Protokoll der Sitzung vom 06.02.2020

Kommen wir noch einmal zu dem Termin. Da wurde dann ge sagt: Es war ein Problem im Vorzimmer, da wurden Termine falsch gelegt.

(Zuruf des Abg. Klaus Dürr AfD)

Herr Minister, Sie können das, was da passiert ist, auf alle Möglichen schieben, die Zuganbieter usw., es aber dem eige nen Vorzimmer anzulasten, dass Sie nicht in der Lage sind, bei einem Termin im Stuttgarter Landtag aufzutauchen, wenn es um den Schienennahverkehr in Baden-Württemberg geht, das ist mehr als erbärmlich und peinlich.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD – Vereinzelt Beifall bei der FDP/DVP)

Sie waren am Vormittag hier. Sie hätten morgens, als Sie ge sehen haben, dass diese Debatte läuft, die Termine noch tau schen und Herrn Lahl nach Ravensburg schicken können. Dann wären Sie hier im Parlament geblieben.

(Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)

Das wäre die richtige Reihenfolge und Rangordnung gewe sen aus Respekt vor den Pendlerinnen und Pendlern und vor diesem Hohen Haus. Herr Minister, wir erwarten nachher an diesem Redepult eine Entschuldigung von Ihnen für dieses Verhalten.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP)

Und über das Interview, das der Kollege Paal gegeben hat und das heute in der Zeitung stand, sollten Sie auch einmal nach denken.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Für die FDP/DVP-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Haußmann das Wort.

(Abg. Klaus Dürr AfD: Und es bleibt dabei: Der Fisch stinkt vom Kopf her!)

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte im Zuge der Haushaltsberatungen im Dezember schon einmal die ver kehrspolitischen Themen angesprochen: die Politik gegen die individuelle Mobilität, gegen das Auto und gegen den Flug verkehr. Über den automobilen Irrweg einer einseitigen Bat teriemobilität haben wir gestern in unserer Aktuellen Debat te gesprochen.

Deswegen will ich mich heute auf den Regionalverkehr kon zentrieren. Denn zum Leidwesen Tausender Fahrgäste, die täglich unterwegs sind, brennt in Baden-Württemberg die Hüt te lichterloh, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der AfD)

Ich darf noch einmal aus der Broschüre zur Angebotskonzep tion 2025 den Minister zitieren:

Wir wollen Baden-Württemberg zu einem Pionierland für nachhaltige Mobilität machen....

Unser ambitioniertes Leitbild ist die Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis zum Jahr 2030. Dafür muss das Zug angebot im Land flächendeckend verbessert werden, um neue Fahrgäste zu gewinnen.

Da habe ich mir gedacht, Herr Minister, Sie haben sicherlich auch den Artikel in der „Wirtschaftswoche“ über den Bahn verkehr in Japan gelesen: An einem Morgen Mitte Mai 2018 fuhr ein Zug 25 Sekunden zu früh ab. Statt laut Fahrplan 7:12 Uhr setzte sich die Lok um 7:11 Uhr und 35 Sekunden in Be wegung – ein wahrhaft unverzeihlicher Fehler, so die spätere Entschuldigung in der Pressemitteilung des Bahnbetreibers.

Das war sicherlich Ihr Leitbild, das Sie sich für die nachhal tige Pionierregion im Regionalverkehr in Baden-Württemberg vorgestellt haben.

(Lachen des Abg. Willi Stächele CDU)

Von so etwas können die Fahrgäste in Baden-Württemberg aktuell nur träumen – seit Wochen Ausfälle, Verspätungen, zu kurze Züge auf fast allen Strecken in Baden-Württemberg: Filstalbahn, Remsbahn, Murrbahn, Residenzbahn, Bodensee gürtelbahn, Breisgau-S-Bahn, Frankenbahn; man könnte die Liste gerade so fortsetzen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Alle!)

Das ist das Ergebnis der Neuentwicklung des Regionalver kehrs unter der Führung des Verkehrsministers Hermann, lie be Kolleginnen und Kollegen.

Es ist interessant, einmal die alten Pressemitteilungen anzu schauen. Ich darf Sie mit einer Äußerung vom 6. Dezember 2018 zitieren:

Die Sorge, dass der Nahverkehr durch mehr Umsteiger schnell an seine Grenzen stoßen könnte, ist unbegründet, wie eine Fahrgastzählung unlängst zeigte. Tatsächlich sind in der Hauptverkehrszeit nur wenige Züge... ausge lastet.... In den meisten Zügen ist noch Platz; oft sind so gar Sitzplätze frei, wenn sie nicht durch Taschen belegt werden.

