Protokoll der Sitzung vom 08.10.2009

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Ich empfehle ei- nen Blick nach England!)

Denn wenn wir davon sprechen, dass Kernenergie eine Brü ckentechnologie sein soll – darin besteht Einigkeit zwischen den Koalitionspartnern –, dann wird es da auch kein Problem geben.

Das zentrale Problem, das sich uns heute aber stellt, ist der Netzausbau. Da sage ich Ihnen nur: Interessanterweise sind überall dort, wo es darum geht, neue Leitungen zu legen, Bürgerinitiativen aktiv, die nicht unbedingt von CDU- und FDPAktivisten geprägt sind.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Oho! – Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Aber ich muss dann schon sagen: Man muss auch wissen, dass das eine bestimmte Infrastruktur erfordert. Das Problem für die erneuerbaren Energien ist der Netzausbau. Dann sollten wir dieses Thema gemeinsam lösen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zu der Frage: Wie sieht das eigentlich aus? Woher kommt dann der Strom? Wir reden ganz bewusst von einer Brückentechnologie, weil uns wichtig ist, deutlich zu machen: Wir wollen hin zu den erneuerbaren Energien.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Es war doch eine Größe der Brücke vereinbart!)

Aber die Frage ist: Wer bildet die Brücke? Darum geht es uns nämlich.

(Zuruf: Sie reißen sie doch ein!)

Wenn Sie die 80 % nehmen, dann bedeutet das, dass es entweder über Kohle oder über Kernenergie läuft. Unter Klimaschutz- und unter Effizienzgesichtspunkten stellt sich schon die Frage, ob wir eigentlich wollen, dass die Kohlekraftwerke die Brücke sind. Im Übrigen ist es die Grundlage einer Greenpeace-Studie und die Grundlage einer UBA-Studie, dass dann, wenn die Laufzeit der derzeitigen Kohlekraftwerke auf 50 Jahre verlängert wird, die ineffizienten Kohlekraftwerke

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE – Gegen- ruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

letzten Endes den höchsten CO2-Ausstoß haben. Dazu kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch zu diesem Weg!

(Zurufe von der SPD und den Grünen – Unruhe)

Sie schaffen es eben nicht, Klimaschutz und Energieversorgung zusammenzubringen.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Emissionshandel! – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Lieber Herr Untersteller, eine letzte Bemerkung zu der Frage: Wie viel wird exportiert und wie viel nicht?

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Gibt es einen Emissionshandel oder nicht?)

Es gibt einen Emissionshandel, lieber Herr Untersteller. Das Problem ist nur, dass Sie sich immer auf Studien berufen, deren Grundannahme lautet: kein Neubau von Kohlekraftwerken, sondern Abschalten der Kernkraftwerke, aber Laufzeitverlängerung für die alten Kohlekraftwerke. Das ist das Wesentliche,

(Zuruf von der CDU: Jawohl!)

was man deutlich sagen muss.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Deswegen sage ich ganz bewusst: Sachlichkeit im Sinn eines Austauschs der Argumente. Ich weise darauf hin, dass es keine Partei in diesem Land gibt – damit meine ich sowohl Baden-Württemberg als auch die Bundesrepublik –, die sich in der Frage der Nutzung der Kernenergie derart bewegt hat wie die CDU.

(Zuruf von der SPD: Ja, rückwärts!)

Wir sind diejenigen, die bereit sind, den Weg in eine klimaschutzfreundliche Energieversorgung zu gehen, hin zu den erneuerbaren Energien, und zwar ohne Schaum vor dem Mund.

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Die Idee, die jetzt umgesetzt werden soll, wurde in diesem Land entwickelt, wurde auf Bundesebene umgesetzt und wird jetzt Eingang in die Überlegungen finden. Ich meine schon, dass das dazugehört.

Eine letzte Bemerkung jetzt auch zu Asse: Die Vorgänge um Asse sind mehr als bedauerlich. Aber ich wünsche mir, dass man Interesse an einer Lösung hat und nicht an der Fortführung des Problems. Fakt ist, dass Ihnen das Problem ausgesprochen recht kommt,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es!)

damit Sie das wiederum in unsachlicher Art vorantreiben können.

(Zuruf von der SPD: Ist Asse jetzt da oder nicht?)

Das ist mehr als ärgerlich, und es wird so sein, dass man dieses Thema ebenfalls im Rahmen einer Vereinbarung mit den Ener gieversorgern besprechen muss.

