Protokoll der Sitzung vom 26.03.2014

Frau Ministerin, als die Klage an hängig war, war von vornherein klar, dass es vor allem um die Frage der Gremien gehen wird. Der Kollege Rau hat bereits darauf hingewiesen – das tat auch schon der Kollege Pauli in der ersten Lesung des Gesetzes zu dem SWR-Staatsvertrag im November letzten Jahres, also gerade einmal vor einem Vierteljahr –, dass man doch füglich das Urteil des Bundes verfassungsgerichts abwarten solle.

Jetzt teile ich zwar dem Grunde nach die Einschätzung des Kollegen Drexler, aber das Urteil des Bundesverfassungsge richts lautet anders. Damit ist doch klar, dass die vorgesehe ne Zusammensetzung des künftigen Verwaltungsrats verfas sungswidrig ist; denn der Anteil der Vertreter von Staat und Parteien liegt über einem Drittel. Damit ist der Staatsvertrag in einem wesentlichen Kernpunkt, der bereits beim Zustande kommen des Staatsvertrags bekannt war, als verfassungswid rig bestätigt worden.

Sehen Sie nicht die Notwendigkeit, sehr schnell mit den Pfäl zern an dieser Baustelle nachzuverhandeln, um diesen verfas sungswidrigen Zustand rechtzeitig zu beseitigen?

Sehr geehr ter Herr Fraktionsvorsitzender, das kann ich Ihnen gern be antworten. Natürlich sehen wir genau in diesem Punkt Nach steuerungsbedarf. Wenn die Gremienbesetzung entsprechend dem neuen Staatsvertrag erfolgt, beträgt die Quote der staats nahen Vertreter – die Frage der kommunalen Vertreter sei hier einmal ausgenommen, weil diese auf einer anderen Systema tik beruht – 38,9 %. Dieser Anteil liegt bei über einem Drit tel, und daher werden wir nachbessern müssen. Hätten wir Ihr Verfahren verfolgt, läge die Quote bei 46,7 %. Was daran bes ser wäre, weiß ich nicht. Denn wir hätten einen gültigen Staatsvertrag, der eine Zusammensetzung zugrunde legen würde, bei der die „Staatsbank“ 46,7 % ausmachen würde.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Dann hätten wir die Vorgabe viel deutlicher verfehlt. Ich wüss te nicht, worin der Vorteil liegen soll.

Der andere Punkt ist – das habe ich vorhin schon einmal zu erläutern versucht –: Wir haben auch auf Drängen vieler Gre mienvertreter eine Übergangsfrist für die Gremien festgelegt. Wir haben festgelegt, dass zwischen dem Inkrafttreten des neuen Staatsvertrags und der Veränderung der Gremien an derthalb Jahre liegen. Wir gehen nach jetziger Rechnung da von aus, dass sich für eine Gruppe und für einen Vertreter im Verwaltungsrat etwas wird ändern müssen. Das ist ein über schaubarer Handlungsbedarf.

Anders hätten wir gar keine Chance gehabt. Denn hätten wir die Gremienfrage bis zum gestrigen Tag ruhen lassen, müss ten wir nun innerhalb eines Jahres eine umfassendere Ände rung, die viele betreffen würde, abbilden, ohne überhaupt die Chance zu haben, eine Übergangsfrist einzuräumen. Bei dem gewählten Vorgehen haben sich die allermeisten schon auf die neue Zusammensetzung einstellen können, und wir müssen jetzt nur noch bei einem überschaubaren Bedarf nachsteuern. Das werden wir machen. Ich bin sehr zuversichtlich – das hat te ich schon vorhin gesagt –, dass wir das rechtzeitig hinbe kommen werden.

Ich hatte es schon vorhin gesagt und wiederhole es: Ich bin sehr froh, dass wir unsere Hausaufgaben auf diese Weise schon weitestgehend gemacht haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Das Wort für die Frakti on GRÜNE erteile ich Frau Abg. Lindlohr.

Frau Ministerin, das Bun desverfassungsgericht stellt in dem Urteil sogenannte begren zende Maßgaben für die Zusammensetzung des ZDF-Fern sehrats auf und spricht dann von der „Vielfaltsicherung“. Bei der Vielfaltsicherung verweist das Bundesverfassungsgericht auch darauf, dass dem Gleichstellungsauftrag des Grundge setzes nachzukommen sei. Können Sie uns etwas dazu sagen, was dies für den jetzigen SWR-Staatsvertrag heißt, und kön nen Sie auch etwas zur Vielfaltsicherung insgesamt sagen?