(Heiterkeit des Abg. Winfried Mack CDU)

Die entsprechenden Pressemitteilungen von Kollegen der CDU wurden ja schon mehrfach angesprochen. Kollege Ri voir, wir von der Opposition hätten uns gar nicht getraut, so hart zu formulieren.

(Heiterkeit des Abg. Andreas Stoch SPD)

Aber wir können dem, was hier formuliert wurde, natürlich zustimmen.

Sehr geehrter Herr Minister Hermann, Sie waren gestern beim Bürgerdialog im Filstal.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Von euch ha be ich keinen gesehen! Da war keiner von euch da!)

Ich habe mich erkundigt. – Es wäre eigentlich ein schönes Zeichen gewesen, wenn Sie sich einfach bei den Fahrgästen entschuldigt hätten, wenn Sie einfach gesagt hätten: „Ent schuldigung.“ Wir erwarten ja gar nicht, dass Sie das bei uns im Verkehrsausschuss tun – da hätten wir gern mit Ihnen über dieses Thema gesprochen. Aber Sie hätten den Fahrgästen durchaus sagen können: „Entschuldigung für dieses Dilem ma; für dieses Chaos möchte ich mich bei den Fahrgästen ent schuldigen.“ Aber das bringen Sie leider nicht über die Lip pen, und das ist für Baden-Württemberg keine tolle Leistung, die Sie hier zeigen, lieber Herr Hermann.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD)

Wir haben vier Themenfelder, nach denen man ein bisschen differenzieren muss. Das erste und wichtigste Themenfeld –

das wird uns sicher noch weiter massiv beschäftigen – sind die Ausschreibung und die Zugbestellung. Schon damals ha ben Fachleute gesagt, sie verstehen nicht, wie man angesichts der Fahrgastentwicklung in Baden-Württemberg auf Doppel stockzüge verzichten kann. Die Markterkundung, die Sie jetzt in Bezug auf 220 Doppelstockwagen in Baden-Württemberg vornehmen wollen, ist ein Offenbarungseid einer gescheiter ten Ausschreibung und einer gescheiterten Zugbestellung,

(Beifall des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP)

die für die Landesanstalt für Schienenfahrzeuge möglicher weise noch zu einem Milliardenfiasko führen wird.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Unsinn!)

Es war schon interessant – Sie waren letzte Woche nicht da bei, sodass ich es hier noch einmal sage –: Ihr Amtschef hat gesagt: „Wir waren pleite. Wir waren damals pleite;

(Zuruf von der SPD: CDU insolvent!)

wir konnten gar nicht viel besser bestellen.“ Es war ja schon bemerkenswert, das so zu hören. „Wir waren pleite“, hat Amtschef Lahl gesagt, „wir konnten gar nicht mehr bestel len.“

Ich komme sicherlich in der zweiten Runde noch auf Antwor ten zu sprechen, die Sie uns damals gegeben haben. Sie ha ben gesagt: „Wir haben genügend Fahrzeugreserven einkal kuliert; das ist also gar kein Problem.“

Diese verschiedenen Aussagen in Einklang zu bringen wird die Aufgabe sein. Es gilt, hier im Parlament noch einmal de tailliert darauf einzugehen, denn Sie hatten ja Berater, die Sie aus der ganzen Bundesrepublik beigezogen hatten, und haben ein technisches Controlling, das sich damit dann schon noch einmal genau beschäftigen muss.

Erwartungsgemäß gibt es mangelhafte Erfahrungen der neu en Betreiber – das war bekannt –, neuer Betreiber, die nach Baden-Württemberg kamen. Wir haben einen bemerkenswer ten Laisser-faire-Stil des Verkehrsministeriums, nach dem Motto: Wir haben das ja bestellt; dann müssen es die anderen entsprechend machen.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Davon kann keine Rede sein: „Laisser-faire-Stil“!)

Selbst nach den Erfahrungen der ersten Inbetriebnahme hat man das, beispielsweise bei der Filstalbahn, genau so laufen lassen.

(Abg. Anton Baron AfD: Genau!)

Da hätte man Fahrzeugreserven aufbauen müssen. Aber trotz der Erfahrungen mit der ersten Inbetriebnahme hat man die sen Laisser-faire-Stil im Grunde gerade weiterlaufen lassen.

Herr Haußmann, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Renkonen zu?