Protokoll der Sitzung vom 29.06.2005

dinatorenstelle, aber diese ersetzt keinen Lehrstuhl. Ich finde, die Zeit ist überfällig und überreif, diesen Lehrstuhl einzurichten. Herr Minister, ich erinnere nur an das Papier, das es 2001 nach der BSE-Krise im Ministerium gab, wo man allgemein davon geredet hat, dass man jetzt mit der Entwicklung Schritt halten muss, die auf Bundesebene vollzogen wird. Da ging es auch um die Frage, einen Lehrstuhl für ökologischen Landbau in Hohenheim einzurichten. Ich möchte Sie ermuntern – das wäre eine gute Tat zu Beginn Ihrer Amtszeit –, sich in dieser Frage mit Ihrem Kollegen vom Wissenschaftsministerium und mit der Universität Hohenheim darüber zu unterhalten, wie man das bewerkstelligen könnte.

(Beifall der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE und bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Hauk.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landwirtschaft in Baden-Württemberg hat in den letzten 50 Jahren eine beispiellose Entwicklung durchlaufen. Ernährte ein Landwirt vor 50 Jahren noch rund 10 Menschen, sind es heute rund 140. Möglich war dies, weil die Landwirtschaft am technologischen Fortschritt partizipiert hat und durch den Strukturwandel auch leistungsfähigere Betriebe entstanden sind.

Lassen Sie mich einfach noch eine Zahl nennen, um das zu verdeutlichen. Der Produktivitätsfortschritt in der Landwirtschaft lag in den letzten zehn Jahren bei 100 %. Die Industrie in Baden-Württemberg hat in den letzten zehn Jahren einen Produktivitätsfortschritt von knapp 50 % erreicht.

(Abg. Teßmer SPD: Beim Preis halt nicht!)

Allein dies unterstreicht – Herr Kollege Teßmer, langsam! –, dass wir im Bereich der Produktion und damit im Bereich der technischen Ausrichtung in der Landwirtschaft so schlecht nicht gewesen sein können, sondern es sind wahrscheinlich andere Felder, wo wir uns in den nächsten Jahren verstärkt konzentrieren müssen, zum Beispiel im Bereich der Vermarktung, der Vermarktungseinrichtungen und dergleichen.

Das größere Angebot, zeitweise aber auch das Überangebot und die Konkurrenz auf dem Weltmarkt haben es wahrlich nicht leicht gemacht. Meine Damen und Herren, dass die letzten sieben Jahre Rot-Grün ebenfalls die Wettbewerbsposition durch nationale Alleingänge und Übererfüllung der Brüsseler Vorgaben verschlechtert haben, ist auch hinlänglich bekannt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Teßmer SPD: Das ist aber nicht das Thema!)

Das ist schon das Thema, Herr Kollege Teßmer, aus einem einfachen Grund: Unsere zentrale Aufgabe ist es, die 2,5 bis 3 %, im lokalen Bereich in Oberschwaben und Hohenlohe 5 bis 6 % Landwirte auch für die nächsten Jahre und Jahrzehnte auf den Wettbewerb nicht nur vorzubereiten, sondern auch durch Schulen und Ausbildung fort- und

(Minister Hauk)

weiterzubilden. Deshalb ist es schon von ganz zentraler Bedeutung, wie die Wettbewerbsbedingungen sind. Wenn man schon ungleiche Wettbewerbsvoraussetzungen schafft, indem man auf alles, was aus Brüssel kommt, noch einmal nationale Standards draufsattelt, dann haben wir eben keine gleichen Wettbewerbschancen. Dann darf man nicht immer heulen und die Schuld bei der Landesregierung suchen. Dann muss man die Schuld bei denen suchen, die die Wettbewerbsbedingungen verzerren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Drautz FDP/DVP: Sehr richtig! – Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)

Herr Kollege Teßmer, ich meine das, was ich sage, durchaus ernst.

(Abg. Teßmer SPD: Sie meinen es immer ernst!)

Die größte Herausforderung ist für mich, dass wir in den nächsten sieben Jahren der europäischen Agrarreform, wenn dann „Preisstützung“, Ausgleichsleistungen der Europäischen Union vom Produkt entkoppelt sind und damit die Landwirte mit dem Produkt auf dem Weltmarkt, zumindest auf dem europäischen Markt konkurrieren müssen, es schaffen, in allen Bereichen der Landwirtschaft in BadenWürttemberg diese Wettbewerbsfähigkeit hinzubekommen. Das ist, glaube ich, der entscheidende Punkt.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Meine Damen und Herren, nie zuvor konnte die Bevölkerung in Baden-Württemberg auf einen so reich gedeckten Tisch hochwertiger Lebensmittel

(Abg. Teßmer SPD: Das ist unstreitig!)

so preisgünstig zurückgreifen wie derzeit. Deshalb sage ich ganz offen: Wenn man vom Fortschritt in der Landwirtschaft spricht, dann hat die landwirtschaftliche Aus- und Weiterbildung an diesem Produktivitätsfortschritt im technischen Bereich, aber auch im unternehmerischen Bereich einen ganz wesentlichen Anteil.

(Abg. Teßmer SPD: Jetzt kommen Sie zum The- ma!)

Deshalb ist die Verbesserung von Bildung und Ausbildung eine Daueraufgabe, und wir haben uns dieser Aufgabe gestellt.

