a) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Innenministeriums – Priorisierung von Bundesfern straßenprojekten endlich klarstellen – Drucksache 14/1916
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung zu a und b fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht um ein einziges Thema, nämlich die Priorisierung, und zwar sowohl von Bundesfernstraßenprojekten als auch von Landesstraßenmaßnahmen. Das Thema klingt etwas akademisch, ist aber für das Land Baden-Württemberg – das wirtschaftsstärkste Bundesland in Deutschland und damit auch das produktionsstärkste Land des Exportweltmeisters Deutschland – durchaus von Bedeutung.
Verglichen mit der Meisterleistung, die die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer in diesem Bundesland vollbringen, haben wir eine rückständige Verkehrsinfrastruktur. Ich glaube, das bestreitet niemand. Die Frage lautet: Wer trägt dafür die Verantwortung? Für die Realisierung von Bundesfernstraßenprojekten trägt der Bund Verantwortung. Das Land wiederum trägt bei diesen Projekten für die Planung Verantwortung. Bei den Landesstraßen hat das Land eine ganzheitliche Verantwortung – sowohl für die Planung als auch für die Realisierung.
Wie sehen nun die Realitäten aus? Wir sind das Stauland Nummer 1, wir haben überlastete Straßen, wir haben Planungshalden mit einem Volumen in Milliardenhöhe, Landesstraßen, die zu mehr als 50 % in schlechtem bis sehr schlechtem Zustand sind. Wir haben eine Regierung, die sich durch das Schild „Vorsicht Straßenschäden“ ihrer Unterhalts- und Haftungsverpflichtung auf Hunderten von Kilometern entzieht, eine Regierung, die ca. 1,25 Milliarden € an Kfz-Steuer einnimmt, also aus dem Verkehr generiert, aber nur ca. 410 Millionen € wieder dem Verkehrsetat zuführt. Das ist in der Differenz eine Spanne von ca. 800 Millionen €, die der Erledigung anderweitiger Aufgaben zufließen. Das macht natürlich auch der Bund. Aber zum Vergleich: Wir haben Mineralölsteuereinnahmen in Höhe von 43 Milliarden €, von denen wiederum 50 % dem Verkehrsetat zugeführt werden. Man mag über die Zahlen im Detail streiten. Aber daran zeigen sich schon die Relativität und das Problem, vor dem sowohl Bund als auch Land stehen.
Die jahrelangen Versäumnisse sind nicht schnell aufholbar – das wissen auch wir von der Opposition –, erst recht nicht in Zeiten knapper Mittel. Zur Deckung des riesigen Investitionsbedarfs stehen eben nur begrenzte Mittel zur Verfügung. Aber immerhin: Wir erhielten im Jahr 2007 vom Bund insgesamt 563 Millionen € für Neubau- und Erhaltungsmaßnahmen. Das
ist mehr als in den Jahren zuvor. Wer sich noch einmal die Zuführung ansieht, dem wird deutlich, dass seit der Übernahme des Bundesverkehrsministeriums durch die SPD im Jahr 1998 die Mittel gestiegen sind. Allerdings sind sie nicht auf das Niveau gestiegen, das auch wir uns wünschen. Das sei deutlich gesagt. Deswegen haben wir die Situation, dass jedem Abgeordneten in seinem Wahlkreis von Kommunalpolitikern, von Bürgerinnen und Bürgern ständig Anliegen auf Durchführung von Straßenbaumaßnahmen vorgetragen werden.
Die Wünsche der Wirtschaft und der Bevölkerung aufzunehmen und – jetzt kommt das Dilemma – allen alles zu versprechen, das ist eine wesentliche Politik der CDU.
Ja, natürlich. Ich kann Ihnen Beispiele zuhauf aus meinem Wahlkreis nennen. Abgeordnete Ihrer Fraktion haben schon in den Achtzigerjahren Straßen versprochen, die noch heute nicht einmal im Vordringlichen Bedarf verankert sind.
Sie gehen mit der vermeintlichen Wundertüte durch dieses Land, ohne eine finanziell entsprechend abgesicherte Planung aufzubauen. Wir haben eine riesige Planungshalde. Bei uns besteht eine Diskrepanz zwischen den Mitteln, die wir für die Planung aufgebracht haben, und dem, was uns andererseits der Bund zur Verfügung stellt.
Nun haben Sie ein Mantra in der Diskussion. Wie eine tibetanische Gebetsmühle heißt es immer: Der Bund ist schuld, dass wir so wenige gute Straßen haben.
Ja, natürlich. Aber Sie unterstellen damit, der Bund hätte unbegrenzt Geldmittel zur Verfügung. Das ist die Illusion, die Sie sich selbst und den Bürgern vorgaukeln.
Es ist die Unredlichkeit dieser Politik, meine Damen und Herren, die wir kritisieren. Verantwortung heißt auch, den Bürgern die Wahrheit zu sagen und nicht mit falschen Thesen von der eigenen Verantwortung abzulenken. Es macht keinen Sinn, solche Planungshalden aufzubauen, die schließlich nicht realisiert und abgebaut werden können.
