Protokoll der Sitzung vom 06.02.2020

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die CDU-Landtagsfraktion steht für eine ausgewogene Verkehrspolitik, die die verschie denen Verkehrsträger optimal verknüpft und möglichst viele Wahlmöglichkeiten gibt. Dazu brauchen wir aber auch einen gut funktionierenden Schienenpersonennahverkehr, für den wir, die CDU-Landtagsfraktion, uns weiterhin mit voller Kraft einsetzen werden.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Rivoir.

Frau Präsidentin, meine Kollegin nen und Kollegen! Wieder mal geht es bei einer Aktuellen De batte darum, ob das Verkehrsministerium bzw. ob die Füh rungsebene des Hauses ihr Handwerk beherrscht oder nicht.

Ganz zu Beginn möchte ich mich ausdrücklich erfreut darü ber zeigen, Herr Minister, dass Sie es einrichten konnten, heu te einmal bei einer solchen Debatte hier mit dabei zu sein.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP – Unruhe)

Ich zitiere zu Beginn meiner Ausführungen das, was ich heu te früh in der „Südwest Presse“, meiner Heimatzeitung, gele sen habe. Ich zitiere Herrn Hagel, den CDU-Generalsekretär, der dort sagt:

Das Chaos hat einen Namen: Verkehrsminister Winfried Hermann.

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Er hat völlig recht: Sie und Ihr Haus sind überfordert mit der Organisation eines zuverlässigen und bequemen Regionalverkehrs in BadenWürttemberg. Es herrscht Chaos draußen im Land.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD)

Das erste Komplettversagen waren die Übergangsverträge, die ja notwendig wurden, weil Sie mit den neuen Ausschrei bungen nicht rechtzeitig fertig geworden sind. Zugausfälle, schlechtes Wagenmaterial, vergrätzte Fahrgäste waren die Fol ge. Da war schon ein Symptom zu erkennen, nämlich: Alle anderen sind schuld, nur der Minister nicht.

Dann kam der Betriebsstart in den Stuttgarter Netzen. Da nahm das Chaos so richtig seinen Lauf: Zugausfälle, Perso nalmangel, Tausende betroffene Pendlerinnen und Pendler, fehlendes Wagenmaterial. Die DB Regio – diejenigen, die im Wettbewerb herausgedrängt worden sind – hat geholfen; sonst wäre das Chaos noch viel größer gewesen.

(Zuruf)

Das Symptom war am Schluss wieder genau das gleiche: Al le sind schuld, nur der Herr Minister nicht.

Und Sie bestellen dann zu kleine Züge. Der Sitzabstand bei den Zügen ist zum Teil enger als bei Ryanair.

(Heiterkeit des Abg. Bernd Gögel AfD – Abg. Anton Baron AfD: Hauptsache, die Fahrräder haben Platz!)

Ein Angebot für einen komfortablen, umweltfreundlichen Nahverkehr ist das oft nicht. Auch für diese Zugbestellungen gilt: Alle sind schuld, nur der Herr Minister nicht.

Wenn im Alb-Donau-Kreis die Fahrpläne so geändert werden, dass die Schüler morgens nicht mehr rechtzeitig in die Schu le kommen oder ganze Bahnhöfe abgehängt werden, an de nen gerade neue Park-and-ride-Plätze gebaut wurden und wo jetzt einfach der Zug nicht mehr hält, dann sind alle anderen schuld, nur der Herr Minister nicht. Er ist nicht daran schuld.

(Zuruf von den Grünen: Sitzt er im Stellwerk?)

Dann, meine Damen und Herren, kommen wir noch zu die sen Wagenbestellungen, zu dieser neuen Landesgesellschaft „Landesanstalt für Schienenfahrzeuge Baden-Württemberg“. Grundsätzlich tragen wir dieses Instrument, diese Anwendun gen, diese Zugbestellungen, um die Züge in das Eigentum des Landes zu versetzen, durchaus mit. Das ist auch richtig. Aber leider ist auch hier eine Überforderung und Blauäugigkeit zu diagnostizieren.

Wenn man solche Züge bestellt – natürlich hat zunächst der Betreiber Züge bestellt – und sie in das Eigentum des Landes übergehen, muss man sich rechtzeitig und täglich darum küm mern, wie die Qualität ist, ob die Schweißnähte richtig sind,

ob die Liefertreue eingehalten wird. Der Minister meinte je doch, es sei wie Weihnachten: Man hat einen Liefertermin, dann macht man das Paket auf, und alles steht da.

Bei der Bahnindustrie ist das halt nicht so. Da weiß man seit Jahren, dass es Lieferverzögerungen gibt und dass sie alles versprechen und das Blaue vom Himmel erzählen, nur um ih re Liefertermine verschieben zu können.

