Worum geht es inhaltlich? Es gilt zu prüfen, in welchen Re gelungen des Landes die Schriftform verzichtbar ist. Wann kann auf die Vorlage von Originalen als Nachweis verzichtet werden? Ordnet ein Gesetz oder eine Verordnung die Schrift form an, heißt dies, dass die Erklärung tatsächlich urkundlich erfolgen und eigenhändig unterschrieben werden muss. Das wäre beispielsweise bei einer Patientenverfügung der Fall. Ein solches Formerfordernis ist grundsätzlich aber die Ausnahme, da es den Rechtsweg erschwert. Also bedarf es besonderer Gründe, warum dieser zusätzliche Aufwand gefordert wird.
Im Ergebnis kann in zahlreichen Gesetzen nun die Anordnung der Schriftform entweder ersatzlos gestrichen werden oder an ihre Stelle auch eine elektronische Verfahrensabwicklung tre ten. So werden wir heute in 23 Rechtsvorschriften die Anord nung der Schriftform ersatzlos streichen sowie in 73 Fällen Verwaltungsverfahren auf eine elektronische Verfahrensab wicklung umstellen. Betroffen sind 56 völlig unterschiedliche Regelungswerke aus unterschiedlichen Bereichen. Dazu ge hören Prüfungsordnungen für den Verwaltungsdienst, aber auch Gesetze wie das Landesmediengesetz, das Landesseil bahngesetz, das Landeseisenbahngesetz, die Gemeinde- und die Landkreisordnung, die Hygiene-Verordnung, die Allge meine Bergpolizeiverordnung und viele mehr.
Was ist gut daran? Was bedeutet das für die Menschen in Ba den-Württemberg? Fast alle Haushalte in unserem Land ver fügen über einen PC. Die Bürgerinnen und Bürger sind es ge wohnt, ihren Alltag zunehmend online zu erledigen, beispiels weise beim Onlinebanking, aber auch bei vielen anderen Dienstleistungen. Daraus erwächst natürlich auch die berech tigte Erwartung an die öffentliche Verwaltung, dass diese Schritt hält.
Diese Fortschritte müssen wir nun auch in der Verwaltung nut zen. Das Leben der Bürgerinnen und Bürger wird zunehmend digital. Wir versprechen uns davon einen klaren Vorteil, näm lich Bürgernähe. Behördenbesuche werden so teilweise über flüssig, Verfahren können unbürokratisch von zu Hause oder unterwegs erledigt werden – ohne Wartezeiten oder Termin vorgaben oder die Schwierigkeit, die Öffnungszeiten von Be
Die neuen Verfahren sind ressourcenschonend, bedeuten we niger Papier und weniger Aufwand und sind kostensparend. Es werden langwierige Kommunikationsabläufe, etwa über den Postweg, vermieden, sodass wir von einer Beschleuni gung dieser Verfahren ausgehen können.
Zu guter Letzt steht uns als Landesgesetzgeber das Normen screening als Zeichen modernen Verwaltungshandelns gut zu Gesicht; denn auch wir, der Landtag von Baden-Württemberg, dürfen von Zeit zu Zeit überprüfen, was wir eigentlich be schlossen haben und ob es noch zeitgemäß ist.
Den Entschließungsantrag der FDP/DVP haben wir wohlwol lend geprüft, müssen ihn aber leider ablehnen, weil wir ein Gesetz zur Entlastung und zum Bürokratieabbau nicht mit überflüssigen Regelungen unnötig belasten wollen.
Sie wollen damit die elektronische Kommunikation für Be hörden dort verpflichtend machen, wo sie möglich ist. Die Re alität ist, dass Behörden genau das schon tun. Denn wenn man sich beispielsweise per E-Mail an Behörden wendet, antwor ten Behörden auch per E-Mail, wenn das rechtlich zulässig ist. Deshalb halten wir Ihren Vorschlag in diesem Fall für un nötig und möchten Sie auffordern, den Antrag im Sinne der Bürokratievermeidung zurückzuziehen.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! In Artikel 7 des E-GovernmentGesetzes – wir haben es vom Kollegen Lede Abal gehört – hat sich die Landesregierung 2015 verpflichtet, innerhalb von drei Jahren zu berichten, wie sich die Regelungen ausgewirkt ha ben. Im Normenscreening-Bericht – auch das ist bereits er wähnt worden – hat die Landesregierung diese Pflicht erfüllt. Im Wesentlichen ging es darum, verzichtbare Formerforder nisse im Landesrecht aufzuzeigen, damit Hürden bei der Ab wicklung elektronischer Verwaltungsdienste abgebaut werden und medienbruchfrei elektronische Kommunikation ermög licht wird. Verbunden damit ist auch – das haben wir gehört – eine Reduzierung des Bürokratieaufwands, zumindest im Idealfall. Damit wird auch einem wichtigen Ziel des Online zugangsgesetzes des Bundes entsprochen.
