Protokoll der Sitzung vom 19.12.2007

Herrn Döpfner wird nämlich vom „Spiegel“ die Frage gestellt: „… und Schuld hat nur der Mindestlohn, den der Bundestag am Freitag für die Postbranche verabschiedet hat?“ Darauf antwortet Herr Döpfner:

Das ist jedenfalls der Grund, dass wir der PIN keine weiteren Finanzmittel mehr zur Verfügung stellen. Wir waren ja ohnehin die letzten Gesellschafter, die noch Geld nachgeschossen haben.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Hört, hört!)

Hört, hört! Also offensichtlich vorher. Dann geht es weiter. Dann fragt also der „Spiegel“ nach: „Die PIN scheint aber schon tot, bevor der Mindestlohn überhaupt da ist.“ Und Herr Döpfner sagt:

Der Verursacher unseres Dilemmas ist die Regierung. PIN war zwei Jahre lang erfolgreich – pünktlich, als die Mindestlohndebatte begann, haben wir natürlich kaum noch neue Kunden bekommen.

Daraufhin vermutet der „Spiegel“, er habe wahrscheinlich Kunden verunsichert durch sein Insolvenzgeschwätz.

Und dann heißt die Antwort – alles Zitat –:

Moment! Das Wort Insolvenz hat bis heute meinen Mund nie verlassen. Ich habe nur alle möglichen Szenarien dargestellt. Die reichen von einer Weiterführung über einen Verkauf bis zur Schließung.

(Zuruf des Abg. Guido Wolf CDU)

Also, Leute: Der verkauft den „Spiegel“ und die Leser für dumm. Und Sie zitieren das als Abgeordnete hier im Parlament und behaupten,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wie klasse! 100 Punk te!)

die hätten wegen der Mindestlohndebatte zugemacht. Bleiben Sie doch, auch wenn Sie eine andere Meinung haben, zumin

dest seriös und anständig in der Argumentation, und führen Sie nicht solches Zeug vor, was schon in sich Unsinn ist und nicht standhalten kann.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/ DVP: Frage! – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Hausmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Noll?

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Lieber nicht!)

Ja, klar. Jetzt bin ich gespannt.

Herr Hausmann, erinnern Sie sich, dass unter einem Ministerpräsidenten Kurt Beck der damalige SPD-Sozialminister Gerster Kombilohnmodelle entwickelt hat, die wir dann auch mit unseren Einstiegsgeldmodellen nachvollzogen haben? Die Grundidee war, dass es in Deutschland wohl Tätigkeiten geben wird, deren Entlohnung nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt zu garantieren,

(Abg. Christine Rudolf SPD: Aber nicht bei der Post!)

und deswegen beim Kombilohnmodell dieser Lohn aufgestockt werden sollte. Verabschieden Sie sich damit von der damaligen Linie von Kurt Beck, die wir ja ein Stück weit nachvollzogen haben, wenn wir sagen: „Wir müssen akzeptieren, dass man manchmal auch ergänzende Transferleis tungen braucht,

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Aber nicht allgemein! – Zuruf der Abg. Christine Rudolf SPD)

um überhaupt Arbeit zu ermöglichen“? Da sehe ich schon einen gewaltigen Kurswechsel der SPD und des Herrn Beck.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: War das etwa eine Fra- ge?)

Wenn wir schon vom Wettbewerb reden – das ist ein effizientes Instrument –, dann müssen wir vom Markt, vom Wettbewerb und auch von den Unternehmern und Unternehmen, die sich darin tummeln, doch erwarten, dass sie menschenwürdige Arbeitsbedingungen und Löhne einhalten.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das ist doch okay!)

Natürlich kann man nicht eine ganze Gesellschaft mit Kombilöhnen und staatlichen Zuschüssen versehen. Das ist ja ein Unsinn.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Nein! Das will ja niemand!)

Das haben Sie aber gerade nachgefragt.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Nicht alle!)

Ein Kombilohn kann eine Variante sein, wenn man jemanden wieder in den Arbeitsmarkt bringen möchte.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Also!)

Das ist überhaupt keine Variante in der Beschäftigungspolitik insgesamt oder in der Arbeitsmarktpolitik, und das hat hier gar nichts zu suchen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Ja, doch! Denn mit Mindestlohn können Sie das nicht mehr! Mit Min- destlohn verabschieden Sie sich davon! – Gegenruf der Abg. Ursula Haußmann SPD – Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Also, Herr Noll, jetzt noch einmal, ganz im Ernst: Der Staat soll sich heraushalten. Sie propagieren staatlich subventionierte Dumpinglöhne. Das wird es mit uns nicht geben, nein.

(Beifall der Abg. Ursula Haußmann SPD – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Ja! Besser Arbeit finanzieren als nur Transfer! – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Hausmann, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Winkler?

Bitte.

Herr Kollege, könnten Sie bitte dem Kollegen Noll erklären, was der Unterschied zur Funktion des Kombilohns ist,

(Abg. Guido Wolf CDU: Frage!)

ob es um die Stabilisierung einer Tieflohnbranche geht oder um das In-den-Beruf-Bringen von Beschäftigten, die Schwierigkeiten haben.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Die es ja nicht mehr gibt! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Vielleicht kannst du einmal versuchen, es ihm deutlich zu machen!)

Es fällt mir arg schwer – das muss ich ganz ehrlich sagen –, Herrn Dr. Noll das begreiflich zu machen. Denn ich habe das ja vorher schon einmal versucht.

(Unruhe)

Herr Dr. Noll, ich probiere es einfach noch einmal.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Okay!)

Wenn mein Kollege mich so freundlich darum bittet, dann versuche ich es noch einmal.

Wenn es um eine Brücke zum ersten Arbeitsmarkt geht, kann man über Kombilohnmodelle diskutieren.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Also!)

Aber wir können nicht darüber diskutieren, wenn absehbar ist, dass ein Gewerbe mit Dumpinglöhnen und Dumpingpreisen Konkurrenz zu einem anständigen, auf dem Markt befindlichen Gewerbe macht.

(Beifall bei der SPD)