Protokoll der Sitzung vom 14.06.2019

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Kalbitz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Gäste! Der Jahresbericht des „Toleranten Brandenburgs“ macht eines deutlich: Unsere Demokratie ist gefährdet - ja, aber nicht nur wegen real angeführter und vermeintlicher Ge fahren, die gebetsmühlenartig wiederholt werden. Eine Gefahr ergibt sich auch aus dem Subtexts des Berichts - und hierüber sollten wir auch sprechen.

Die SPD konnte in diesem Land zwei Jahrzehnte lang schalten und walten, wie sie wollte; den Ergebnissen dieser selbstherrli chen Politik begegnen wir jeden Tag. Aber das ist hier nicht der Schwerpunkt. Es geht darum, was die Regierung nunmehr seit 20 Jahren tut, um mit allen legitimen, aber auch unlauteren Mitteln krampfhaft ihre Macht zu sichern.

Das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ ist unter den Eindrücken der frühen Nachwendezeit berechtigt gegen rechts extremistische Bestrebungen, die auch wir entschieden ableh nen, entstanden.

(Beifall AfD - Genilke [CDU]: Was?!)

Seither hat sich in unserem Land in gesellschaftlicher Hinsicht viel verändert. Dem trägt die überarbeitete Version des Kon zeptes nur in unzureichender Weise Rechnung. Vielmehr hat sich das Netzwerk, das sich um die gleichnamige Koordinie rungsstelle in der Staatskanzlei gebildet hat, zur fünften Kolon ne des Machterhalts, der Stimmungsmache und der Bekämp fung der demokratischen Opposition entwickelt.

(Beifall AfD)

Auf Seite 15 des Jahresberichts heißt es etwa, dass die Gegen wart von massiven Bürgerprotesten gekennzeichnet sei. Woge gen richten sich diese Proteste, mit denen friedlich und gewalt frei verfassungsgemäße Grundrechte wahrgenommen werden? Richtig: gegen die Politik der Landesregierung!

(Beifall AfD)

Anstatt aber empfänglich für sachlich geübte Kritik von Bür gern zu sein, reagiert die Landesregierung mit breit angelegten Kampagnen ihrer sogenannten zivilgesellschaftlichen Akteure. Dabei geht es nämlich um eines: um die Unterdrückung der politischen Opposition im Land Brandenburg,

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

so, wie es sich in der Konstellation derzeit darstellt.

(Beifall AfD - Frau Gossmann-Reetz [SPD]: Das ist böse, böseste Verleumdung!)

Hierzu bedient man sich zweier Instrumente: erstens üppiger finanzieller Förderung. Durch üppige finanzielle Förderung

versetzt man privatrechtlich verfasste Vereinigungen in die La ge, in vielfältiger Weise gegen missliebige Meinungen Stim mung zu machen. Es werden Broschüren gedruckt, Workshops und Seminare veranstaltet, Gegendemos organisiert und logis tisch unterstützt.

(Domres [DIE LINKE]: Ein Glück, dass das gemacht wird!)

Dabei handeln diese formal privaten Akteure nicht nur auf Ge heiß der Landesregierung. Nein, die Landesregierung stellt auch noch Personal zur Verfügung: So wurde das 1997 von der Landesregierung ins Leben gerufene Aktionsbündnis nach ei nem Landtagsbeschluss gewissermaßen aus dem Bildungsmi nisterium ausgegliedert und in einen privatrechtlichen Verein mit gleichem Namen überführt. Zu allem Überfluss wechselten gleich noch zwei Mitarbeiter aus dem Ministerium zum ge nannten Verein. All das hatte natürlich den Zweck, das staatli che Neutralitätsgebot zu umgehen. Das Resultat dann später: gezielte Kampagnen dieses sogenannten Bündnisses gegen die Alternative für Deutschland.

(Zuruf der Abgeordneten Gossmann-Reetz [SPD])

Diese wären der Landesregierung im eigenen Namen wegen der Neutralitätspflicht und des Gebots der Chancengleichheit der Parteien verwehrt gewesen. Dass diese augenscheinliche Umgehung auch verfassungswidrig ist, liegt auf der Hand. Das stellte übrigens auch der Parlamentarische Beratungsdienst im Februar 2018 in einem Gutachten fest. Damit aber nicht genug:

Zweitens versuchen die Akteure des Netzwerkes durch gezielte sprachliche Gleichsetzung von Rechtsextremismus und ver meintlichem Rechtspopulismus ihre Maßnahmen gegen die AfD zu rechtfertigen. Auf Seite 60 des Jahresberichts heißt es sinngemäß, dass man Rechtspopulismus für eine Art „Rechts extremismus light“ halte. Das finde ich interessant.

