Weg zementiert die soziale Spaltung im deutschen Bildungssystem. Bisher, meine Damen und Herren, konnte mir noch kein Kollege von der CDU und von der FDP plausibel erklären, wie in einem solchen System die viel beschworene Durchlässigkeit zwischen den Schulformen gewährleistet werden soll
und welche reellen Berufschancen ein Schüler mit einem Hauptschulabschluss in unserer Gesellschaft und insbesondere in Sachsen-Anhalt hat.
Der Wissenschaftsrat prognostiziert, dass der Anteil der Arbeitsplätze mit einfachen Tätigkeitsprofilen in den nächsten zwei Jahrzehnten auf unter 20 % fallen, aber
der Anteil der Berufe, für die eine akademische Ausbildung benötigt wird, erheblich steigen wird.
Mit Interesse habe ich, wie wahrscheinlich Sie alle in diesem Hohen Haus, am 28. Dezember 2005 ein Interview mit dem Kultusminister zum Eignungsfeststellungsverfahren für Grundschüler in der „Volksstimme“ gelesen. In seiner heutigen Rede begründete der Minister das neue Verfahren damit, die Schüler vor dem Scheitern am Gymnasium schützen zu wollen.
Das klingt gut, ist aber in sich nicht schlüssig; denn einerseits hat die Grundschulleseuntersuchung Iglu 2004 nachgewiesen - das kann man alles nachlesen -, dass es eine Prognosesicherheit in Bezug auf Schullaufbahnempfehlungen nicht gibt. Sehr oft fließt weniger die Leistung als die soziale Herkunft in die Entscheidungsfindung ein.
- Lesen, Frau Feußner! - Andererseits, meine Damen und Herren, konnte der Minister in dem erwähnten Interview keine Aussagen dazu treffen, wie hoch die Abbrecherquote in jenen Ländern ist, die bereits Eignungsfeststellungen durchführen. Ebenso konnte Herr Olbertz nichts dazu sagen, ob jene Schüler in Sachsen-Anhalt, die das Gymnasium in der 10. Klasse abbrechen, tatsächlich ohne eine Schullaufbahnempfehlung an das Gymnasium gewechselt sind. Anscheinend waren diese wichtigen Überlegungen überhaupt nicht Bestandteil der Vorbereitung der Gesetzesänderung. Das verwundet schon sehr.
Meine Damen und Herren! Der Minister hat am Schluss seiner Rede gesagt, er könnte unter Umständen auf die Eignungsfeststellung verzichten. Ich kann das auf jeden Fall. Ich sage Ihnen: Man kann auf die Eignungsfeststellung verzichten, wenn man die Bildungswege später trennt und eine höhere Prognosesicherheit hat.
Damit kann man eine Reihe von Bedingungen
aus der Welt schaffen, die zu den heutigen Problemen führen.
Unverständlich ist ebenfalls, dass ein Leitfaden des Kultusministeriums für die am Verfahren beteiligten Lehrkräfte in einem entscheidenden Punkt von der eigenen Verordnung abweicht. Während die Verordnung einen Ermessensspielraum für Ausnahmen zulässt, verzichtet der Leitfaden auf diesen wichtigen Zusatz. Selbst die Sprecherin des Hauses räumte Irritationen ein, um fix zu betonen, dass die Verordnung die einzige Handlungsgrundlage für die Lehrkräfte bleibt. Da frage ich mich, warum überhaupt ein Leitfaden erarbeitet wurde. - So weit zur Verlässlichkeit.
Hinzu kommen Aussagen aus dem Landesverwaltungsamt, dass die teilnehmenden Lehrkräfte auf den Gesprächsteil nicht mehr in dem erforderlichen Maße vorbereitet werden können und das Land nicht über genügend Psychologen verfüge.
Meine Damen und Herren! Das schafft nun wirklich kein Vertrauen in dieses an sich schon äußerst zweifelhafte Verfahren. Ich gehe davon aus - damit ist wirklich zu rechnen -, dass sich eine Reihe von Einzelentscheidungen vor Gericht wiederfinden werden.
Meine Damen und Herren! Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist der Umstand, dass der Elternwille plötzlich nicht mehr gelten soll. Schließlich waren Sie es, meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, die im Jahr 2002 die Grundschule mit festen Öffnungszeiten abschafften mit der Begründung, dass sie angeblich Elternrechte beeinträchtige.
Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie noch einmal daran erinnern: Die letzte Pisa-Studie hat Schülern aus unterschiedlichen sozialen Schichten in Sachsen-Anhalt sehr ungleiche Chancen beim Zugang zu höherer Bildung gewissermaßen ins Stammbuch geschrieben.
- Das können Sie nachlesen, Frau Feußner, lesen Sie! - Die Antwort von CDU und FDP darauf ist eine Beschränkung des Zugangs zum Gymnasium.
Meine Damen und Herren von der Koalition, dies war bildungspolitisch eine grobe Fehlentscheidung, die wir schnellstens revidieren wollen.
Anstatt für die Eignungsfeststellung plädieren wir für eine Pflichtberatung. Jedoch sollte der Elternwille nicht angetastet werden. Das sind wir uns vor dem Hintergrund der Debatten schuldig.
Wie kaum ein anderer Bereich sind unsere Schulen von den demografischen Veränderungen betroffen. Die Landesregierung hat darauf mit einer rigiden Politik reagiert, die eine Vielzahl von Schulschließungen zur Folge hatte.
Unsere Fraktion hatte im Jahr 2003 in einem eigenen Gesetzentwurf Vorschläge zur Änderung der Vorgaben in der Verordnung zur mittelfristigen Schulentwicklungsplanung und für Übergangsregelungen unterbreitet und damit eine Entschärfung der Situation angestrebt. Diese Vorschläge fanden im Landtag zu jenem Zeitpunkt jedoch keine Mehrheit, obwohl sich einige davon später in außergesetzlichen Regelungen des Ministeriums wiederfanden.
- Das ist wirklich nett. Das empfinde ich auch so. Wenn es dann auch klappt, ist es in Ordnung.
Primär waren für uns immer zwei Aspekte zu berücksichtigen, nämlich wohnortnahe Schulangebote und die Vermeidung - das ist auch gesagt worden - unverhältnismäßig langer Schulwege.
In der gegenwärtigen Situation mit der gültigen Schulentwicklungsplanung ist es uns wichtig, dass die derzeit als bestandsfähig ausgewiesenen Schulen an einzelnen Standorten für mindestens zehn Jahre Bestandssicher
heit erhalten. Diesbezüglich ist es notwendig, Rahmenbedingungen zu schaffen, die auch bei schwankenden oder weiter sinkenden Schülerzahlen vor allem in den ländlichen Regionen den Erhalt eines wohnortnahen Netzes kleinerer Grund- und Sekundarschulen ermöglichen, auch wenn die vorgegebene Mindestschülerzahl und die Mindestzügigkeit unterschritten werden. Ich denke, darüber gibt es durchaus einen Konsens.
