Protokoll der Sitzung vom 19.01.2010

Möglicherweise muss man sich aber mit dem Thema Neubau noch intensiver beschäftigen, als man das bisher vorhatte.

(Beifall der Abg. Reinhold Gall SPD und Stefan Map- pus CDU – Abg. Reinhold Gall SPD: Richtig! – Abg. Stefan Mappus CDU: Endlich einmal eine gute Pas- sage in der Rede! – Heiterkeit)

Nach dieser Unterbrechung fange ich jetzt mit dem zweiten Schwerpunkt an, den sich der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung gegeben hat, nämlich mit dem „Kinderland“. Ich will einmal gegenüberstellen, was der Haushalt und die Landespolitik zu diesem Thema aussagen.

Vielleicht noch einmal ganz aktuell dazu: Während wir hier debattieren, demonstrieren in angemessener Entfernung, aber noch immer in Sichtweite des Landtags 20 000 Schülerinnen und Schüler aus Baden-Württemberg. Warum? Weil Sie den Schülerinnen und Schülern an Privatschulen zugesagt haben, dass die Privatschulen 80 % der Kosten von Schülern an staatlichen Schulen erstattet bekommen, und Sie jetzt im Haushalt wieder deutlich darunter bleiben.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Das schafft kein Vertrauen. Versprochen, gebrochen. Versprechungen sind aber zu halten. Deswegen sind wir sehr solidarisch mit den Schülerinnen und Schülern,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

die da draußen demonstrieren, damit sie endlich die zugesagte Unterstützung des Landes bekommen.

Ich muss noch einmal daran erinnern, Frau Berroth – das ist im Nachhinein wirklich peinlich –,

(Zurufe der Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel und Heide- rose Berroth FDP/DVP)

mit welcher Zeremonie das hier begleitet wurde. Sie haben gesagt: „Wir haben den Durchbruch geschafft. Endlich ist es so weit. Es ist im Grundsatz durch, und es kommen – alle können sich darauf verlassen – 80 %.“ Es ist wie in anderen Fällen im sogenannten „Kinderland“ Baden-Württemberg: Es werden Zusagen gemacht, dann werden sie wieder zurückgeholt, und die Beteiligten bleiben dabei auf der Strecke.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Besonders entlarvend in diesem Zusammenhang ist eine neue Titelgruppe 72 im Haushalt des Ministeriums für Arbeit und Soziales. Das „Kinderland“ muss sich ja auch als „Kinderland“ im Haushalt niederschlagen. Wenn man in diese Titelgruppe schaut – sie ist überschrieben mit: Maßnahmen zur Weiterentwicklung des „Kinderlands Baden-Württemberg“ –, sieht man beim veranschlagten Personalaufwand für das Jahr 2010: 0,0.

(Zurufe von der SPD: Was?)

Es steht so drin: 0,0. – Im Jahr 2011: 0,0. Dienstleistungen Dritter und dergleichen im Jahr 2010: 0,0; im Jahr 2011: 0,0.

(Zuruf von der SPD: Schwarze Null! – Abg. Heide- rose Berroth FDP/DVP: Das sind die Vorjahre!)

Das sind nicht Vorjahre, sondern das sind die Jahre 2010 und 2011. Das ist eine neue Titelgruppe, das heißt, da sind die Vorjahre immer mit null angegeben. Das ist klar.

Zuweisungen für laufende Zwecke an Gemeinden und Gemeindeverwaltungsverbände im Jahr 2010: 0,0.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Das ist die schwarze Null!)

2011: 0,0. Sie schaffen hier einen neuen Haushaltstitel, eine neue Titelgruppe, und statten das mit null aus. Das ist Ihr versprochenes „Kinderland“. Wenn man an das Kleingedruckte geht, dann wird es besonders makaber. Da heißt es nämlich: „Die Mittel sind übertragbar.“

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Gleich fällt die Mikrofonanlage wieder aus!)

Es ist eine Propagandaschlacht, die Sie um das „Kinderland“ führen. Sie haben auf Ihrem Parteitag sogar das „Kinderland plus“ entdeckt und haben noch einmal aus Ihrer Sicht Wegweisendes diskutiert, wie das „Kinderland“ insbesondere im Bildungsbereich weiterentwickelt werden soll.

(Zuruf von der SPD: Plus null! – Abg. Alfred Wink- ler SPD: 0,0!)

Ich will jetzt einmal jemanden zitieren, der ganz unverdächtig ist, denn ich zitiere Frau Staab, die Vorsitzende des Landeselternbeirats, die nicht unserer, sondern Ihrer Partei ange

hört. Sie sagt wörtlich zu Ihren Beschlüssen zum „Kinderland plus“:

Mir fehlt bei der CDU jegliche Vision, wie Schule besser werden könnte.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Da hat sie recht! – Abg. Alfred Winkler SPD: 0,0! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Was hat Helmut Schmidt zu „Visionen“ gesagt?)