(Abg. Stephan Braun SPD: Wo ist die Sicherheit der Endlagerung?)

Ich weise darauf hin, dass es zunächst einmal darum geht, das Ganze sauber abzuarbeiten und nicht wieder nur Emotionen und Ängste in der Bevölkerung zu schüren.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Unsachliche Vorwürfe sind auch dann unsachlich, wenn sie in sachlichem Ton vorgetragen werden!)

Ansonsten muss man sich fragen, wie wir den Weg gemeinsam gehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Untersteller.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zu dem Argument des Kollegen Müller und auch der Ministerin, deren Weg sei AKW plus regenerative Energien: Wir haben heute, Ende des Jahres 2009, etwa 18 % Regenerative, und Ihr und mein Ziel ist es, diese weiter auszubauen. Die Bundesregierung sagte bisher, 30 % sollten bis 2020 erreicht werden; manche gehen sogar davon aus, dass es 40 % sind.

Herr Kollege Mappus, die Regenerativen – das wissen wir beide – stehen nicht immer zur Verfügung, weil der Wind nicht immer weht; sie sind also nicht grundlastfähig. Das heißt, man braucht eine Kombination verschiedener Energieträger. Wenn Sie aber eine Laufzeitverlängerung machen, dann haben Sie in den kommenden Jahrzehnten 17 Kraftwerke in Deutschland, von denen jedes 8 000 Stunden pro Jahr, rund um die Uhr, durchläuft. Sie können sie nicht mit regenerativen Energieträgern kombinieren, sondern Sie brauchen Kraftwerke, die man schnell zu- und schnell abschalten kann. Deswegen sage ich, die Laufzeitverlängerung führt dazu, dass wir bei den Regenerativen in den kommenden Jahren einen Stopp erleben werden bzw. keinen solchen Ausbau bekommen werden, wie er in den letzten Jahren der Fall war.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Stefan Mappus CDU: Das ist doch völlig unlogisch! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das Gegenteil ist der Fall!)

Nein, das ist kein Unsinn. Herr Kollege Mappus, ein hoher Kernenergieanteil, wie wir ihn heute mit 23 % haben, ist keine Brückentechnologie, sondern eine Barriere für den Ausbau der erneuerbaren Energien.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Stefan Mappus CDU: Warum wollen Sie denn mehr Kohlekraftwerke?)

Herr Kollege Mappus, Sie müssen mir nicht glauben, aber ich zitiere aus der monatlich erscheinenden Zeitschrift „Zeitung für kommunale Wirtschaft“. Dahinter stecken hauptsächlich die kommunalen Energieversorgungsunternehmen. Folgen- des stand in der letzten Woche, am 3. Oktober, auf deren Homepage – ich zitiere –:

Blieben die alten Reaktoren tatsächlich länger am Netz, als in allen Planungen unterstellt werden musste, würde

das nicht unwesentlich auf das Betriebsregime der neuen Anlagen durchschlagen. Kraftwerke für Ökologie und mehr Wettbewerb könnten teilweise entwertet werden. Gegen abgeschriebene, noch in den Vorzeiten der Liberalisierung von den damaligen Kunden zwangsweise refinanzierte nukleare Stromfabriken können neue Anlagen nicht reüssieren. Investitionen für Klimaschutz und Wettbewerb würden bestraft.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Frau Ministerin, noch eines zu Ihrem Argument, die Alternative dazu seien dann mehr Kohlekraftwerke.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Auch dies ist, mit Verlaub, Unsinn. Ich sage Ihnen auch, warum: Wir haben europaweit einen Emissionshandel. Dieser Emissionshandel besagt, dass wir in Deutschland eine Obergrenze von 452 Millionen t CO2 haben, die pro Jahr emittiert werden dürfen. Angenommen, Sie machen nun eine Laufzeitverlängerung, und angenommen, Sie könnten dadurch Kohlekraftwerke herausnehmen: Was passiert denn dann? Die Betreiber verkaufen die Zertifikate, die sie haben, auf dem europäischen Markt. Dem Klima ist es ziemlich wurst, ob das CO2 in Baden-Württemberg oder in Polen entsteht. Der Klimawandel ist nun einmal ein globales Problem. Daher ist Ihr Argument bei dieser Frage keines.

Herzlichen Dank.