Meine Damen und Herren! Eine vorausschauende Bildungspolitik - darauf sollte man abzielen - beinhaltet auch immer eine vorausschauende Personalpolitik. Bei einer Ausbildungszeit von bis zu sieben Jahren müssen wir die Lehrer von morgen schon heute ausbilden.
Nun kann man sich zurücklehnen und sagen: Bei zurückgehenden Schülerzahlen benötigen wir auch wesentlich weniger Lehrer. - Das ist auch der Fall. Die Anzahl der Lehrer sinkt und sie wird auch in den nächsten Jahren sinken. Wir wissen auch - das ist prognostiziert worden -, dass sich die Schülerzahlen ab dem Jahr 2011 stabilisieren werden. Schaut man aber einmal auf die Altersstruktur bei den Lehrkräften, dann ahnt man, was uns Übles erwartet.
Wer hofft, dass unsere Landesregierung dieses Problem erkannt hat und energisch handelt, der irrt. Obwohl man im Kultusministerium weiß, dass wir in den einzelnen Schulformen ab dem Jahr 2010 sukzessive mehr Lehrer benötigen werden, als wir im Bestand haben werden, hat das Land die Kapazitäten für die Lehrerausbildung an den Universitäten und den Ausbildungsseminaren drastisch reduziert. Die allgemeinbildende Lehrerausbildung in Magdeburg wurde eingestellt, die Kapazitäten in Halle wurden beschnitten, die Anzahl der Ausbildungsseminare wurde drastisch reduziert und die Anzahl der Plätze wurde reglementiert.
Die einfache Formel „weniger Geld plus weniger Studienplätze ist gleich bedarfsgerechte Versorgung“ geht erwartungsgemäß nicht auf. Meine Damen und Herren, hier tickt eine Zeitbombe.
Einen Zuzug von Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bundesländern in den notwendigen Größenordnungen wird es nicht geben, weil der erhöhte Lehrkräftebedarf durch eine hohe Pensionierungswelle in den alten Bundesländern die gesamte Bundesrepublik betrifft. Wir benötigen nun endlich einmal konkrete Berechnungen des zukünftigen Bedarfs, um daraus Schlussfolgerungen für die künftig notwendigen Kapazitäten der Lehrerbildung in beiden Phasen ziehen zu können.
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie wichtig die Schulsozialarbeit an unseren Schulen war, merkte man an den Schulen vor allem, als das Programm eingestellt wurde.
Die Schulsozialarbeiter waren für die Schüler oft die ersten Ansprechpartner und gleichzeitig wichtige Vertrauenspersonen. Durch sie wurden Konflikte friedlich gelöst. Mit ihnen wurden schulische, aber auch persönliche Probleme diskutiert. An dieser Stelle - das möchte ich betonen - war das Geld richtig gut angelegt. Hierfür, meine Damen und Herren, muss in der neuen Legislaturperiode eine Nachfolgeregelung getroffen werden.
Sehr geehrter Herr Olbertz, bezüglich der Umsetzung des Ganztagsschulprogramms des Bundes in SachsenAnhalt haben wir im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft in der Tat eine fraktionsübergreifende Verständigung zum Verfahren bewerkstelligt. Das war sehr erfreulich. Weniger erfreulich ist - das muss ich nun doch schon einmal sagen -, dass Sie nun durch das Land reisen und feierlich die Zuwendungsbescheide verteilen, wobei die Art und Weise der von Ihnen durchgeführten Übergaben zumindest den Eindruck entstehen lässt, dass dieses Bundesprogramm doch ein wenig zu Wahlkampfzwecken im Land missbraucht wird.
Ich sage das mit Blick auf die Antwort der Landesregierung auf eine von mir gestellte Kleine Anfrage. Darin stehen nämlich interessante Daten, die aufzeigen, wann die Zuwendungsbescheide fertig gestellt wurden. Dann muss man schauen, wann sie übergeben wurden.
Ich fand Ihre Ausführungen zur neu geordneten Schulaufsicht, Herr Olbertz, sehr zurückhaltend und mager. Dafür werden Sie auch Ihre Gründe haben.
- Er gibt es zu. Wir registrieren also: Herr Olbertz gibt es zu.
Unserer Überzeugung nach ist die neu entstandene Abteilung Schule im Landesverwaltungsamt den Anforderungen an eine moderne Schulverwaltung in keiner Weise gerecht geworden. So sahen wir die Auflösung der staatlichen Schulämter und deren Eingliederung in das Landesverwaltungsamt bereits nach zwei Jahren als einen Fehler an. Eine stärkere Vernetzung findet nicht statt und Fragen der Qualitätsentwicklung kommen zu kurz. Auch hier ist dringender Änderungsbedarf vorhanden.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich einige Worte zur Wissenschaftspolitik sagen. Wenn man die Wahlprogramme der Parteien studiert, stellt man fest: Es herrscht Einigkeit darüber, dass unsere Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen maßgeblich zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung unseres Bundeslandes beitragen und dass sie dementsprechend gefördert werden müssen. - Das ist die Theorie. In der Praxis erleben unsere Hochschulen gerade eine Rosskur, die der nationalen und internationalen Wettbewerbsfähigkeit, aber auch der wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Entwicklung unseres Bundeslandes schadet.
Bis vor Kurzem war die Entwicklung unserer Hochschulen eine Erfolgsgeschichte. Bundesweit gute Rankingplätze, ein kontinuierlicher Ausbau der Standortplätze, gute Betreuungsrelationen und stetig steigende Studierendenzahlen waren ein Gradmesser dafür.
Diese erfreuliche Entwicklung wurde jedoch durch den von der Landesregierung eingeschlagenen Kurs gefährdet. Die Mittel für die Hochschulen wurden gekürzt. Die Kürzungen im Hochschulbereich gehen mit einer „Bereinigung“ der Strukturen einher. Das bedeutet, dass die
Ausbauzielgrößen der Hochschulen abgesenkt und die Angebote abgebaut werden.
Die Folgen sind Personalabbau, verminderte Investitionen und vermehrt - das ist das Problem - hochschulinterne Zulassungsbeschränkungen. Bereits heute lässt sich prognostizieren, dass die bisherigen Standortvorteile unserer Hochschulen, zum Beispiel die gute Betreuungsrelation, Schritt für Schritt gemindert werden.
Insbesondere die Vorgaben zu den Personaleinsparungen in den Zielvereinbarungen veranlassten die Hochschulen zu einer drastischen Anwendung von Zulassungsbeschränkungen für die Studiengänge.
So hat sich die Zahl der Studiengänge, die einer Zulassungsbeschränkung unterliegen, allein an der MartinLuther-Universität Halle-Wittenberg von 72 auf über 110 im laufenden Wintersemester erhöht.
Das wiederum führte dazu, dass die Zahl der Studienanfänger an Sachsen-Anhalts Hochschulen zum ersten Mal zurückging; in diesem Wintersemester sogar von ca. 10 000 auf 8 000 Studienanfänger, also um etwa 20 %.
