Jetzt machen wir weiter in der Reihenfolge der Redner. Es spricht Herr Kollege Drexler für die SPD-Fraktion.
Man hätte es gar nicht besser inszenieren können, Herr Präsident, um zu erreichen, dass beim Thema Schuldenbremse nun so viele zuhören.
Ich will Ihnen nur noch einen Tipp geben. Ich habe solche Vor haben viele Jahre lang auch zu organisieren versucht. Bei uns ist das mehrfach gelungen.
Doch, doch. Sie müssen es unauffälliger machen. In dem Moment, in dem Sie und Herr Rülke durch die Reihen gehen, wissen wir, was Sie vorhaben. Das müssen Sie also irgendwie anders machen.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Thomas Blenke CDU: Danke für den Hin weis! – Abg. Volker Schebesta CDU: Aber ihr wart bei der Abstimmung noch nicht da!)
(Abg. Volker Schebesta CDU: Aber der Finanzminis ter sollte trotzdem da sein, oder? – Zuruf des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ganz gut, dass uns heu te die beiden Gesetzentwürfe zur Änderung der Verfassung vorliegen, weil wir schon einmal versucht haben, eine solche Debatte zu führen. Damals waren CDU und FDP/DVP natür lich nicht bereit, eine Schuldenbremse in die Landesverfas sung aufzunehmen. Jetzt sind sie bereit, und die SPD-Frakti on ist dazu auch bereit.
Ob es jetzt unbedingt diese von Ihnen begehrten Formulierun gen sein müssen, muss sicherlich in den Beratungen festge stellt werden. Ich will auch gleich darauf zu sprechen kom men, um was es geht und was wir vielleicht unter „normalen“ Haushalten verstehen. Das ist eine ganz interessante Formu lierung. Was verstehen wir unter einem „normalen“ Haushalt?
Nun muss man einmal die Rahmenbedingungen sehen, die in der Föderalismuskommission vorhanden waren. Diese ist ein berufen worden mit dem Ziel, Haushalte nachdrücklich und nachhaltig zu stabilisieren. Sie ist auch einberufen worden, um zu klären: Sind denn die Länder finanziell richtig ausge stattet?
Sie sind eben nicht richtig ausgestattet, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie haben seit dem Jahr 2000 ständig neue Aufga ben übernommen: Kleinkindbetreuung, Ganztagsschule. All diese Dinge sind im Finanzausgleich zwischen Bund und Län dern bei den Steuern im Grunde nicht berücksichtigt worden.
Man hat dann in der Föderalismuskommission vonseiten der Länder gesagt: „Wenn der Bund nicht bereit ist, z. B. bei der Umsatzsteuer die Verteilung auf 49 % für die Länder und
51 % für den Bund zu ändern, dann wollen wir eigene Steu ern.“ Darüber ist im Übrigen einmal hier im Landtag überein stimmend diskutiert worden. Deswegen haben dann vor allem Herr Kollege Kretschmann und ich mit Unterstützung des Mi nisterpräsidenten Oettinger versucht, den Vorschlag, die Ver mögensteuer und die Grunderwerbsteuer als eigene Steuerar ten der Länder vorzusehen, in die Beratungen der Föderalis muskommission einzubringen.
Da muss ich Ihnen halt sagen, liebe Kolleginnen und Kolle gen: Da sind wir auf Bundestagsabgeordnete gestoßen, die nicht wollten, dass die Länder mehr Rechte bekommen. Aber wir sind auch auf Kolleginnen und Kollegen in den neuen Bundesländern gestoßen, die völlig ablehnen, dass es einen gewissen Wettbewerb zwischen den Bundesländern gibt. Wir sind immer der Auffassung gewesen: Es muss zwischen den Bundesländern auch einen gewissen Wettbewerb geben.
Also gab es den Kompromiss, die Grunderwerbsteuer so aus zugestalten, dass die Länder rechtlich zuständig sind und un terschiedliche Hebesätze festlegen können. Wir wissen aber, dass da nicht arg viel zu machen ist.
Die Vermögensteuer hingegen wäre durchaus etwas gewesen. Deswegen sage ich: Die Voraussetzungen in der Föderalis muskommission haben sich zum Schluss zum Nachteil der Länder verändert, weil wir weder die Vermögensteuer noch eine andere Steueraufteilung bekommen haben.
Jetzt muss man natürlich über einen Haushalt und dessen Strukturen sprechen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Dr. Rülke, das eigentliche Problem ist: Wir haben – das können Sie nicht bestreiten – einen unheimlichen Nachholbe darf, was Investitionen angeht. Ich erwähne den Bereich Hochschulen und Universitäten. Ich erwähne auch den Lan desstraßenbau; es gibt plötzlich zuhauf Anträge, in den Stra ßenbau zu investieren. Ich erwähne auch den Hochwasser schutz. All das sind wichtige Investitionen.
Andere Bundesländer tätigen ihre Investitionen so, dass sie im Jahr 2020 über einen normalen Haushalt einen Teil ihrer Investitionen finanzieren können. So weit sind wir in BadenWürttemberg meiner Meinung nach nicht.
