Protokoll der Sitzung vom 08.10.2009

Wenn es diese Versorgungslücke aber nicht gibt, dann frage ich Sie: Was machen Sie, wenn die EnBW und die anderen sagen: „Wir zahlen die 50 % nicht“? Was ist dann mit Ihrer Stromlücke? Was ist mit dem Stromimport, den der Kollege Mappus angesprochen hat?

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist ja unglaub- lich!)

Sie können sagen: „Es gibt nur ein Weiterlaufen. Es gibt keine Stromlücke. Wir wollen nur 50 % irgendwoher bekommen.“

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

In der nächsten Argumentation sagen Sie: „Die Stromlücke gibt es. Über die 50 % müssen wir halt noch verhandeln.“ Das funktioniert doch nicht.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das ist ein energiepolitischer Blindflug, den Sie da machen. Das muss man wirklich sagen.

Alle Spatzen pfeifen von den Dächern, dass die großen Energieversorger im Moment nur mit ihren abgeschriebenen Kis ten Geld verdienen. Nicht umsonst spricht Villis von einem Obolus. Wenn die Versorger ihre abgeschriebenen Kisten nicht mehr weiterlaufen lassen können, dann stellt sich die Frage: Was bleibt noch an Gewinn? Das müssen Sie heute subven tionieren. Das heißt, die Versorger werden Ihnen die Rechnung so aufmachen, dass aus den angestrebten 50 % ein Minimalobolus wird. Wie gesagt: Sie konterkarieren Ihr eigenes Argument: „Aufgrund der Stromlücke brauchen wir die Laufzeitverlängerung; wir wollen nicht importieren“, wenn Sie auf der anderen Seite sagen: „Wir wollen die 50 %.“ Das geht nicht zusammen; das gibt es nicht.

Ein Letztes will ich noch sagen. Das zeigt die Problematik auf. Wir haben in Deutschland mit dem Atomkonsens den Weg zum Atomausstieg jetzt zu etwa 53 % beschritten. Man hatte – das kann man etwa bei Wikipedia nachlesen – Restlaufzeiten mit 2,62 Millionen Gigawattstunden vereinbart. Ende 2008 waren hiervon ca. 1,4 Millionen Gigawattstunden abgefahren; es blieben noch rund 1,2 Millionen Gigawattstunden übrig. Insofern war der Atomausstieg zu diesem Zeitpunkt bereits zu 53 % vollzogen.

Jetzt ist die Frage, ob man diesen sinnvollen Weg weitergeht und den anderen eine Chance gibt. Der VKU schreibt es Ihnen ins Stammbuch, und das tun auch alle, die draußen sagen: Wir müssen eine ordentliche Energieversorgung machen, die langfristig angelegt ist, die zukunftsgerecht ist, die dezentral ist. Es darf keinen Weiterbetrieb der Kernenergieanlagen geben.

Daher kann man wirklich nur sagen: Es ist gut, dass heute protokolliert wird. Wir werden Sie später einmal mit Ihren heutigen Aussagen konfrontieren können.

(Ministerin Tanja Gönner: Wir Sie mit Ihren auch!)

Ich kündige an, dass wir selbst massiv gegen den von Ihnen gewünschten Weg vorgehen. Wir werden uns draußen wieder treffen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das haben Sie ja schon im Wahlkampf probiert!)

Ihr Weg ist falsch.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Genau!)

Korrigieren Sie ihn.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Chef.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Energiepolitik ist „Chef“-Sache!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Zuhörerinnen und Zuhörer!

(Zuruf von der SPD: „Liebe Mitbürgerinnen und Mit- bürger“!)

Die Diskussion, vor allem die Argumentation vonseiten der Opposition, erinnert mich irgendwie an den pawlowschen Hund. Sie reagieren reflexartig, nämlich immer in der gleichen Richtung, wenn das Thema Atom aufkommt. Ich kenne als Bürgermeisterin einer Gemeinde, die Standort eines Kernkraftwerks ist, die Diskussion vor Ort, und zwar seit 15 Jahren. Allmählich, muss ich sagen, sind Ihre Argumente mehr als ausgereizt und irgendwie auch langweilig.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Erzählen Sie das den kommenden Generationen!)