Allerdings stehen uns bei den Studierendenzahlen die wirklichen Herausforderungen noch bevor. Im Jahr 2007 verlassen der letzte Abiturientenjahrgang nach 13 Schuljahren und der erste nach zwölf Schuljahren die Schule. Das sind zusätzlich 8 000 Schulabgänger mit Hochschulreife, die unsere Hochschulen wegen des beschriebenen Umstrukturierungsprozesses nicht aufnehmen können. Darauf sind sie nicht vorbereitet.
Deshalb müssen wir bei der Aufstellung des Haushaltsplans 2007 in Form eines Sonderprogramms Vorsorge treffen, damit die Hochschulen zusätzliche Handlungsspielräume erhalten. Wenn nichts getan wird, legt das Land selbst die Grundlage für die Abwanderung junger Menschen.
Es klingt schon wie Hohn, wenn der Kultusminister den Studierenden empfiehlt, eine Studienrichtung zu wählen, die nicht so stark nachgefragt wird. Mit solchen Beiträgen, Herr Olbertz, lösen wir das Problem nicht.
Ab dem Wintersemester 2009/2010 erreichen die geburtenschwachen Nachwendejahrgänge die Hochschulen. Ab diesem Zeitpunkt wird sich infolge der demografischen Entwicklung das Problem stellen, wie das Land die akademische Nachwuchsgewinnung absichern kann. Wir brauchen gezielte Gegenmaßnahmen, wie zum Beispiel die Schaffung zusätzlicher Möglichkeiten zur Erlangung der Hochschulzugangsberechtigung, und eine gezielte Werbung bei Studierenden aus anderen Bundesländern und auch aus dem Ausland.
Unverzichtbar für die Hochschulen ist eine größere Gestaltungsfreiheit. Die Hochschulgesetznovelle, die in dieser Legislaturperiode beschlossen wurde, wird diesem Anspruch nicht gerecht.
- Dafür reicht mir jetzt leider die Zeit nicht.
- Da brauchen Sie gar nicht zu lachen.
Überlebenswichtig ist eine verlässliche und auskömmliche Finanzierung. Daher streben wir neben der Regelfinanzierung über die Budgets und dem Sonderprogramm „Doppelter Abiturientenjahrgang“ eine Aufstockung der Mittel durch einen Innovationsfonds zur Profilentwicklung und Exzellenzförderung an.
Meine Damen und Herren! Die SPD Sachsen-Anhalts hat im vergangenen Jahr mit der Broschüre „Bildungsland Sachsen-Anhalt 2020“ umfangreiche konzeptionelle Vorstellungen für die nächsten 15 Jahre entwickelt. Denn eines ist klar: Der Faktor Bildung wird künftig noch stärker als heute die persönliche und berufliche Entwicklung des Einzelnen und der Gesellschaft bestimmen. Wir treten daher nachhaltig für eine Qualitätsoffensive in der schulischen Bildung ein, die eine kontinuierliche Fortsetzung innerer Schulreformen zum Ziel hat.
Nein, dazu bin ich nicht bereit. - Darüber hinaus streben wir in einem unabhängigen Bildungskonvent eine umfassende Diskussion über die Weiterentwicklung unseres Schulsystems an.
Im Ergebnis dieser Debatte erhoffen wir uns eine Empfehlung für ein zukunftsfähiges, tragfähiges, vor allen Dingen gerechtes und international ausgerichtetes leistungsfähiges Bildungssystem. Internationale Vergleiche zeigen, dass ein längeres gemeinsames Lernen vor allem dann zu verbesserten Ergebnissen führt, wenn im Unterricht stärker differenziert sowie mit flexiblen Lehrplänen und individuellen Fördersystemen auf die unterschiedlichen Bedürfnisse einer heterogenen Schülerschaft eingegangen werden kann.
- Wir sind durchaus bei einigen Dingen einer Meinung.
Daher werden wir in dem Bildungskonvent unseren Vorschlag einer allgemeinbildenden Schule, in der die Schüler acht Jahre lang gemeinsam lernen, zur Diskussion stellen. Dabei begründet sich dieser Vorschlag nicht nur mit pädagogischen, sondern auch mit schulplanerischen Argumenten. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung kann das längere Lernen in einer Schule vor allem in der Fläche dazu beitragen, wohnortnahe Schulangebote vorzuhalten. Dass die Landesregierung
diese Überlegung als nicht so abwegig ansieht, zeigt zum Beispiel die vom Minister aufgezeigte Lösung in Havelberg.
In diesem Zusammenhang sagen wir jedoch ganz klar: Wir erachten es als notwendig, von übereilten Strukturveränderungen an unseren Schulen abzusehen. Grundlegende Veränderungen unseres Schulsystems benötigen eine breite gesellschaftliche Mehrheit und ausreichend Zeit zur Planung, Vorbereitung und Umsetzung.
Meine Damen und Herren! Ich möchte hinzufügen: Das Ergebnis der gestrigen Umfrage in der „Volksstimme“ wird dabei von uns nicht überbewertet, stellt aber durchaus eine Ermunterung und viel Rückenwind dar, das aufgezeigte Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.
Sehr geehrter Herr Paqué, nun hoffe ich, dass ein Universitätsprofessor mit den Techniken des verstehenden Lesens vertraut ist. Somit sollte es auch Ihnen nicht entgangen sein, dass die Aussagen von Jens Bullerjahn in dem Interview in der „Volksstimme“ und meine Aussagen in der Bildungsbroschüre und meine heutigen Aussagen absolut identisch sind.
Die erfolgreiche Umsetzung einer AOS in SachsenAnhalt kann nur gelingen, wenn sie von einer breiten gesellschaftlichen Mehrheit getragen wird.
Ich komme zu meinen letzten drei Sätzen, Herr Präsident.
Meine Damen und Herren! Eine künftige Landesregierung hat nach unserer Meinung im Bildungsbereich folgende Schwerpunktaufgaben:
erstens die Verbesserung der Bildungschancen von Kindern aus sozial schwachen und bildungsfernen Familien,
zweitens die Reduzierung des hohen Anteils von Schulabgängern ohne Abschluss,
drittens die weitere Verbesserung des Wissens- und Kompetenzerwerbs bei den Schülern,
viertens die Erhöhung des Anteils der Studienberechtigten eines Jahrgangs, aber auch der Studienabsolventen,
fünftens die Schaffung von Rahmenbedingungen, die die nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Hochschulen sichern.
Für die Umsetzung dieser Zielsetzungen haben wir ein Paket von Instrumentarien und Maßnahmen geschnürt, die wir in der kommenden Legislaturperiode, wenn möglich - davon gehen wir aus - in der Regierungsverantwortung, umsetzen wollen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Die jüngsten Pisa-Ergebnisse bescheinigen Sachsen-Anhalt beachtliche Verbesserungen in den geprüften Kompetenzbereichen, aber eben auch ganz große Defizite im Hinblick auf die Verteilung der Bildungschancen. Jeder dieser Befunde verdient eine gesonderte Auseinandersetzung und vor allem eine umfangreiche Analyse der Ursachen. Dies ist in einer Aktuellen Debatte nur bedingt möglich.
