Protokoll der Sitzung vom 08.11.2006

Noch einmal: Die Zeiten haben sich geändert. Niemand muss rund um die Uhr seinen Laden geöffnet haben, niemand muss rund um die Uhr einkaufen.

(Glocke des Präsidenten – Unruhe)

Herr Kollege – –

Aber wir sollten auf die Menschen hören und ihnen die Freiheit geben, ihre Einkaufszeiten so zu regeln, wie sie es selbst für wirtschaftlich sinnvoll und für kundennah halten.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wie lange darf der eigentlich noch reden? – Abg. Reinhold Gall SPD: Die Redezeit wird noch auf die zweite Lesung an- gerechnet!)

Wir werden daher in aller Ruhe einen Gesetzentwurf beraten, der Ihren dann überflüssig macht.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Glocke des Präsidenten)

Jetzt die Nachfrage.

Herr Kollege Dr. Noll, Sie haben Ihre Redezeit schon sehr überzogen.

Sie haben fast doppelt so lange gesprochen, wie Ihnen als Redezeit zusteht. Aber eine Frage an Sie kann ich noch zulassen.

Herr Kollege Winkler.

Herr Dr. Noll, als Begründung für die Notwendigkeit der Freiheit für Ladenöffnungszeiten sagen Sie, die Gesellschaft habe sich verändert und rückkehrwillige Gewerkschaftler hätten Erfahrungen im Ausland gesammelt.

Ja. Ich kenne einen persönlich!

(Abg. Reinhold Gall SPD: Einen! Sehr gut!)

Ich frage Sie konkret: Haben Sie mehr Schlagzeilen darüber gelesen, dass die Bürger zu wenig Zeit zum Einkaufen hätten, oder mehr Schlagzeilen darüber, dass sie zu wenig Geld zum Einkaufen haben?

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das kommt auf den Bürger an!)

Beides ist richtig. Wenn Ihre schwarz-rote Koalition in Berlin darauf verzichten würde, Mehrwertsteuererhöhung, Gesundheitsreform und ähnlichen Unsinn zu machen, hätten die Leute mehr Geld in der Tasche und könnten mehr Zeit dafür nutzen, tatsächlich sinnvolle Dinge einzukaufen.

(Lebhafter Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Rein- hold Gall SPD: Dann finanzieren Sie doch Ihren Haushalt einmal!)

Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Dr. Stolz das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es freut mich, dass bei der SPD-Fraktion auch die Notwendigkeit gesehen wird, das Ladenschlussgesetz zu reformieren. Da haben wir Gemeinsamkeiten.

An einigen Stellen enthält der Gesetzentwurf auch sinnvolle Regelungen. Viele davon sind aus dem Gesetzentwurf der Landesregierung übernommen worden. Ein Beispiel sind die Formulierungen zu den Kur- und Erholungsorten. Allerdings haben Sie die Fremdenverkehrsorte, die wir noch aufgenommen hatten, nicht erwähnt. Aber das ist nur ein Detail.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Aber Sie haben nicht den Mut gehabt, die wesentlichen inhaltlichen Regelungen unseres Gesetzentwurfs über die Ladenöffnungszeiten zu übernehmen. Sie haben nur in Randbereichen Änderungen gegenüber dem bisherigen Ladenschlussrecht vorgenommen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Ich habe noch kei- nen Gesetzentwurf der Landesregierung gesehen!)

Als Resümee kann ich da eigentlich nur sagen, dass Ihr Gesetzentwurf zu kurz gesprungen ist. Denn für Länder, die keine Änderungen vornehmen wollen, ist ein neues Ladenschlussgesetz auf Landesebene überhaupt nicht notwendig; das alte Bundesrecht gilt in solchen Fällen fort. Aus diesem Grunde ist es eigentlich auch schade um die Mühe, die Sie sich gemacht haben.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Viel Mühe war es nicht!)

Ich meine auch, Entbürokratisierung sieht anders aus. Mehr noch: Gerade unter übergeordneten Gesichtspunkten wie Bürokratieabbau, Deregulierung oder auch Stärkung der Rechte des Landtags bietet dieser Gesetzentwurf, der heute vorgelegt wurde, nicht viel.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Er enthält eine Reihe von Rechtsverordnungsermächtigungen, die letztendlich – –

(Abg. Reinhold Gall SPD: Ändern Sie das Laden- schlussgesetz, um die Rechte des Landtags zu stär- ken?)

Jetzt lassen Sie mich doch erst einmal ausreden! Dann verstehen Sie auch, was ich meine. Manchmal braucht man zwei Sätze, um etwas deutlich zu machen.

Diese Rechtsverordnungsermächtigungen führen letztlich dazu, dass Regelungen nicht, wie es sein sollte, vom Landtag, sondern von der Regierung getroffen werden, und das, obwohl sich dieser Landtag eigentlich fest vorgenommen hat, möglichst viel selbst zu entscheiden. Es ist ja durchaus erfreulich, dass die SPD-Fraktion auf diese Weise der Landesregierung Kompetenzen zuweist, und dort sind sie sicher auch gut aufgehoben; da will ich überhaupt nicht widersprechen.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Abg. Ute Vogt SPD: Von den Fraktionen liegt auch noch nichts vor!)

