Protokoll der Sitzung vom 16.04.2015

Mit jährlich rund 100 Millionen € Sondermitteln für die Sa nierung von Hochschulbauten und Universitätskliniken sor gen wir dafür, dass wir in diesen Bereichen in den nächsten Jahren nicht weiter auf Verschleiß fahren, sondern dass die räumlichen Rahmenbedingungen für die Studierenden und die Lehrenden stimmen.

Damit wir den weltweiten Spitzenplatz Baden-Württembergs in der Krebsforschung weiter festigen können, sind außerdem 20 Millionen € für die bauliche Erweiterung des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen in Heidelberg vorgesehen.

Auch in der Aus- und Weiterbildung setzen wir neue Akzen te. Die Digitalisierung ist d i e Chance für die Unterneh men in Baden-Württemberg. Klar ist, dass sich dabei nicht nur die Produktion verändert, sondern auch die Arbeitswelt, die Art und Weise, wie Beschäftigte ihre Aufgaben erledigen.

Deshalb wollen wir dafür sorgen, dass die Beschäftigten den neuen Anforderungen gewachsen sind, die auf sie zukommen. Unser Anspruch muss sein, früh zu gestalten statt notdürftig nachzusteuern. Das heißt, wir brauchen schon heute die rich tigen Impulse für die Aus- und Weiterbildung im digitalen Zeitalter.

Wie so oft hat Baden-Württemberg das Zeug dazu, den ent scheidenden Schritt voraus zu sein, z. B. dank des Konzepts von Lernfabrik 4.0. Hier können Auszubildende, alle, die sich weiterbilden wollen, die Meister- und Technikerkurse besu chen, die Produktion der Zukunft hautnah und in Echtzeit er leben.

Jedem, der die Lernfabrik 4.0 noch nicht kennt, empfehle ich eine Reise nach Göppingen. In der dortigen Gewerblichen Schule haben wir im Januar die erste Lernfabrik 4.0 einge weiht. Jetzt wollen wir dafür sorgen, dass diese Ausbildung 4.0 landesweit möglich ist. Im Nachtragshaushalt sind 4 Mil lionen € für die Förderung solcher Lernfabriken vorgesehen. Ich meine, dieses Geld ist sehr gut angelegt; denn so machen wir die Beschäftigten in unserem Land fit für morgen. So ma chen wir Baden-Württemberg zu dem smarten Standort in Deutschland und in Europa.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir schaffen aber nicht nur Zukunft. Wir stellen uns auch den drängenden Problemen der Gegenwart. Immer mehr Menschen suchen bei uns Zu flucht und Schutz vor Vertreibung und Gewalt. Es ist unsere ethische Pflicht, ihnen zu helfen. Der gesamten Landesregie rung ist bewusst, dass das auch deshalb eine echte Herausfor derung für alle Beteiligten ist, weil niemand ganz genau sa gen kann, wie sich die Zahlen zukünftig entwickeln.

Deshalb ist es umso wichtiger, Vorsorge zu treffen. Dieses Ge bot der Vernunft hat die Landesregierung bereits bei der Auf stellung des Doppelhaushalts berücksichtigt. Doch die aktu ellen Entwicklungen erfordern ein Nachsteuern, erfordern weitere konkrete Veranschlagungen.

Wir stellen mit diesem Nachtragshaushalt sicher, dass die Kreise ihrer Verantwortung auch gerecht werden können. Wir sorgen dafür, dass die Landeserstaufnahmestellen gut ausge stattet sind. Dazu gehört auch, deren Kapazitäten zu erhöhen. Zudem investieren wir in die Beschleunigung der Verfahrens abwicklung. Das entlastet alle Beteiligten.

