(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Sehr zögerlich! – Heiterkeit bei der SPD – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Das hat aber lange gedauert!)
Aber Sie wissen, Zustimmung im ganzen Haus ist immer dadurch gegeben, dass die Leute zuhören, und ich will auch hier nicht Beifall heischend reden.
Der zweite Beitrag, zu dem ich reden will, betrifft die Gutachtenvergabe. Der Ausschussvorsitzende und Kollege Rust hat diesen Punkt zu Recht auch in den Fokus seiner Ausführungen gestellt. Sie müssen sich einmal vorstellen, was passiert, wenn der Rechnungshof die Landesverwaltung prüft. Da ist allein schon spannend, welche Abschreckungswirkung offensichtlich harte Prüfungsmaßnahmen hatten. Bei der vorangegangenen Prüfung hatte der Rechnungshof zwischen 2000 und 2004 sage und schreibe 336 Gutachtenvergaben der Landesregierung mit einem Auftragsvolumen von insgesamt 22 Millionen € kritisiert. Als ob quasi eine Art Schrecksekunde in der Landesverwaltung eingetreten wäre, hat sich bei der Nachprüfung, die dann zwei Jahre später durchgeführt wurde, gezeigt, dass in diesen zwei Jahren nur noch 18 Aufträge mit einem Gesamtvolumen von 2 Millionen € vergeben wurden. Das ist eine bemerkenswerte Reaktion.
Bei der Nachprüfung selbst war aber der eigentliche Skandal, dass von den 18 überprüften Aufträgen 15 nicht den haushaltsrechtlichen Vorgaben entsprochen haben. Dazu stelle ich jetzt fest: Wenn eine Verwaltung so agiert, dass man zwar das Auftragsvolumen zurückfährt, aber offensichtlich nicht entsprechend den Kriterien ausschreibt, und wenn noch dazukommt, dass unsere Fraktion im Finanzausschuss ungefähr zehn Fragenkomplexe mit etwa 15 Fragen einbringt – das war im Oktober – und die Fragen bis heute nicht beantwortet sind, dann können Sie sich vorstellen, dass wir richtig sauer reagieren werden, Herr Finanzminister.
Wir erwarten von Ihnen, dass Sie als unser Partner im Ausschuss Ihre Ressortkollegen, die offensichtlich zögerlich antworten, ein bisschen antreiben, damit wir im Ausschuss demnächst Tacheles reden können. Das fände ich auch wichtig; hier gibt es Handlungsbedarf.
Jetzt zu einem ökologischen Thema. „Amphibienschutz an Straßen“ war auch ein Thema der Prüfungen, Beitrag Nummer 9 in der Denkschrift.
In der Presse wurde damals das Ganze teilweise so kolportiert wie im Ausschuss: „Die Grünen tragen die Kröten über die Straße.“ Das ist billig. Aber so ähnlich und auf diesem Niveau wurde teilweise diskutiert, weil der Beitrag so verstanden wurde, als ob der Rechnungshof kritisiert hätte, dass eine ökologische Maßnahme bei Straßenbaumaßnahmen vorgenommen wird. So haben wir das nicht gelesen und auch nicht verstanden. Der Rechnungshof hat aus unserer Sicht zu Recht darauf hingewiesen, dass auch für ökologische Maßnahmen wie beispielsweise Amphibienschutz beim Straßenbau Kosten-Nutzen-Analysen gemacht werden müssen und dass es ein Bärendienst für die Ökologie ist, Baumaßnahmen für den Amphi
bienschutz vorzunehmen, die anschließend nicht funktionieren, weil sie technisch nicht richtig umgesetzt sind oder nicht unterhalten werden.
Interessant war: Als wir als Grünen-Fraktion im Ausschuss zur Ergänzung der entsprechenden Beschlussempfehlung gesagt haben, wir wollten trotz Wirtschaftlichkeitsberechnung einen verbesserten Amphibienschutz, haben die Regierungsfraktionen das abgelehnt nach dem Motto, das wir in den letzten Wochen bei der Ökodebatte gehört haben: Umweltschutz ist offensichtlich immer nur ein Kostenfaktor, und ökologische und ökonomische Verhaltensmuster passten nicht zusammen. Mir verschließt sich die Erkenntnis, wie Sie zu diesem Schluss kommen. Wir wollten Wirtschaftlichkeit u n d Umweltschutz, und das ist doch bei Gott richtig. Der Rechnungshof ist da ökologisch viel weiter als die Regierungsfraktionen.