Wir konzentrieren uns heute schwerpunktmäßig auf die defizitären Befunde, weil diese ein Kernproblem im deutschen Bildungssystem aufgreifen.
Dies bedeutet aber nicht, dass wir die bemerkenswerten Leistungszuwächse unserer Schülerinnen und Schüler gering schätzen, ganz im Gegenteil. Wir sind darüber erfreut und hoffen, dass sie anhalten.
Meine Damen und Herren! Nicht erfreulich ist dagegen eine gewisse Schamlosigkeit der Regierungsfraktionen
und auch der Landesregierung, die zu jeder Gelegenheit und wahrscheinlich auch heute versuchen werden, diesen Erfolg als ihr Verdienst darzustellen.
Ein objektiver Blick auf den Erhebungszeitraum der Studie vom Frühjahr des Jahres 2003 verrät, dass die getesteten 15-jährigen Schülerinnen und Schüler in keinem Punkt von den bildungspolitischen Veränderungen und später wirksam gewordenen Gesetzesnovellierungen von CDU und FDP betroffen sein konnten.
Herr Minister, auch wenn Sie nicht Mathematik studiert haben - ich habe das auch nicht, aber dafür haben wir uns beide mit Deutsch befasst -, müsste Ihnen rein rechnerisch dieser Sachverhalt klar sein. Jeder, der hier anders argumentiert, betrügt nicht nur sich selbst, sondern vor allem die Öffentlichkeit; das ist keine akzeptable Methode
Meine Damen und Herren! Die Zusammenhänge zwischen sozialer Herkunft und Bildungskarrieren sind ein Gradmesser dafür, wie mit den Chancen von Kindern in einem Bildungssystem umgegangen wird. Die Art, wie ein Land mit der Chancengleichheit umgeht, zeigt wiederum, wie es seine Bildungsressourcen nutzt. Das ist auch der Grund, warum die Untersuchung der Kopplung zwischen sozialer Herkunft und Kompetenzniveau ein fester Bestandteil der Pisa-Studien ist.
Die Pisa-Erhebung 2003 stellt diesbezüglich erneut ein schlechtes Zeugnis aus und bescheinigt uns wie schon die Pisa-Studie 2002 in Deutschland und auch in Sachsen-Anhalt ein Gerechtigkeitsproblem.
Meine Damen und Herren! Man kann es nicht glauben, aber es ist so: Eine der größten Industrienationen der Welt nutzt ihre vorhandenen Bildungsressourcen eben nicht in dem Maße, wie es notwendig wäre. Das können wir uns schlichtweg nicht leisten. Im internationalen Maßstab gibt es kaum ein Land, in dem die soziale Herkunft so stark die Bildungschancen bestimmt wie in Deutschland. Dabei geht es im Wesentlichen um zwei alarmierende Befunde, die in einem ursächlichen Zusammenhang stehen.
Erstens. Die Chancen für Jugendliche aus unterschiedlichen sozialen Schichten, zum Beispiel ein Gymnasium zu besuchen, sind sehr ungleich verteilt. Während gemäß der Studie im Durchschnitt 61 % der 15-Jährigen aus begüterten Familienverhältnissen ein Gymnasium besuchen, sind es bei den 15-Jährigen aus sozial schwachen Schichten nur 8 %.
Zweitens. Die Kompetenzverbesserungen sind nicht gleichmäßig über die Schulformen verteilt. Während die Gymnasien Zuwächse nachweisen können, gibt es an Hauptschulen kaum oder wenig Kompetenzzuwächse.
Der in der letzten Woche der Öffentlichkeit vorgestellte zweite Ländervergleich bescheinigt, wie bereits erwähnt, auch unserem Land große Defizite im Hinblick auf die Chancengleichheit. So haben Kinder aus sozial schwachen Familienverhältnissen, wohl gemerkt bei gemessenen gleichen Grundfähigkeiten, in unserem Bundesland eine über sechsmal geringere Chance als Kinder aus der Oberschicht, ein Gymnasium zu besuchen.
Damit nimmt unser Land den vorletzten Rang im innerdeutschen Vergleich ein und befindet sich erheblich über dem schon inakzeptablen bundesdeutschen Durchschnitt, der bei einer viermal geringeren Chance liegt. Lässt man die vergleichbaren Grundfähigkeiten außer Acht, liegt Sachsen-Anhalt im bundesdeutschen Vergleich auf dem letzten Platz. In diesem Fall ist die Chance für Kinder aus sozial schwachen Familienverhältnissen, ein Gymnasium zu besuchen, sogar zehnmal geringer.
Als ob diese Befunde nicht schon erschreckend genug wären, schockieren die Stellungnahmen unseres Kultusministers in den Medien dazu umso mehr. So äußerte sich Professor Olbertz in den vergangenen Tagen in den Medien mehrfach wie folgt - ich zitiere -: Es sei keineswegs von vornherein beunruhigend, wenn Kinder mit einem guten Realschulabschluss in die Fußstapfen ihrer Eltern träten und eine Facharbeiter- oder Handwerkerlehre absolvierten.
- Das werde ich Ihnen gleich sagen, lieber Herr Olbertz.
Herr Minister, wenn die diesbezüglichen Befunde der Pisa-Studie für Sachsen-Anhalt nicht beunruhigend für Sie sind, dann stimmt das bedenklich, und es offenbart - das ist das Entscheidende - Ihr antiquiertes Verständnis von Chancengleichheit im Bildungssystem.
Man gewinnt den Eindruck, als verführen Sie nach dem Grundsatz: Schuster, bleib bei deinen Leisten: Vater Maurer - Sohn Maurer, Mutter Ärztin - Tochter Ärztin.
Solche Äußerungen eines Kultusministers halten wir für sehr bedenklich und vor allem auch für sehr bedauerlich; denn er müsste es eigentlich besser wissen. Es reicht eben oft nicht mehr aus, dass Jugendliche in die Fußstapfen ihrer Eltern treten. Um künftig - wir reden über die Zukunft - beruflich und privat erfolgreich zu sein, muss man häufig mehr wissen als die Eltern und auch häufig einen höheren Schulabschluss erwerben.
Der Wissenschaftsrat, meine Damen und Herren, prognostiziert für den Zeitraum bis zum Jahr 2015 einen Bedarf von 30 % an Arbeitsplätzen für Hochschulabsolventen. Dagegen beträgt der Anteil der Hochschulabsolventen an der erwerbstätigen Bevölkerung gegenwärtig in Deutschland nur 18 %. Ich wiederhole: 18 %. Im internationalen Maßstab gerät Deutschland damit gegenüber Ländern wie zum Beispiel den USA mit 29 % weiter ins Hintertreffen.