Dabei bestätigt sich für mich vor allem die Erfahrung, dass derjenige, der streitet, wertvolle Zeit verliert, die er eigentlich für seine Arbeit braucht. Sie streiten einfach zu viel und tun zu wenig; das haben auch die Jahre gezeigt, in denen Sie in der Regierungsverantwortung waren.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wir haben die erneu- erbaren Energien gefördert! – Abg. Franz Unterstel- ler GRÜNE: Wir haben die Erneuerbaren auf die Schiene gesetzt! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Zuhören!)

Ich bin überzeugt, dass man sich die Legitimation zur Kritik erst dann erwirbt, wenn man nachweisen kann, dass man selbst alles getan hat, was im eigenen Ermessensspielraum lag. Dieses Gefühl hatte ich damals, als Rot-Grün in Berlin regierte, überhaupt nicht.

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: Sie waren doch gegen das EEG!)

Denn Sie haben – ich weiß nicht, ob das bekannt ist – auf der einen Seite den Atomausstieg beschlossen, andererseits jedoch Bundesbürgschaften für den Bau osteuropäischer Kernkraftwerke bewilligt.

(Zuruf von der FDP/DVP: So ist es! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Hört, hört! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Schizophren!)

Ob das glaubwürdig war, möchte ich doch infrage stellen.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Unglaublich!)

Ich denke aber, das Energiekonzept 2020 unseres Wirtschaftsministers Ernst Pfister ist ein wichtiger Schritt beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Bereits jetzt ist absehbar: Der Anteil der regenerativen Energien wird bis 2020 auf mindestens 20 % ansteigen. Dies ist ein realistisches Ziel; noch vor wenigen Jahren hätten es einige für utopisch gehalten.

Um Kernkraft und konsequenterweise auch die Kohlekraft vollständig zu ersetzen, bedarf es großer Anstrengungen und vieler Schritte. Ich denke, wir sind dabei auf einem guten Weg. Mit Schwarz-Gelb in Berlin werden wir diese Aufgaben, die Sie in den letzten Jahren vernachlässigt haben, auf jeden Fall lösen.

(Beifall des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sehr gut! – Abg. Ursu- la Haußmann SPD: Hilfe!)

Die FDP bezeichnet die Kernkraft weiterhin als Brückentechnologie. Diese Brücke – da sind wir uns hier alle einig – muss so kurz wie möglich gehalten werden. Unser Kollege Dieter Ehret kämpft bekanntlich seit jeher gegen die Verlängerung der Laufzeiten der AKWs.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Guter Mann! Nur in der falschen Truppe! – Gegenrufe von der FDP/DVP und des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Um den Ausstieg möglich zu machen, stehe ich – hier bin ich mit der FDP/DVP-Landtagsfraktion völlig einig – für den konsequenten und zügigen Ausbau der regenerativen Energien

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Seit wann? – Gegen- ruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Schon im- mer!)

und das Forcieren des Energiesparens – kommen Sie einmal in unsere Gemeinde; viele Gemeinden können Ihnen zeigen, wie man das schon seit Jahren macht –, der Kraft-WärmeKopplung sowie der Energieeffizienz.

Im Gegensatz zu anderen Ländern spricht in der Bundesrepublik Deutschland niemand, der ernst zu nehmen ist, vom Bau neuer Kernkraftwerke.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es! Sehr richtig!)

Das möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal unterstreichen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Denn dass nicht alle Kernkraftwerke in Deutschland – die im Übrigen weltweit zu den sichersten zählen – von heute auf morgen abgeschaltet werden können, ist sicherlich jedem klar. Dabei halte ich nach wie vor den Vorschlag für sinnvoll, nicht ausschließlich das Alter der Kernkraftwerke zu berücksichtigen, sondern vorrangig diejenigen Anlagen weiterzubetreiben, die sich in besonderer Weise durch Sicherheit und Zuverlässigkeit ausgezeichnet haben.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Dies gilt vor allem auch für Neckarwestheim I. Die OSARTStudie ist vorhin vom Kollegen Müller schon genannt worden.

Ich zitiere die Internationale Atomenergie-Organisation:

Kernkraftwerk Neckarwestheim erreicht exzellentes Ergebnis – nukleare Sicherheit hat höchste Priorität.... EnBW betreibt Kernkraftwerke in Philippsburg und Ne ckarwestheim auf hohem internationalem Niveau. Kernkraft und erneuerbare Energien sind Partner in einem klimafreundlichen Energiemix.

Deshalb bitte ich auch um die Versachlichung der Diskussion.