Protokoll der Sitzung vom 14.11.2002

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Auch richtig!)

wohl aber in der Belastung dieser völlig auseinander entwickelten Vermögenssubstanz.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Eine kleine Zwischenbemerkung: Das Geld, werte Frau Fauser, das die kleinen Leute an den Börsen verloren haben, zum Teil auch auf Ratschläge diverser Nachrichtenorgane und Sender hin, ist ja nicht verbrannt. Das können Sie besichtigen: in den Jachthäfen dieser Welt und in diversen anderen Bauten. Das ist nicht verloren gegangen.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Aber die können Sie ja nicht besteuern! – Abg. Dr. Reinhart CDU: Der Klassenkampf kommt durch!)

Nix Klassenkampf!

(Abg. Blenke CDU: Neiddebatte!)

Lieber Gott, sind Sie auch in einem Jachthafen zu finden?

(Abg. Blenke CDU: Leider nicht! – Heiterkeit)

Haben Sie da ein persönliches Problem?

(Abg. Blenke CDU: Vielleicht begegnen wir uns dort einmal?)

Deswegen sage ich Ihnen: Gerade wenn Sie die Finanzen von Ländern und Kommunen wieder stärken wollen und auf der anderen Seite Leistung nicht bestrafen wollen, ist das eigentlich der richtige Weg.

(Abg. Seimetz CDU: Machen wir!)

In der Tat, wunderbar: Dann treten wir – wie Sie sagen – in eine interessante Konkurrenz ein, dann können die Länder selbst entscheiden,

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Jawohl! – Zuruf des Abg. Seimetz CDU)

was sie zur Sicherung ihrer Bildungsanstrengungen benötigen. Da liegt ja unser eigentliches Problem. Die Europäische Union geht das übrigens an und macht im Moment im Bildungs- und Kulturbereich die engagiertesten Programme, mit zunehmenden Ausgaben und Investitionen. Da liegt unser entscheidendes Problem. Es darf nicht sein, dass die Misere der öffentlichen Haushalte in Europa dazu führt, dass das einzige, worauf wir in der Europäischen Union unseren Wohlstand in Zukunft gründen können, nämlich Innovationsfähigkeit, Kreativität der Menschen und hoher Bildungsstandard, jetzt auch beschädigt wird.

Mein Vorschlag: Es ist mehr als gerecht, dass diejenigen, die in den letzten zehn Jahren von der sich extrem auseinander entwickelnden Vermögensverteilung profitiert haben, ihren Beitrag – und zwar bei Steuerautonomie der Länder – dazu leisten, dass diese Innovations- und Bildungsanstrengungen in Deutschland wieder unternommen werden.

(Beifall bei der SPD)

Aber ich halte Ihre Zustimmung ausdrücklich fest. Wir können uns bei diesem Vorschlag also verständigen. Das finde ich sehr positiv. Wenn Sie und wir das in Ihren und unseren Gremien weitertragen, können wir an dieser Stelle etwas erreichen. Denn eine Stärkung des Föderalismus im Zuge des europäischen Einigungsprozesses wird es nur dann geben, wenn das Substanz hat. Auf weihevolle Präsidentenerklärungen gebe ich da nichts. Es wird nur etwas werden, wenn wir die Mischfinanzierungen entflechten.

(Zustimmung des Abg. Seimetz CDU)

Ich sage Ihnen auch die Stichworte. Das ist gar nicht so einfach, auch nicht für das Land Baden-Württemberg: Agrarund Küstenschutz

(Abg. Theurer FDP/DVP: Küste weniger!)

ist beispielsweise ein solches Stichwort. Wenn wir das wieder entflechten und an die Länder geben, wenn wir eine Steuerautonomie der Länder begründen, wenn wir diesen Weg gehen und substanzielle Entscheidungen treffen, wird es zu einer Stärkung des föderativen Aufbaus kommen. Dann bin ich in der Tat sehr wohl für einen Wettbewerb der Länder. Das wird uns weiterbringen. Aber es muss dann natürlich auch – das sage ich zum Schluss – Kriterien für die Frage geben, wer in diesem Wettbewerb am besten abschneidet, gerade am Beispiel der Bildungspolitik.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Ja, Baden-Württemberg!)

Gerade für einen Wettbewerb brauchen Sie Zielvorgaben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie brauchen Standards, an denen man sich messen lassen muss. Das gilt zum Beispiel für Bildungsstandards. Wir brauchen in ganz Deutschland einheitliche Bildungsstandards. Sie müssen sehr wohl für die ganze Nation verabredet werden,

(Abg. Seimetz CDU: Da haben wir nichts dagegen!)

damit man sich daran messen kann.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Bremen!)