Ein letzter Punkt, damit Sie merken, dass wir natürlich nicht nur rechnungshofgläubig sind, sondern manchmal auch einen Bedarf zum Nachdenken sehen: Beitrag Nummer 20 der Denkschrift betrifft die Landesbibliotheken. Da hat sich der Rechnungshof vor allem die Badische Landesbibliothek in Karlsruhe sehr kritisch vorgenommen, auch im Vergleich zur Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart. In einer Anmerkung des Rechnungshofs steht beispielsweise, man solle die Nutzergebühren erhöhen, dann könne man die Ausleihaktivitäten ein Stück weit bremsen. Wenn es die Philosophie ist, im Bildungsbereich an Hochschulstandorten wie Karlsruhe, wo vor allem Studierende die Fernleiheangebote der Landesbibliothek nutzen, mit der Kostenkeule zu kommen und das als Einsparvorschlag zu bringen, dann ist das mir und uns insgesamt zu vordergründig. Deshalb haben wir gesagt: Wir wollen eine Konzeption Wissenschaftsministerium/Landesbiblio theken. Welche Rolle haben Landesbibliotheken in der veränderten Medien- und Wissensgesellschaft? Wenn diese Konzeption vorliegt, unterhalten wir uns darüber. Wir wollen natürlich ein Kostenbewusstsein in den Landesbibliotheken, aber nicht mit dem Fallbeil die Zahl der Ausleihungen drücken, indem man die Gebühren für die Ausleihung erhöht.
Alles in allem ist festzuhalten: Nie war der Rechnungshof mit seinen Anmerkungen wertvoller als heute. Deshalb, Herr Vizepräsident, Dank an Sie persönlich und an das gesamte Amt. Bleiben Sie am Ball. Befeuern Sie den Finanzausschuss und das Parlament mit kritischen Vorschlägen. Wir von der Opposition werden sie nutzen. Wenn die Regierungsfraktionen dem auch in gleicher Weise folgen würden, dann wäre es um das Land und um seine Finanzpolitik künftig nicht schlecht gestellt.
(Abg. Michael Theurer FDP/DVP geht mit der Denk- schrift 2006 zum Rednerpult. – Abg. Reinhold Gall SPD: Oh! Machen Sie uns Angst?)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Arbeit des Rechnungshofs ist für den Landtag von unschätzbarem Wert. In der Denkschrift 2006 sind wieder eine ganze Reihe wichtiger Hinweise darauf enthalten, wo Ministerien und nachgeordnete Behörden im Regierungs- und Verwaltungshandeln nicht wirtschaftlich oder nicht wirtschaftlich genug gehandelt haben oder wo sich noch Einsparpotenziale für die Zukunft befinden könnten.
Zu loben ist dabei die Unabhängigkeit des Rechnungshofs jenseits von Parteizugehörigkeiten und -präferenzen, die es ermöglicht, dass auch politisch schwierige Themen angepackt und offen diskutiert werden. Die Denkschrift ist für uns eine gute Grundlage für eine Bewertung im Finanzausschuss und eine Entscheidung im Parlament, etwa bei der Frage, ob der sicherlich sinnvolle und notwendige Amphibienschutz beim Neubau von Bundes- und Landesstraßen – wahrscheinlich ein Thema, bei dem Herr Metzger nicht so ganz auf die Sparbremse drücken würde – nicht so aufwendig realisiert werden sollte. Hier hat der Rechnungshof herausgefunden, dass bei Straßenneubauten erheblich überinvestiert wird. Immerhin beziffert das Innenministerium die Kosten für den Amphibienschutz an Bundes-, Landes- und Kreisstraßen auf 20 Millionen €. Allein bei Landesstraßen sind 10 Millionen € veranschlagt. Hier sieht der Rechnungshof Einsparpotenziale, und zwar ohne dass das sinnvolle und auch von der Fraktion der FDP/DVP geteilte Ziel eines wirksamen Amphibienschutzes infrage gestellt werden muss. Häufig komme die Straßenbauverwaltung, so der Rechnungshof in seiner mutigen Stellungnahme, den Forderungen der Naturschützer nach, ohne diese Forderungen zu prüfen, sodass viele durchgeführte Schutzmaßnahmen unnötig gewesen seien.
In dem nicht weniger sensiblen Bereich der Kultur stellt der Rechnungshof fest, dass Geld des Landes falsch ausgegeben wird. Beispielsweise wird der Staatsgalerie nachgewiesen, dass neue Software zur Erfassung von Beständen zur Verfügung gestellt wurde. Diese wird bisher jedoch kaum genutzt. Nur 40 von 400 000 Objekten wurden bislang erfasst. Dies heißt nicht, dass die EDV nicht erforderlich wäre, aber wenn sie schon gekauft wird, sollte sie wenigstens genutzt werden.
