Die Aussage allerdings – das will ich auch sagen –, es müsse erst geklagt werden, bevor im Land etwas passiert, finde ich bemerkenswert. Ich erinnere mich an die Einführung der Um weltzonen. Da wurde dem Land Baden-Württemberg vorge worfen, es würde viel zu viele Umweltzonen einrichten, wir seien Spitzenreiter in Deutschland hinsichtlich der Einrich tung von Umweltzonen. Wir haben uns in diesem Punkt durch sämtliche Rechtsprechungen, die auf unterschiedlichen Ebe nen ergangen sind, bestätigt gefühlt, diesen Weg zu gehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich stehe noch heu te dazu, weil ich bei dem Urteil des VG Stuttgart im rechtli chen Sinn nach wie vor einige Fragen habe. Das ist auch ei ner der Gründe, warum wir gegen das Urteil Berufung einge legt haben. Ich stehe auch dazu, dass wir bei all den Maßnah men, die wir ergreifen, den Grundsatz der Verhältnismäßig keit walten lassen müssen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will zu diesem Thema schon auf Folgendes hinweisen: Manch einer – das gilt insbesondere für die Grünen – sagt, wir dürften jetzt nur noch Fahrzeuge mit grüner Plakette nach Stuttgart hineinfahren las sen. Aber dann gehört es zur Ehrlichkeit, zu erwähnen, dass davon 17 % der Pkws, 58 % der leichten Nutzfahrzeuge und 66 % der schweren Nutzfahrzeuge in Baden-Württemberg be troffen wären. Das heißt, wir würden den Nutzfahrzeugver kehr mehr als halbieren.
Jetzt kann man sagen: „Klar, das ist unsere Zielsetzung.“ Ich bin mir aber nicht sicher, ob das erstens dem Wirtschaftsstand ort Baden-Württemberg guttäte und ob zweitens die komplet te Ausschließung aus Umweltzonen und damit einhergehend der entsprechende Umfahrungsverkehr dann tatsächlich auch so hingenommen würden, oder ob man nicht eher nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dem folgen sollte, was wir ma chen, nämlich einem Stufenkonzept. Es ist uns wichtig, dass wir das auch weiterhin machen. Das werden wir auch beim Lkw-Durchfahrtsverbot tun, liebe Frau Grünstein.
Ich will schon sagen: Es war bewusst im ersten Luftreinhal teplan für die Stadt Stuttgart enthalten, dass wir es an den Eu ro-Normen festmachen, die erfüllt werden. Es ist natürlich schwer erklärbar, warum jemand, der einen Lkw neuester Prä gung, bester Technik fährt, nicht in eine Stadt hineinfahren
darf, wohingegen jemand mit einer roten Plakette mit dem Pkw hineinfahren darf. Das war der Grund dafür, dass wir ge sagt haben: Es kommt auf die entsprechende technische Vo raussetzung an.
Hierzu müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass das VG einer anderen Auffassung ist. Das war der Bereich, in dem wir bei der Neuaufstellung des Luftreinhalteplans Stuttgart dann eben gesagt haben: Wir gehen den Weg mit. Argumentativ geht es mir um den Gesichtspunkt – ich sage das noch einmal –: Kommt es auf den Schadstoffausstoß an oder nicht? Wenn nicht, bedeutet das dann, dass selbst der neueste und moderns te Lkw – im Übrigen so, wie er in Zukunft weiterentwickelt wird – nicht mehr in diese Stadt darf, oder darf er es doch? Ich finde, dass man darüber schon einmal offen und ehrlich diskutieren sollte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wurde angespro chen – ich will die Debatte allerdings nicht verlängern –: Es kommt eine neue Herausforderung auf uns zu – das beobach ten wir durchaus mit Sorge –, wenn es um das Thema Stick stoffdioxid geht. Wir haben eine entsprechende Tagung in Hei delberg durchgeführt. Wir sind auch diejenigen, die – im Ge gensatz zu anderen Ländern – sehr tief gehende Untersuchun gen haben anstellen lassen, um herauszufinden: Woher kommt dieser hohe Anteil? Gibt es Möglichkeiten, diesen deutlich ab zusenken, und zwar einmal abgesehen von der Tatsache, dass die Fahrzeugflotte natürlich erneuert werden muss?
