Protokoll der Sitzung vom 08.10.2014

Wir haben aber auch gesellschaftliche Veränderungen in der Landwirtschaft, z. B. eine riesige Zunahme an Maisanbau, ei ne Pacht für Maisäcker über große Entfernungen, sodass das unkomplizierte Miteinander, wie es das früher vielleicht zwi schen Jägern und Bauern gab, heute gar nicht mehr gegeben ist. Wir haben einen Umbau in der Waldwirtschaft. Wir wol len mehr Tanne, die aber durch den Verbiss zunehmend ge fährdet ist. Wir haben durch die Forschung neue Erkenntnis se in der Wildökologie. Das alles können wir nicht mit einem Federstrich wegwischen, sondern das bringt uns dazu, das neue Gesetz auf den Weg zu bringen.

Herr Pix hat es schon deutlich gemacht: Um die Grundlagen des Gesetzes zu erarbeiten, haben wir ein beispielhaftes Be teiligungsverfahren gewählt. Alle, die mit Jagd, Naturschutz oder allen Formen der Landnutzung befasst sind, saßen mehr als zwei Jahre zusammen an einem Tisch. Das wurde gestern in der Anhörung auch gelobt. Es war ein beispielhafter Pro zess zur Erarbeitung des neuen Jagd- und Wildtiermanage mentgesetzes.

Jetzt muss ich etwas an die Mengenlehre erinnern, die viel leicht manche von Ihnen in der Schule ebenfalls genossen ha ben. Wenn man verschiedene Mengen zusammenbringt, gibt es eine Schnittmenge, und manches bleibt außen vor. Es ist klar: Wir haben bei der Erarbeitung in dem Beteiligungsver fahren eine Schnittmenge gefunden. Es gab aber Einzelinter essen der Verbände, die der Abwägung und auch der Kompro missbereitschaft der verschiedenen Verbände bedurften.

Wie schwierig es in dem Prozess ist, eine Abwägung zu fin den, möchte ich an ein paar Beispielen deutlich machen, die zeigen, dass die Positionen diametral entgegengesetzt waren; das haben wir auch gestern in der Anhörung gemerkt.

Blicken wir auf die Jagdpacht: Die Waldbesitzer hätten am liebsten nur ein Jahr, die Jäger möchten es bei den neun Jah ren belassen.

Bei der Wildruhezeit kam vom Tierschutz die Anfrage: viel leicht sogar neun Monate?

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: 13!)

Die Jäger sagen: Wir brauchen gar keine Wildruhezeit.

Beim Blick auf die Aufnahme der Arten wurde deutlich ge macht, dass die Jagd alle Tiere in dem Schalenmodell haben will, der Tierschutz nur bedingt.

Klar ist – das wurde gestern auch gelobt –: Als einen wichti gen Konsens haben wir das Schalenmodell gefunden. Das ist ein großer Vorteil, weil es nicht starr ist, sondern es ermög licht, Tierarten entsprechend den Wildtierberichten zu ergän zen oder in den Schalen zu schieben. Wichtig ist hier, dass die Akzeptanz des Jagd- und Wildtiermanagementgesetzes nicht an den einzelnen Arten festgemacht wird, ob und in welcher Schale sie sind; denn in drei Jahren werden wir aufgrund des Wildtierberichts neu über die Einteilung nachdenken. Ich bit te einfach darum, den ersten Wildtierbericht abzuwarten. Ob dann die oberste Jagdbehörde oder der Landtag darüber ent scheiden, wie und welche Tiere in die Schalen kommen, was da juristisch geboten und was dann auch pragmatisch ist, das werden wir weiter miteinander beraten. Das war eine Forde rung der Jäger und Eigentümer. Darüber werden wir nachden ken.