Vielen Dank, Frau Abgeordnete, für die Frage. Ich kann gern etwas dazu sa gen.

Zum einen hatte ich in der Aussprache zum Staatsvertrag be reits gesagt – ich wiederhole es sehr gern –: Ich bin sehr stolz, dass wir da eine Regelung gefunden haben – die auch hand werklich nicht einfach war –, die eine verbindliche Frauen quote für die Gremien festlegt. Darüber können wir jetzt sehr froh sein; denn das Bundesverfassungsgericht hat die Vorga be, den Gleichstellungsauftrag des Grundgesetzes in den Gre mien abzubilden, jetzt noch einmal explizit festgehalten. Wir haben an diesem Punkt nun überhaupt keinen Nachsteuerungs bedarf, weil wir bereits eine verbindliche Frauenquote veran kert haben. Ich glaube nicht, dass es viele Staatsverträge gibt, die in diesem Punkt schon so verbindliche und konkrete Re gelungen enthalten. Unsere Regelungen sind da sehr weitge hend.

Zum anderen haben wir durch eine weitere Veränderung ei nen Nebeneffekt erzielt, der uns bei der Umsetzung des Ur teils des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls hilft: Wir ha ben ja, um diese Quotierung abbilden zu können, sogenannte Körbe gebildet. Im Gegensatz zu früher, als bestimmten Or ganisationen ein Sitz im Verwaltungsrat und im Rundfunkrat zugeschrieben wurde, haben wir Körbe gebildet, die mehrere Verbände umfassen, die nicht näher spezifiziert wurden. Bei spielsweise haben wir Bildungsverbände, Arbeitgeberverbän de oder Gewerkschaften zusammengefasst. Dadurch haben wir schon jetzt etwas abgebildet, was uns das Bundesverfas sungsgericht aufgegeben hat und was nicht einfach sein wird, nämlich eine Flexibilisierung in der Gremienzusammenset zung.

Das Bundesverfassungsgericht hat insbesondere gesagt, man solle einer Dominanz von Mehrheitsrepräsentanz und einer Versteinerung der Gremien entgegenwirken, solle also Mög lichkeiten finden, die Gremien auch während der Zeit der Gül tigkeit von Staatsverträgen immer wieder einmal zu erneuern und sie den gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen.

Wir sind durch die Bildung der Körbe dabei einen ganzen Schritt weitergekommen, weil wir dadurch natürlich jederzeit die Möglichkeit haben bzw. der SWR die Möglichkeit hat, auch während der Laufzeit der Verträge in der Zusammenset zung im Hinblick darauf, wer bestimmte Themenfelder be setzt, zu reagieren. Das gibt uns eine Flexibilität, die der Er füllung des vom Bundesverfassungsgericht formulierten An spruchs bereits näherkommt. Auch dies wurde bislang nur in wenigen Staatsverträgen so festgelegt.

Wir haben darüber hinaus – dies bildete auch bei den Debat ten hier im Haus einen Schwerpunkt – auch durch weitere Ver änderungen vieles erreicht. So können beispielsweise musli mische Verbände zukünftig einen Vertreter bzw. eine Vertre terin entsenden, die Sinti und Roma haben im neuen Rund funkrat ebenfalls einen Sitz, und wir haben den Anteil der Mi grantinnen und Migranten in der Gremienzusammensetzung erhöht – eine Maßnahme, die hier teilweise als politischer Zu griff auf die Gremienzusammensetzung gewertet wurde. Wir haben damit jedoch das gemacht, was das Bundesverfassungs gericht jetzt explizit hervorgehoben hat: Wir haben die Mög lichkeit geschaffen, Veränderungen in der Gesellschaft in den Gremien abzubilden und deren Zusammensetzung mit unter

schiedlichen Gewichtungen anzupassen. Auch bei diesem Punkt können wir also sagen, dass wir die Vorgaben des Bun desverfassungsgerichts schon im Vorhinein erfüllt haben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Pauli.

