Protokoll der Sitzung vom 08.10.2014

Sie werden bei der Ausübung des jagdlichen Handwerks mas siv kritisiert, sollen jedoch für öffentliche Aufgaben eines Wildtiermanagements auch noch privat zur Kasse gebeten werden. Das sind ja nicht so sehr Jäger, sondern das sind schon eher Märtyrer.

Sie, Herr Minister, taten deshalb gut daran, bei diesem erneu ten Gesetzentwurf zurückzurudern, und zwar speziell dort, wo

ganz besonders stark eigentumsrelevante Dinge tangiert sind. Das erkennen wir auch ausdrücklich an. Aber Sie haben zwi schenzeitlich auf massiven Druck von außen reagiert und nicht aus besserer und höherer Einsicht.

Wir begrüßen hierbei die klare Abgrenzung, die Sie jetzt vor genommen haben, zwischen Wildtiermanagement, Jagd und Hege. Wir begrüßen die Beschränkung der Dominanz des Na turschutzes und das grundsätzliche Jagdausübungsrecht bei Wildarten im Entwicklungsmanagement. Wir begrüßen die Klarstellung zur Abgrenzung von Schutzgebieten, und wir be grüßen die Streichung der juristischen Person bei der Befrie dung von Grundflächen aus ethischen Gründen.

Wir lehnen ein grundsätzliches Fütterungsverbot weiterhin strikt ab und fordern eine grundsätzliche Fütterungserlaubnis mit praxis- und artgerechter Ausgestaltung

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Von der CDU haben wir doch gerade etwas anderes gehört!)

und sanktionsbewehrter Durchsetzung – das ist das Entschei dende – bis hin zum Entzug der Jagderlaubnis bei falscher Fütterung.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Wir lehnen außerdem das Verbot der Fallen- und Baujagd ab, weil hier der Schutz des Niederwilds und der Bodenbrüter ge nauso tangiert ist wie eine sinnvolle Tierseuchenbekämpfung, wenn erforderlich. Wir lehnen die unzureichende Zuordnung von Wildtieren zum Schalenmodell ab, ebenso die zwei Mo nate Jagdruhe mit völlig praxisuntauglichen Möglichkeiten zur Bejagung des Schwarzwilds. Das bringt den Jägern eben so wie die 200-m-Regel gar nichts. Außerdem lehnen wir die pauschale Beteiligung der Landwirte mit 20 % bei der Wild schadensregulierung beim Mais ab.

Wir fordern vielmehr die Landesregierung auf, das bewährte Landesjagdgesetz, soweit geboten, partiell nachzubessern – wir sehen sehr wohl die Erforderlichkeit – und von der Ver abschiedung eines völlig überzogenen, eigentumsfeindlichen und überbürokratisierten Vollgesetzes Abstand zu nehmen.

Aus den genannten Gründen lehnen wir dieses Gesetz im Gan zen ab. Denn wir sind heute, Herr Minister, noch weiser als früher, und dieses Gesetz ist für die Katz.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Pix das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Reuther, ich gebe Ih nen recht: Das Gesetz ist u. a. für die Katz.

(Abg. Wolfgang Reuther CDU: Eben! Das war ja der Sinn! Für die Katz! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Wer schwätzt jetzt, der Pix oder der Reuther?)

Ich nehme Bezug auf das Hunde- und Katzen-Abschussver bot, und deswegen ist es für die Katz.

(Vereinzelt Beifall – Abg. Wolfgang Reuther CDU: Genau so!)

Man könnte sagen: Was lange währt, wird endlich gut. Ich möchte einen kleinen Rückblick geben. Am 22. Juni 2012, al so vor knapp zweieinhalb Jahren, gab es hier im Landtag ei ne große Anhörung der Regierungsfraktionen. Da habe ich schon den Hinweis gegeben, dass es darum geht, hier ein Leuchtturmprojekt zu kreieren,

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Aber es ist eine ganz trübe Funzel daraus geworden! – Unruhe – Glo cke der Präsidentin)

das nicht nur in Baden-Württemberg, sondern weit über die baden-württembergischen Landesgrenzen hinaus strahlt. Ich muss jetzt nach fast zweieinhalb Jahren sagen:

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Eine trübe Funzel ist daraus geworden!)