Wichtig ist: Das Gesetz führt Jagd- und Wildtiermanagement zusammen, macht somit in der Gesellschaft deutlich, welch wichtige Funktion die Jagd für die Natur und die Landschaft hat. Unser Fraktionsvorsitzender Claus Schmiedel war auf sei ner Sommertour unterwegs, um Projekte zu besuchen, die bei spielhaft deutlich machen, wie gut Jagd und Naturschutz zu sammenarbeiten. Ich nenne Projekte in der Luchsforschung oder für den Rebhuhnschutz. Dadurch wird deutlich gemacht: Jagd und Naturschutz arbeiten bereits gut zusammen. Die Zu kunft der Jagd und ihre Akzeptanz in der Gesellschaft liegen in der Kooperation von Jagd und Naturschutz.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Wir haben schon gehört – das hat auch der Kollege Reuther deutlich gemacht –: Vieles bleibt in dem neuen Gesetz erhal ten – das Reviersystem, das Jagdrecht als Bestandteil des Ei gentumsrechts. Wir haben gestern in der Anhörung auch ver nommen, dass ein Großteil der Jäger eine Veränderung in der praktischen jagdlichen Arbeit gar nicht bemerken wird, weil vieles für die Jäger gleich bleibt. Natürlich wurden die Natur schutz- und die Tierschutzsicht berücksichtigt. Wir nehmen den vernünftigen Grund mit hinein, ein Verbot der Totfang fallen, ein Verbot des Schusses in Vogelgruppen, ein Verbot der Baujagd am Naturbau. Das alles sind Dinge, um das Leid von Tieren zu vermeiden.

Wir haben aber auch die Anliegen der Jäger aufgenommen – den 200-m-Schussstreifen während der Wildruhezeit, die Auf hebung der Befriedung von Gebieten durch die juristische Per

son oder auch die Aufnahme der Jagd in das Entwicklungs management.

Insgesamt nimmt der Entwurf wichtige Positionen des Jagd verbands auf, berücksichtigt aber auch die Belange von Na tur- und Tierschutz. Das Gesetz hat durch die Verbindung von Jagd und Managementgedanken das Miteinander von Wald, Wild, Landwirtschaft und Gesellschaft im Fokus und weist so in eine gute Zukunft.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Abg. Dr. Bullinger das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dem, was der Kollege Rapp be züglich der Einzelbeispiele gesagt hat – ich möchte sie nicht wiederholen –, kann ich zustimmen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Reuther!)

Entschuldigung, der Kollege Reuther. Das ist aber auch mit einem R am Anfang.

Die Anhörung zu dem überarbeiteten Gesetzentwurf gestern hier im Hause hat gezeigt, dass alle zwölf Experten mit dem Ergebnis nicht zufrieden sind. Die überarbeiteten Entwürfe des Jagdgesetzes – es sind ja mehrere gewesen – enthalten nach wie vor wesentlich mehr bürokratische Vorschriften. Es ist vor allem eine praxisferne Sache, die man Ihnen hier vor legt.

Der überarbeitete Entwurf ist eine echte Verschlimmbesse rung, meine Damen und Herren. Er nimmt sowohl den Jägern als auch den von Wildschäden betroffenen Landwirten die Rechtssicherheit. Eine vollkommen absurde Annahme ist bei spielsweise, dass man meint, die Wildschweinjagd mit 200 m Abstand vom Waldaußenrand praktizieren zu können. Dazu kann ich nur sagen: Was für Theoretiker waren da am Werk?

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Auch wenn die eine oder andere Regelung gegenüber dem ersten Entwurf abgemildert worden ist, ist das von Grün-Rot geplante Jagdrecht voller Ideologie, voller Misstrauen gegen über den kundigen Jägern, und es verstößt vor allem gegen Eigentumsrechte.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Die FDP/DVP-Landtagsfraktion hat bei dem Gesetzentwurf erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Das Jagdrecht ist in Deutschland ein an Grund und Boden gebundenes Eigen tumsrecht und steht somit unter dem Schutz von Artikel 14 des Grundgesetzes. Zeitliche Jagdbeschränkungen und sach liche Jagdverbote, Herr Minister, können daher als enteig nungsgleiche Eingriffe betrachtet werden und lösen im un günstigsten Fall Ersatzansprüche aus. Der Tenor des Misstrau ens und die Eingriffe, die durch das neue Gesetz festgeschrie ben werden sollen, stellen einmal mehr unter Beweis, welch gestörtes Verhältnis Grün und Rot zu Eigentum, ehrenamtli chem Engagement und Eigenverantwortung haben, meine Da men und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Oh-Rufe von den Grünen)

Der ursprünglich verbindlich vorgesehene Wildmanager bei spielsweise soll nichts anderes sein als der Vormund der Jä gerschaft. Ich habe bereits in meiner ersten Rede zum geplan ten Jagdrecht hier im Landtag darauf hingewiesen – meine Auffassung wurde gestern von allen drei kommunalen Lan desverbänden bestätigt –, dass es einer vollständigen Novel lierung des geltenden Jagdrechts nicht bedarf. Eine Fortschrei bung des geltenden Landesjagdgesetzes mit der Anpassung an neue Rechtsentwicklungen hätte voll und ganz genügt. Dem auf einem außerordentlichen Landesjägertag beschlos senen Hinweis, dass man so das Gesetz nicht akzeptieren kön ne, stimmen wir voll und ganz zu. Auch die Forderungen, die heute Morgen alle Kollegen übermittelt bekommen haben, nämlich die neuen Forderungen dazu, was man eigentlich noch machen muss, damit es überhaupt praktikabel wird, sind richtig; auch das unterstützen wir.

