tivwirtschaft mit der Kunst und Kultur etwa 31 000 Unterneh men. – Wenn Sie Zwischenfragen haben, nur zu. Alle lachen so nett.
Ich wollte darauf hinweisen, dass es hier nicht nur um die schöngeistigen Dinge geht, sondern natürlich auch um den Wirtschaftsbetrieb. Denn wer in die Oper geht, besucht auch die Gastronomie. Wer in den Jazz klub geht, konsumiert dort Getränke. Wer ins Kino geht, kauft Popcorn. Das heißt, es hängt viel mehr als der reine Kultur betrieb an all diesen Dingen. Die Kunst und die Kultur sind in unserem Bundesland ein erheblicher Wirtschaftsfaktor.
Der nun von der Kunstministerin Bauer vorgelegte „Master plan Kultur BW – Kunst trotz Abstand“ ist eigentlich das Mi nimum dessen, was dieser wichtige Bereich erwarten kann. Wir finden, die in Aussicht gestellten Mittel sind eigentlich zu wenig. Was im Moment viel schlimmer ist, ist die fehlende langfristige Perspektive. Sie haben alle von den Öffnungsper spektiven gesprochen. Wenn man jedoch das Papier liest, fin det man dort kurzfristige Maßnahmen. Aber darüber, wie es langfristig weitergehen soll, wie womöglich im Herbst Thea ter öffnen können, steht darin überhaupt nichts. Es ist eigent lich das Entscheidende – was die Szene braucht und was die Szene auch einfordert –, dass wir klare Perspektiven für die zweite Jahreshälfte haben, wie wir weiter öffnen können.
Der erste Punkt ist das Soforthilfeprogramm für Künstlerin nen und Künstler bzw. Soloselbstständige, von uns hier im Landtag auch beschlossen, über das Anspruchsberechtigte Kosten des Lebensunterhalts von 1 180 € pro Monat geltend machen können – bundesweit einmalig, eine richtige und gu te Angelegenheit, befristet auf drei Monate. Es geht aber auch darum, das entsprechend zu verlängern; denn diese drei Mo nate sind bald vorbei.
Der zweite Punkt ist das Programm „Kultur Sommer 2020“. Es war so: Es gab eine Ausschreibung im Rahmen des Inno vationsfonds. Dann haben sich die kreativen Menschen in die sem Land beworben. Diese Ausschreibung ist zurückgezogen worden. Dieses Geld, das dort hineingesteckt werden sollte, wird jetzt in das Programm „Kultur Sommer 2020“ gesteckt. In diesem Masterplan wird der Eindruck vermittelt, als ob da frisches Geld ins System kommt. In Wirklichkeit hat man es vorher der Kulturszene weggenommen und gibt es ihr jetzt in anderer Form zurück. Es ist also kein frisches Geld in diesem System.
Der dritte Punkt – ich habe es bereits gesagt, und es hat uns auch bei der Aktuellen Debatte zu Punkt 2 der Tagesordnung heute länger beschäftigt –: Bei den Verordnungen herrscht Un sicherheit bezüglich der Eröffnungsperspektiven. Was die Kul tur- und Kreativwirtschaft braucht, ist Verlässlichkeit, Klar heit und eben Sicherheit, meine Damen und Herren.
Es gilt das Gleiche wie bei dem, was wir vorhin diskutiert ha ben: Das, was die Regierung hier an Perspektiven vorlegt, ist zu unklar, zu langsam und zum Teil auch widersprüchlich. Es fehlen die Handreichungen, die Szenarien, wie es im Herbst weitergehen kann, welche Perspektiven z. B. die Theater dort haben.
Dieser Masterplan ist ein Sofortprogramm, eine akute Hilfe. Das ist richtig; das wird von uns anerkannt. Es ist im Prinzip ein gutes Projekt, aber es fehlt die Langzeitperspektive. Ich glaube, wir müssen wirklich aufpassen, dass in diesem Herbst nicht die ganz große Katastrophe auf uns zukommt. Denn Kul tureinrichtungen, die nur noch 50 % der bisherigen Zahl von Zuschauerinnen und Zuschauern in die Häuser bekommen können, die können nicht wirtschaftlich arbeiten.
Ich nehme jetzt einmal die Theater. Es gibt natürlich Unter schiede in den einzelnen Häusern. Die kleinen freien Theater leben hauptsächlich von den Eintrittsgeldern und von den Zu schauergebühren, die bezahlt werden. Wenn da nur noch die Hälfte kommt, ist dort ein wirtschaftlicher Betrieb in keiner Weise möglich.
Etwas anders verhält es sich bei den kommunalen Theatern oder unseren Staatstheatern. Ich greife einmal willkürlich die freien Orchester heraus. Nennen wir einmal das Freiburger Barockorchester oder das SKO, das Stuttgarter Kammeror chester. Das sind Orchester auf Weltniveau, die normalerwei se auf Tourneen sind, die von den Eintrittsgeldern leben und die jetzt keine Perspektive haben, wie es überhaupt weiterge hen kann.
Auch die Kinolandschaft braucht eine Perspektive. Ich finde in diesem Papier sehr wenig darüber, wie es für diese Einrich tungen, für diese Institutionen weitergehen kann. Ich hätte ei gentlich von diesem Masterplan, der ja so großmundig ange kündigt worden ist, schon klarere Entwicklungsperspektiven und klarere Vorgaben erwartet.