Nennen Sie nicht Bremen!

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Das wollen wir schon sel- ber machen!)

Das bringt mich auf einen Gedanken. Früher hat der ehrenwerte Herr Ministerpräsident immer wilde Reden für eine Länderneuordnung gehalten.

(Abg. Kiefl CDU: Da hat er Recht gehabt!)

Da hat er immer über Bremen und das Saarland geredet.

(Abg. Kiefl CDU: Das größte Problem!)

Seitdem ihr dort aber am Regieren seid, höre ich da gar nichts mehr von ihm. Die bevorstehende Annektierung des Saarlands war nur en vogue, solange dort Lafontaine Ministerpräsident war.

(Abg. Seimetz CDU: Da haben wir einen Grund ge- habt! – Abg. Blenke CDU: Dafür gab es auch einen Grund!)

Seitdem höre ich nichts mehr von der dringend notwendigen Länderneuordnung, wie ich das früher immer von Ihnen gehört habe. Sprechen Sie also nicht über Bremen und das Saarland. Bremen ist jetzt zum Teil Ihr Problem, und das Saarland ist ganz Ihr Problem. Schweigen Sie stille! Es geht um etwas anderes. Es geht um einen Wettbewerb unter den Ländern und um mehr Autonomie für die Länder, aber um einen Wettbewerb, der sich an Standards bemisst.

Das gilt übrigens nicht nur für das Abitur, sondern das gilt beispielsweise auch für Betreuungsangebote.

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhart CDU)

Da muss es auch nationale Standards geben. Da müssen Sie sich dann auch messen. Das wird ganz schwierig sein und große Anstrengungen erfordern. Für mich geht es um die Neubegründung des Föderalismus, um Autonomie und um einen Wettbewerb um die erfolgreiche Erreichung von hohen Standards.

(Abg. Seimetz CDU: Da sind wir gut!)

Da können Sie uns haben, und auf diesem Weg können wir uns gegenseitig begleiten.

Wir brauchen eine Europäische Union, die als Ergebnis ihres Verfassungsprozesses ein föderativer Bundesstaat wird, die sich um Außen- und Sicherheitspolitik kümmert, die aufhört, in die letzten Verästelungen der kommunalen Selbst

verwaltung hineinzuregieren – das sage ich auch ganz deutlich –, und die sich nicht mehr um Straßenbahnen und sonst etwas, sondern stattdessen um ihre wirklichen Aufgaben kümmert.

In diese Europäische Union muss ein Europa der Regionen eingebettet sein, und wir brauchen parallel zu dem Einigungsprozess eine Stärkung des föderalen Aufbaus in Deutschland. Das, denke ich, ist eine Vision, die wir den Menschen anbieten können.

Andere sind jetzt auf dem Weg. Die Briten haben regionalisiert, die Franzosen regionalisieren jetzt. Eines interessiert mich allerdings am meisten, Herr Palmer, und da möchte ich zum Schluss wieder den Bogen zur deutsch-französischen Freundschaft schlagen. Ich finde, wir sollten da mehr bringen. Wir sollten mehr bringen an gelebter Partnerschaft. Wir sollten mehr bringen an Schüleraustausch.

Wir haben jetzt so ungeheure Schwierigkeiten mit Französisch als Fremdsprache. Da habe ich einmal einen Brief bekommen, in dem mir jemand schreibt, dass eine Lehrerin, die gerade aus China zurückgekommen sei, verdonnert worden sei. Warum kann man die Sprache des Nachbarn nicht als ein deutsch-französisches Projekt gemeinsam im Austausch der Lehrerinnen und Lehrer organisieren?

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das passiert doch schon lange! – Zuruf des Abg. Zimmermann CDU)

Aber wie denn und in welch bescheidenen Ansätzen! Wie viele Brücken haben wir denn über den Rhein geschlagen? Wie viele Nahverkehrssysteme führen denn tatsächlich über den Rhein außer ein paar verlorenen Bussen, die da gelegentlich fahren?

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Straßen genug, aber nur eine Schienenverbindung!)

Nur eine Schienenverbindung. Da gäbe es meines Erachtens ungeheuer viel zu tun. Europa wird nur funktionieren, wenn wir den Enthusiasmus zwischen Deutschland und Frankreich, den wir einmal gehabt haben, wieder entdecken und wieder beleben können.