Frau Ministerin, wir ha ben bei den Beratungen im Herbst kritisiert, dass der Verwal tungsrat des SWR von 15 auf 18 Mitglieder aufgebläht wer den soll. Jetzt entspricht auch diese Konstruktion nicht mehr dem, was sich das Bundesverfassungsgericht vorstellt. Wie wollen Sie hierbei weiter vorgehen? Wird das Gremium noch größer gemacht, oder können Sie sich auch vorstellen, dass man die Staatsvertreter herausnimmt und damit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts entspricht?

Meine zweite Frage: Das Thema Freundeskreise wurde be reits angesprochen. Teilen Sie meine Einschätzung, dass die Arbeitsweise der Freundeskreise beim ZDF eine völlig ande re ist als die Arbeit der Freundeskreise, wie wir sie beim SWR bislang erleben durften?

Vielen Dank für Ihre Frage. Ich kann gern etwas dazu sagen. Die von Ih nen kritisierte „Aufblähung“ des Verwaltungsrats hat uns – ich habe es vorhin ausgeführt – den Vorgaben des Bundesver fassungsgerichts schon sehr nahe gebracht. Insofern möchte ich die geäußerte Kritik auch im Nachhinein noch einmal re lativieren.

Ich bitte um Verständnis: Wir müssen ja alle Regelungen, die wir ändern wollen, gemeinsam mit den rheinland-pfälzischen Kollegen ändern. Wir haben das Urteil gestern bekommen, und ich kann Ihnen daher noch gar keine Aussagen dazu ma chen, in welcher Form wir dies aufgreifen wollen. Aber wir werden uns selbstverständlich zeitnah mit Rheinland-Pfalz ab stimmen und Ihnen einen entsprechenden Vorschlag vorlegen, und wir werden so früh wie möglich kommunizieren, wie wir diesem Urteil gerecht werden wollen.

Würden Sie mir Ihre zweite Frage noch einmal nennen?

(Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Freundeskreise! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Die schönen Sitzun gen!)

Das Thema Freundeskreise: Ich kann dies nicht beurteilen, weil ich die Freundeskreise des ZDF nicht kenne. Ich habe nur im Rahmen der mündlichen Verhandlung beim Bundes verfassungsgericht die eine oder andere Schilderung vernom men, und ich habe mich dabei nicht gewundert, dass sich das Bundesverfassungsgericht wiederum darüber gewundert hat, mit welcher Selbstverständlichkeit laut diesen Schilderungen Einflussnahmen auf öffentlich-rechtliche Anstalten vorgenom men wurden.

Was den SWR betrifft, kann ich nur sehr eingeschränkt beur teilen, wie dessen Freundeskreise agieren. Diese Freundes kreise sind vonseiten des Bundesverfassungsgerichts formal natürlich nicht zu erfassen. Das liegt in der Natur der Sache; informelle Gremien kann man schlecht über Verfassungsre gelungen reglementieren. Ich glaube aber, dass von diesem

Urteil ein klarer Appell an die Freundeskreise ausgegangen ist, sich tatsächlich auf Verständigungs- und Meinungsbil dungsprozesse der Mitglieder untereinander zu beschränken, statt relevante inhaltliche und insbesondere auch personelle Absprachen zu treffen und damit die Binnenpluralität der Gre mien zu schwächen. Dieser Appell sollte in den Freundeskrei sen gehört werden.

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich das Wort Herrn Abg. Salomon.

Vielen Dank. – Frau Mi nisterin, ich habe noch zwei Fragen.

Meine erste Frage bezieht sich auf Äußerungen der Kollegen von der CDU. War im vergangenen Dezember schon abseh bar, wann das Urteil ergehen würde, und hätte ein Abwarten unseren Gesetzgebungsprozess unter Umständen hinauszö gern können?

Meine zweite Frage bezieht sich auf Folgendes: Nach meiner ersten Durchsicht des Urteils gehe ich davon aus, dass sich dieses Urteil hauptsächlich auf Einflussnahmen auf das Pro gramm des ZDF durch den Fernsehrat und den Verwaltungs rat bezogen hat. Mich interessiert daher mit Blick auf die Un terschiede zwischen dem Verwaltungsrat des ZDF und dem Verwaltungsrat des SWR, welche Verschiebungen es auch durch die Novelle des SWR-Staatsvertrags vom vergangenen Jahr gab. Gab es dabei auch eine Verschiebung der Zuständig keiten?

Vielleicht können Sie dies noch einmal erläutern.

