Protokoll der Sitzung vom 18.12.2013

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Arnulf Freiherr von Eyb CDU)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich Herrn Abg. Professor Dr. Goll das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Wer sich mit der Geschichte der Menschheit beschäftigt, muss den beunruhigenden Eindruck bekommen, dass es in vielen Jahrhunderten an vielen Orten die ganz unselige, immer wiederkehrende Neigung gab, Min derheiten zu „Bösen“ zu erklären. Für mich ist dies eigentlich nur psychologisch so zu erklären, dass die Mehrheit damit ver sucht, sich moralisch über andere zu erheben, sich selbst rein zuwaschen, indem sie andere – dazu eignen sich wiederum nur Minderheiten – zu „Bösen“ erklärt. Man ist fast geneigt zu sagen, dass da eine verhängnisvolle und dunkle Seite in der menschlichen Natur vorhanden ist, über die wir uns aber je derzeit klar und bewusst werden müssen.

Ein besonders krasses Beispiel hierfür sind die Sinti und Ro ma, und zwar deswegen, weil diese Bevölkerungsgruppen über Jahrhunderte hinweg verfolgt wurden und weil dies an so vielen Orten geschah, ohne dass wirklich rational nachvoll ziehbar wäre, warum man es gerade auf diese Gruppen so ab gesehen hatte – bis hin zum Massenmord. Das ist für uns un

vorstellbar; es ist aber noch gar nicht so lange her. Ich frage mich manchmal: Wie weit ist diese Gefahr eingedämmt? In welchen Formen könnte sie wieder hervorkommen?

In jedem Fall ist es richtig, dass wir das besonders krasse Bei spiel der Geschichte der Sinti und Roma würdigen, und zwar mit diesem Vertrag, der die wichtige Botschaft übermittelt, dass wir die Gefahr, von der ich gerade gesprochen habe, je derzeit sehen und sie ernst nehmen wollen und dass wir vor diesem Hintergrund die Zusammenarbeit mit den besonders betroffenen Gruppen der Sinti und Roma auf eine ganz neue Grundlage stellen wollen.

Dass dies eine gute Grundlage ist, daran gibt es keinen Zwei fel. Der Vertrag bietet sehr reizvolle Möglichkeiten, um ge meinsam mit den Sinti und Roma Hass, der sich gegen Min derheiten richtet, zu bekämpfen und für ein verstärktes ge schichtliches Bewusstsein zu sorgen. Das Projekt ist gut und wird von allen unterstützt.

Wir haben hierüber ausführlich in der ersten Lesung gespro chen, und wir haben anschließend im Ausschuss noch einmal darüber beraten und dabei auch Fragen der technischen Um setzung sowie Fragen der Besetzung des Rates thematisiert.

Wir sind uns in der Sache völlig einig, und vieles hierzu ist von meinen Vorrednern bereits gesagt worden. Ich kann mich diesen Ausführungen nur anschließen. Wir kommen nun gleich zur Verabschiedung, und es ist keine Frage, dass die FDP/DVP-Fraktion diesem Gesetzentwurf zustimmen wird.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU, der Grünen und der SPD)

Für die Landesregie rung erteile ich Frau Staatssekretärin Krebs das Wort.

(Zurufe: Staatsministerin!)

Staatsministerin; Entschuldigung.

Es heißt: „Frau Ministerin Krebs“.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Herr Präsident, noch einmal!)

Das üben wir noch.

(Zurufe, u. a. Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: War das eine Rüge an den Präsidenten?)

Nein, es war eine Richtigstellung.

Ich entschuldige mich noch einmal.

Der Titel für meine Funktion wird oft falsch bezeichnet. Meine Amtsvor gänger werden dies mit Sicherheit bestätigen können.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zum ersten Mal in der Geschichte unseres Lan des wollen wir mit einem Staatsvertrag die Anerkennung und die Förderung der baden-württembergischen Sinti und Roma verankern. Zum ersten Mal soll ein Gremium institutionali

siert werden, das die Zusammenarbeit gestaltet, und dabei ist ganz wichtig, dass diese Zusammenarbeit auf Augenhöhe ge staltet wird.

Bereits in der ersten Lesung wurde vieles Wichtige und Rich tige gesagt, und auch meine Vorredner haben ebenfalls schon vieles Wichtige und Richtige ausgeführt. Auch auf den histo rischen Kontext und die Verfolgung unter der NS-Diktatur wurde bereits mehrfach hingewiesen.