Insgesamt wurden – auch das haben wir gehört – 1 405 Rege lungen überprüft. Die Überprüfung kam zu folgendem Ergeb nis: In 4 % der Verfahren kann die Schriftform ersatzlos ent fallen, in 15 % kann auf die Schriftform zugunsten einer elek tronischen Abwicklung verzichtet werden, ohne dass ein be
stimmtes Verfahren vorgegeben wird, und in weiteren 15 % der Fälle kann auf die Schriftform zugunsten eines gesetzlich bestimmten Verfahrens verzichtet werden. Weitere Einzelhei ten können Sie, wenn Sie Lust und Muße haben, in der Be gründung auf Seite 21 des Gesetzentwurfs nachlesen.
Die Ergebnisse dieses Berichts sollten schrittweise umgesetzt werden. Das heute vorliegende Artikelgesetz ist ein erster Schritt. Damit werden verzichtbare Formerfordernisse gestri chen und einfache elektronische Verfahren eingeführt, die oh ne zusätzliche Vorgaben auskommen.
Es ist in der Tat eine erstaunliche Parallele, Herr Kollege Le de Abal: In den 56 Artikeln ist auch mir das Landesseilbahn gesetz aufgefallen; ich habe es mir extra notiert. Es ist mir aber auch noch eine besondere Verordnung aufgefallen, von der ich gar nicht wusste, dass es sie gibt: die Verordnung des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr und des Regierungspräsidiums Freiburg über das Natur- und Land schaftsschutzgebiet „Wollmatinger Ried – Untersee – Gna densee“. Es steht in Artikel 53, wenn Sie noch mal nachlesen wollen.
(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Sie sind ja noch nicht so lange dabei! – Abg. Thomas Blenke CDU: Er ist neu! – Zurufe der Abg. Gabi Rolland und Rainer Stickelberger SPD)
Wichtig ist, dass der Bürger in bestimmten Fällen bei der Wahl des Kommunikationswegs völlig frei ist.
Auch wir kommen zu dem Ergebnis, dass der Entschließungs antrag der FDP/DVP vor diesem Hintergrund nicht in die rich tig Richtung zeigt. Wenn das Gesetz die entsprechenden Mög lichkeiten für die Kommunen bzw. für die Verwaltung im Land und in den Kommunen schafft, dann sollten sie damit auch entsprechend umgehen können.
Was die besondere Sensibilität bei der Übermittlung perso nenbezogener Daten anbelangt – das hat der Kollege Karrais in der Ausschusssitzung thematisiert –: Darauf geht die Ge setzesbegründung auch ein.
Wichtig ist, dass es keine Verpflichtung gibt, elektronisch mit den Verwaltungen zu kommunizieren. Der Bürger kann das entscheiden. Die Richtung wird aber vorgegeben sein. Je mehr man diese Möglichkeiten hat, umso mehr wird man sie auch nutzen.
Was „schriftlich“ und was „elektronisch“ bedeutet, ist im Ge setz ausdrücklich bestimmt; darauf muss ich nicht mehr ein gehen. Die Besonderheiten in der Schriftform – wenn es ein mal wirklich ganz ernst wird – im Landesverwaltungsverfah rensgesetz oder im Bürgerlichen Gesetzbuch erfahren Sonder regelungen, die dadurch nicht aufgehoben werden.
Wir sind der Auffassung, dass die Verfahrensflexibilität, die erreicht wird, ein großer Vorteil ist. Wir machen hier einen Schritt in die richtige Richtung, dem aber sicherlich noch wei tere folgen müssen. Wenn Sie einmal daran denken, dass die Akten noch nicht überall elektronisch geführt werden, wenn Sie daran denken, dass das Onlinezugangsgesetz vorsieht, bis zum Jahr 2022 Dienstleistungen sozusagen medienbruchfrei
anzubieten, dann wissen Sie, dass noch einiges an Arbeit vor uns liegt. Ich glaube, dass die Landesregierung mit dem E-Government-Pakt, den sie mit den kommunalen Landesver bänden abgeschlossen hat, da ein richtungweisendes Zeichen gesetzt hat, dass wir die Kommunen bei diesem Prozess nicht alleinlassen. Ich nenne das Stichwort Digitallotse.