Die Priorisierung bei den Bundesfernstraßenprojekten ist nun geschehen – nicht freiwillig. Der Landesrechnungshof hat jahrelang gemahnt, und schließlich hat der Landtag einstimmig die Forderung beschlossen, den Katalog der Planungsprioritäten vorzulegen. Die Regierung hat erst mit zeitlicher Verzögerung geantwortet und dann den Katalog vorgelegt. Zwei Tage später hat sie erklärt: „Alles unverbindlich“. Auch hier scheut sie sich wieder, zu ihrer Verantwortung zu stehen. Und ich frage: Ja was gilt denn nun?
Noch skurriler wird es beim Blick auf die Landesstraßen. 1 000 Projekte sind im Vordringlichen Bedarf. Das ist ein Märchen.
Während Sie bei Bundesfernstraßen noch argumentativ auf den Bund verweisen, bleibt in der eigenen Sphäre jegliche Antwort offen, wie die betreffenden Projekte denn je finanziert werden sollen. Aber das hindert viele Abgeordnete nicht, zu erklären: „Das wird schon alles kommen, hier in meinem Wahlkreis.“ Und nur durch den jahrelang von der SPD aufgebauten Druck ist es gelungen, in diesen Haushalt mehr Mittel einzustellen.
Das freut uns. Aber es ist natürlich nicht in Ordnung, erst die Mittel runterzufahren, den Karren in den Dreck zu fahren, um sich nachher als Retter in der Not aufzuspielen.
Ich bekenne etwas mit einem gewissen sarkastischen Respekt, Herr Minister. Ich wollte jetzt Herrn Staatssekretär Köberle ansprechen. Ich durfte gestern Abend bei der DEKRA einmal mehr erleben, dass er ein begnadeter Protagonist der Methode ist, damit zu glänzen, die Versäumnisse der Vergangenheit aufzuholen, und die ganze Hoffnung in die Zukunft zu setzen, aber kein stringentes Handeln vorzuleben.
Wir fordern die Regierung auf, die Planungen im Landesstraßenbau und ihre Zusagen endlich in Einklang zu bringen, das heißt unabdingbar auch hier eine Priorisierung vorzunehmen.
Das ist unsere Forderung. Sie lehnen das nicht ganz ab. Die Begründung in der Stellungnahme der Landesregierung zu unserem Antrag Drucksache 14/1993, warum unserer Forderung nicht entsprochen werden kann, ist haarsträubend. Ich zitiere:
… wurde festgestellt, dass die für eine Priorisierung notwendigen Kriterien bei Weitem nicht in der Tiefe und Breite zur Verfügung stehen …
Das muss man sich einmal vorstellen. Sie sind seit 50 Jahren – bedauerlicherweise oder glücklicherweise, je nach Sicht der Dinge – an der Regierung. Da frage ich mich: Nach welchen Kriterien haben Sie denn bislang Straßen gebaut, wenn Sie keinerlei Orientierung, keinerlei Maßstäbe haben?
Das ist nicht zumutbar. Es gilt an dieser Stelle: Was für den Bund richtig ist, kann auch für das Land nicht falsch sein. Wir fordern die Regierung auf, zu handeln, die Rolle der Märchentante, die allen alles verspricht, aufzugeben und den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes klaren Wein einzuschenken, was in absehbaren Zeiträumen, das heißt z. B. bis 2015, realisierbar ist und was nicht.
Nochmals: Regierungen werden nicht gewählt, um schwierige Entscheidungen zu bejammern, sondern um mutig Entscheidungen anzugehen. Das ist der Mut, der Ihnen fehlt.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! In der Vorbereitung auf diesen Tagesordnungspunkt habe ich mir gewaltig den Kopf darüber zerbrochen, was wohl die Zielrichtung der beiden vorliegenden Anträge der SPD zum Bundesfern- und zum Landesstraßenbau sein könnte. Ich muss feststellen, dass sie – und das bestätigen Ihre Ausführungen, Herr Haller – nur ein weiterer Beitrag zu dem Schwarzer-Peter-Spiel sind, mit dem wir uns hier schon seit Jahren beschäftigen. Ich kann nur sagen: Ihre Argumentation, Herr Haller, ist nun wirklich skurril.
Dabei frage ich mich schon lange, woher Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, die Hoffnung nehmen, dass Ihre dauernden Versuche, das Land für die Versäumnisse des Bundes beim Bundesfernstraßenbau verantwortlich zu machen, auch nur die geringste Chance hätten.
(Abg. Norbert Zeller SPD: Wer legt denn die Priori- sierung fest? – Gegenruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Es geht um die Finanzmittel, Herr Zeller! – Zu- ruf des Abg. Norbert Zeller SPD – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Ruhe, Herr Zeller! – Zuruf von der CDU: Herr Zeller, Sie haben keine Ahnung! – Gegenruf von der SPD: Unglaublich!)
Die Fakten, Herr Zeller und meine Damen und Herren von der SPD, liegen doch nun wirklich auf dem Tisch. Man muss sich genau anschauen, wer denn seinen Pflichten nachkommt und wer nicht.
Klar ist: Das Land führt die komplette Planung für die Bundesfernstraßen durch und gibt dafür sehr viel Geld aus.