Wer Artikel 4 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist Artikel 4 einstimmig zugestimmt.
Wer Artikel 5 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist Artikel 5 einstimmig zugestimmt.
Wer Artikel 6 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist Artikel 6 einstimmig zugestimmt.
lautet: „Gesetz zur Schaffung einer grundgesetzkonformen Rechtsgrundlage für den Vollzug der Sicherungsverwahrung in Baden-Württemberg“. – Sie stimmen der Überschrift zu.
Wer dem Gesetz im Ganzen zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dem Gesetz ist einstimmig zugestimmt.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Wir beraten heute in der zweiten Lesung den Entwurf des Gesetzes zur Neuregelung der Sicherungsverwahrung. Die CDU-Fraktion hält den vorliegenden Gesetzentwurf insge samt für gelungen und wird ihm daher zustimmen. Wir müs sen bis zum 31. Mai 2013 rechtmäßige Zustände in der Siche rungsverwahrung schaffen. Dieses Ziel wird erreicht.
Schon bei der Ersten Beratung des Entwurfs habe ich an die ser Stelle deutlich gemacht, dass ich über einen Punkt des Ent wurfs nicht glücklich bin: Das ist die Abschaffung der Arbeits pflicht für die Untergebrachten. Ich halte das nach wie vor für ein falsches Signal sowohl gegenüber den Untergebrachten als auch in die Gesellschaft hinein. Lassen Sie mich diesen Punkt noch einmal vertiefen.
Fakt ist, dass wir die Arbeitspflicht im Strafvollzug haben. Fakt ist, dass wir sie derzeit auch in der Sicherungsverwah rung haben. Fakt ist, dass die Arbeitspflicht im Justizvollzug einen unverzichtbaren Beitrag zur Resozialisierung leistet.
Ich habe im Ständigen Ausschuss den Antrag gestellt, die Ar beitspflicht in geänderter Form zu erhalten. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, haben mir daraufhin erklären wollen, es gäbe verfassungsrechtliche Gründe, die dagegen sprechen. Ich will meinen Antrag hier nicht noch einmal stel len, denn das wäre sinnlos. Sie haben die Mehrheit. Aber ich
Dass Strafhaft und Sicherungsverwahrung zwei Paar Schuhe sind, wissen wir. Der Strafgefangene ist eingesperrt, weil er eine Straftat begangen hat. Der Untergebrachte wird einge sperrt, weil von ihm eine Gefahr ausgeht. Er wird nicht ein gesperrt, weil er psychisch krank ist. Er wird nicht eingesperrt, weil er psychisch gestört ist. Er ist gesund und gefährlich, und deshalb ist er in der Sicherungsverwahrung.
Strafhaft und Sicherungsverwahrung haben also einen unter schiedlichen Grund. Sie dienen aber beide dem Ziel der Re sozialisierung. Für die Strafhaft folgt das aus § 1 des Dritten Buches des Justizvollzugsgesetzbuchs, für die Sicherungsver wahrung haben Sie es in § 1 des Entwurfs hineingeschrieben. Außerdem soll durch die Sicherungsverwahrung die Gefähr lichkeit des Untergebrachten gemindert werden.
Warum soll dann die Arbeitspflicht in der Strafhaft erlaubt und in der Sicherungsverwahrung verboten sein?
Nun hat das Bundesverfassungsgericht einen Satz ausgespro chen, an den Sie, meine Damen und Herren, sich klammern. Es hat ausgeführt, die Sicherungsverwahrung sei „überhaupt nur dann zu rechtfertigen, wenn der Gesetzgeber bei ihrer Ausgestaltung dem besonderen Charakter des in ihr liegen den Eingriffs hinreichend Rechnung und dafür Sorge trägt, dass über den unabdingbaren Entzug der ‚äußeren‘ Freiheit hinaus weitere Belastungen vermieden werden“. Wenn Sie diesen Satz für sich nehmen, dann steht da, dass man nur noch einsperren darf und sonst nichts. Dann dürfte man aber auch nicht verlangen, dass die Untergebrachten an ihrer Behand lung mitwirken. Das aber tut Ihr Gesetzentwurf in § 8 Absatz 2 Satz 3.
Man kommt also nicht darum herum, im Urteil drei Sätze wei terzulesen. Denn dort sagt das Gericht dann, es bedürfe „ei nes freiheitsorientierten Gesamtkonzepts der Sicherungsver wahrung mit klarer therapeutischer Ausrichtung auf das Ziel, die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr zu minimie ren und auf diese Weise die Dauer der Freiheitsentziehung auf das unbedingt erforderliche Maß zu reduzieren“.
Das führt mich zurück auf meinen Ausgangspunkt. Wir dür fen die Arbeitspflicht nicht als Zwangsarbeit zum Abbau ei ner Schuld begreifen. Wir müssen ihren therapeutischen Wert anerkennen. Wir müssen sie als das ansehen, was sie ist: ein Mittel zum Abbau von Gefährlichkeit u n d zur Resoziali sierung. Wir müssen sie also einordnen in den therapeutischen Auftrag, den uns das Gericht vorgibt.
Dass die Arbeitspflicht einen Platz in der Sicherungsverwah rung haben kann, lässt das Gericht auch erkennen. Es hat näm lich genaue Hinweise zur Ausgestaltung der Sicherungsver wahrung gegeben. Es hätte leicht erklären können, die Arbeits pflicht sei mit dem Abstandsgebot unvereinbar. Das hat das Gericht nicht getan. Vielmehr hat es schon 1998 die Arbeits pflicht in der Sicherungsverwahrung für zulässig gehalten. Dieses Urteil wird nun sogar an zwei Stellen zitiert, ohne dass das Gericht sich hiervon distanziert. Und auch der Europäi sche Gerichtshof für Menschenrechte fordert keine Abschaf fung der Arbeitspflicht.