(Frau Nonnemacher [B90/GRÜNE]: Das ist ja auch so! - Frau Johlige [DIE LINKE]: Das stimmt ja auch! - Jung [AfD]: Das ist doch Unsinn! - Galau [AfD]: Das ist unde mokratisch! - Zuruf der Abgeordneten Gossmann-Reetz [SPD])

Solche Einschätzungen stehen eigentlich dem Verfassungs schutz zu und nicht den Politikern. Außerdem ist es in der Sa che Unsinn. Und: Unter diesem Begriff subsumiert man - wen wundert’s? - natürlich die AfD. Es geht also um Parteipolitik und nicht um die hehren Ziele in der Masse, die Sie da anfüh ren.

(Frau Gossmann-Reetz [SPD]: Ist das von Ihnen?!)

Aber es kommt noch besser: Im vielzitierten sogenannten Kampf gegen Rechts ist der Landesregierung offenbar jedes Mittel recht. So mag es auch niemanden wirklich überraschen, dass durch eine Pingpong-Förderung staatliche Mittel an Linksextremisten fließen, indem beispielsweise von den priva ten Akteuren des Netzwerkes Bildmaterial vermeintlich rechter Demos von Antifa-Gruppen zu bemerkenswert hohen Preisen angekauft werden, oder aber wenn etwa bekennende Linksext remisten durch Arbeitsverträge oder über Aufträge von den so genannten privaten Akteuren in Lohn und Brot gebracht wer den. Auch dass die Geschäftsführerin der Opferperspektive ei

nem linksextremistisch orientierten Radiosender, der Verbin dungen zu den Drahtziehern des mittlerweile verbotenen Inter netportals „linksunten.indymedia“ hat, ein Interview gab, ist der Landesregierung keinen Kommentar wert.

(Domres [DIE LINKE]: Das ist freie Meinungsäuße rung!)

Dass es auf diesem Portal bzw. dem Hauptportal Mordaufrufe gegen Polizisten und AfD-Politiker gab, sollte hinlänglich be kannt sein. Für mich fallen Mordaufrufe gegen Polizeibeamte nicht unter das Recht auf freie Meinungsäußerung!

(Beifall AfD - Galau [AfD]: Das sind Linksterroristen! - Zuruf der Abgeordneten Gossmann-Reetz [SPD])

Querverbindungen des Netzwerks „Tolerantes Brandenburg“ zu Linksextremisten lassen sich vielfach aufzählen und sind belegt. Von den Verstrickungen der Altparteien mit diesem Netzwerk will ich gar nicht reden - wir haben ja hier auch so genannte Einzelfälle sitzen.

Wen wundert es bei diesen Seilschaften noch, dass sich die Landesregierung vehement dagegen wehrt, Linksextremismus zum Gegenstand des Handlungskonzepts zu machen?!

Im Übrigen ist auch der Islamismus in Brandenburg auf dem Vormarsch. Daran hat auch die 2017 gegründete Fachstelle Is lam nichts geändert. Im Gegenteil: Der Jahresbericht zeigt auch hier, wohin die Reise gehen soll. Es richtet sich ja nicht gegen den Islamismus. Der Islam soll durch Arbeit gegen - Zi tat - „antimuslimische Ressentiments“ im Bewusstsein der Be völkerung verankert werden. Es mutet also schon absurd an, dass noch vor wenigen Wochen eine Fachstelle Antisemitismus gegründet wurde. Denn: Wo der Antisemitismus in Branden burg, in Deutschland zunehmend herkommt - dazu gibt es auch Zahlen -, ist klar: Er ist seit 2015 in Scharen eingewandert.

(Beifall AfD - Frau Große [DIE LINKE]: Den gab es auch schon davor!)

Wir als AfD-Fraktion fordern die Landesregierung mit Nach druck auf, diesem Treiben ein Ende zu bereiten. Kehren Sie endlich zur verfassungsmäßigen Ordnung zurück! Beenden Sie das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ in der jetzi gen Form. Es geht nicht darum, dieses Handlungskonzept er satzlos zu streichen. Es geht um ein Aktionsbündnis für Demo kratie, das sich gegen alle Extremismusformen zu gleichen Teilen einsetzt. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Kosanke.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Darf man Witze über Juden machen? Darf man gegenüber der politi schen Einstellung von Muslimen grundsätzlich skeptisch sein? Darf man homophobe Äußerungen von Kollegen und Vorge setzten als Ausdruck persönlicher Vorlieben und Abneigungen stehen lassen? Darf man das?

