Protokoll der Sitzung vom 07.12.2006

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Die Umsetzung dieser Reformmaßnahmen verträgt keinen Aufschub, sagt Rita Süssmuth.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das haben wir al- les auf den Weg gebracht!)

Recht hat sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union. Sie hinken hinterher. Sie haben noch einiges zu tun und könnten in diesem Bereich mutiger sein. Doch auch für einen Integrationsminister, Herr Goll, ist das noch zu wenig.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Wir sind am wei- testen in ganz Deutschland!)

Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Wir müssen nun über die beiden Anträge befinden.

Ich gehe davon aus, dass Abschnitt I des Antrags der Fraktion der SPD, Drucksache 14/416, durch die Aussprache erledigt ist.

Über Abschnitt II dieses Antrags müssen wir abstimmen. Wer diesem Abschnitt zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Abschnitt II ist mehrheitlich abgelehnt.

Ich lasse nun über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucksache 14/670, abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mehrheitlich abgelehnt.

Damit ist Punkt 8 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:

a) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums – Einrichtung eines Beteiligungsfonds bei der L-Bank zur Kapitalausstattung von Gesellschaften, die Strom aus Biogas produzieren wollen – Drucksache 14/417

b) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum – Bioenergiedorf Mauenheim als Beispiel für die Chancen zum Ausbau der erneuerbaren Energien im ländlichen Raum – Drucksache 14/562

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung zu a und b je fünf Minuten, für die Aussprache über beide Anträge fünf Minuten je Fraktion.

Wem darf ich für die SPD-Fraktion das Wort erteilen? – Herr Abg. Knapp.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben alle erkannt, dass sich das Klima massiv verändert. Wir haben in den letzten Wochen erfahren, dass sich die Durchschnittstemperatur auf der Erde in den letzten 50 Jahren um 1,7 Grad erhöht hat. Wir haben in den letzten Wochen erfahren – jeweils von den Ministerien des Landes –, dass die Jahrhunderthochwasser künftig deutlich öfter eintreten werden als bisher. Aus einem 100-jährlichen Hochwasser wird ein 50-jährliches oder sogar ein 20jährliches Hochwasser.

Ich denke, wenn man dies einmal erkannt hat und zugrunde legt, ist es auch wichtig, zu erkennen, dass wir in vielen Bereichen, vor allem in der Energiewirtschaft, vor einem Wendepunkt stehen. Wir müssen in der Energiewirtschaft zwei Dinge zusammenbekommen. Wir müssen es schaffen, den Primärenergieverbrauch deutlich zu reduzieren.

Wir können dies dadurch erreichen, dass wir die Effizienz steigern, dass wir einsparen. Aber wir können dies auch dadurch erreichen, dass wir sehr viel mehr Kraft-WärmeKopplung betreiben. Diese Kraft-Wärme-Kopplung ist nun einmal nicht mit Großkraftwerken zu betreiben, wo an einer Stelle mit einem Wirkungsgrad von 30 bis 35 % 1 500 Megawatt Strom erzeugt werden, aber an derselben Stelle bei Weitem kein Bedarf für diese Wärme ist, um die weiteren 40 bis 45 % an Wärme zu nutzen. Das funktioniert nicht.

Wir werden uns also Gedanken machen müssen. Ich glaube, wir alle hier im Parlament sind uns einig, dass wir zum einen Verbrauch und Erzeugung und zum anderen Kraft und Wärme zusammenbekommen müssen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Franz Unter- steller GRÜNE)

Ich komme zu unserem Antrag auf Einrichtung eines Beteiligungsfonds für Biokraftanlagen durch die L-Bank. Ich möchte nicht das ganze Paket der erneuerbaren Energien aufschnüren. Wir müssen es einmal an einzelnen Beispielen festmachen. Das Problem von Biogasanlagen ist doch folgendes: Wir haben in der Landwirtschaft sehr oft kleine Betriebe. Solche modernen Biogasanlagen, wie sie in der Stellungnahme beschrieben werden, müssen eine bestimmte Größe haben, um wirtschaftlich zu sein. Das können Landwirte und kleine Investoren gar nicht alleine schultern.