Es bleibt Ihnen das Lemming-Argument: Die anderen machen es doch auch so. Allerdings haben viele der anderen Lemmin ge auch noch andere Motive als die Furcht vor dem Bundes verfassungsgericht. Denn andere Bundesländer wollen die Ar beitspflicht auch schon im Strafvollzug abschaffen. Man ist dort schlichtweg nicht in der Lage, genügend Arbeit für die Gefangenen zu beschaffen. Deshalb hat man dort gar kein In teresse mehr an der Arbeitspflicht.
Sie selbst, Herr Justizminister, haben schon bekundet, diesem Beispiel nicht folgen zu wollen. Dann hätten Sie jetzt auch hier so standhaft sein sollen.
Ich komme zum Schluss. Wir haben Ihnen vorgeschlagen, wie der Gesetzentwurf noch besser werden kann, nämlich dadurch, dass Absatz 1 in § 42 gestrichen wird; denn davon geht eine falsche Botschaft aus. Das haben Sie abgelehnt. Das müssen wir, das muss leider auch ich akzeptieren. Lassen Sie uns nun zusammenwirken, um die große Akzeptanz der Sicherungs verwahrung in Baden-Württemberg gemeinsam zu erhalten und zu festigen. Wir wissen alle, dass die großen Bewährungs proben noch vor uns liegen.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema Sicherungsverwahrung, nun Sicherungsunterbringung genannt, treibt Politik und Justiz seit Langem um. Zu Recht, geht es doch um die überaus schwie rige Balance zwischen individuellen Freiheitsrechten und dem überaus nachvollziehbaren Sicherheitsbedürfnis der Gesell schaft. Trotz aller medialen Aufregung gilt der Artikel 1 un seres Grundgesetzes auch für Sicherungsuntergebrachte. Er lautet:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Ich habe es bei der Ersten Beratung bereits ausgeführt: Es wirft kein gutes Licht auf die Bundesregierung, dass es erst des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 bedurfte, um die Einhaltung dieses zentralen Artikels unserer Verfassung sicherzustellen. Das fällige Bundesgesetz hat vor einer Woche den Bundestag passiert. Ob und wie die Belan ge der Länder berücksichtigt werden, bleibt abzuwarten. Klar ist, dass es nicht sein kann, gewissermaßen eine Beweislast umkehr zu fordern, wie die bayerische Regierung dies via Presse tat. Einen Nachweis der Ungefährlichkeit als Entlas sungsvoraussetzung zu fordern, verträgt sich meines Erach tens nicht mit dem Rechtsstaat.
In unserem föderalen System passiert es hin und wieder, dass Interessen des Bundes und der Länder differieren. So ist es auch hier: Der Bund würde sich relativ leicht damit tun, den Verzicht auf jegliche Sicherungsunterbringung anzuordnen – müssen doch die Polizeikräfte der Länder dann Präsenz zei gen, um Straftaten abzuwenden. Dafür gibt es auch die Ein sprüche des Bundesrats. Ich bin zuversichtlich, da eine gute Lösung hinzubekommen.
Eines, meine Damen und Herren, geht jedoch nicht, nämlich das Thema für den Wahlkampf zu missbrauchen, wie das ge rade in Bayern der Fall zu sein scheint. Es wäre moralisch ver werflich und der Sache nicht förderlich, die Stimmung aufzu heizen und für eine Regelung zu agitieren, die vor dem Bun desverfassungsgericht im Zweifel nicht bestehen würde. Ich
Aber zurück nach Baden-Württemberg. Ich will es erneut be tonen: Es geht bei der Sicherungsverwahrung um Menschen, die ihre Strafe bereits verbüßt haben. Das Gebot des Abstands zur Haft ist nicht nur verfassungsrechtlich vorgeschrieben, sondern auch sachlich geboten. Ebenso richtig ist es, eine Ent lassung auch aus der Sicherungsverwahrung als Ziel auszu geben, sobald diese von der Sicherheit her unbedenklich ist. Deshalb wurden bereits im Vorgriff auf diese Neuregelung im Haushalt 16 Personalstellen für Therapeutinnen und Thera peuten sowie im Bereich der Sozialarbeit ausgewiesen.
Aber auch die Umstände der Unterbringung müssen wir an passen. Das Abstandsgebot besagt, dass die Unterbringung deutlich anders gestaltet sein muss als die Haft selbst. Schließ lich ist die Haft bereits verbüßt. Es handelt sich daher um ei nen schwerwiegenden Eingriff in die Freiheit der nicht mehr strafgefangenen Betroffenen.
Daher ist es völlig richtig, das Ziel auszugeben, die Lebens bedingungen an die in der Freiheit anzugleichen, soweit es or ganisatorisch überhaupt möglich ist. Gemeint sind damit vor allem die Wohnsituation und Außenkontakte, Möglichkeiten, Geld zu verdienen und auszugeben und vieles mehr. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, es handelt sich aus drücklich um Möglichkeiten. Einen Arbeitszwang, wie Sie ihn gefordert haben, kann und darf es nicht geben. Wir reden hier schließlich nicht über Häftlinge.
Meine Damen und Herren, auch im Bereich der Strafen gilt das Feuerwehrmotto: Ein Brand lässt sich leichter verhindern als löschen. Daher muss unser Augenmerk weiterhin darauf liegen, mit Mitteln der Sozial- und Bildungspolitik Straftaten gar nicht erst geschehen zu lassen und Häftlinge von Wieder holungstaten abzubringen. Daran müssen und werden wir auch weiter arbeiten. Aber für besonders extreme Einzelfälle brauchen wir eben auch die Sicherungsunterbringung. Meine Fraktion wird dem Entwurf daher zustimmen.