Ich habe in den letzten Landkreisnachrichten gelesen, dass der Landkreis Calw der erste und bisher einzige Landkreis ist, in dem man von zu Hause aus Kraftfahrzeuge online medien bruchfrei an-, um- und abmelden kann. Man muss dazu nicht mehr auf das Landratsamt. Das sage ich nicht, weil der Kol lege Blenke in der ersten Reihe sitzt, sondern weil das wahr ist. Das ist ein Zeichen, dass es in die richtige Richtung geht.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, meine Damen und Herren! Der Titel des Gesetzes „Ge setz zum Abbau verzichtbarer Formerfordernisse“ klingt gut. Aber hält der Inhalt des Gesetzes auch das, was die Über schrift verspricht?
Zunächst, ganz klar, ein Lob für die Fleißarbeit, die mit der Erstellung dieses Berichts verbunden war – über 1 400 Vor schriften, die man untersucht hat. Keine Frage: Das ist sehr begrüßenswert.
Aber was bleibt denn bei diesem Gesetz übrig? Mit ihm wird die Schriftform bei 17 Regelungen ersatzlos gestrichen, und die elektronische Alternative wird für 89 Verfahren aufgezeigt. Das sind nicht einmal 10 % der untersuchten Vorschriften – also wahrlich kein großer Wurf. Hinzu kommt, dass ja erst noch Verwaltungsvorschriften an diese elektronischen Mög lichkeiten angepasst werden müssen, insbesondere dort, wo sich auch erhöhte Anforderungen stellen, etwa wenn man an Regelungen wie die zur elektronischen Signatur denkt.
Klar ist außerdem, dass weiterhin eine Verschriftlichung von Vorgängen erforderlich ist. Das gebietet schon die Verpflich tung zur Dokumentation und Beweissicherheit. Und auffällig ist ja schon, dass man gerade auch die Vorschriften herange zogen hat, bei denen es so gut wie keine oder nur ganz gerin ge Fallzahlen gibt.
Herr Kollege Hockenberger, dass Sie das Wollmatinger Ried nicht kennen, enttäuscht mich jetzt natürlich etwas. Aber das zeigt, wie selten diese Vorschriften zur Anwendung kommen, bei denen man jetzt sozusagen die große Reform feiert oder zumindest den ersten Schritt dafür tut.
Die Verpflichtung des Bürgers wird nicht begründet; das ist richtig. Aber alle Behörden sind ja gemäß dem E-Govern
ment-Gesetz verpflichtet, Zugang zur elektronischen Kom munikation bereitzustellen. Wie steht es denn damit?
In der Gesetzesbegründung wird deutlich, dass die Vollzugs behörden nach ihrem Ermessen entscheiden können, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie elektronische Zugän ge ermöglichen. Das heißt, das Gesetz gibt zwar die Richtung vor, aber de facto entscheidet sich ein Behördenleiter – viel leicht nach seinem Geschmack, nach seinen Ressourcen oder anderen Kriterien, die sich aus dem Gesetzentwurf nicht er hellen – für eine Verfahrensvorschrift, die es dann auch elek tronisch zur Anwendung zu bringen gilt.
Bei alldem wird aus unserer Sicht ein spürbarer Abbau von Bürokratie nicht erreicht. Der Industrie- und Handelskammer tag hat ja in der Anhörung vor allem darauf hingewiesen, dass ein Abbau von Dokumentations- und Berichtspflichten auf der Tagesordnung steht. Es wird die Vereinheitlichung von Grenz- und Schwellenwerten gefordert, und die Digitalisierung muss auf allen Ebenen fortschreiten. Dazu leistet dieses Gesetz nur einen ganz kleinen, marginalen Beitrag.
Für uns weiter ungeklärt sind Fragen der Rechtssicherheit, die sich natürlich stellen, wenn man diese Möglichkeiten schafft, und des Datenschutzes. Dazu finden wir in diesem Gesetzent wurf vergleichsweise wenig. Was uns auch wundert, ist, dass der Landesdatenschutzbeauftragte hierzu keine Stellungnah me abgegeben hat oder jedenfalls keine inhaltlichen Ausfüh rungen dazu gemacht hat, obwohl dieses Gesetz, gerade was die elektronische Kommunikation angeht, doch massiv Neu land betritt.
Unser Fazit: zunächst ein kleiner Schritt. Richtig, wir wollen jetzt einmal die Entwicklung beobachten, was da noch auf uns zukommt. Es sind ja weitere Schritte vorgesehen.
Wir werden uns heute bei der Abstimmung über diesen Ge setzentwurf enthalten und werden dem Änderungsantrag bzw. dem Entschließungsantrag der FDP/DVP-Fraktion zustim men. Das, was die FDP/DVP bemängelt, fehlt in diesem Ge setzentwurf auf jeden Fall. Im Übrigen behalten wir die Ent wicklung kritisch im Auge, ob auch das Ziel, das Sie mit die sem Gesetz verfolgen, in Zukunft erreicht werden kann.