(Abg. Teßmer SPD: Na, na, na!)

Herr Kollege Teßmer, auch wenn Sie Zwischenrufe machen, sage ich noch einmal: Man muss den Gesamtzusammenhang sehen.

(Abg. Rüeck CDU: Und begreifen!)

Die Landwirte brauchen die Ertüchtigung zur Wettbewerbsfähigkeit, damit Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Baden-Württemberg auch zukünftig erhalten bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Kiefl CDU: Sehr gut!)

Es geht nicht nur um die 2,5, 3, 4 % Anteil der Landwirtschaft, sondern es geht um jeden zehnten Arbeitsplatz im vor- und nachgelagerten Bereich.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Ich nenne ein paar Beispiele zur Frage der Bildung. Die Standorte der Fachschulen für Landwirtschaft wurden von 1997 von damals 27 auf heute 12 Standorte konzentriert. Der Fachschulunterricht wurde eng mit der Meisterprüfung verzahnt. Herr Kollege Teßmer, wenn Sie auf Triesdorf verweisen, auf die Zahlen im niedrigen zweistelligen Bereich, so sage ich Ihnen ganz offen: Nicht die Technik ist im Augenblick das Problem in der Ausbildung und Weiterbildung, sondern die Frage der Ökonomie. Wir müssen die Landwirte im betriebswirtschaftlichen Bereich auf Vordermann bringen. Das ist die Herausforderung dieser Zeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Teßmer SPD: Genau das will ich doch! Das ma- chen Sie erst in Zukunft!)

Diese Maßnahme, nämlich die Verzahnung des Fachschulunterrichts mit der Meisterprüfung, erweist sich zunehmend als qualitätsfördernd und auch hoch effizient sowohl für den Meisteranwärter als auch für die Verwaltung. Die hohe Zahl derer, die den Fachschulunterricht durchlaufen und dann auch die Meisterprüfung absolvieren, bestätigt dies.

Der Unterricht orientiert sich im Sinne einer Unternehmerschule eng an den Anforderungen im Betrieb. Jeder Schüler und jede Schülerin erfassen die Daten ihres eigenen Betriebs in Produktion, Vermarktung und Arbeitswirtschaft als wesentliche Grundlage für den Unterricht. Jeder Absolvent erhält so bereits während der Ausbildung eine Übersicht über die aktuelle Situation und die Entwicklungschancen, aber auch über die Probleme seines Betriebs.

Deshalb unterstreiche ich noch einmal: Unternehmerisch denken lernen hat höchste Priorität in unserem Lehrangebot, also Kundenorientierung, das Erschnüffeln von Marktnischen – dazu zählt auch der Bereich der Direktvermarktung –, Qualitätsmanagement, Kostenoptimierung, Investitionsrechnung.

(Abg. Teßmer SPD: Und darum wollen wir ausbil- den!)

Ganz aktuell haben wir zum Schuljahr 2004/05 neue Bildungspläne für alle landwirtschaftlichen Fachschulen eingeführt.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Winkler?

Aber natürlich.

Bitte sehr, Herr Abg. Winkler.

Herr Minister, Sie haben jetzt ganz deutlich gesagt, um was es geht, nämlich um die Zukunft.

Genau.

Wenn Sie von „unternehmerisch denken“ sprechen, enthebt das die Landesregierung davon, die Landwirte zu beraten, wo der Zug hingeht, wo die jungen Landwirte bei ihrer Umstrukturierung hingehen müssen? Wollen Sie mit Ihrem Schlagwort „unternehmerisch denken“ die Landwirte das allein machen lassen? Wollen Sie sie allein stehen lassen nach dem Motto „Wenn ihr vom Markt verschwindet, konntet ihr halt nicht unternehmerisch denken“?

Herr Kollege Winkler, machen Sie bitte nicht den Versuch, meine Aussagen zu verdrehen!

(Zurufe der Abg. Alfred Winkler und Teßmer SPD)

Es geht a) darum, dass wir als Land über unser Ausbildungs- und Weiterbildungsangebot das unternehmerische Denken der Landwirte fördern, und b) haben wir in der Zukunft wie in der Vergangenheit auch die Aufgabe der Beratung, der Offizialberatung – das machen wir auch –, aber c) kommt dazu – und die Landwirtschaft geht doch diesen Weg bereits, Herr Kollege Winkler –, dass die Landwirte in einer Form der Public Private Partnership – so würde man neudeutsch sagen –, nämlich in Form der landwirtschaftlichen Beratungsdienste, bei denen das Land 50 % zahlt und die Landwirte 50 % zahlen, selber auf dem Weg sind, sich hoch professionellen Sachverstand in der betrieblichen Beratung einzukaufen. Dieser Weg ist doch auch der richtige.

(Beifall bei der CDU – Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Teßmer?

Ja. Wenn Sie das Fußballspiel nicht sehen wollen, ja. Denn ich wäre eigentlich gleich zu Ende.

Es ist nur eine kurze Frage. Habe ich Sie eben richtig verstanden, Herr Minister, dass Sie gesagt haben, Betriebswirtschaft und Arbeitswirtschaft, das sei alles in den neuen Bildungsrichtlinien von 2005 enthalten?

Ich war noch gar nicht so weit.