Wenn es Ihnen als Opposition jetzt nicht länger darum geht, in der Öffentlichkeit zu sagen: „Die wollen keine richtige Schuldenbremse; sie wollen sie nicht 2016, sondern erst 2020“, wenn Sie davon abkommen und ernsthaft gewillt sind, mit uns gemeinsam eine Verfassungsänderung zu betreiben, dann müssen wir gemeinsam darüber nachdenken, ob das Land Baden-Württemberg in der Lage ist, über einen norma len Haushalt in einem normalen Zyklus sowohl den Haushalt zu bedienen als auch die notwendigen Investitionen vorzu nehmen.
Darum geht es, und deshalb gibt es ganz unterschiedliche ver fassungsrechtliche Vorschriften in den Landesverfassungen.
Ich will Ihnen einmal sagen, was mich überrascht hat. In der vergangenen Woche haben Sie von der FDP/DVP und der CDU – wahrscheinlich war der frühere Finanzminister, der der CDU-Fraktion angehört, Kollege Stratthaus, nicht betei
ligt – das strukturelle Defizit unseres Haushalts innerhalb ei nes Tages um über 800 Millionen € erhöht. Um über 800 Mil lionen €! Sie haben auf der einen Seite verlangt, das Land sol le 500 Millionen € der Steuerentlastung tragen – Beiträge Ih rer Seite –, und auf der anderen Seite haben Sie gesagt, es wä re gut, wenn 350 Millionen € für die Kitas an die Kommunen gegeben würden. Gleichzeitig haben Sie aber gesagt, dass Sie die Erhöhung des Grunderwerbsteuersatzes um 1,5 Prozent punkte nicht mittragen wollen, weil sie schädlich sei. Das heißt: 350 Millionen € drauf, 500 Millionen € weniger – Sie haben dem Haushalt innerhalb eines Tages strukturell über 800 Millionen € mehr auferlegt.
Wenn ich jetzt davon ausgehe, dass wir ein strukturelles De fizit von 1,5 bis 2 Milliarden € haben, dann heißt das, dass Sie innerhalb eines Tages das strukturelle Defizit auf 2,8 Milliar den € erhöht haben.
Wer von einer Schuldenbremse redet, der muss sein tägliches Handeln im Parlament natürlich danach ausrichten, liebe Kol leginnen und Kollegen.
Wir werden dieses strukturelle Defizit – es beträgt nach mei ner Einschätzung mindestens 1,5 Milliarden € – auch in die sem Jahr verringern; wir werden es in diesem Jahr wahr scheinlich um 30 Millionen € reduzieren können. Wenn Sie das strukturelle Defizit jetzt ausweiten, müssen Sie sehen, dass wir in Zukunft möglicherweise 150 oder 200 Millionen € da von abbauen müssen. Das ist eine Riesenleistung, die das Land Baden-Württemberg erbringen muss.
Dabei ist noch gar nicht einmal erwähnt, dass wir auch Kon solidierungshilfen an andere Bundesländer zahlen. SchleswigHolstein, Bremen, Sachsen-Anhalt und das Saarland bekom men von uns und von allen übrigen Bundesländern Zuschüs se – und zwar jährlich –, damit sie im Jahr 2020 überhaupt ei nen Haushalt ohne Nettoneuverschuldung vorlegen können. Das Land Baden-Württemberg zahlt – auch das ist ein Ergeb nis der Föderalismuskommission – derzeit 52 Millionen € pro Jahr. Das heißt, in den nächsten zehn Jahren zahlen wir ins gesamt eine halbe Milliarde Euro an andere Bundesländer. Das ist der dritte Finanzausgleich, der in diesem Fall der Hil fe für die finanzschwachen Länder dient.
Deswegen muss ich auch deutlich sagen, Herr Hauk: Ich wür de es ziemlich komisch finden, wenn Schleswig-Holstein und das Saarland einer Steuerreduzierung zustimmen, gleichzei tig aber von uns Geld bekommen, damit sie in zehn Jahren ei ne Nullneuverschuldung hinbekommen.
Wir haben gar nichts gegen Steuererleichterungen und Steu erreduzierungen. Nur muss dann der Bund an anderer Stelle
Kalte Progression. Wenn man sie bei niedrigen und mittle ren Einkommen beseitigen will, muss man bei den anderen, die sehr viel verdienen, etwas wegnehmen. Dann belasten wir die Bundesländer nicht. Das kann man auch so machen.
Im Übrigen hat damals der Kommissionsvorsitzende Oettin ger bei seiner Rede zum Ergebnis immer wieder gesagt: Vor aussetzung für die Bundesländer ist, dass ihre Steuereinnah men nicht durch Steuerentlastungen reduziert werden. Das muss man immer wieder sagen. Wer über Steuerentlastungen nachdenkt, muss wissen, dass man das nicht zulasten der Bun desländer machen darf. Denn wir müssen eine Nullneuver schuldung erreichen. Der Bund kann immerhin bis zu einer Höhe von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts Schulden ma chen. Das ist ein Betrag von 10 bis 16 Milliarden €.
Insofern finden wir es gut. Wir laden Sie ein, da mitzumachen. Denn eine Verfassungsänderung in diesem Ausmaß kann man nur gemeinschaftlich vornehmen. Man muss immer auch da ran denken, dass man vielleicht noch einmal an die Regierung kommt, Herr Hauk und Herr Dr. Rülke.
Deshalb müssen die Schuldenbegrenzung und die Schulden bremse in der Verfassung so formuliert sein, dass ein großes Industrieland wie Baden-Württemberg flexibel reagieren kann.