Im Gegenzug wird prognostiziert, dass der Anteil der Arbeitsplätze mit einfachen Tätigkeitsprofilen in den nächsten beiden Jahrzehnten unter 20 % fallen wird. Damit
gehen die Beschäftigungschancen für gering Qualifizierte weiter erheblich zurück.
Meine Damen und Herren! Vor diesem Hintergrund kann man die in den letzten drei Jahren von der CDU-FDPLandesregierung und den sie tragenden Fraktionen vorgenommenen bildungspolitischen Weichenstellungen wie zum Beispiel die Wiedereinführung des Hauptschulbildungsganges und die Zugangsbeschränkung beim Gymnasium nur als Anachronismus bezeichnen.
Die entscheidende Frage, die sich stellt, lautet: Wie erreichen wir in Sachsen-Anhalt, aber auch in ganz Deutschland, eine Entkoppelung des hohen Zusammenhangs zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg?
Meine Damen und Herren! Ein „weiter so“ führt uns nicht zum Erfolg. Herr Dr. Volk, wir wären froh, wenn wir Ihre Gewissheit hätten, dass das bestehende Schulsystem eine gute Grundlage sei, um jeden Schüler entsprechend seinen individuellen Fähigkeiten zu fördern. Nur, die aktuellen Ergebnisse der Pisa-Studie beweisen gerade das Gegenteil.
Es ist noch Schlimmeres für Sachsen-Anhalt zu befürchten. Die von CDU und FDP beschlossenen Zugangsbeschränkungen beim Gymnasium bzw. die Wiedereinführung des Hauptschulbildungsgangs konnten natürlich aufgrund der Zeitläufe bei der Studie im Jahr 2003 noch keine Berücksichtigung finden. Es scheint sehr wahrscheinlich zu sein, dass sich die Befunde im Hinblick auf die starke Koppelung von sozialer Herkunft und Schulerfolg weiter verschlechtern werden. Warten wir die PisaStudie im Jahr 2006 ab.
Meine Damen und Herren! Auf die dargestellte Situation müssen wir reagieren - ich denke, auf jeden Fall anders als die gegenwärtige Landesregierung. Ignoranz und Selbstbeweihräucherung helfen uns bei der Problemlösung nicht.
Es gilt, das Schulsystem so auszurichten, dass die Bildungsbeteiligung steigt, dass der Anteil der Schülerinnen und Schüler ohne bzw. mit unteren Bildungsabschlüssen sinkt und dass sich der Anteil der Jugendlichen, die eine Hochschulzugangsberechtigung erwerben, deutlich erhöht. Wir können es uns nicht mehr erlauben, auf nicht geförderte Potenziale zu verzichten.
Auch dazu ist es neben vielen anderen Maßnahmen notwendig, das gegliederte Schulsystem auf den Prüfstand zu stellen. Es muss erlaubt sein zu hinterfragen, inwieweit die frühe Aufteilung auf die verschiedenen Bildungsgänge eine Chancengleichheit zumindest behindert; denn von einer wirklichen Chancengleichheit kann in keinem Bundesland in Deutschland gesprochen werden.
Die internationale Grundschulleseuntersuchung Iglu 2004 hat sehr deutlich nachgewiesen, dass bei der Erstellung von Schullaufbahnempfehlungen häufig eben nicht die Leistung im Vordergrund steht, sondern die soziale Herkunft.
- Lesen Sie einmal nach, Frau Feußner. - Natürlich ist die individuelle Förderung ein Schlüsselwort für Leistungs- und Kompetenzzuwachs. Eines überzeugt mich jedoch nicht: dass allein Veränderungen im Unterrichtsgeschehen mit verstärkter individueller Förderung und anderen Punkten, die wir allgemein bekanntermaßen als innere Schulreform bezeichnen und über die ich jetzt nicht referieren möchte - das gehört natürlich dazu -, die vorhandenen Probleme innerhalb des jetzigen Systems nachhaltig beheben können; denn eine verstärke individuelle Förderung in den einzelnen Schulformen löst eben nicht zum Beispiel das Problem der Chancenungleichheit beim Zugang zum Gymnasium.
Nach unserer Überzeugung könnte eine längere gemeinsame Schulzeit gekoppelt mit einem differenzierten System der individuellen Förderung und vielen Dingen mehr einen erheblichen Beitrag dazu leisten, die Chancengleichheit im Bildungssystem zu erhöhen oder erst herzustellen. Die Leistungszuwächse, die in allen Schulformen bei der Pisa-Studie im Jahr 2003 nachgewiesen wurden, bestärken uns in diesem Ansinnen; denn die getesteten Schüler haben die im Jahr 1997 von der SPDLandesregierung eingeführte Förderstufe und ebenfalls den gemeinsamen Sekundarschulbildungsgang durchlaufen. Sie haben damit sechs Jahre gemeinsam gelernt. Sachsen-Anhalt hat eigentlich jetzt diesbezüglich die ersten Früchte der damaligen Schulreformen geerntet.
Sehr geehrter Herr Olbertz, sehr geehrte Frau Feußner, sehr geehrter Herr Kultusminister, es zeugt von großer Ignoranz, aber auch Arroganz, diesen objektiven Tatbestand in einem Zeitungsinterview als einen Kalauer abzutun, auch wenn Sie beide Reformen inzwischen wieder abgeschafft haben.
Wir brauchen einen offenen, unvoreingenommenen und wirklich nichts ausklammernden gesellschaftlichen Diskurs über die Zukunft der Bildung in Deutschland und damit auch in Sachsen-Anhalt.
Über diese Dinge in ihrer Gesamtheit soll in dem von uns vorgeschlagenen unabhängigen Bildungskonvent anhand unseres Konzepts zur mittelfristigen Einführung einer allgemein bildenden Oberschule, in der die Schüler gemeinsam länger lernen, diskutiert werden. Mit diesem Vorschlag aus dem Zukunftspapier verbinden wir die Hoffnung und vor allen Dingen den Willen, die Schwächen und die Ungerechtigkeiten des jetzigen Schulsystems endlich zu überwinden und damit die Schule in Sachsen-Anhalt wirklich zukunftsfähig zu machen. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Frau Feußner, gehen Sie mit mir konform und bestätigen mir die Aussage, die ich vorhin getroffen habe, dass nicht alle Abitur machen müssen?
Dann hatten Sie wahrscheinlich auch nicht richtig zugehört. Entschuldigung, das wird dann das Protokoll zeigen. Ich habe vorhin davon gesprochen, Chancengleichheit für Schülerinnen und Schüler herzustellen, die ein gleiches Leistungsniveau aufweisen. Denn der Befund lautet, dass bei Schülerinnen und Schülern mit gleichen Leistungsvoraussetzungen, die zum einen aus einem gehobenen Haushalt und zum anderen aus schwierigen sozialen Verhältnissen kommen, eben diese Chancengleichheit nicht haben. Vielmehr haben Letztere eine sechsmal geringere Chance als die Kinder, die aus einem besseren Haushalt kommen.