Also müssen sie kooperieren, sich zusammenschließen, neue Gesellschaften gründen und sich dann zusammentun, um vor Ort durch Biogas eine Verstromung und auch die Erzeugung von Wärme leisten zu können. Dazu brauchen sie Eigenkapital. Es ist nun einmal so, dass es, wenn sich einige zusammentun und diese Gesellschaft nicht schon ewig vorhanden ist, oft am Eigenkapital mangelt. Deshalb sagen wir: Wir brauchen für solche Kooperationen, für solche GbRs, für solche kleinen Gesellschaften, für solche Zusammenschlüsse von landwirtschaftlichen Betrieben eine Eigenkapitalausstattung.

Jetzt komme ich zu Ihrer Antwort, Herr Staatssekretär Drautz: Sie haben alles beschrieben, weisen auf ein LMezzaFin-Programm hin und meinen, damit sei alles getan. Das sind Nachrangdarlehen, Mezzanine-Kredite, die im Grunde wie Eigenkapital dargestellt werden können. Das ist schon richtig, weil sie nachrangig sind. Sie werden von der L-Bank ausgegeben.

Aber ich sage Ihnen, Herr Staatssekretär: Ein Anruf bei der Hausbank, und Sie erfahren, dass zu dem L-MezzaFin-Programm erst am 29. November die Randbedingungen herausgegeben wurden.

(Abg. Stephan Braun SPD: Ach! – Abg. Reinhold Gall SPD: Gibt’s doch nicht!)

Unser Antrag stammt vom 11. Oktober und Ihre Stellungnahme ist knapp drei Wochen später erfolgt. Am 29. November wurden die Randbedingungen herausgegeben.

(Zurufe der Abg. Reinhold Gall SPD und Dr. Klaus Schüle CDU)

Und was steht nun in den Randbedingungen? Wenn Sie das einmal abfragen, stellen Sie fest, dass es im Grunde um bestehende Gesellschaften geht, die zwischen 1 Million € und 5 Millionen € Umsatz machen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: So!)

Wenn Sie eine neue Biogasanlage bauen wollen, dann haben Sie in der Regel keine bestehende Gesellschaft. Selbst wenn Sie eine haben, dann hat die noch keinen Umsatz.

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Was Sie hier schreiben, trifft auf unsere Fragestellung also absolut nicht zu.

Wenn man weiter nachfragt – neben der Bonitätsprüfung und all den Sicherheiten, die gegeben werden müssen –, sagt der Banker ganz klar: Typischerweise ist das ein Programm, das nicht für neue Projekte, sondern für den beste

henden Mittelstand gedacht ist. Aber wir wollen doch neue Projekte voranbringen; wir wollen neue Initiativen starten, die dafür sorgen, dass wir eine nachhaltige, sichere Energieversorgung erhalten. Ich gehe davon aus, dass Sie nachher darauf eingehen. Aber ich muss wirklich sagen: Sie vergeigeln sich mit Ihrer Antwort. Ich sage es pauschal: Thema verfehlt, setzen, sechs! Etwas anderes kann man dazu nicht sagen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Er sitzt doch schon!)

Jetzt komme ich zum Antrag Drucksache 14/562 von den Grünen. Da können Sie sich ein Beispiel nehmen, wie man so etwas beantwortet. Dort steht, dass wir sowohl für die Wirtschaft als auch für den ländlichen Raum solche Projekte brauchen und dass man überprüfen muss, wie man solche Projekte finanzieren kann. Am Schluss – ich will gar nicht alles zitieren – steht wortwörtlich:

Die Landesregierung prüft gegenwärtig die Einrichtung banktechnischer Möglichkeiten, um die Investitionsvoraussetzungen für derartige Vorhaben zu verbessern.

Weiter vorn wird von der Kombination aus Biogasanlage und Holzhackschnitzelanlage gesprochen – genau das, was wir wollen: den Anteil an Biogas und auch die Wirtschaftlichkeit im ländlichen Raum verbessern und dafür sorgen, dass Eigenkapital gebildet werden kann bzw. vom Land bereitgestellt wird.

Es soll keine Förderprogramme geben. Es ist durchaus klar, dass die L-Bank mit dem Fonds, den sie da einsetzt, Geld verdienen kann. Wenn die L-Bank für das eingesetzte Kapital nur 6 % Verzinsung bekommt – ohne Gewinn –, verdient sie in der heutigen Zinssituation richtig Geld. Das ist es, was wir wollen. Wir wollen nicht allein, dass gefördert wird, sondern wir wollen, dass die Randbedingungen geschaffen werden, damit solche Projekte vorangebracht werden können.