Erstens: Der Straßenverkehr trägt zu den straßennahen NO2Konzentrationen in einer Größenordnung von bis zu 76 % bei und ist damit Hauptverursacher dieser Belastung.
Zweitens: Diesel-Pkws haben heute im realen Betrieb deut lich höhere NOx-Emissionen als benzinbetriebene Pkws. Auf der anderen Seite – ich sage bewusst: auf der anderen Seite – leisten sie allerdings einen erheblichen Beitrag zur CO2-Re duzierung. Ich sage das, damit wir einfach zur Kenntnis neh men, dass man nicht immer nur einen Punkt im Auge haben darf, sondern die Gesamtheit sehen muss.
Drittens: Die NOx-Emissionen der Kraftfahrzeuge haben sich seit Euro 3 von NO, also von Stickstoffmonoxid, hin zu NO2 verschoben, sodass sich trotz einer deutlichen Abnahme der gesamten NOx-Emissionen die NO2-Emissionen der Kraft fahrzeuge erhöhen. Das hat etwas mit dem Oxidationskataly sator ab Euro 2 und 3 zu tun. Deswegen sind die NOx-Emis sionen bei den Pkws kaum gesunken, dafür aber die Emissi onen von CO2, Rußpartikeln, Kohlenwasserstoffen und Koh lenmonoxid.
Man sieht also: Bei der Frage, wie Technik funktionieren kann, gibt es irgendwo auch gewisse Begrenzungen. Klar ist, dass wir uns weiterhin dafür einsetzen werden, hier voranzu kommen. Wir haben die Tagung ganz bewusst auch unter Ein ladung des Generaldirektors der Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission, Herrn Falkenberg, gestaltet. Zum einen wollten wir natürlich, dass er die Diskussion bei uns er lebt, dass er aber vor allem auch die Schwierigkeiten sieht. Zum anderen sind wir der Überzeugung, dass man sich darü ber unterhalten muss, ob es überhaupt möglich ist, mit den denkbaren Maßnahmen bis zum Jahr 2015 die Zielwerte zu
erreichen. Ich finde, es gehört dazu, dass man offen darüber diskutiert, insbesondere auch aufgrund der Erfahrung, die wir mit dem Feinstaub gemacht haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung wird weiterhin alles Zumutbare tun – ich sage bewusst: alles Zumutbare, weil das der Gegenpart zum Verhältnismäßigkeits prinzip ist –, um die Grenzwerte für Luftschadstoffe einzuhal ten. Mit Fahrverboten in Umweltzonen allein werden wir es nicht schaffen, insbesondere die NO2-Grenzwerte einzuhal ten. Schon die bereits getroffenen Maßnahmen sind zum Teil mit erheblichem Aufwand bei mäßigem Wirkungsgrad ver bunden. Luftreinhaltepläne können die mangelnde Harmoni sierung der Abgas- und Immissionsschutzgesetzgebung – da rauf hat Kollege Lusche bereits zu Recht hingewiesen; der Unterschied zwischen Emission und Immission soll manch mal hilfreich sein, sofern man diesen kennt – nicht ersetzen. Im Endeffekt helfen sie nichts, solange hier keine Harmoni sierung stattfindet.
Deswegen werden wir uns nach wie vor sowohl auf europäi scher Ebene als auch bei der Bundesregierung dafür einset zen, dass hier entsprechende Abhilfe geschaffen wird, insbe sondere bei der Revision der Luftqualitätsrichtlinie im Jahr 2013. Denn es ist wichtig, hier zu sagen: Klar, es ist notwen dig, Maßnahmen zu ergreifen; klar, es ist notwendig, Lebens qualität zu erhalten. Ich weise aber auch darauf hin, dass für viele Menschen Mobilität ebenfalls Teil der Lebensqualität ist.
Das sollte auch für uns bei dem, was wir in Abwägung und unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit angehen, wichtig sein.
(Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP meldet sich. – Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP: Ich wünsche noch das Wort! – Gegenruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das verstößt doch gegen die UN-Kon vention! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Da ist doch Feinstaub nichts dagegen! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Lieber Feinstaub!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe noch eine Redezeit von vier Minuten und 28 Sekunden. Wenn wir uns beeilen, kommen wir noch pünkt lich zum SWR.
