Protokoll der Sitzung vom 08.07.2009

Noch ein klares Wort zum bewährten Programm „Schwitzen statt Sitzen“: Dieses wird nicht gefährdet. Ich darf daran erinnern, dass wir erst vor Kurzem den Haushaltsansatz von 1,1 Millionen € auf 1,615 Millionen € erhöht haben. Nicht der Generalstaatsanwalt ist der Haushaltsgesetzgeber, sondern das sind wir, das Parlament.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Warum hat er dann Bedenken?)

Ich danke Ihnen für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Jawohl!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Sakellariou das Wort.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Sehr gut! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Zustimmen! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Betonung auf der ersten Silbe! – Gegenrufe der Abg. Claus Schmiedel und Peter Ho- felich SPD: Aufpassen!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal: Die SPD-Fraktion wird diesem Modellversuch nicht zustimmen,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Hey!)

und zwar aus guten Gründen.

Meine Damen und Herren, es ist aufgeführt worden, dass es in anderen Ländern üblich sei oder inzwischen weit verbreitet sei, die elektronische Fußfessel zu verwenden. Da muss ich aber sagen, dass sie stellenweise auch völlig andere Vollzugsziele haben. Bei uns geht es um einen humanen Strafvoll

zug, um Resozialisierung und um Haftvermeidung in dem bestehenden System.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Ist das nicht human? – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das ist um Klassen besser!)

Wir haben andere Instrumente, zu denen ich gleich etwas sagen möchte.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Es geht um die Regelungsbereiche Ersatzfreiheitsstrafe und Bewährung zur Entlassungsvorbereitung. Ob da die elektronische Fußfessel das geeignete Mittel ist, bezweifle ich. Die elektronische Fußfessel ist ein reines Sicherungsinstrument, ein reines Überwachungsinstrument. Es ist mit keinerlei erzieherischer Maßnahme verbunden, sondern führt im Gegenteil zu einer personalaufwendigen Kontrolle. Dies ist auch noch eine Kontrolle, meine Damen und Herren – in der Begründung steht es drin –, die von Privaten durchgeführt werden soll.

(Oh-Rufe von der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Jetzt ist die Katze aus dem Sack! – Abg. Dr. Hans- Peter Wetzel FDP/DVP: Alles, was privat ist, ist schlecht? – Abg. Peter Hofelich SPD: Und die CDU macht mit!)

Da wird deutlich: Dieser Privatisierungswahn der jetzigen Landesregierung ist noch immer nicht zu Ende. Dies passiert wiederum beim Strafvollzug. Das muss man sich einmal vorstellen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Wir privatisieren sogar noch die Polizei, wenn wir so weitermachen!)

Wir sind jetzt gerade dabei. Wir haben eine Anfrage gestellt, weil kürzlich 298 Zustellungsaufträge von Amtsgerichten und Staatsanwaltschaften im Müll aufgetaucht sind und nicht bei den Gerichten, weil diese Sachen einem privaten Postunternehmen übergeben wurden.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das war ein privates Müllunternehmen!)

Jetzt wollen wir wieder in diesem Bereich Private ranlassen. Mit Verlaub, meine Damen und Herren, das geht schon gar nicht. Diesen Privatisierungswahn werden wir stoppen.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte Ihnen zur Erinnerung ein kleines Zitat von Generalstaatsanwalt Pflieger vorlesen, der ausdrücklich begründet hat – ich zitiere –:

Wir sind gegen die Fußfessel. Diese Art der Bestrafung kann Schaden anrichten. Das ist nackter Strafvollzug und hat nichts mit Sozialarbeit zu tun.

Der versteht nun wirklich etwas von der Sache.

Meine Damen und Herren, brauchen wir dieses Gesetz überhaupt, wenn es schon nicht sinnvoll ist, wenn die elektronische Fußfessel keine erzieherische Maßnahme darstellt? Wir sagen

Nein, weil wir für beide Personengruppen statt der Ersatzfreiheitsstrafe „Schwitzen statt Sitzen“ haben. Wenn man sagt: „Wir haben eine Personengruppe, die ist zu krank, für die brauchen wir den Hausarrest“, stimmt das eben nicht, weil ein Arbeitsplatz Voraussetzung für die Teilnahme am Projekt ist. Wenn jemand gesund genug ist, um zu arbeiten und an dem Projekt „Elektronische Fußfessel“ teilzunehmen, kann er auch bei „Schwitzen statt Sitzen“ mitmachen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Pe- ter Wetzel FDP/DVP – Abg. Karl Zimmermann CDU: Wo will er denn schwitzen?)