Das ist gelungen. Ich war vor zehn Tagen in Warnemünde beim Rotwildsymposium. Bei den Gesprächen, die ich da mit Wildtierexperten geführt habe, war kein Grüner dabei. Das waren alles Jagdscheininhaber, und die sind wirklich unver dächtig in der Deutschen Wildtierstiftung. Die schauen alle mit Argusaugen: Was läuft in Baden-Württemberg? Da haben wir viel mehr Lob geerntet, Herr Reuther, als heute von Ih nen. Da wurde gesagt: Endlich packt ihr einmal die Dinge ge nau da an, wo sie anzupacken sind.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Alle haben uns bestärkt, dass wir auf dem richtigen Weg sind, und haben sogar die Hoffnung geäußert, dass wir diese No velle, wie wir sie jetzt als Entwurf vorliegen haben, dann auch tatsächlich so verabschieden. Deswegen bitte ich um ein biss chen mehr konstruktive Gesprächsbereitschaft. Ich glaube, das täte allen hier im Saal gut.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ihre erste Novellie rung war nichts!)

Denn Sie müssen sehen, was da entstanden ist. Das ist einma lig in diesem Land. Wir haben es hier mit dem längsten, mit dem tiefsten Beteiligungsprozess zu tun, den es jemals bei ei nem neuen Gesetz gab. In über 27 Koordinierungskreisen ha ben sich all diese Verbände, die angeblich so zerstritten sind, zusammengesetzt, haben miteinander geredet, haben einan der zugehört, ob das Naturschutzverbände, Tierschutzverbän de, Jagdverbände, Grundstückseigentümer oder wer auch im mer waren. Alle, die mit dem Thema beschäftigt sind, haben sich die Mühe gemacht, in Koordinierungskreissitzungen und in Arbeitskreissitzungen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das haben Sie schon bei der ersten Novellierung gesagt!)

Sie haben Wochenenden für ihre ehrenamtliche Tätigkeit ge opfert. Einen solchen Prozess gab es noch nie. Deswegen hal te ich es für außerordentlich wichtig, dass Sie diesen Prozess würdigen und dass Sie vor allem erkennen, dass es, obwohl die Pole sehr weit auseinanderlagen, gelungen ist, zumindest einmal gemeinsame Interessen zu formulieren.

Deswegen haben wir jetzt einen Entwurf vorliegen. Dieser heißt „Jagd- und Wildtiermanagementgesetz“ und geht weit über das hinaus, was wir bisher hatten. Die gesamtgesell schaftlichen Interessen, was den Umgang mit Wildtieren an

geht, werden endlich einmal zusammengeführt. Mit dem vor liegenden Entwurf haben wir verschiedenste Interessen – hier kann niemand vollständig zufrieden sein; das geht gar nicht – auf höherer Ebene zusammengeführt.

Herr Reuther, ich muss Ihnen massiv widersprechen: Der Lan desjagdverband vertritt 80 % der Jagdscheininhaber in BadenWürttemberg, und ungefähr die Hälfte davon, schätze ich, jagt bereits nach den Methoden, die hier verankert sind. Also: Das Gesetz ist nicht so weltfremd, wie Sie hier tun.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Es ist bereits bewährte Praxis. Das machen noch nicht alle, aber ich denke, dass, wenn das Gesetz dieses Jahr verabschie det wird und im April des nächsten Jahres in Kraft tritt, die nächsten Jahre der Praxis zeigen werden, dass sich dieses Ge setz bewährt. Dann kann in dem einen oder anderen Detail noch nachjustiert werden.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Wir haben ein sehr modernes und innovatives Jagdgesetz, ge rade mit dem Schalenmodell, über das so viel diskutiert wor den ist. Wir haben ein Gesetz, das es möglich macht, alle In teressen in ihrer Komplexität mit einzubeziehen, was den Um gang mit Wildtieren angeht. Überbordende Wildtierbestände bei Rehwild und Schwarzwild und damit verbundene Schä den, Naturschutzinteressen, geschützte Arten und all diese Dinge werden hier verbunden.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch auf zwei Prob lemkreise aufmerksam machen, die noch einmal sehr inten siv im weiteren parlamentarischen Verfahren diskutiert wer den dürften. Da möchte ich mich auf die gestrige Experten anhörung des Ausschusses beziehen, bei der die Themen Wild ruhe und Wildtierfütterung noch einmal besonders in das Licht des Interesses gerückt worden sind.