Wir tun aber noch mehr. Wir wollen diesen Menschen nicht nur Zuflucht und Unterkunft gewähren. Wir wollen ihnen auch eine Perspektive bieten. Deshalb investieren wir in eine ange messene Betreuung und Förderung in den Kinderbetreuungs einrichtungen und in den Schulen. Wir unterstützen die Schaf fung von lokalen Bündnissen. Ferner legen wir ein Sonder programm zur Sprachförderung auf mit dem Ziel der Integra tion von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeitsmarkt. Das eröffnet neue Wege und Perspektiven und leistet einen Bei trag zur Fachkräftesicherung. Das heißt, wir erfüllen damit auch einen wichtigen Wunsch unserer Wirtschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, insgesamt sind für den Be reich der Flüchtlinge rund 365 Millionen € im Nachtragshaus halt veranschlagt. Das sind zweifelsohne beträchtliche Aus gaben. Es besteht aber auch kein Zweifel, dass diese Ausga ben notwendig sind, um handlungsfähig zu bleiben und um die Solidarität in diesem Land auch in Zukunft aufrechtzuer halten.

Um Handlungsfähigkeit, um Sicherheit und um das Mitein ander geht es auch bei der inneren Sicherheit. Es lässt sich bei uns auch deshalb so gut leben, weil sich die Menschen bei uns sicher fühlen können. Baden-Württemberg ist das zweitsi cherste Bundesland direkt nach Bayern. Das verdanken wir vor allem der hervorragenden Arbeit der Polizistinnen und Po lizisten in unserem Land, die auch in Zukunft unsere volle Un terstützung verdienen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Dennoch sorgt die Zahl der Wohnungseinbrüche in letzter Zeit für Verunsicherung. Wenn es um Prävention und um die Auf klärung von Wohnungseinbrüchen geht, leistet unsere Polizei schon heute gute und harte Arbeit. Wir wollen, dass diese Ar beit in Zukunft noch erfolgreicher wird, indem wir 226 Stel len verstetigen und indem wir im Jahr 2016 zusätzliche 100 Ausbildungsstellen schaffen.

Wir nehmen aber nicht nur die Berichte über Wohnungsein brüche, sondern auch die Angst vor Anschlägen ernst – dies aber nicht erst seit den Terrorwarnungen in Braunschweig im Februar dieses Jahres.

Deswegen hat der Nachtrag auch ein Sonderprogramm zur Bekämpfung des islamistischen Terrors zum Gegenstand. Wir schaffen 105 neue Stellen bei der Polizei und zusätzliche Stel len beim Verfassungsschutz. Wir stellen in diesem und im nächsten Jahr für zusätzliche Investitionen bei der Polizei 11 Millionen € bereit. Mit der personellen Stärkung der Jus tiz erreichen wir eine schnellere Bearbeitung von Verfahren.

All dies dient dazu, dass die Bürgerinnen und Bürger, die Fa milien in Baden-Württemberg sich sicher fühlen. Wir sorgen für mehr Sicherheit in Baden-Württemberg.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Verehrte Damen und Herren, dieser Nachtrag setzt nicht nur richtige und wichtige neue Akzente, sondern er schreibt auch den vernünftigen und vorausschauenden haushaltspolitischen Kurs dieser Landesregierung fort. Das wird schon allein da durch deutlich, dass wir diesen Nachtrag ohne die Aufnahme von neuen Krediten stemmen werden.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Klaus Herrmann CDU)

Zweifelsohne decken wir mit diesem Nachtrag ein breites Themenspektrum ab. Doch eines werden Sie in diesem Haus halt wie auch schon im letzten Doppelhaushalt und in den Haushalten zuvor nicht finden, nämlich irgendwelche Wahl geschenke oder so etwas. Nein.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Nein! – Zu ruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU – Unruhe bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)

Wir machen keine Klientelpolitik. Wir versprechen auch nicht bei jedem Besuch irgendeiner gesellschaftlichen Gruppe das Blaue vom Himmel.

(Zurufe von der CDU: Nein!)

Vielmehr schaffen wir mehr Chancen für alle Menschen in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Wir bedienen keine Einzelinteressen.

