Protokoll der Sitzung vom 12.06.2013

Dies muss vor Einbringung eines Gesetzentwurfs überlegt sein, damit allen ein Einblick in die Akten möglich ist.

Eines möchte ich auch als ehemaliger Betriebsratsvorsitzen der sagen: Informationen zu haben kann befrieden und eine Ausweitung von Konflikten verhindern. Nach einer Lösung zu suchen, bei der die Balance gewahrt ist, macht erst dann Sinn, wenn die angesprochene Evaluation stattgefunden hat.

Auch ich verspreche mir von einer Verwaltung, die weiß, dass jemand unter Umständen in die Akten schauen kann, mehr Transparenz, dadurch mehr Verständnis für bestimmte Ent scheidungen und letztlich auch bessere Entscheidungen.

Es ist auch schon vorgekommen, dass Gemeinderäte nicht voll umfänglich informiert worden sind und Gutachten zu spät oder unvollständig geliefert worden sind. Wir brauchen eine Kultur, in der grundsätzlich jeder alle Informationen haben kann, aber, wenn berechtigte Interessen bestehen, bestimmte Daten auch geschützt werden können. In Akten steht viel. Durch die Mög lichkeit der Einsichtnahme in diese Akten können natürlich auch Amtshaftungsansprüche und Schadensersatzansprüche entstehen. Genau diese Punkte bitte ich gründlich zu prüfen.

Deswegen können wir den schlichten Gesetzentwurf der FDP/ DVP nicht mittragen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Abg. Dr. Goll das Wort.

(Zuruf von der CDU: Herrn Professor!)

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf, den wir einge bracht haben, befindet sich in zweiter Lesung. Wir haben über ihn im Ausschuss geredet. Diese Behandlung des Gesetzent wurfs im Ausschuss hat für Klarheit gesorgt.

Ich finde es schade – das ist an die CDU gerichtet –, dass Sie sich nicht einen Ruck geben und erkennen, dass Sie sich – das ist meine Meinung – mit einer veralteten Position eingegra ben haben, und zwar bei einem Thema, bei dem man den Bür gerinnen und Bürgern eigentlich schmerzfrei ein Stück weit entgegenkommen könnte.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Da haben Sie recht!)

Machen wir uns nichts vor: Viele Leute haben bei uns das Ge fühl, was in der Verwaltung passiert, weiß kein Mensch. Sie empfinden die Verwaltung als nicht besonders transparent. Es mag sein, dass das in den meisten Fällen unberechtigt ist, ob wohl, wenn wir ehrlich sind, jeder von uns Abgeordneten be stimmt schon einmal mit einem Fall konfrontiert worden ist, bei dem man nicht sehr das Gefühl hatte, dass der Verwal tungsablauf transparent war. Seien wir doch einmal ehrlich.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das ist rich tig!)

Auch wenn es im Großen und Ganzen transparent wäre, darf man eines nicht unterschätzen, nämlich dass viele Leute die ser Sache nicht wirklich trauen. Herr Schneider, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass wir die beste Verwaltung ha ben. Wir haben auch das beste Schulsystem.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Gehabt!)

Wir haben aber mittlerweile eine andere Regierung als die, die dafür jahrelang verantwortlich war,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Leider!)

weil nicht nur Fakten zählen, sondern auch Stimmungen. Wir dürfen nicht leugnen, dass die Stimmung ein bisschen in Rich tung einer Distanz zum Staat geht nach der Devise: „Was dort passiert, dem trauen wir nicht.“ Das muss man ernst nehmen. Ich finde es schade, dass Sie unserem Gesetzentwurf nicht zu stimmen wollen. Aber das ist Ihre Entscheidung.

Man muss natürlich auch sagen – nehmen Sie mir das nicht übel –, spannender ist natürlich in der jetzigen Situation oh nehin, was sich bei dem von Grün-Rot geplanten Gesetz ab spielt.

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Zu Recht span nender!)

Da war die Sitzung des Ausschusses äußerst aufschlussreich. Erst kommt der euphorische Kollege Salomon mit jugendli chem Schwung daher und sagt: „Das Gesetz, das Rot-Grün 2004 in Berlin beschlossen hat, ist uns zu wenig. Wir wollen jetzt viel mehr.“

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Was machen Sie mit der Evaluation auf Bundesebene?)

Anschließend lässt der Innenminister, der nicht anwesend war – lieber Herr Innenminister, man kann sicher nicht an jeder Sitzung teilnehmen; aber ich meine, Sie sind bei jeder Sitzung anwesend außer bei der öffentlichen Anhörung zum Informa tionsfreiheitsgesetz –,

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Da würde ich jetzt nichts „hineingeheimnissen“!)

seinen wackeren Ministerialdirektor ausrichten, der Minister sei bereit, sich an die Koalitionsvereinbarung zu halten. Ich sage, Begeisterung klingt etwas anders.