„Jegliche Vision“. Das ist etwas, was wir Ihnen, Herr Oettinger, am Ende Ihrer Amtszeit als Ministerpräsident vorwerfen: dass Sie es nicht vermocht haben, Bewegung in die Bildungslandschaft in Baden-Württemberg zu bringen. Das ist nicht nur unser Eindruck, sondern das ist ein Eindruck, der in Baden-Württemberg weit verbreitet ist.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Alles, was nicht in die ideologischen Kästen von Herrn Rau passt, wird abgelehnt und blockiert. Frau Staab weist darauf hin: Wesentliche Verbesserungen finden in der Schule dann statt, wenn es Schulsozialarbeit gibt, wenn es Freiräume gibt, wenn man Schulentwicklungen zulässt. All das findet nicht statt. Ich verstehe nicht, weshalb Sie, wenn Sie schon das „Kinderland“ Baden-Württemberg in den Mittelpunkt rücken, tatsächlich eine solche Nullnummer hinlegen, sodass am Ende nichts übrig bleibt.

Auch das Gute, das in dem Orientierungsplan auf dem Papier steht, wo gute Konzepte enthalten sind, wird wieder halbherzig, nicht flächendeckend und nicht umfänglich umgesetzt.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Also doch gut!)

Zum Umsetzen muss man auch etwas Geld dazuschießen. Da kann man keine Nullnummern in den Haushalt einstellen, Herr Kollege.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Dann ist noch etwas zu sagen: Man kann vieles auch ohne zusätzliche Gelder bewegen, wenn man Entwicklungen zulässt. Nicht nur wir sind diejenigen, die das monieren. Wir haben mit Interesse gelesen, was am Rande des FDP-Parteitags zur Bildungspolitik und auch zum Kultusminister ganz persönlich gesagt wurde.

(Zuruf von der SPD: Was?)

Herr Mappus, einen Ratschlag haben Sie zum neuen Jahr jetzt frei, und zwar ganz umsonst und gut gemeint:

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Vorsicht!)

Wenn Sie Ihr Kabinett aufstellen, dann besetzen Sie eine Stelle neu und bringen Herrn Rau nicht mehr als Kultusminister in Ihr Kabinett.

(Beifall bei der SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: Bravo!)

Ich will noch einen anderen Punkt erwähnen, den Sie nicht in den Mittelpunkt Ihres Regierungshandelns gerückt haben, der aber für uns und für viele Unternehmen, für viele Menschen im Land ein ganz zentraler Punkt ist: Wie geht es mit der Ener

gie in Baden-Württemberg weiter? Auch da haben wir in den vergangenen Jahren eigentlich nur Stillstand erlebt. Der Wirtschaftsminister verkündet lauthals: Wir werden den Anteil der Windenergie an der Stromerzeugung in den nächsten Jahren verdreifachen. Er vergisst aber zu sagen, von welcher Basis aus. Selbst, wenn dieser Anteil verdreifacht wird, liegt er noch immer um ein Zehnfaches hinter anderen Ländern zurück, die dem Thema Windkraft eine andere Dimension gegeben haben. Sie haben gesagt: Darin liegt energie- und wirtschaftspolitisch eine Chance.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So viel Wind können nicht einmal Sie machen! – Unruhe)

In Baden-Württemberg ist noch immer alles beim Alten geblieben. Sie setzen auf die Atomkraft, Sie setzen auf konventionelle Energien. Es bleibt eine Restgröße, das ist die regenerative Energie, und was Sie da gezeigt haben, das ist weniger als bescheiden.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt wird es besonders interessant. Wir haben aus der Ferne eine Anhörung in Brüssel miterleben können, eine Anhörung von Ministerpräsident Oettinger

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Der war gut! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Besondere Quali- tät!)

in seiner Rolle als zukünftiger Energiekommissar. Seine Antworten haben tatsächlich einige überrascht. Es ging nicht darum, dass er besteht – alles andere wäre wirklich abenteuerlich; das hat auch niemand bezweifelt –, sondern die inhaltliche Position hat einige überrascht. Er wurde nämlich gefragt, wie er es mit der Energiekonzeption der Europäischen Union hält. Darauf hat er gesagt: Er steht voll dahinter, die findet er richtig, die gilt es umzusetzen.

Was sagt die Energiekonzeption der Europäischen Union? Sie sagt: Bis zum Jahr 2020 sollen 20 % Primärenergie eingespart werden.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das wollen wir schon lange!)

Dann sollen 20 % der dann noch benötigten Energie – nicht Strom, sondern Gesamtenergie – regenerativ erzeugt werden.