(Unruhe bei der CDU und der FDP/DVP)

Wir sorgen für einen Bildungsaufbruch, der allen jungen Men schen in Baden-Württemberg zugutekommt. Wir sorgen für Sicherheit in der Fläche des Landes. Wir sorgen für gute Ver kehrsanbindungen in der Fläche des Landes. Wir zementieren in Baden-Württemberg keine Privilegien für Einzelne. Wir machen Baden-Württemberg lebenswerter für alle.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Insofern erkennen Sie, dass dieser Nachtrag für mehr Chan cen für alle, für mehr Bildung für die jungen Menschen und für mehr Lebensqualität für die Bürgerinnen und Bürger steht. Ich meine, daran sollte uns allen gelegen sein. Deswegen bit te ich Sie um Ihre Unterstützung in den weiteren Beratungen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Herren, für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von zehn Mi nuten je Fraktion festgelegt.

Ich erteile das Wort dem Kollegen Wolf.

Verehrter Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Herr Finanzminister, der bemerkens werteste Satz Ihrer Einbringungsrede war, dass dieser Nach tragshaushalt den vernünftigen und soliden haushaltspoliti schen Kurs der Landesregierung fortsetzen wird.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Genau!)

Das war die falscheste Interpretation eines Nachtragshaus halts, durch den wir – bei anderer Ausgestaltung – schon heu te in der Lage sein könnten, in diesem Land zu einer Netto nullverschuldung zu kommen. Dieser Nachtragshaushalt ist einmal mehr Beweis einer unseriösen Haushaltspolitik, die darauf setzt, jetzt Schulden aufzunehmen, aus dem Füllhorn zu schöpfen, und erst rechtzeitig vor der Landtagswahl die Nullneuverschuldung zu erreichen. Das ist keine seriöse Fi nanzpolitik für Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Herr Finanzminister, Sie hätten jetzt und heute einmal mehr die Gelegenheit gehabt, die Nettonullverschuldung zu errei chen. Das Minimum, das Minimalziel dessen, was man auch aus diesem Nachtrag machen könnte, ist, dass zumindest die zusätzlichen 400 Millionen € rechnerischer Überschuss aus dem Jahr 2014 genutzt werden, um Schulden abzutragen. Aber Ihre Strategie ist eine andere. Sie wollen, dass die Nettonull verschuldung am Tag der Landtagswahl noch riecht, dass der Kuchen noch duftet. Der Kuchen der Nettonullverschuldung muss am Tag der Landtagswahl noch duften. Deswegen bleibt er so lange im Backofen.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Da kann er leicht verbrennen!)

Ein Kuchen, der zu lange im Backofen bleibt, der verbrennt. Ihre Nettonullverschuldung kurz vor der Landtagswahl riecht verkohlt und ist Ausdruck einer unseriösen Haushaltspolitik in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Kein Mensch in diesem Land wäre auch nur annähernd auf die Idee gekommen, dass Grün-Rot im Moment unterwegs sein könnte, Wahlgeschenke zu verteilen. Seien wir einmal ganz ehrlich, Herr Finanzminister: Das soll es in früheren Jah ren auch schon gegeben haben, dass Landesregierungen Wohl taten nicht erst 14 Tage nach der Wahl verteilt haben. Aber dass man zuvor so viele neue Schulden aufnimmt, um dann in dieses finanzpolitische Desaster hineinzulaufen, das ist neu. Das ist Marke Grün-Rot in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Problem ist ja nicht so sehr, was Sie mit diesem Nach tragshaushalt finanzieren wollen.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Aha! – Zurufe von den Grünen und der SPD)

Ja, meine Damen und Herren. Geben Sie mir die Chance, auch Gemeinsamkeiten aufzuzeigen. Auch wir sind der Mei nung, dass im Bereich der Flüchtlingsunterbringung nachge legt werden muss. Aber unsere Kritik setzt da an, dass es nicht möglich ist, dies mit einer seriösen Finanzpolitik zu verbin den, die jetzt auf Nullneuverschuldung setzt. Dass Sie die an

geblichen Erblasten, von denen Sie immer sagten, Sie hätten sie von uns übernommen, in die Zukunft verlagern, auch das ist eine Botschaft an die Bevölkerung: Hier wird zulasten nachfolgender Generationen auf Pump gelebt.