(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: So ist es! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Völlig richtig!)
Es soll kein Verbot von speziellen Klassen und Zügen an Schulen geben, wie es in der Überschrift des Antrags der Fraktion GRÜNE gefordert wird.
(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Genau! – Abg. Die- ter Kleinmann FDP/DVP: Einheitsmatsch! Einheits- brei!)
Was ist der Ausgangspunkt für alle Konzepte zur Förderung von Hochbegabten? Das ist zunächst einmal ganz einfach die Tatsache, dass laut Statistik etwa 2 % der Kinder als hochbegabt gelten können. Das ist also ein Kind unter 50.
Damit wird es nie möglich sein, an jedem Schulstandort und in jeder Jahrgangsstufe eine eigene Klasse für Hochbegabte zu begründen. Das ist ja auch gar nicht geplant.
Aber es ist möglich, ein weitmaschiges, über Baden-Würt temberg verteiltes Netz von Schulen mit Klassen für Hochbegabte auszubilden.
Sehr geehrte Damen und Herren, das ist ein Angebot für Eltern, die diesen Weg für ihre Kinder wählen, auch wenn die Schulwege zum Teil beträchtlich sind.
Wenn der ÖPNV es zulässt und die Verbindungen gut sind, dann sind diese Eltern bereit, ihre Kinder auch über Wege von 10, 20 oder 30 km Länge zu schicken.
Auch das Hochbegabtengymnasium mit Internat in Schwäbisch Gmünd – es soll hervorragend laufen; das habe ich eben noch einmal bestätigt bekommen – ist ein Angebot.
Es ist vielleicht besonders interessant für Kinder aus ländlichen Bereichen mit einer weitflächigen Schulstruktur, die sich dann entschließen, dorthin zu gehen.
Es bleibt also die Frage, wie hochbegabte Kinder gefördert werden, deren Eltern für ihre Kinder vielleicht den weiteren Schulweg nicht in Kauf nehmen und sich nicht für den Besuch der Hochbegabtenzüge entscheiden.
Sehr geehrte Damen und Herren, es war nicht immer so, dass Eltern für ihre hochbegabten Kinder Verständnis gefunden haben.
Auch die Lehrer hatten nicht immer dafür Verständnis, ebenso wenig wie die Schulen. Es war schon mit Schwierigkeiten verbunden, die Genehmigung zu bekommen, eine Klasse überspringen zu können. Das ist die Vergangenheit.
Spätestens seit den Achtzigerjahren – und da sind die Grünen in der Anerkennung dieser Hochbegabten sogar ein bisschen hinterhergehinkt –
hat die moderne Pädagogik dafür gesorgt, dass das Vergangenheit ist. Gerade die Grundschulpädagogik erlaubt heute Flexibilität mit Direkteinschulung in Klasse 2, Überspringen von Klassen, Übergang in eine weiterführende Schule schon nach der dritten Klasse. Der Schulanfang auf neuen Wegen geht von einem individuellen Lernzeitbedarf der Kinder aus. Natürlich können auch im Gymnasium Klassen übersprungen werden.
An Gymnasien haben Lehrer schon immer Hochbegabte besonders gefördert. Das ist gar nichts Neues. Zusätzliches Wis
sen wird in Arbeitsgemeinschaften angeboten, deren Spektrum sehr weit gefächert ist. Wettbewerbe für Mathematik, für Sprachen, für Geschichte sind ein Mittel der Begabtenförderung, das schon längst eingeführt ist.
Daneben gibt es auch immer mehr externe Hilfen. Dies sind Kursangebote von Jugendbildungseinrichtungen, von Musikschulen und seit einigen Jahren von Kinder- und Jugendakademien, privat und kommunal organisiert.
Sehr geehrte Damen und Herren, Hochbegabtenförderung ist ein Angebot an Eltern, an Erzieher und an Lehrer, die entdecken, dass ein Kind überdurchschnittlich begabt ist. Es ist eben für manche Eltern einfach unkompliziert, wenn sie die Pflege dieser Hochbegabung komplett in erfahrene Hände geben können – an Schulen, die in Extraklassen diesen Kindern mitgeben, was ihnen entspricht. Niemand ist verpflichtet, dieses Angebot anzunehmen.