Was Sie hier vorgelegt haben, ist eher eine Pflichtübung. Es ist schon recht, Sie haben das ordentlich gemacht. Doch ei gentlich ist es zu harmlos, es ist zu kurz gesprungen, es fehlt die Perspektive, und – erlauben Sie mir jetzt mal diese Be merkung – dieses uns zugegangene Papier ist auch schon sehr stark mit viel Eigenlob durchsetzt.
Frau Kunstministerin Bauer, angesichts der wirtschaftlichen Kennzahlen ist es wirklich angezeigt, auch für den Kunst- und Kulturbereich mehr Geld in die Hand zu nehmen. Der Touris musminister, die Wirtschaftsministerin und auch der Verkehrs minister haben in diesen Verteilungsrunden wesentlich mehr für ihre Sektoren herausgeholt. Gerade heute habe ich wieder einen Facebook-Post gesehen. Die Zahlen kursieren: 330 Mil lionen € für die Gastronomie, 240 Millionen € für den ÖPNV, dann kommt noch eine ganze Latte, und ganz am Schluss schließlich: 40 Millionen € für Kunst und Kultur. Da muss ich schon sagen: Kultur und Kreativwirtschaft sind keine Almo senempfänger; sie sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in un serem Bundesland. Hier muss finanziell nachgebessert wer den.
Aber wesentlich wichtiger ist im Moment schlichtweg die Öff nungsperspektive für die Häuser, für die Spielstätten – spätes tens für den Herbst dieses Jahres. Da müssen dringend Infor
mationen an die Szene gehen und muss Klarheit geschaffen werden, sonst wird man dort noch viel größere Probleme be kommen, als sie schon jetzt bestehen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen Abgeordnete! „Kunst trotz Abstand“: Das Land befindet sich in einer existenziellen Krise. Steuereinnahmen brechen weg, zahllose Betriebe und Selbstständige bangen um ihre Existenz. Und in dieser Krise beantragen die Grünen eine Aktuelle Debatte zum Thema Kunst. Nichts könnte den Abstand der grünen Fraktion von der Bevölkerung deutlicher machen als dies.
Denn was interessiert den Bürger derzeit am meisten? Der Er halt seines Arbeitsplatzes, um den er Angst hat.
(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Ja, auch bei den Künstlern! Völlig weltfremd! – Abg. Reinhold Gall SPD: Auch Künstler haben Arbeitsplätze!)
Aber wir wissen ja alle – bevor Sie es sagen müssen, sage ich es schon selbst –: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Las sen Sie mich einfach einmal in Ruhe ausreden.
Nun zum „Masterplan Kultur“: Wir sehen hier, meine Damen und Herren, einen Trend zur Planwirtschaft.
Die Planwirtschaft hat sich Ih rer Auffassung nach in den vergangenen Jahren im Osten Eu ropas ja offensichtlich bewährt. Deshalb existiert sie dort nicht mehr. Wir, die Alternative für Deutschland, stehen für eine freie Gesellschaft – in jeglicher Hinsicht.
Mit all den Coronahilfen hingegen schaffen wir Abhängigkei ten – ja, das sollen sie auch spüren –, Abhängigkeiten, die ge wollt sind. Oder nicht? „Masterplan Kultur“: „Master“ viel leicht, damit der Begriff „Plan“ nicht so auffällt. „Masterplan“, welch hochtrabender Ausdruck!
Ich bin ja sehr dafür, dass man sich auch einmal lobt, dass man auch einmal sagt, wenn etwas gut ist. Aber bei „Masterplan Kultur“ muss ich doch fragen: Wer ist denn da der Meister? Nicht selten hat man Nicht-Wissen und Nicht-Können so eu phemistisch umschrieben.
(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Doch! Bei Ih nen! – Minister Franz Untersteller: Unter der Gras narbe!)
Natürlich hätte man auch sagen können: nicht wissen können. Dabei waren wir, wie wir heute schon mehrfach gehört haben, ja durch viele, viele Beispiele unterrichtet. Schon im März konnte man voraussagen, wie sich die Coronasituation entwi ckeln würde. Gerade deshalb ist der Begriff „Plan“ sicherlich die falsche Antwort.
Die unternehmerischen Aktivitäten bleiben auf der Strecke. Diese unternehmerischen Aktivitäten halte ich besonders auch im Bereich Kunst für wichtig. Sie sind wichtig, um auch in haltliche Unabhängigkeit zu garantieren.
In der Kunst von Unternehmertum zu sprechen, mag dem ei nen oder anderen abwegig erscheinen. Aber viele Künstler sind ja sogenannte Soloselbstständige – übrigens auch so ei ne schöne Wortschöpfung aus der schönen neuen Welt. Sie wissen schon, was ich damit meine.
Viele Künstler müssen sich selbst managen, ihre eigenen Ver anstaltungen organisieren, ihre eigene Öffentlichkeitsarbeit machen.
Das Problem bei der Soforthilfe ist jedoch die Gefahr des Missbrauchs. Sind wirklich alle Empfänger Künstler, oder sind das Menschen, die schnell zu Künstlern geworden sind, also quasi Lebenskünstler? Wir erleben durchaus ein beispiel loses Abgreifen-Wollen von Geld und staatlichen Hilfen,
(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Beweise auf den Tisch legen oder schweigen, Herr Dr. Balzer! Nicht haltlose Behauptungen aufstellen!)
Doch die Konsequenzen dieser Entwicklung sind im schlimms ten Fall ein noch stärker staatlich geführter Kunst- und Kul turbetrieb