Wir brauchen ein Tariftreuegesetz, wenn wir die Sorgen und Nöte der Menschen ernst nehmen und um den Menschen, die aufgrund des Lohndumpings zum Sozialamt gehen und auf stockende Leistungen beantragen müssen, diesen Gang zu er sparen. Es darf nicht sein, dass Unternehmen Dumpinglöhne zahlen und der Steuerzahler etwas drauflegt. Das geht nicht. Wir brauchen einen fairen Wettbewerb.
Sehr geehrter Herr Kol lege Schoch, eine kurze Frage: In welchen Bereichen in Ba den-Württemberg ist das Thema Dumpinglöhne denn aktuell?
Wir erfahren, dass Dum pinglöhne immer wieder in den Kommunen ein Thema sind. Ich bin Kommunalpolitiker. Diese Tätigkeit als Kommunal
dass teilweise so billig angeboten wird, dass Unternehmen bzw. Handwerksbetriebe, die ihre Mitarbeiter gut bezahlen, keine Chance bei Vergaben haben. Diese wenden sich aber nicht an die Vergabekammer, weil jeder weiß, dass dieser Weg nicht unbedingt zum Erfolg führt.
Diese Problematik zeigt sich leider Gottes nicht nur in einer Branche, sondern in vielen Branchen. Es ist noch kein Jahr her, dass ich bei der Vergabe eines Auftrags für Fenster in ei ner Schule erlebt habe, dass der billigste Anbieter fast 10 000 € billiger war als der zweitbilligste Anbieter. Vielleicht sollte man irgendwann einmal dazu kommen, wie in der Schweiz nicht den billigsten, sondern den zweit- oder den drittbilligs ten Anbieter zu wählen. Dadurch könnte das Problem viel leicht ein bisschen eingedämmt werden.
Momentan hilft aber nur dieses Tariftreue- und Mindestlohn gesetz, um diesen Missstand zu beseitigen.
Um noch einmal darauf zurückzukommen – meine Redezeit ist aufgrund dieser Frage nun abgelaufen –: Mit diesem Ge setz sorgen wir dafür, dass faire Wettbewerbsbedingungen ein geführt werden. Wir sorgen dafür, dass Handwerk und Unter nehmen vernünftige Rahmenbedingungen haben, und wir sor gen dafür, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben vernünftig bezahlt werden.
Was meiner Meinung nach gerade für dieses Gesetz – weil auch von Gewerkschaftsseite wie von Unternehmerseite vie les kritisiert worden ist – wichtig ist, ist die Evaluierung. Die se Evaluierung ist auch vorgesehen. Ich bin davon überzeugt, dass die Evaluierung noch das eine oder andere hervorbrin gen wird. Aber wir haben mit dem Gesetz jetzt den Anfang gemacht und hoffen natürlich auch, dass im Herbst bei den Bundestagswahlen Grün-Rot an die Regierung kommt
(Lachen des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Sieht ganz so aus! Mit Steinbrück sicher!)
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen, sehr verehrte Damen und Herren! Lieber Herr Löffler, es geht nicht um rosa Elefanten, sondern um Ver antwortung, die wir gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Unternehmern und auch gegenüber dem Geld, über das das Land verfügt, wahrnehmen. Wenn wir sei
tens der öffentlichen Hand Aufträge vergeben, dann bezahlen wir das nämlich mit dem Geld der Steuerzahler. Das ist das Geld der Unternehmer und Arbeitnehmer. Wir nehmen es ih nen weg und sind natürlich im Gegenzug dazu verpflichtet, mit dem Geld sorgfältig, sparsam und wirtschaftlich umzuge hen.
Aus gutem Grund schreibt man deshalb öffentliche Aufträge aus und vergibt sie an den wirtschaftlichsten Bieter. Doch wer schon einmal Angebote eingeholt und verglichen hat, weiß: Das billigste Angebot – wir haben es gerade schon gehört – ist oft nicht das wirtschaftlichste.
Sowohl das Land als auch die Kommunen müssen leider oft dem sogenannten billigen Jakob den Zuschlag geben. Die Kosten für diese vermeintlichen Einsparungen zahlen dann alle, nämlich Kaufleute und Handwerker, die mit unlauteren Methoden unterboten werden, die ausgebeuteten Arbeitneh merinnen und Arbeitnehmer, denen nur Niedriglöhne gezahlt werden, und auch der Staat, der nämlich die sozialen Folge kosten zu tragen hat.
Dies wollen wir ändern. Wir wollen damit Schluss machen, dass Ausbeuter, Lohndrücker und Sozialbetrüger auch noch mit öffentlichen Aufträgen belohnt werden.
Wir wollen stattdessen das Rückgrat unserer Wirtschaft, näm lich die mittelständischen Unternehmen, stärken, indem wir den unlauteren Wettbewerb einschränken.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nutzen wir deshalb un seren landesrechtlichen Spielraum aus. Der Entwurf, über den wir heute abstimmen, ist das Ergebnis eines umfassenden An hörungs- und Diskussionsprozesses. In mehrstufigen Verfah ren haben wir die Positionen von betroffenen Verbänden ge hört. Alle Details sind auf ihre Wirkungen und Nebenwirkun gen überprüft worden.
Wir haben natürlich – Sie haben es deutlich gemacht – auch von den Arbeitgeberverbänden Kritik erhalten, vor allem be zogen auf die Festlegung des Mindestlohns. Wir haben aber von den Gewerkschaften oder Verkehrsbetrieben viel Lob ge erntet und noch stärkere Forderungen im Hinblick auf weite re soziale oder ökologische Kriterien gehört, die im Gesetz Berücksichtigung finden sollten.