Ich kann eigentlich nur sagen: Man erkennt, wie herangegangen wird, wer sich für die Wirtschaft im Land einsetzt, mit welchem Herzblut, mit welcher Kompetenz, wer sich für die Wirtschaft im ländlichen Bereich einsetzt, mit welchem Herzblut, mit welcher Kompetenz, und wer dafür sorgt, dass unsere Energieversorgung zukünftig sicher und nachhaltig ist, mit welchem Herzblut und mit welcher Kompetenz.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Franz Unter- steller GRÜNE)

Das Wort erhält Herr Abg. Untersteller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn wir beim Klimaschutz, aber auch bei der Strategie, uns von Ölimporten unabhängiger machen zu wollen, vorankommen wollen, dann ist es entscheidend notwendig, in den kommenden Jahren in Baden-Württemberg die Biomassenutzung stärker auszubauen, als wir das bislang tun.

Biomasse – Herr Minister, da sind wir uns sicher einig – ist eine der wenigen grundlastfähigen Energieträger im Bereich der regenerativen Energien. Sie können die Biomasse bei der Wärmenutzung, bei der Stromerzeugung und bei der Kraftstoffherstellung einsetzen. Das im Jahr 2002 im Auftrag des Wirtschaftsministeriums erstellte Gutachten vom ZSW und vom DLR hier in Stuttgart hat ja noch einmal deutlich gemacht, welche Chancen die Biomassenutzung in Baden-Württemberg insgesamt hat.

Nun liegt zwar seit März dieses Jahres der Biomasse-Aktionsplan der Landesregierung vor. Nichtsdestotrotz kann man den Eindruck nicht loswerden, dass die Chancen, die in diesem Bereich liegen, nach wie vor nicht in dem notwendigen Umfang für Baden-Württemberg genutzt werden und dass hier doch eine Reihe von Chancen versäumt werden. Ich will einmal zwei Zahlen nennen, die das deutlich machen.

Der Biomasse-Aktionsplan der Landesregierung sagt: Eigentlich hätten wir ein Potenzial für die Biomassenutzung in Baden-Württemberg von 10 %. Ich persönlich sage: Das ist eher konservativ gerechnet. Wenn Sie heute schauen, wie hoch der Anteil der Biomassenutzung am Primärenergieverbrauch ist, dann sehen Sie, dass wir bei plus/minus 2 % sind, Herr Minister. Das heißt, da gibt es schon noch ein gehöriges Delta, das ein Vielfaches dessen ist, was wir in Baden-Württemberg im Moment nutzen. Wir sind meilenweit davon entfernt, die Ziele, die der Biomasse-Aktionsplan der Landesregierung vorgibt, zu erreichen.

Ich möchte zwei weitere Zahlen nennen, die deutlich machen, dass wir der Entwicklung eigentlich hinterherhinken. Bayern hatte im Jahr 2005 Biogasanlagen im Umfang von 127 Megawatt elektrischer Leistung in Betrieb. Niedersachsen hatte sogar 258 Megawatt an Biogasanlagen am Netz. Baden-Württemberg kam, nachdem wir 2003 und 2004 erhebliche Steigerungsraten hatten, auf 54 Megawatt. Das heißt, wir haben in Baden-Württemberg derzeit nicht einmal die Hälfte dessen, was Bayern hat. Das zeigt, wir haben hier einen erheblichen Nachholbedarf, obwohl wir eigentlich ähnliche Strukturen haben wie in Bayern, mit einem ländlichen Raum, mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche und einer Forstwirtschaft, die dies hergäbe.

Nun kann es natürlich nicht darum gehen, dass man sozusagen an jeder Milchkanne eine neue Biogasanlage errichtet,

(Abg. Thomas Knapp SPD: Aber Mannheim hat auch Landwirtschaft!)

sondern man muss schon auch, wie es Herr Kollege Knapp getan hat, Themen wie Effizienz, Wärmenutzungsmöglichkeiten und wichtige Umweltbelange – auf diese wird nachher noch mein Kollege Dr. Murschel eingehen – in die Frage, wo solche Anlagen errichtet werden sollen, mit einbeziehen.