(Zuruf des Abg. Alexander Salomon GRÜNE)

Wer den Betrieb kennt, sieht an dieser Stelle, wie weit die Po sitionen innerhalb dieser regierenden Koalition in Wirklich keit auseinanderliegen. Das ist schon mehr als aufschlussreich. Sie, lieber Herr Schneider, haben auch registriert, dass das Re ferat 25, das schon den Namen „Informationsfreiheitsgesetz“ mitträgt, personell unterbesetzt ist. Das ist spannend. 300 neue Stellen gab es bei Regierungsantritt, um die notwendigen neu en Akzente zu setzen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Für Partei freunde!)

Aber für die Erarbeitung dieses Gesetzes – Frau Sitzmann hat kritisiert, wir hätten dieses Gesetz jahrelang blockiert – ist nicht einmal im zuständigen Referat genug Personal vorhan

den. Es hat ja auch keine Priorität; das hat man deutlich ge merkt. Jetzt wird zum Jahresende ein Gesetz angekündigt. Dann wird über dieses Gesetz gestritten. Sie haben es fertig gebracht, dieses Vorhaben fast eine halbe Legislaturperiode lang nicht umzusetzen. Ich wage jetzt die Prognose: Wir wer den auch nach zwei Dritteln der Legislaturperiode die Fest stellung treffen, dass dieses Gesetz noch nicht da ist,

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Da können wir öffentlich eine Wette abschließen, Herr Kollege!)

weil Sie mit Streiten beschäftigt sind.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das wird auf alle Fälle interessant!)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Innenminister Gall das Wort.

Liebe Frau Präsidentin, wer te Kolleginnen, werte Kollegen! Nach den vorangegangenen Beratungen, nach den Anhörungen und den Diskussionen, die wir geführt haben, wird es Sie sicherlich nicht verwundert ha ben, liebe Kollegen der FDP/DVP, dass die Vertreter der Re gierungsfraktionen außerordentlich kritische Anmerkungen zu Ihrem Gesetzentwurf gemacht haben.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das stand schon bei der Einbringung fest!)

Ich denke, da sind wir uns einig: Wir haben ein gemeinsames Vorhaben. Da beziehe ich Sie gern mit ein, denn Sie haben klar und deutlich gesagt, dass Sie Interesse an einem Informa tionsfreiheitsgesetz haben. Deshalb bin ich mir ziemlich si cher, dass wir in absehbarer Zeit mit einer großen Mehrheit im Landtag von Baden-Württemberg ein solches Gesetz auf den Weg bringen werden.

Da will ich schon noch einmal sagen: Das hat nichts mit Be griffen wie „Begeisterung“ oder „Prioritätensetzung“ zu tun. Ja, wir haben Prioritäten gesetzt; das will ich gern zugeben. Die Beispiele sind bekannt: die Polizeistrukturreform, das Glücksspielgesetz, das wir in einem sehr umfangreichen und arbeitsintensiven Prozess auf den Weg gebracht haben, und ganz aktuell das Landespersonalvertretungsgesetz. Das ist für uns wichtig; es hat Priorität, es steht an vorderster Stelle, weil im kommenden Jahr Personalratswahlen stattfinden und die ses Gesetz Auswirkungen darauf haben wird. Wir haben zu dem eine Novellierung des Kommunalwahlrechts auf den Weg gebracht.

Diese Beispiele sollen zum Ausdruck bringen, dass unser Haus nicht an einer Verschleppung interessiert ist – ganz im Gegenteil. Wir haben das Interesse, das Informationsfreiheits gesetz auf den Weg zu bringen, weil wir die Stimmung in der Bevölkerung wahrnehmen, weil wir das Interesse an Informa tion wahrnehmen, und weil wir es für richtig halten, dass die ses Interesse befriedigt wird.

Ich will aber ganz deutlich sagen: Der Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben und den wir heute in zweiter Lesung beraten, entspricht nicht den Ansprüchen dieser Landesregierung. Wir möchten etwas anderes haben; wir werden die Inhalte präzi

ser und detaillierter ausformulieren. Liebe Kollegen von der FDP/DVP, ich bin hoffnungsfroh, dass auch Sie unserem Ge setzentwurf dann zustimmen werden.

Wir haben auf Bitten des Landtags eine Anhörung hierzu durchgeführt und haben Stellungnahmen etwa der kommuna len Landesverbände, des Landesbeauftragten für den Daten schutz, aber beispielsweise auch des Landesverbands der In itiative „Mehr Demokratie“ eingeholt. Die Inhalte dieser Stel lungnahmen waren für mich keine große Überraschung; die se hätten wir auch zuvor schon weitestgehend – jedenfalls der Richtung nach – erahnen können. Denn es hatte ja schon zu vor Äußerungen gegeben.