Frau Kollegin Splett, es muss einmal gesagt werden: Es ist einfach nicht richtig, dass der Verkehr der Hauptverursacher von Feinstaubemissionen ist.
In der Antwort auf unsere Große Anfrage steht, dass der Ver kehr nur einen Anteil von 23 % hat, während 30 % der Emis sionen durch Kleinfeuerungsanlagen verursacht werden.
(Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE: Wo steht denn das? – Gegenruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Der Bachmann kann doch nicht lesen!)
Ich verstehe ja, dass Sie Kleinfeuerungsanlagen nicht abschal ten wollen. Wir haben auch einen Holzofen.
Wir wissen, dass es wichtig ist, Holz zu verfeuern, um die CO2-Bilanz zu verbessern, und dass man dann auch Feinstaub in Kauf nehmen muss. Das sagen wir ja auch. Was jedoch falsch ist, ist falsch. Die Ministerin sagte bereits, es ist eine Frage der Naturwissenschaft; Zahlen sind Zahlen, und wir sind geneigt, den Studien der Landesregierung eher zu glau ben als Ihren.
Zweiter Punkt: Sie haben deutlich gesagt „Verkehrsvermei dung“. Das ist eben Ihre Politik, und ich bin der Frau Minis terin ganz dankbar, dass sie deutlich gemacht hat, dass sich dies von der Politik der Landesregierung und der sie tragen den Fraktionen deutlich unterscheidet.
Dritter Punkt: Die City-Maut ist eine super Idee. Wir waren in London, wo die City-Maut eingeführt und später erweitert worden ist. Dann wurde der sozialdemokratische Labour-Bür germeister abgewählt. Bitte machen Sie das auch in BadenWürttemberg häufiger so, damit die Kommunalwahlen end lich wieder richtig ausgehen.
Liebe Rosa Grünstein, ich habe mir notiert: Lkw-Durchfahrts verbote. Das ist ein ganz schwieriges Thema. Als Stuttgarter sage ich: Jeder Lkw, der nicht durch Stuttgart fährt, ist dem Stuttgarter eher angenehm. Deswegen setzen wir darauf, dass solche Durchfahrtsverbote durch anständige Umgehungsstra ßen bei uns und andernorts und vor allem auch im ländlichen Raum ergänzt werden. Ich bin der Ministerin dankbar, dass sie deutlich gemacht hat, dass man bei solchen Maßnahmen das gesamte Spektrum sehen muss. Auch bei Ortsumfahrun gen in Großstädten ist das ein Thema. Ich glaube, das ist der Weg, den wir gehen müssen.
Ich wollte nur nachfragen, ob sich die Zahlen, die Sie vorhin genannt haben, auf die Feinstaubemissionen in Baden-Würt temberg insgesamt beziehen und ob Sie zur Kenntnis nehmen könnten, dass sich das, was ich gesagt habe, auf die stark be lasteten Innenstadtbereiche bezieht, wo der Verkehr einen Hauptanteil ausmacht. Außerdem ist klar, dass in stark belas teten Bereichen der Verkehr der Hauptverursacher von NOx ist.
Jetzt reden wir auch noch über NOx. Das Beste wäre, wenn in stark belasteten In nenstadtbereichen – z. B. am Neckartor – nicht so viel Ver kehr wäre. Deshalb muss man andere Maßnahmen ergreifen. Das ist kein Problem der Messstelle, sondern das ist ein Pro blem der Straße neben der Messstelle, die dort nicht hinge hört,
die nicht in eine Innenstadt gehört. Das ist das Problem. Ihr Kollege Wölfle hat sogar die Kulturmeile verhindert. Wie sol len wir denn die Verkehrsbelastung der Menschen reduzieren, wenn Sie jede Baumaßnahme systematisch boykottieren, so gar die Stadtbahn in Karlsruhe?
Noch einige Anmerkungen zu NOx. Das Problem sind aus un serer Sicht manchmal die Richtwerte, auch die europäischen Richtwerte. Wenn wir schon heute wissen, dass Normen in bestimmten Innenstadtbereichen kaum eingehalten werden können, dann muss man sich auch überlegen dürfen, ob das der richtige Weg ist.