Weiter kritisiert der Rechnungshof die häufig auftretenden Kostenexplosionen bei Verkehrsprojekten. In zu vielen Fällen werden aufgrund unausgereifter Planungen die prognostizierten Kosten deutlich überschritten. Die Bauverwaltung gehe mit derartigen Kostenerhöhungen zu nachlässig um. Die Gründe für Verteuerungen wurden meist als unkritisch erachtet und daher nicht näher analysiert. Hier könnte durch ein besseres Projektmanagement mit einer präziseren ChancenRisiken-Abwägung doch einiges an Geld eingespart werden. Das ist angesichts der großen Rückstände im Straßenbau, der vielen auch problematischen Frostschäden – nicht aus diesem Winter, aber aus dem Vorwinter – und der zu geringen Ausbaumittel ein wichtiger Hinweis. Denn überall hören wir ja von den Bürgern, dass die Landesstraßen nicht in einem guten Zustand seien und jeder Euro dringend gebraucht würde, um das Ganze zu verbessern.
Auch zum Personalabbau macht der Rechnungshof eine ganze Reihe wichtiger Vorschläge, z. B. im Bereich der Flurneu
ordnung; dies ist auch von Kollegen angesprochen worden. Hier könne, so der Rechnungshof, bis zu 30 % des Personals eingespart werden. Die Beratung im Finanzausschuss hat dann ergeben, dass man das doch differenziert betrachten muss. Hier besteht mit Sicherheit ein Einsparpotenzial; das wird sowohl von der Fraktion der FDP/DVP als auch von der Koalition insgesamt so gesehen. Auch in der Zusammenfassung von Vermessungs- und Flurneuordnungsverwaltung werden Wirtschaftlichkeitspotenziale gesehen. Diese müssen auch ausgenutzt werden. Gleichzeitig muss darauf geachtet werden, dass den doch sehr unterschiedlichen Situationen – in manchen Kreisen gibt es noch viele Flurneuordnungsverfahren, in anderen so gut wie keine mehr – bei der Umsetzung Rechnung getragen wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was haben die Kollegen Ministerin Tanja Gönner, Michael Föll, Boris Palmer und meine Wenigkeit gemeinsam?
(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das würde mich auch interessieren! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Die fahren alle Toyota? – Heiterkeit)
Die Frisur kann es nicht sein, meine sehr verehrten Damen und Herren. Mit den Geburtsjahrgängen 1965, 1967, 1969 und 1972 gehören wir alle einer Generation an, die nie mehr Haushalte ohne Schulden erlebt hat. Wir sind damit in einer ganz wichtigen Diskussion, die der Rechnungshof mit seinen Vorschlägen zum Verschuldungsverbot bereichert hat. Denn es geht um nichts weniger als um eine Abkehr von der in den Sechzigerjahren von den sogenannten Achtundsechzigern aufs Tapet gebrachten Meinung, Politik könne nur mit Schulden gemacht werden
(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Ihr habt ja keine Ah- nung von den Achtundsechzigern! – Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)
Denn seit 1970 wird in diesem Land jedes Jahr ein Haushalt verabschiedet, bei dem neue Schulden gemacht werden. Im Jahr 1978 etwa, dem Jahr des Regierungsantritts von Lothar Späth, lag der Schuldenstand bei ca. 7 Milliarden €, 1991, dem Jahr des Abtritts von Lothar Späth, schon bei 21 Milliarden € – das war also eine Verdreifachung.
In den darauffolgenden Jahren hat sich der Schuldenstand nach dem Wechsel zu Erwin Teufel noch einmal verdoppelt, und zwar auf über 40 Milliarden €. Wir merken, dass sich die Entwicklung beschleunigt, weil Zins- und Zinseszinslasten immer schneller zu Buche schlagen.
Deshalb kommt es, meine Damen und Herren – wenn wir, was wir ja wollen, zu einer anderen Politik kommen –, darauf an, einen Mentalitätswechsel, einen Paradigmenwechsel vorzunehmen, der beinhaltet: Politik ohne Schulden ist möglich.
Als wir als FDP/DVP dieses Leitbild, meine Damen und Her ren, 1996 – damals durch Walter Döring – einmal so in den Raum gestellt haben, wurden wir von einigen belächelt. Mittlerweile ist das nicht nur in der Koalition Konsens, sondern mittlerweile wollen es auch alle anderen.
Ich meine, dass wir dem Vorschlag des Rechnungshofs, ein Verschuldungsverbot in die Verfassung aufzunehmen, Rechnung tragen sollten. Jetzt kommt es darauf an, wie wir dieses Verschuldungsverbot konkret formulieren und ausgestalten.
(Abg. Oswald Metzger GRÜNE begibt sich an ein Saalmikrofon im Bereich der Fraktion der FDP/DVP und der Fraktion der CDU.)
Kollege Theurer, Sie haben eben die Linie der FDP zum Verschuldungsverbot angesprochen und die anderen Parteien abgewatscht. Wie verhalten Sie sich zu der Feststellung, dass in der Zeit der sozialliberalen Regierung in Bonn am Rhein zwischen 1969 und 1982 die Verschuldung der Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt stärker gestiegen ist als in der Ära danach,
auf jeden Fall stärker als in der Ära Rot-Grün, aber auch stärker als selbst in der konservativ-liberalen Ära? Welche Feststellung treffen Sie dazu?