Das kann ich gern tun; vielen Dank. Ich hatte es schon geschildert: Wir hat ten in wirklich allen möglichen Varianten versucht, einen An haltspunkt dafür zu bekommen, wann mit dem Urteil des Bun desverfassungsgerichts zu rechnen war. Wir hatten aber kei nerlei Anhaltspunkte.

Zu Beginn des Prozesses – das war, wie gesagt, zu Beginn des Jahres 2012 – gab es erste Prognosen, denen zufolge das Ur teil im Laufe des Jahres ergehen sollte. Als das Jahr 2012 dann zu Ende gegangen war, ohne dass es Anzeichen dafür gege ben hätte, wann das Urteil verkündet werden sollte – das Bun desverfassungsgericht lässt sich in diesem Punkt überhaupt nicht in die Karten schauen; für ein unabhängiges Gremium gehört sich dies vielleicht aber auch –, war für uns natürlich keine Möglichkeit gegeben, dies zu kalkulieren.

Wie gesagt: Ich bin nach wie vor froh, dass wir den Schritt gegangen sind, unsere inhaltlichen Anliegen – dazu gehörte die Staatsferne – bereits weitestgehend abzubilden. Wir kön nen jetzt die Erfahrung machen, dass wir den Vorgaben be reits weitestgehend entsprechen. Ich meine, wir haben das richtige Verfahren gewählt.

Jetzt habe ich die zweite Frage vergessen.

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Zuständigkei ten!)

Danke, wunderbar; das Stichwort reicht mir schon. – Beim Thema Staatsferne geht es nicht nur darum – – Das Bundes verfassungsgericht hat dies explizit noch einmal klargestellt und explizit gesagt, dass nicht infrage gestellt wird, dass Ab

geordnete und Regierungsmitglieder Gremien von öffentlichrechtlichen Anstalten angehören. Dies wurde als Beitrag für eine Abbildung der gesellschaftlichen Pluralität als völlig kor rekt bewertet. Das ist meines Erachtens eine wichtige Fest stellung. Andererseits wurde aber auch klar zum Ausdruck ge bracht, dass diese Vertreter nicht dominieren dürfen und dass sie insbesondere keine dominierende Kraft bei Personalfra gen und anderen wesentlichen Fragen ausüben dürfen, dass sie also Programmentscheidungen als solche nicht beeinflus sen dürfen.

Wir haben dieser Vorgabe dadurch, dass wir den Verwaltungs rat in seiner Zuständigkeit gegenüber dem Rundfunkrat noch einmal klarer sortiert haben, sehr deutlich Rechnung getragen. Wir haben die Regierungsvertreter aus dem Rundfunkrat zu rückgezogen. Im Rundfunkrat werden inhaltliche und pro grammatische Fragen behandelt. Insofern ist schon einmal si chergestellt, dass mit diesen Fragen kein Regierungsvertreter befasst ist.

Im Verwaltungsrat, der sich mit den Strukturen befasst – für den SWR wird es in den nächsten Jahren eine ganz wesentli che Aufgabe sein, sich mit den Strukturen zu beschäftigen –, sitzen Vertreter der Regierung. Wir haben aber sichergestellt, dass dort keine programmatischen Fragen – Programmfragen, inhaltliche Fragen in Bezug auf das Rundfunkprogramm – be raten werden. Somit ist der Einfluss der Regierung bei solchen Fragen schon über die Systematik klar ausgeschlossen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Rau.

Frau Ministerin, wollten Sie uns vielfach auf ein bisschen eingängige Art und Weise erklären, dass es eigentlich völlig harmlos sei und wir deswegen auch in Zukunft damit rechnen müssen, dass uns die Regierung hier etwas zur Abstimmung vorlegt, was sich schon kurz danach als in Teilen verfassungswidrig erweist?

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Peinlich! – Zuruf des Ministers Reinhold Gall)

Ich freue mich, dass Sie, Herr Abg. Rau, meine Darstellung als eingän gig beurteilen. Ich danke für das Kompliment. Offenbar war sie aber nicht eingängig genug.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja! – Minister Rein hold Gall: Sie begreifen es halt nicht!)

Denn ich habe Ihnen schon mehrfach darzulegen versucht: Wir haben die Wahl gehabt, mit einem deutlich verfassungs widrigeren Staatsvertrag dazustehen