Das ist der Grund, warum z. B. in Berlin diese Regelung gar nicht angewandt wird. Wer einen Arbeitsplatz hat, kann selbstverständlich noch arbeiten.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Genau das wollen wir! An seinem Arbeitsplatz soll er schwitzen!)

„Schwitzen statt Sitzen“ ist selbstverständlich für Leute, die einen Arbeitsplatz haben. Dann haben sie die Möglichkeit, am Wochenende und abends gemeinnützig zu arbeiten und tätig zu sein.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: 40-Stunden- Woche!)

Da gibt es überhaupt keine Diskussionen.

Der zweite Bereich ist die Bewährungshilfe zur Entlassungsvorbereitung, Fußfessel zur Entlassungsvorbereitung. Da haben wir ein bestehendes System mit einem Bewährungshelfer. Da brauche ich kein neues System einzuführen, das nach der Gesetzesbegründung teurer ist als die aktuelle Bewährungshilfe und die jetzige Systematik.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Das brauchen wir nicht. Das macht überhaupt keinen Sinn, das können wir uns sparen.

Zum Dritten ist an dieser Situation hoch problematisch, dass immer und ausschließlich Leute, die einen Arbeitsplatz haben, überhaupt in den Genuss kommen, Hausarrest zu machen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ich dachte, das sei gar kein Genuss! – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/ DVP: Der kann nachher „Schwitzen statt Sitzen“!)

Auf diese Art und Weise wird die Ausgrenzung von integrierten Straftätern und randständigen Straftätern noch größer. Das heißt, derjenige, der seine Ersatzfreiheitsstrafe in einer Villa absitzt, ist in einer völlig anderen räumlichen Situation als derjenige, der ohnehin randständig ist und dieses Angebot gar nicht bekommt. Er muss weiter zwingend einsitzen.

An dritter Stelle haben Sie das Thema Frauen angesprochen. Es leuchtet zunächst ein, dass eine Frau in Haft gehen muss, bei der ein Richter mehrfach zu einer sehr negativen Prognose gekommen ist. Deshalb muss sie auch dann, wenn Kinder da sind, in Haft gehen. Das sind immer dramatische Entscheidungen, die mitunter auch den Petitionsausschuss beschäftigen. In diesen Fällen liegt ein rechtskräftiges Strafurteil vor,

das auf diesem Wege ausgehebelt werden soll. Dafür haben wir das Gnadenrecht, ausschließlich das Gnadenrecht.

98 % der Betroffenen sind Männer. Zunächst einmal muss die Ehefrau dem Hausarrest zustimmen. Malen Sie sich einmal aus, unter welchem Druck die Frau zu Hause ist, wenn der inhaftierte Mann im Nachhinein erfährt, dass seine Frau nicht zugestimmt hat. Umgekehrt, wenn die Frau zustimmt und der Mann bis zu sechs Monate zu Hause ist,

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das klappt überall! Und bei uns soll das nicht klappen?)

ist das eine ganz unerfreuliche Erfahrung. Insofern ist das Thema Frauen an dieser Stelle deplatziert.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Also lieber ins Ge- fängnis! – Gegenruf der Abg. Ursula Haußmann SPD: Also Herr Zimmermann, was für einen Quatsch er- zählen Sie dauernd!)

Nein, für bestimmte Fälle haben wir das Gnadenrecht. Außerdem haben wir für Leute, die einen Arbeitsplatz haben, „Schwitzen statt Sitzen“.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das reicht doch nicht!)

Das System der Bewährungshilfe ist immer noch besser, als auf Kosten des Bestehenden und Bewährten ein neues Gesetz zu verabschieden, neue Bürokratie und neue Kosten zu erzeugen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Pe- ter Wetzel FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Oelmayer das Wort.