Meine Damen und Herren, blauäugig, am Nasenring sind die Regierung und speziell der Minister hier von den Herstellern der Züge im Ring herumgeführt worden.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD)

In diesem ganzen Chaos kommt dann in der letzten Aus schusssitzung – auf die gehe ich auch gleich noch ein – der Herr MD Dr. Lahl um die Ecke und sagt etwas kleinlaut: „Ja, auch bei der Filstalbahn sind die Kapazitäten zu wenig; wir haben womöglich zu kleine Züge bestellt, ich brauche noch einmal Züge für 1 Milliarde €.“– So nebenbei; das ist noch gar nicht richtig durchgedrungen.

Meine Damen und Herren, das ist die Qualität, mit der in die sem Land der Schienenpersonennahverkehr organisiert wird: Chaos pur, Unkenntnis, Blauäugigkeit, Überforderung. Das sind die Dinge, über die wir hier reden müssen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD)

Herr Minister, Sie sind zwar – ich habe es schon dargestellt – der König der Ausreden,

(Abg. Anton Baron AfD: Ja, das ist er!)

aber eines ist eben auch klar: Sie sind der oberste Fahrdienst leiter in diesem Land. Sie haben die politische Verantwortung für das, was draußen an den Bahnsteigen in unserem Land je den Tag an Chaos passiert.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD so wie des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Ich zitiere gern noch einmal aus meinem Leib- und Magen blatt von heute früh, der „Südwest Presse“, und zwar den Kol legen Paal, den wirtschaftspolitischen Sprecher:

Der Minister ist nicht an allem schuld. Aber er trägt die Verantwortung. Deshalb muss er die Konsequenzen tra gen und sich überlegen, ob er an der Stelle der Richtige ist.

Herr Paal, dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Abg. Anton Baron AfD: Sehr rich tig! Sehr richtig, Herr Paal!)

Das bisher Gesagte ist ja nur eine Zustandsbeschreibung. Da rüber haben wir schon öfter geredet. Es geht jetzt aber auch darum, wie man sich der politischen Verantwortung stellt, wie man als politisch Verantwortlicher für dieses Chaos mit der Situation umgeht.

Das, was letzte Woche im Verkehrsausschuss passiert ist, ist beispielhaft. Wir haben zusammen mit der FDP/DVP einen

Tagesordnungspunkt eingeführt, haben einen Bericht über die Zustände der Filstalbahn gefordert. Es war eine öffentliche Sitzung. Wir hatten Pendlerinnen und Pendler eingeladen, die auch gekommen sind.

Wir alle, die Betroffenen, aber auch die Parlamentarier, haben eigentlich erwartet, dass sich der Minister der Verantwortung stellt und Rede und Antwort steht. Was ist passiert? Er hat sich einen schlanken Fuß gemacht. Er hat seinen Amtsleiter, den MD Lahl, vorgeschickt – für uns unvorstellbar. Draußen herrscht Chaos, und der Minister lässt sich im Auto nach Ravensburg fahren,

(Zuruf von der AfD: Ach, mit dem Auto! Nicht mit dem Fahrrad?)

um dort bei einem Wohlfühltermin mit zehn anderen über das Thema „Mobilität 4.0“ zu diskutieren. Herr Minister, Sie dis kutieren über Verkehr 4.0 und bekommen nicht einmal den Verkehr 1.0 in den Griff.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP)

Es war ein ungeheuerlicher Vorgang, sich hier zu drücken, und es war auch eine Arroganz dem Parlament gegenüber.

(Abg. Anton Baron AfD: Sehr richtig, ja!)

Dieses Verhalten wurde auch in der Ausschusssitzung deut lich gewürdigt. Der Vorsitzende, Herr Rombach, ist norma lerweise ein friedlicher und ausgleichender Zeitgenosse. Er hat den Herrn Minister mit deutlichen Worten gerügt und Un verständnis geäußert. – Das, was Sie da gesagt haben, sind ei gentlich schallende Ohrfeigen für den Herrn Minister gewe sen. Vielen Dank für Ihre klaren Worte.

Auch dass unser Antrag, den Herrn Minister herbeizuzitieren, gerade mal an einer Stimme gescheitert ist – drei Kollegen der CDU haben sich enthalten –, ist eine schallende Ohrfeige für den Herrn Minister, vor laufenden Kameras.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD so wie des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Abg. Thomas Blenke CDU: Macht es euch eigentlich nichts aus, dass die AfD mitklatscht?)

Ich habe es schon gesagt: Der Minister ist der Meister im Schleichen aus der Verantwortung.

Kommen wir noch einmal zu dem Termin. Da wurde dann ge sagt: Es war ein Problem im Vorzimmer, da wurden Termine falsch gelegt.