„Das wird man doch wohl noch sagen dürfen“, ist die Aussage, mit der Demokraten seit einigen Jahren konfrontiert werden, wenn sie auf sprachliche Grenzüberschreitungen hinweisen. Und weil es Demokraten eigen ist, die eigene Sicht der Dinge nicht absolut zu stellen, sondern dem anderen zuzuhören und darüber nachzudenken, ob dieser nicht auch recht haben könn te, haben wir, habe auch ich viel darüber nachgedacht, ob man das alles wohl noch sagen darf.

Sagen kann man doch grundsätzlich alles - nur nicht tun. - Dem könnte man doch eigentlich zustimmen. Kann man das? Nein, man kann es nicht. Sprache ist nicht nichts, sondern sie ist selbst eine Handlung. Sie ist eine Handlung, die andere Handlungen hervorruft, und sie ist in der Lage, selbst unmittel bar negative Wirkung auf andere zu haben.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wann immer wir über politische Äußerungen sprechen, müs sen wir beachten, dass auch das gesprochene Wort eine Tat ist, die Schmerzen auslösen, ängstigen und tatsächliche Gewalt auslösen kann und aus der die Legitimation von Straf- und Ge walttaten abgeleitet wird.

Warum ist mir das wichtig? Weil wir uns heute mit einer deut lich komplexeren Problemlage konfrontiert sehen, als es vor 20 Jahren bei der Initiierung des Handlungskonzepts „Toleran tes Brandenburg“ der Fall war. Neonazis sind nicht mehr ein fach an weißen Schnürsenkeln und unvorteilhaften Kurzhaar frisuren zu erkennen. Mit dem Erstarken des Rechtspopulismus sind die Grenzen zwischen Rechtsextremismus und rechten wertekonservativen sowie allgemeinen Protest- und demokra tieskeptischen Positionen verwischt worden.

(Beifall SPD und DIE LINKE - Zuruf des Abgeordneten Galau [AfD])

Hieraus resultiert nicht nur eine demokratietheoretische Denk sportaufgabe, sondern das hat ganz konkrete Auswirkungen darauf, wie wir mit politischem Extremismus - und dabei vor allem mit Rechtsextremismus - umgehen müssen. Aus der Sicht meiner Fraktion muss die Bekämpfung politischen Extre mismus immer - immer! - auch die populistische Vorstufe ex tremistischen Verhaltens einschließen. Es heißt nicht umsonst: Wehret den Anfängen!

(Beifall SPD und DIE LINKE - Galau [AfD]: Und was das ist, bestimmen dann Sie?)

Denn wenn etwas angefangen hat, dann steht nicht mehr nur zu befürchten, dass es kommt - nein, dann ist es schon da. Rechtspopulismus ist nicht die lediglich harmlose Variante ex tremistischer Haltung. Rechtspopulismus ist die sprachliche Vorbereitung, der Legitimationsversuch und die ganz konkrete Anstiftung zu Gewalt gegen andere Menschen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Der Rechtspopulismus spielt damit, dass sich die Menschen in diesem Land nicht vorstellen kön nen, dass sich die Grausamkeiten des Naziregimes wiederho len könnten. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Men schen der späten Zwanziger- und frühen Dreißigerjahre des letzten Jahrhunderts konnten sich das auch nicht vorstellen.

Die Enthemmung und Radikalisierung einer Gesellschaft ist ein schleichender Prozess, ein Prozess, in dem sich Menschen manchmal überrascht in Einstellungen wiederfinden, die sie für sich selbst vor Jahren noch ausgeschlossen hätten. Das ha ben wir an uns selbst erfahren, und, meine Damen und Herren der AfD-Fraktion, ich gestehe Ihnen zu, dass auch Sie sich in diesem Prozess befunden haben.

Populismus versucht, Gewalt und Menschenverachtung zu ba nalisieren und zu veralltäglichen, und wenn wir das zulassen, wird er damit immer erfolgreicher werden. Ich führe das so umfangreich aus, weil zu dieser Debatte um die weitere Aus richtung des Toleranten Brandenburgs unter anderem ein Gut achten von Juristen der Landtagsverwaltung herumgeistert - es wurde bereits angesprochen -, das davon ausgeht, dass die Ka tegorie des Rechtspopulismus jene Kräfte zusammenfasst, die bestimmten Zielen, Inhalten und eingespielten Routinen des Parteiensystems widersprechen, ohne die Systemfrage zu stel len. Eine Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus wäre dann Teil des Meinungs- und Willensbildungsprozesses in ei ner pluralen Gesellschaft und könnte nicht im Modus einer Feindbekämpfung erfolgen und deshalb aus öffentlichen Gel dern finanziert werden. - Meine Damen und Herren, wer menschliches Leben in gutes und schlechtes, wertes und un wertes Leben einteilt, der stellt die Systemfrage.

(Beifall SPD, CDU, DIE LINKE und B90/GRÜNE)