Das heißt, wir wollen damit überhaupt nicht ausdrücken, dass das Gymnasium die einzige und richtige Schulform wäre, wo alle hingehen müssten, sondern es geht nur darum festzustellen, dass es Chancenungleichheiten
gibt, die aus der sozialen Herkunft resultieren. Wir haben die Aufgabe, durch entsprechende Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass diese Ressourcen nicht vergeudet werden und dass diese Kinder, die aus bildungsbenachteiligten Schichten kommen, eine Chance in der Schule erhalten. Um mehr geht es nicht. Etwas anderes habe ich auch nicht gesagt.
Natürlich steht es so drin.
Also ich will jetzt nicht sagen, dass es zwecklos ist, aber ich sage noch einmal Folgendes: In der Studie ist nachzulesen, dass es wohl gerade diese verschiedenen Einflussdeterminanten gibt, die bei diesen Dingen eine Rolle spielen. Es ist nachweislich, dass Kinder, die aus schwachen sozialen Schichten kommen, einen Wissensnachholbedarf haben, der fast ein Schuljahr und mehr beträgt. Dafür muss man doch etwas tun. Wenn sie bei gleicher Intelligenz einfach außen vor bleiben, kann man doch nicht so tun, als ob man das einfach nicht wahrnimmt. Darin müssten Sie mir doch zustimmen, Frau Feußner.
Bitte keine Unterstellungen, Frau Feußner! Sind Sie tatsächlich der Meinung, dass man bei Zehnjährigen diesen Nachteilsausgleich schaffen kann?
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist selbstverständlich, dass ich als Haldenslebenerin für Haldensleben spreche. Ich denke schon, dass einige Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion wissen, dass ich mich immer für Haldensleben eingesetzt habe.
Ich habe durchaus Verständnis für die Oscherslebenerinnen und Oscherslebener, aber trotzdem muss ich sagen: Die Entscheidung der Landesregierung, Haldensleben vorzuschlagen, ist richtig. Insofern unterstütze ich den Vorschlag der Landesregierung, was für jemanden aus einer Oppositionspartei, wie man weiß, nicht selbstverständlich ist.
Meine Damen und Herren! Das eigentliche Problem besteht darin, dass es gar nicht zu einer Konkurrenzsituation hätte kommen müssen, wenn nicht die regierungstragenden Fraktionen einen anderen Vorschlag gemacht hätten. Insofern kann ich nur hoffen, dass alle Abgeordneten der regierungstragenden Fraktionen und die Mehrheit der Abgeordneten der anderen Fraktionen, so auch
meiner Fraktion, Haldensleben als Kreissitz unterstützen. Denn Haldensleben ist die Stadt, die fast jeder kennt.
Es ist die Stadt zwischen den Wäldern. Es ist die Stadt der traditionellen Keramik. Es ist die Stadt, von der aus das große Versandhaus Otto seine Waren in die Welt liefert. Haldensleben ist die Stadt, die viele Dinge in sich vereint. Nicht zuletzt: Wer ein Auto fährt - -
- Herr Daehre, wenn Sie und andere dafür sorgen, dass Haldensleben eine ordentliche Anbindung an die A 14 bekommt, dann haben wir ein zusätzliches Problem gelöst. Sollte es - ich nehme Ihren Einwand auf - irgendwann einmal große Regionalkreise geben, dann wird Haldensleben möglicherweise nicht mehr Kreissitz sein.
Nichtsdestotrotz ist es zum gegenwärtigen Zeitpunkt die richtige Entscheidung. Ich bitte deshalb um Ihre Zustimmung für Haldensleben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einer Pressemitteilung des Kultusministeriums vom 27. Juli 2005 informierte Kultusminister Herr Professor Olbertz über die Abschlussquoten des 10. Schuljahrganges an Sekundarschulen im Schuljahr 2004/2005 und lobte die Leistungen der Schüler und Lehrkräfte.
In der Antwort der Landesregierung auf eine von mir gestellte Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung sieht sich die Landesregierung jedoch nicht in der Lage, die erfragten Zahlengrundlagen für die Pressemitteilung vorzulegen. In den Vorbemerkungen berief sich die Landesregierung lediglich auf eine Zusammenfassung der Ergebnisse durch das Landesverwaltungsamt und konstatierte:
„Ein vollständiges und detailliertes Bild der an den allgemein bildenden Schulen erreichten Abschlüsse ergeben erst die Daten der jährlichen Schuljahresendstatistik des Statistischen Landesamtes Sachsen-Anhalt. Die Veröffentlichung der Ergebnisse erfolgt im Oktober/November. Ein Vergleich mit den Ergebnissen der Vorjahre ist nur auf der Grundlage einer gleichen Datenbasis sinnvoll und muss sich auch für das Jahr 2005 auf die Schuljahresendstatistik des Statistischen Landesamtes stützen.“
Ich frage die Landesregierung:
1. Warum verkündet der Kultusminister bereits Ende Juli 2005 eine Erfolgsbilanz der Abschlussjahrgänge der Sekundarschulen im Schuljahr 2004/2005, wenn nach Aussage der Landesregierung erst die Daten der jährlichen Schuljahresendstatistik des Statistischen Landesamtes im Oktober/November 2005 ein vollständiges und detailliertes Bild der an den allgemein bildenden Schulen erreichten Abschlüsse ermöglichen?
2. Aus welchem Grund hat die Landesregierung dem Parlament in ihrer Antwort auf meine Kleine Anfrage die der Pressemitteilung des Kultusministers zugrunde liegenden Daten des Landesverwaltungsamtes vorenthalten?
Herr Minister Olbertz, wenn diese Verbesserung tatsächlich eingetreten sein sollte, so ist dies erfreulich. Das beantwortet aber immer noch nicht die Frage, warum Sie zu diesem sehr frühen Zeitpunkt auf der Grundlage der Ergebnisse Ihrer Befragung diese Erfolgsbilanz vermelden, wenn die abschließende Bewertung erst im Oktober/November möglich ist. Das heißt, meine Frage ist nach wie vor nicht eindeutig beantwortet.
Das Zweite ist: Es wäre doch sicherlich möglich gewesen, mir - nicht mir persönlich, sondern dem Parlament - mit der Antwort auf die Kleine Anfrage die Zahlen, die Ihnen damals zur Verfügung gestanden haben, zur Verfügung zu stellen - wenn man so will als Vorantwort für das, was die Gesamtstatistik im Oktober/November bringt.
Ich denke, wir sollten uns jetzt nicht in Wort- und Zahlenakrobatik üben.
Fakt ist, dass genau zu dem Zeitpunkt, als Sie Ihre Pressemitteilung mit der Erfolgsmeldung veröffentlicht haben, eine Gesamtaussage in einer echten Vergleichbarkeit auch für Sie nicht möglich war;
vielmehr war nur eine prognostische Aussage möglich - und weiter nichts.