Selbstverständlich können Eltern bevorzugen, individuell gesteuert die Hochbegabung ihres Kindes zu fördern – zusammen mit der jeweiligen Schule, im Klassenverbund mit normal- oder sogar minderbegabten Mitschülern. Niemand kritisiert eine solche Entscheidung der Eltern, aber es wäre unverantwortlich, es wäre sogar töricht, das gerade entstehende Netz von Hochbegabtenzügen an zunächst einmal einem guten Dutzend Schulen nicht aufzubauen.
Deswegen wird die CDU-Fraktion gegen diese Verbotsforderung der Grünen stimmen. Wir denken, zum Wohle der Kinder, die eine persönliche Hochbegabtenförderung brauchen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Alle neuen Programme im Bildungsbereich müssen sich für uns Sozialdemokraten an vier Kriterien messen lassen. Es sollte sich um eine individuelle Förderung handeln, sie sollte ein wohnortnahes Angebot garantieren, es sollten alle Kinder von der Förderung profitieren, die diese Förderung brauchen, und es sollte ein integrativer Ansatz gewählt werden, weil alle Ergebnisse – auch im Ländervergleich – nachweisen, dass integrative Ansätze am Ende erfolgreicher sind als der Versuch einer vorzeitigen Auslese.
Betrachten wir jetzt die Entwicklung im Bereich der Hochbegabtenförderung, dann liegt auf der Hand, dass es sich hier nicht um ein integratives Angebot handelt, sondern wir haben an bestimmten Schulen, die jetzt sicher deutlich ausgebaut werden, nach wie vor eine Auslese von Kindern mit nachgewiesener Hochbegabung.
Diese Kinder werden in separaten Zügen, in separaten Klassen entsprechend ihrem speziellen Bedarf gefördert, aber nicht im Rahmen einer integrativen Gesamtkonzeption in einer Klasse mit Angeboten auch für schwächere Schüler, für Kinder mit anderen Entwicklungshemmnissen und was es da sonst noch alles an zusätzlichen Fördernotwendigkeiten gibt.
Der zweite Punkt: Wir haben kein umfassendes Angebot, und damit ist es auch sozial ungerecht. Wenn ich nach der gaußschen Normalverteilung davon ausgehe, dass 2 % hochbegabt sind, und das eher niedrig ansetze, dann komme ich auf 20 000 Schülerinnen und Schüler. Sie können an noch so vielen Gymnasien solche separaten Züge einrichten, Sie werden diese Zahl nie erreichen. Das können wir uns vom System her schon gar nicht leisten.
Daher wird es nach wie vor so sein, dass manche Kinder zufällig oder eben durch besonderes Engagement in einem solchen Zug sind, und es wird viele andere hochbegabte Kinder geben, die nie in diese Förderung gelangen. Das ist kein Angebot, das auf Dauer allen Eltern und allen Kindern signalisiert, dass sie die Förderung bekommen, die sie gerade in ihrer speziellen Situation brauchen.
Daraus ist abzuleiten, dass es auch keine individuelle Förderung ist. Die mag zwar für diejenigen in diesen Zügen individuell sein; für alle anderen aber, die weiter in den anderen Klassen integriert sind, gibt es nicht die Ressourcen, nicht den Blick und auch nicht die Ausbildung, um jetzt hier die spezielle, individuelle Förderung zu leisten, die für diese einzelnen Kinder notwendig ist. Wir sehen ja im Ergebnis, dass wir z. B. an drei von vier Standorten deutlich niedrigere Klassenstärken haben als im Durchschnitt, nämlich in Ulm, Pforzheim und Lahr.
Wenn ich das abschließend betrachte, komme ich zu dem Ergebnis: Wir haben eine Ungleichbehandlung anderer Fördernotwendigkeiten mit der Hochbegabung, denn wir leisten uns hier in der Hochbegabung etwas, was wir uns bei den Legasthenikern in dieser Form nicht leisten, was wir bei denen, die sich mit einer Dyskalkulie herumschlagen müssen,
(Abg. Ursula Lazarus CDU: Und was die einen nicht haben, dürfen die anderen auch nicht haben! – Ge- genruf des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Das ist Gerechtigkeit!)
und was wir auch im Hinblick auf viele Sprachförderbedürfnisse nicht flächendeckend leisten – und für viele andere zusätzliche Förderungen ebenfalls nicht.