Ebenso wurde gesagt – auch ich möchte das noch einmal her vorheben –: Antiziganismus ist kein Thema allein der Vergan genheit. Vorurteile gegen Roma und Sinti sind nur allzu le bendig; sie werden weiter geschürt, auch hier in Deutschland. Die NPD schrieb im hessischen Landtagswahlkampf auf ihre Plakate den rassistischen Spruch: „Geld für die Oma statt für Sinti und Roma!“ Dazu gehört aber auch der Hinweis, dass ein breites Bündnis demokratischer Parteien die richtige Ant wort hierauf fand und auf einem gemeinsamen Plakat schrieb: „Meine Oma mag auch Sinti und Roma“.

Diese Geschehnisse zeigen aber, dass auch in Deutschland weiterhin mit solchen Vorurteilen Stimmung gemacht wird, und zwar auf Plakaten, die öffentlich sichtbar im Straßenraum hängen.

Das Thema „Anerkennung und Teilhabe von Sinti und Roma“ ist aber insbesondere auch ein europäisches Thema. Es darf uns nicht egal sein, dass in einigen Ländern Europas Men schen noch immer aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert und ausgegrenzt werden. Wir müssen nachfragen, warum einige Staaten und Regionen europäische Mittel zur gesellschaftli chen und wirtschaftlichen Integration von Sinti und Roma nicht einmal abgerufen haben.

Wir dürfen nicht wegsehen, wenn in Ländern der Europäi schen Union Siedlungen von Roma durch Mauern abgetrennt werden – z. B. in der Slowakei – oder namhafte Politiker Ro ma gar das Menschsein und das Existenzrecht absprechen – so Zsolt Bayer, Mitbegründer der Regierungspartei Fidesz in Ungarn.

Wir sind auch konkret gefordert, die Stimme zu erheben, wenn Parteien im Europawahlkampf durch Warnungen vor der so genannten Armutszuwanderung aus Süd- und Osteuropa ent sprechende Ängste bedienen.

Im Angesicht von Rassismus gilt es für uns alle, den Mut zu haben, Menschlichkeit und Respekt zu zeigen und einzufor dern.

Sinti und Roma gehören seit über 600 Jahren zu unserem Land, und sie werden auch in Zukunft zu unserer gemeinsa men Gesellschaft gehören. Wer versucht, sie auszugrenzen, greift unsere demokratische Grundordnung insgesamt an.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Deswegen schützt dieser Staatsvertrag eben nicht nur die Be lange der nationalen Minderheit, sondern dieser Staatsvertrag schützt eine Grundfeste unserer Gesellschaft.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Der Staatsvertrag öffnet die Tür zu neuen Formen der gleich berechtigten Zusammenarbeit mit der Förderung von

500 000 € pro Jahr, von denen 50 000 € zweckgebunden für die Integration von bleibeberechtigten Roma und Sinti einge setzt werden.

Das Parlament hat darum gebeten, bei den Beratungen im ge meinsamen Rat für die Angelegenheiten der deutschen Sinti und Roma mit Abgeordneten vertreten zu sein und dass eben so die kommunalen Landesverbände einbezogen werden. Wir sind darauf gern eingegangen und haben dies gemeinsam mit dem Landesverband der Deutschen Sinti und Roma nun auch möglich gemacht.

Ich danke auch im Namen der Landesregierung, im Namen des Ministerpräsidenten sehr für die gute Zusammenarbeit, für das intensive Arbeiten an einem wirklich gelungenen Staatsvertrag. Ich danke aber auch den Fraktionen dieses Hau ses für die einheitliche Haltung und für die – so vermute ich einmal – geschlossene Zustimmung zu diesem Vertrag. Ich freue mich darüber, dass die konstruktive Mitwirkung an der Gestaltung dieses Vertrags möglich gewesen ist. Wir setzen damit gemeinsam ein starkes Zeichen für die Anerkennung von Sinti und Roma und für eine gemeinsame Zukunft in un serem Land.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU)

Vielen Dank, Frau Mi nisterin. – Mir liegen in der Allgemeinen Aussprache keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen damit in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf Drucksache 15/4401. Ab stimmungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Stän digen Ausschusses, Drucksache 15/4484. Der Ausschuss emp fiehlt Ihnen, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Ich rufe auf

§ 1

Zustimmung zu dem Vertrag des Landes BadenWürttemberg mit dem Verband Deutscher Sinti und

Roma, Landesverband Baden-Württemberg e. V.

Wer § 1 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist § 1 einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf

§ 2

Inkrafttreten

Wer § 2 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Einstimmig so beschlos sen.