Insofern halte ich es für ein äußerst problematisches Mittel, auf der Grundlage nicht 100-prozentig gesicherter Daten Aussagen zu treffen, die eine hervorragende Bilanz bescheinigen sollen. Möglicherweise bestätigt sich diese als richtig; das ist eine Frage. Aber Sie sagen selbst: Man muss mit sauberen Daten arbeiten, um klare, deutliche und ehrliche Aussagen zu machen. Dies schien mir dann doch nicht gegeben.
Stimmen Sie mir zu, Herr Olbertz?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Hohe Haus um Entschuldigung, dass es zu dieser Verschiebung der Anträge gekommen ist. Aber so etwas passiert schon einmal, wenn die Tagesordnung zu schnell abgearbeitet wird.
Meine Damen und Herren! Es ist noch gar nicht lange her, dass wir in diesem Landtag kontroverse und zum Teil hochemotionalisierte Debatten über die Zukunft der Grund- und Sekundarschulen und auch der Gymnasien geführt haben. Mittlerweile werden die beschlossenen Schulentwicklungspläne vor Ort umgesetzt. Die damals von uns prognostizierten Probleme in Bezug auf Schulschließungen in der Fläche sind inzwischen leider eingetreten. Nur noch einmal zur Erinnerung: Zum Schuljahresbeginn 2005/2006 wurden wiederum fast 100 Schulen im Land geschlossen.
Jeder Abgeordnete und jede Abgeordnete kennt die Probleme aus seinem bzw. ihrem Wahlkreis. Das ist kein Vorwurf. Das ist einfach so. Ich konstatiere das völlig wertfrei.
In vielen Orten setzen sich Elterninitiativen und Kommunalpolitiker für den generellen Erhalt ihrer Schulen ein oder sie kämpfen um Ausnahmegenehmigungen.
Meine Damen und Herren! Es bleibt zu konstatieren: Das Schulnetz hat viele Löcher bekommen und es ist, glaube ich, ohne Frage an der Grenze der Belastbarkeit angelangt. Ich glaube sogar, dass diese Grenze an einigen Stellen, wenn man in die ganz dünn besiedelten Bereiche schaut, schon überschritten worden ist.
Meine Damen und Herren! Bisher standen die Grund- und Sekundarschulen sowie die Gymnasien im öffentlichen Blickpunkt. Ich glaube, dass es notwendig ist, unsere Aufmerksamkeit in den folgenden Jahren auf die berufsbildenden Schulen zu lenken. Ich will dies auch begründen.
Erstens. Ab dem Schuljahr 2006/2007 erreichen die ersten geburtenschwachen Nachwendejahrgänge die berufsbildenden Schulen. Das Kultusministerium prognostizierte im Januar dieses Jahres einen Rückgang der Schülerzahl an öffentlichen berufsbildenden Schulen von 75 500 im laufenden Schuljahr auf 48 400 im Schuljahr 2010/2011. Das wäre ein Rückgang um fast 40 %.
Zweitens. Die Verordnung zur Schulentwicklungsplanung des Ministeriums enthält auch Vorgaben zur Mindestgröße berufsbildender Schulen. Sie gibt einen rechnerischen Richtwert von 700 Vollzeitschülern vor.
Was heißt „Vollzeitschüler“? Warum ist dieser Richtwert so gegeben? - Unter dem Dach einer berufsbildenden Schule existieren in der Regel mehrere Schulformen, unter anderem die herkömmliche Teilzeitberufsschule für
Schüler im dualen Ausbildungssystem, aber auch vollzeitschulische Schulformen wie Berufsfachschulen, Fachschulen, Fachoberschulen, Fachgymnasien oder das BVJ.
Jedoch sind 700 Vollzeitschüler nicht einfach 700 Schüler und Schülerinnen; denn gemäß einer Formel in der Verordnung entsprechen erst 2,5 Teilzeitschüler einem Vollzeitschüler. Es ist also eine komplizierte Berechnungsgeschichte, die ich hier nicht ausbreiten will. Das können wir im Ausschuss machen.
Ein Unterschreiten dieses Richtwertes - das ist jetzt interessant - ist nur dann zulässig, wenn es sich hierbei um die einzige berufsbildende Schule eines Landkreises oder einer kreisfreien Stadt handelt. Dieser Ausnahmetatbestand, meine Damen und Herren, erübrigt sich aber vor dem Hintergrund der aktuellen, nämlich heute beschlossenen Kreiszusammenlegungen.
Drittens. Das heute beschlossene Kommunalneugliederungsgesetz sieht zum 1. Juli 2007 de facto eine Halbierung der Zahl der Kreise von 21 auf elf vor. Bisher hatte jeder Landkreis bzw. jede kreisfreie Stadt mindestens eine Berufsschule, einige auch mehr.
Meine Damen und Herren! Im Schuljahr 2004/2005 verfügte das Land Sachsen-Anhalt über insgesamt 38 öffentliche berufsbildende Schulen. Ein Großteil dieser Schulen wurde in den vergangenen Jahren mit Mitteln der EU, des Bundes, des Landes und der Schulträger umfassend saniert oder neu gebaut. Entstanden sind moderne und gut ausgestattete Berufsschulzentren in den Regionen und Städten. Es sind Berufsschulzentren, um die uns andere Bundesländer beneiden.
Dass die geburtenschwachen Jahrgänge auch um unsere Berufsschulen keinen Bogen machen würden, bedarf keiner Erklärung. Das ist seit Jahren absehbar. Dass eine Kreisgebietsreform notwendig ist, wissen wir auch schon seit Jahren. Entscheidend ist nun, welche Schlussfolgerungen wir aus dieser Situation ziehen.
Ich fange mit dem an, was wir nicht wollen. Wir wollen kein Schulsterben wie bei den allgemein bildenden Schulen. Wir wollen möglichst auch ein erneutes Diktat der Kultusbürokratie durch entsprechende Vorgaben vermeiden.
Wir wollen, dass die Schulträger in den neu gebildeten und auch in den in alter Form bestandsfähigen Kreisen unter Prüfung der Rahmenbedingungen über die Perspektiven ihrer Berufsschulen möglichst selbst entscheiden können. Da schon heute nicht alle Ausbildungsberufe an allen berufsbildenden Schulen des Landes ausgebildet werden, entsteht noch ein zusätzliches Problem.
Schuljährlich werden durch das Kultusministerium entsprechend der zu erwartenden Anzahl Auszubildender und unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen überregionale Fachklassen festgelegt. Dazu zählen Länder übergreifende Fachklassen, Landesfachklassen und Bezirksfachklassen, durch die den berufsbildenden Schulen in den einzelnen Regionen einzelne Ausbildungsberufe zugeordnet werden. Diese Zuordnung, meine Damen und Herren, wird sicherlich künftig noch an Bedeutung gewinnen, wobei die regionale Wirtschaftsstruktur bzw. regionale Besonderheiten Eingang in die weitere Profilierung der Berufsschulen finden müssen.