Wir haben uns – wir haben es gerade auch schon gehört – für einen Weg entschieden, der die Belange der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber berücksichtigt. Wir haben ein schlankes Ge setz, das das für uns Wichtigste, aber eben nicht alles regeln will.
Dennoch haben wir nach der Anhörung nachgebessert und nicht verschlimmbessert. Wir haben aus Gründen der Trans parenz und der Kontrollierbarkeit das Mindestentgelt als re gelmäßiges Grundgehalt auf 8,50 € festgelegt. Das kommt nicht nur den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern entgegen, sondern erleichtert auch die Nachweispflicht für die Unter nehmen, weil das viel einfacher zu handhaben ist.
Damit bin ich schon bei der Nachweispflicht, einem vehemen ten Kritikpunkt. Herr Löffler, Sie haben es auch deutlich ge macht. Ich kenne viele Unternehmen in meinem Wahlkreis
Singen an der Schweizer Grenze, die sich um Aufträge in der Schweiz bemühen. Die Schweiz hat nun nicht den Ruf, be sonders unternehmerfeindlich zu sein. Dennoch verlangt sie Nachweise, dass die deutschen Anbieter ihre einheimischen Konkurrenten nicht mit unlauteren Methoden oder Sozial dumping unterbieten. Notwendig sind viele Meldungen, und zwar im Voraus. Doch dadurch wird der Schweizer Markt für die Unternehmer nicht etwa weniger attraktiv. Vielmehr ler nen die Unternehmen im Land damit umzugehen. Sie sehen in der geplanten Regelung in Baden-Württemberg daher kei ne Belastung, die nennenswert über das hinausgeht, was für die solide Kalkulation eines Angebots ohnehin erforderlich ist.
Der Gesetzentwurf ist also keineswegs ein bürokratisches Monster – auch wenn Sie nicht müde werden, dies so darzu stellen. Er ist auch kein Symbol staatlicher „Fettsucht“, so, wie Sie dies in Ihrem „Adipositas“-Antrag beschrieben ha ben. Vielmehr erhalten wir ein praktikables Gesetz, mit dem die Unternehmen sowie die Verwaltungen wirtschaftlich und effizient anbieten können.
Woher kommt der Widerstand, den Sie diesem Gesetzentwurf dennoch entgegenbringen? Um es auf den Punkt zu bringen: Es hat den Anschein, als lehnten Sie nicht nur den Mindest lohn ab, sondern widersetzten sich auch einer leistungsgerech ten Bezahlung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
das zeigt auch der Blick auf den Armutsbericht, der deutlich macht, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer wei ter auseinanderklafft.
Wir brauchen eine soziale Marktwirtschaft; denn niedriger Lohn ist kein gerechter Lohn, und billige Arbeit ist keine gu te Arbeit.
Das gesamte Gesetzgebungsverfahren hat gezeigt: Mit dem Tariftreue- und Mindestlohngesetz stärken wir die Wirtschaft in unserem Land, weil wir dem ehrlichen Kaufmann, den ehr lichen Unternehmen eine faire Chance geben. Das Gesetz ver dient daher eine breite Zustimmung.
Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! SPD und Grüne haben auf Bun desebene schon so manchen Versuch unternommen – auch jetzt aktuell wieder –, einen allgemeinen, flächendeckenden Mindestlohn in Höhe von 8,50 € einzuführen. Nun wird deut lich, dass sie zumindest in dieser Legislaturperiode nicht die
Chance haben, dies auf Bundesebene zu realisieren. Jetzt kommt, quasi ersatzweise, in Baden-Württemberg dieser Min destlohn durch die Hintertür.
Die allgemeinen, flächendeckenden Mindestlöhne – das hat Ihnen jüngst auch wieder der Chef der Wirtschaftsweisen ins Stammbuch geschrieben, ähnlich wie bereits sein Vorgänger, Professor Franz – sind etwas, was zunächst gut klingen mag, was aber auf den zweiten Blick außerordentlich gefährlich ist. Als Sie auf Bundesebene Regierungsverantwortung hatten, haben Sie dies auch eingesehen; denn in den sieben Jahren der rot-grünen Regierung auf Bundesebene wurden eben keine allgemeinen, flächendeckenden Mindestlöhne eingeführt.
Es ist auch einleuchtend, warum es nicht dazu kam: Diese Mindestlöhne sind entweder zu hoch – dann vernichten sie Arbeitsplätze –, oder sie sind zu niedrig – dann sind sie völ lig wirkungslos. Wenn es aber um Populismus geht, etwa im Vorfeld von Bundestagswahlen, interessiert Sie dies nicht we sentlich; dann geht es eben darum, auf Stimmungen zu reagie ren und bestimmte Interessen zu bedienen.
Wenn man sich nun das, was Sie vorgelegt haben, anschaut, sieht man, dass die Reaktionen ziemlich eindeutig sind. Neh men wir etwa die Industrie- und Handelskammern. Diese le gen Wert auf die Feststellung, dass keine Beschwerden über Wettbewerbsverzerrungen in Baden-Württemberg vorliegen, insbesondere nicht aufgrund zu geringer Entlohnung – auf die Zwischenfrage des Kollegen Haußmann kam vorhin ja auch nichts Konkretes. Im Gegenteil: Die IHKs warnen vor mehr Bürokratie und vor nachlassendem Wettbewerb infolge die ses – wie Sie, Herr Kollege Storz, es zu Recht tituliert haben – „bürokratischen Monsters“.
Der hohe Aufwand für die Betriebe und die Mehrkosten für die öffentliche Hand sind das, was die Industrie- und Handels kammern bei diesem Gesetz eindeutig abschreckt. Dasselbe gilt für die Landesarbeitgebervereinigung. Sie spricht von ei nem schwerwiegenden Eingriff in die Tarifautonomie.