Aber auf das Selbstverständnis des Gesetzgebers wirft das ein etwas merkwürdiges Licht.

Rechtsverordnungen führten dazu, dass das Ladenschlussrecht, so wie Sie es sich vorstellen, in Zukunft in mehreren Normen geregelt wäre. Dies führte zu mehr Bürokratie und letztlich auch zu mehr staatlicher Reglementierung.

Zusammenfassend würde ich diesen Gesetzentwurf so beurteilen: Alles soll im Prinzip so bleiben, wie es war. Sie halten sich so starr am Überkommenen fest, dass Sie in § 13 Abs. 8 des Gesetzentwurfs die Gewerbeaufsichtsämter mit Zuständigkeiten versehen. Diese Ämter gibt es ja eigentlich

(Ministerin Dr. Monika Stolz)

seit der Verwaltungsreform gar nicht mehr. Das nur, liebe Frau Vogt, zu den Besonderheiten unseres Landes.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Ute Vogt SPD: Schlimm genug, dass Sie die abge- schafft haben!)

Sie glauben, man könnte die Zeit zurückdrehen, wenn man an den gesetzlichen Regelungen nur nichts ändert. Dabei verkennen Sie, dass sich die Lebensbedingungen in der Zwischenzeit völlig geändert haben. Der Einzelhandel ist heute nicht mehr der Einzelhandel von vor 10 oder 20 Jahren. Der Einzelhandel hat sich gewandelt wie kaum eine andere Branche. Der Wind weht ihm hart ins Gesicht. Über Internethandel und Teleshopping sind neue Wettbewerber aufgetreten. Auch haben sich die Einkaufsgewohnheiten und die Wünsche der Verbraucherinnen und Verbraucher geändert. Das darf man nicht ignorieren. Wir dürfen da nicht mit Scheuklappen in die Vergangenheit schauen, sondern müssen uns diesen Herausforderungen stellen. Der Einzelhandel hat es schwer genug, im harten Wettbewerb zu bestehen, und er muss die Möglichkeit haben, sich zu behaupten.

Wenn Sie an den bisherigen starren Ladenöffnungszeiten an Werktagen festhalten, nehmen Sie dem Einzelhandel eine der verbleibenden Chancen, sich mit innovativen und kreativen Konzepten eine bessere Wettbewerbssituation zu verschaffen. Damit schaden Sie nicht nur den Einzelhändlerinnen und Einzelhändlern, sondern auch deren Beschäftigten.

(Beifall bei der FDP/DVP und der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Ein Blick zurück hilft wenig, wenn man die Zukunft gestalten will. Wir müssen nach vorne blicken. Lassen Sie mich daher ein paar Sätze zum Gesetzentwurf der Landesregierung sagen, der sich im Moment in der letzten Phase der Anhörung befindet und den wir noch vor Weihnachten an gleicher Stelle beraten werden.

Inhaltlich eine kleine Vorausschau – der Kollege Rombach hat schon das Wesentliche gesagt –: Die Landesregierung will die Werktage für die Ladenöffnung ganz freigeben. Jeder Ladeninhaber soll selbst bestimmen können, wann er werktags öffnen will.

Ich bin sicher, dass niemand ein Ladengeschäft öffnet, wenn er keinen Umsatz macht. Jeder Einzelhändler wird genau abwägen, wann es sich lohnt und wann nicht, die Kundschaft zu bedienen. Genau diese Freiheit, diese Chance soll er haben, dann öffnen zu können, wenn er sich durch seine Kundschaft den größten Umsatz verspricht. Dieses Ladenöffnungsgesetz enthält keine Verpflichtung, zu öffnen, sondern die Möglichkeit dazu.

Andererseits: Wenn schon an sechs Tagen der Woche keine Begrenzungen mehr gelten, dann ist es, finde ich, zu verschmerzen, wenn an einem Tag in der Woche der Rollladen unten bleibt. Zwei verkaufsoffene Sonn- und Feiertage im Jahr müssen genug sein. Gerade die Beschäftigten im Einzelhandel sollen am Sonntag auch die Möglichkeit haben, Zeit für ihre Familien zu haben und ihren Familienver

pflichtungen nachzukommen. Es ist im Übrigen auch ein Stück Kultur und ein Stück Verfassungsgebot, den Sonntag wertzuschätzen.

Ich bin der festen Überzeugung: Wenn sechs Tage in der Woche mit einer Öffnungszeit von jeweils 24 Stunden nicht ausreichen, dann wird auch ein siebter Tag daran nichts ändern.

Zusammenfassend darf ich zu dem vorgelegten Gesetzentwurf sagen: Er ist gut gemeint, aber nicht gut genug. Freuen Sie sich auf den Entwurf, den die Landesregierung vorlegen wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Lachen bei Abgeordneten der SPD)