Ich möchte aber nicht alles, was bisher schon gesagt worden ist, wiederholen, sondern auf Warnemünde zurückkommen. Dort hat ein sehr praxisorientierter Zeitgenosse – das war ein Baden-Württemberger – unter dem Titel „Empfehlungen an Politik und Praxis“ referiert zu dem Thema: „Wider die Dop pelmoral beim Umgang mit Wildtieren: Empfehlungen an die Politik“. Ich zitiere zum Thema Wildruhe:

Wenn der letzte Schuss im Januar verhallt ist, braucht man nicht im Februar noch dem letzten Wildschwein hin terherzustolpern.

Das sagte er zu den Themen Fütterung, Doppelmoral und Jagdethik:

Wenn wir ganz ehrlich sind, müssen wir doch zugeben, dass wir, wenn wir beim Rehwild die Fütterung auch im Winter verlangen, damit keine Tiere verhungern, beim Schwarzwild eigentlich genau den gegenteiligen Weg ein schlagen. Denn da ist es doch so, dass wir auf harte Win ter hoffen, damit der eine oder andere Frischling auf na türliche Weise verendet.

Der Herr, den ich hier zitiert habe, heißt Dr. Deuschle. Herr Dr. Deuschle war bisher Landesjägermeister in Baden-Würt temberg. Ich schätze ihn sehr, muss ich hier sagen. Er hat da rauf aufmerksam gemacht, dass wir eigentlich, wie es in Krei

sen der deutschen Wildtierforschung üblicherweise auch ge fordert wird, eine längere Jagdruhe als zwei Monate brauch ten und dass es auch möglich sei, dies in der Praxis durchzu führen.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Kollege, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Ich hoffe jetzt – damit komme ich zum Ende, Frau Präsidentin; vor allem möchte ich an die Opposition appellieren –, dass Sie die Arbeit der Verbände würdigen und dem Gesetz zustimmen werden, weil es so stark wie kein anderes Jagdgesetz die Handschrift aller beteiligten Interessengruppen trägt.

Ich bedanke mich für Ihr Zuhören.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Storz.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Als ich im letzten Jahr im Land unterwegs war, wurde ich immer wieder gefragt: Warum wird das Landesjagdgesetz überhaupt geändert? Auch gestern haben zwei Referenten das Thema noch einmal angesprochen. Darum erläutere ich in al ler Kürze – der Minister hat es schon deutlich gemacht –, wa rum die Änderung nötig ist.

Es gibt zum einen die juristische Seite. Wir haben den Tier schutz im Grundgesetz und in der Landesverfassung. Wir ha ben vom EU-Recht her die Möglichkeit für Privatpersonen, ihr Grundstück befrieden zu lassen.

Wir haben aber auch gesellschaftliche Veränderungen in der Landwirtschaft, z. B. eine riesige Zunahme an Maisanbau, ei ne Pacht für Maisäcker über große Entfernungen, sodass das unkomplizierte Miteinander, wie es das früher vielleicht zwi schen Jägern und Bauern gab, heute gar nicht mehr gegeben ist. Wir haben einen Umbau in der Waldwirtschaft. Wir wol len mehr Tanne, die aber durch den Verbiss zunehmend ge fährdet ist. Wir haben durch die Forschung neue Erkenntnis se in der Wildökologie. Das alles können wir nicht mit einem Federstrich wegwischen, sondern das bringt uns dazu, das neue Gesetz auf den Weg zu bringen.