Ich denke, es steht außer Frage, dass man die bereits beschriebenen Rahmenbedingungen nicht ignorieren
kann. Ich denke, dass die Einbringung unseres Antrags dokumentiert, dass wir uns diesbezüglich auch Gedanken machen. Wir glauben, dass diese Konzepte für die weitere Zukunft der berufsbildenden Schulen notwendig sind. Gerade vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der Schulentwicklungsplanung bei den allgemein bildenden Schulen haben wir allerdings die Sorge - diese werden sicherlich die meisten im Raum teilen -, dass weniger inhaltliche als vielmehr mathematische und finanzielle Argumente die Diskussion bestimmen könnten.
Meine Damen und Herren! Wir denken, dass das Land den Schulträgern Möglichkeiten eröffnen muss, damit die umfangreichen Ressourcen an unseren berufsbildenden Schulen auch bei sinkenden Schülerzahlen und einer veränderten Kreisstruktur genutzt werden können.
Eine Möglichkeit ist nach unserer Meinung die Weiterentwicklung der berufsbildenden Schulen zu regionalen Berufsbildungs- oder Kompetenzzentren. Das Ziel könnte darin bestehen, ein ortsnahes und abgestimmtes Aus- und Weiterbildungsangebot in der Region unter Nutzung der unterschiedlichen Ressourcen der einzelnen Partner bei der Berufsausbildung zu ermöglichen. Die jeweiligen Partner bleiben dabei selbständig und agieren eigenverantwortlich, und die berufsbildenden Schulen können entsprechend dem regionalen Bedarf Partnerrollen oder auch eine federführende Rolle übernehmen. Um die Berufsschulen als regionale Partner in derartige Modelle stärker einbeziehen zu können, müssen allerdings ihre Handlungs- und Gestaltungsspielräume vor Ort erheblich ausgeweitet werden.
Meine Damen und Herren! In solcher Form beschriebene Kompetenzzentren der beruflichen Bildung könnten die frei werdenden Kapazitäten und Ressourcen an den Berufsschulen nutzen und der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung in einzelnen Berufsfeldern bzw. für Betriebe in den jeweiligen Regionen dienen. Wir denken, dass sie damit wirklich einen guten Beitrag zur Sicherung eines ausreichenden Qualifikationsangebotes leisten können.
Lieber Kollege Olbertz, es ist kein Geheimnis, dass sich eine Arbeitsgruppe im Kultusministerium mit diesem Thema befasst. Uns interessiert natürlich Ihre Einschätzung der beschriebenen Rahmenbedingungen. Vor allem dürfte natürlich der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft, aber auch die interessierte Öffentlichkeit - ich sage nur: Kreiszusammenlegungen - Interesse an Ihren Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen haben. Vielleicht werden es auch unsere Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen.
Eine Berichterstattung bis zum Ende des Jahres erscheint uns angemessen zu sein, da nach unserer Meinung durch die Tätigkeit der Arbeitsgruppe ein bestimmter Vorlauf besteht. Ich bitte das Hohe Haus um die Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! An den Anfang meiner Rede möchte ich ein Zitat von Herrn Dr. Volk von der FDP-Fraktion aus dem vergangenen Jahr stellen. Nach einem Arbeitstreffen Ihrer Partei im März 2004 konstatierten Sie - ich zitiere aus den Unterlagen -: Nachholbedarf gebe es in SachsenAnhalt auf dem Gebiet der Hochbegabtenförderung. Die bisherigen Initiativen reichten nicht aus. Es müsse in den nächsten Jahren ein schlüssiges Konzept für eine generalistische Förderung herausragender Schüler entwickelt und umgesetzt werden.
Wo Sie Recht haben, Herr Dr. Volk, haben Sie Recht. Aber dieses schlüssige Konzept liegt leider nicht vor.
- Herr Minister, Sie sind nach mir dran; dann können wir das noch einmal besprechen.
In den dreieinhalb Jahren ihrer Regierungszeit hat es die Landesregierung leider versäumt, ein solches Konzept vorzulegen. Es existieren ohne Frage verschiedene Einzelmaßnahmen, wie zum Beispiel Spezialistenlager für begabte Schülerinnen und Schüler oder Förderangebote in Kreisarbeitsgemeinschaften. Es fehlt jedoch der rote Faden, ein umfassendes Konzept, das die anspruchsvolle Aufgabe der Hochbegabtenförderung in ihrer Gesamtheit betrachtet und die notwendigen schulischen und außerschulischen Maßnahmen miteinander vernetzt.
Meine Damen und Herren! Wenn man sich die Mühe macht und im Internet unter den Stichworten „Hoch
begabtenförderung in Sachsen-Anhalt“ nachforscht, findet man vornehmlich Informationsplattformen von Elterngruppen bzw. Elterninitiativen, die aufklären, Probleme aufzeigen, Anregungen geben und Fördermöglichkeiten benennen. Bei allem Respekt und aller Freude über das Engagement der Eltern von hochbegabten Kindern und Jugendlichen zeugt dieser Umstand aber auch von der unbefriedigenden Situation, in der sich eben diese Eltern und diese Kinder selbst befinden. Andere Bundesländer sind nach meiner Information weiter als Sachsen-Anhalt.
So beklagen viele Betroffene die unzureichenden Möglichkeiten einer angemessenen Förderung von Kindern und Jugendlichen, bei denen eine Hochbegabung diagnostiziert wurde.
An dieser Stelle muss man eines klar betonen: Begabung ist nicht automatisch mit hoher Leistung gleichzusetzen, genauso wie gute Leistungen nicht eine hohe Begabung bedeuten müssen. Hochbegabte sind nämlich nicht immer Einsenschreiber oder Musterschüler. Hochbegabung bedeutet eine hohe Denkfähigkeit, eine schnelle Informationsverarbeitung, ein sehr gutes Gedächtnis, eine ausgeprägte Konzentrationsfähigkeit, also eine allgemeine intellektuelle Fähigkeit. Das Besondere ist nicht die einseitige Begabung für einen bestimmten Bereich, sondern die über mehrere Bereiche gehende intellektuelle Fähigkeit, die regelmäßig mit einem hohen Intelligenzquotienten einhergeht.
Fakt ist: Wie alle Kinder müssen auch hochbegabte Kinder die Möglichkeit erhalten, ihre speziellen Fähigkeiten zu entwickeln. Das gelingt aber eben nur durch eine gezielte Förderung.
Meine Damen und Herren! Das Problem beginnt aber schon viel früher. Die Grundlage für die Förderung bildet zunächst - das scheint mir ein ganz großes Problem zu sein - die Erkennung einer Hochbegabung. Das ist in der Praxis leider nicht immer gegeben. Wenn Hochbegabungen nicht erkannt werden, droht diesen Schülerinnen und Schülern häufig eine geistige und soziale Isolation mit der Folge von Verhaltensauffälligkeiten oder Lernstörungen. Fast 50 % der Hochbegabten leiden an schulischen, psychischen und sozialen Schwierigkeiten. Nicht selten verlassen hochbegabte Jugendliche die Schule ohne einen Abschluss.