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz steht einem solchen Gesetz grundsätzlich positiv gegenüber; überhaupt keine Frage. Er setzt sich in seiner Stellungnahme mit den internen Regelun gen auseinander, aber auch mit den Konsequenzen für seine Be hörde, die entstehen könnten, wenn wir diesen Weg beschreiten wollen. Er weist aber ausdrücklich auch darauf hin, dass ihm der pure Verweis auf bundesgesetzliche Regelungen viel zu wenig ist. Er macht deutlich, dass wir gut beraten wären, die Forderun gen, die aus der 500-seitigen Evaluation des Bundesgesetzes her vorgehen – wenn Sie das einmal nachschlagen wollen: es beginnt auf der Seite 438 –, zumindest teilweise auch in unseren Gesetz entwurf einfließen zu lassen. Ihr Entwurf sieht eine solche Mög lichkeit schlicht und ergreifend schon deshalb nicht vor, weil er sich auf das alte Gesetz stützen würde

(Abg. Dr. Ulrich Goll FDP/DVP: Das stimmt nicht!)

und nicht auf das, was der Bund als Maßnahme auf der Basis dieser Evaluation beschließen würde.

Dass der Verein „Mehr Demokratie“ dieses Gesetz unterstützt, war eigentlich auch klar. Ich will aber ausdrücklich sagen: Die Forderung, dass solche Auskünfte gebührenfrei zu erteilen sind, teile ich beispielsweise nicht. Ähnlich wie schon bei den vorangegangenen Anläufen für ein solches Gesetz sind auch die Stellungnahmen der kommunalen Landesverbände wie der ausgefallen, vom Gemeindetag über den Landkreistag bis zum Städtetag. In diesen Gremien – so fasse ich es einmal zu sammen – wird ein solches Gesetz als nicht erforderlich er achtet. Aber auch diese Auffassung teile ich nicht – um auch das deutlich zu sagen. Denn auch wenn die Informationsmög lichkeiten und die rechtlichen Grundlagen, auf denen diese Informationsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene beruhen, tatsächlich schon weiter gehend sind als diejenigen auf Lan desebene oder in anderen Bereichen, sehen wir auch dort ein weiteres Informationsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger.

Allein an diesen wenigen Äußerungen wird deutlich, welche Bandbreite an unterschiedlichen Auffassungen es zu diesem Thema gibt und wie vielschichtig das Thema tatsächlich ist. Da sind beispielsweise Fragen zur Auslösung der Konnexität zu beantworten oder auch zur Einbeziehung von Kommunen bei der Frage, welche Ausnahmetatbestände in das Gesetz auf genommen werden sollen und welche nicht. Da ist das The ma Missbrauchsregelungen zu nennen. Auch über die Prob lematik von Abwägungsregelungen – beispielsweise wenn es um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse geht – sollten wir, meine ich, nicht hinweggehen. Aber auch die einzuhaltenden Fristen oder auch das Stichwort Gebührenregelung müssen thematisiert werden – um nur einige weitere Punkte zu nen nen.

Daran wird, glaube ich, deutlich, dass das Vorhaben einer sorgfältigen Abwägung bedarf, um zu einem entsprechenden Gesetz zu gelangen. Ich werde eines jedenfalls nicht tun: Das, was Sie, Herr Dr. Goll, in der ersten Lesung gefordert haben – ich habe es noch einmal nachgelesen –, ist, meine ich, schon ein bisschen abenteuerlich. Es ist etwas abenteuerlich, in der ersten Lesung die Forderung zum Ausdruck zu bringen, in ei nem ersten Schritt ein entsprechendes Gesetz, ähnlich wie das in Hamburg, auf den Weg zu bringen, und dann in einem zwei ten Schritt zu überlegen, ob es Verbesserungsmöglichkeiten gibt.

Sie haben in der Formulierung noch eines draufgesetzt, indem Sie gesagt haben: „Machen Sie irgendetwas.“ So ist es nach zulesen im Protokoll über die erste Lesung. Nein, irgendet was werden wir nicht machen. Wir haben schon den Anspruch, etwas Vernünftiges zu machen. Da hilft auch Ihr Ablenkungs manöver aus der vergangenen Zeit nicht, in der Sie Ihre Ab lehnung zum prinzipiell gleichen Gesetzentwurf – damals von den Grünen, aber bei einer anderen Ausgangslage und in an derer Zeit – dargelegt haben. Das ist schon wichtig. Kollege Salomon hat es gesagt. Das haben Sie damals schlicht und er greifend nicht aus Koalitionsräson gemacht, sondern die Aus sagen von Hagen Kluck waren schon eindeutig. Sie haben das Bundesgesetz als Murks bezeichnet. Ich glaube, darauf soll ten wir uns letztendlich nicht stützen.

Grün-Rot und das von mir geführte Haus haben den Anspruch, ein Gesetz vorzulegen, das durchdacht ist, das den Erwartun gen der Bürgerinnen und Bürger entspricht, das aber auch Rücksicht auf die Praktikabilität im Alltag nimmt. Mit diesem Gesetzentwurf können Sie in Kürze rechnen.