Meine Damen und Herren, Stärkung der Eigenverantwortung, Bürokratieabbau und vor allem auch die auf Wissen basieren den Regelungen der Jagd – das alles fehlt. Das Gesetz ist voll und ganz verfehlt, vor allem in Bezug auf die Praktikabilität.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist schon bezeich nend, wenn der Landesbauernverband Baden-Württemberg, der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband, der Verband der baden-württembergischen Grundbesitzer, die Forstkam mer Baden-Württemberg, der Verband der Jagdgenossenschaf ten und Eigenjagdbesitzer sowie der Landesjagdverband ge meinsam klar und deutlich in zwei Worten zum Ausdruck brin gen: So nicht. Das unterstützen wir, meine Damen und Her ren, und lehnen diesen Gesetzentwurf daher ab.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Aufgrund der Mängel und der Praxisuntauglichkeit – –

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, ge statten Sie eine Zwischenfrage des Abg. Reusch-Frey?

Jetzt nicht. – Wer te Kolleginnen und Kollegen, die in dem vorgelegten Gesetz entwurf beinhalteten Ermächtigungen – das ist auch dabei das Schlimme – zeigen, dass die Exekutive die Möglichkeit hat, am Landtag vorbei Jagdpolitik zu machen. Da muss ich Sie schon fragen, Kollegen von Grün-Rot: Wenn es – das kennen wir vom Klimaschutzgesetz, in dem Ermächtigungen für die Exekutive enthalten sind, mithilfe derer das Parlament um gangen werden kann – möglich ist, grundsätzliche Dinge zu ändern, etwa bei der Frage der jagdbaren Tiere, dann können auf diesem Weg Dinge gemacht werden, die entscheidend sind. Wenn Sie dem Gesetzentwurf, wie er nun vorliegt, zu stimmen, meine Damen und Herren, dann sind Sie hier im Landtag letztendlich nur Statisten bei der Umsetzung des Lan desjagdgesetzes.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wir als vom Volk gewählte Parlamentarier sollten keine Ge setze beschließen, mit denen wir uns selbst entmündigen. Sie von Grün-Rot werden diesen falschen Gesetzentwurf mit den faulen Kompromissen, die darin enthalten sind, und den fal schen Ansätzen im Ausschuss – das kennen wir ja – und bei der abschließenden Beratung hier im Haus durchpeitschen, und zwar unverändert. Davon gehe ich aus; ich kenne diese Regeln. Eigentlich könnten wir heute gleich die dritte Lesung machen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Woher kennen Sie die se Regeln?)

Meine Damen und Herren, wir lehnen dieses ideologisch ori entierte und für die Praxis nicht taugliche Gesetzeswerk ab, weil es für den ländlichen Raum schädlich ist, weil es Eigen initiative und Ehrenamt bestraft, weil es bevormundet und gängelt, weil die Eigentumsrechte durch Ihre Politik einmal mehr mit Füßen getreten werden und weil wir diese Eingrif fe nach Artikel 14 des Grundgesetzes für verfassungswidrig halten.

Aufgabe des neuen Landtags in der nächsten Legislaturperi ode wird sein, in den ersten 100 Tagen dieses Gesetz praxis tauglich zu korrigieren.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Meine Damen und Her ren, mir liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Die Ausspra che ist damit beendet.

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 15/5789 zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Punkt 6 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, bevor ich die Sitzung schließe, darf ich Ihnen einen Terminhinweis geben: Direkt im Anschluss an die Sitzung wird die Ausstellung „Die ande re Seite der Welt“ der Internationalen Jugendbegegnungsstät te Auschwitz eröffnet.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Ich bitte Sie, die letzten Sekunden noch zuzuhören. – Ganz besonders freue ich mich, dass der polnische Botschafter, Sei ne Exzellenz Herr Jerzy Marganski, ein Grußwort zur Eröff nung sprechen wird. Die Ausstellungseröffnung mit anschlie ßendem Imbiss findet im Foyer im Haus der Abgeordneten statt. Ich lade Sie dazu ganz herzlich ein.

Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung ange langt.