Protokoll der Sitzung vom 20.05.2020

(Zurufe, u. a. Abg. Dr. Albrecht Schütte CDU: Ent haltung!)

Habe ich das richtig gehört, Herr Abg. Dr. Gedeon, dass Sie sich der Stimme enthalten haben? – Gut.

Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Landesmediengesetzes – Druck sache 16/8010

Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Aus schusses – Drucksache 16/8035

Berichterstatterin: Abg. Marion Gentges

Das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Rede zeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Es beginnt Herr Kollege Salomon für die Grünen.

(Unruhe)

Wir sind ganz regulär bei Tagesordnungspunkt 5. Ich bitte Sie, Ihre Plätze einzunehmen. Auch an der Regierungsbank, Herr Kollege Wald, bitte ich um Ruhe. Herr stellvertretender Frak tionsvorsitzender Mack, bitte setzen Sie sich. Bitte lassen Sie wieder Ruhe einkehren.

Sie haben das Wort, Herr Abg. Salomon.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Was erst einmal sehr einfach daherkommt, näm lich die Änderung des Landesmediengesetzes, ist in seiner Tragweite, glaube ich, gar nicht zu unterschätzen und auch in der gesetzestechnischen Herausforderung – –

(Unruhe)

Entschuldigung, Herr Abg. Salomon. – Frau Staatssekretärin Mielich, ich bitte Sie jetzt. Es ist einfach unglaublich unruhig.

Vielen Dank, Frau Prä sidentin. – Es ist gesetzestechnisch ein sehr schwieriger Be reich gewesen. Deswegen gilt unser Dank noch einmal dem Staatsministerium und auch dem Gutachter, der erst die Vor aussetzungen geschaffen hat, dass wir diesen Gesetzentwurf einbringen konnten.

Ich darf in diesem Rahmen noch einmal daran erinnern – weil das Gesetz ja auch einen gewissen Vorlauf hatte –: Wir befin den uns jetzt im Bereich des Koalitionsvertrags von Grünen und CDU. Dort wurden die runden Tische „Medienzukunft“ hinterlegt. Sie wurden dann auch durchgeführt, weil wir auch gesehen haben, dass gerade der große Medienbereich in Ba den-Württemberg – ich will es nicht relativieren, aber einord nen – hier noch nicht so unter Beschuss steht wie in anderen Ländern.

Aber wir möchten im Vorfeld handeln und es nicht erst dazu kommen lassen, wie es in anderen Ländern – in Europa und auch in Deutschland – der Fall ist, dass es Medienhäuser gibt, die in sehr schwierige Fahrwasser kommen. Deswegen haben wir gesagt: Schon im Vorfeld müssen wir uns damit beschäf tigen, wie wir die Medienlandschaft in Baden-Württemberg zukunftsfest aufstellen können.

Diese runden Tische „Medienzukunft“ haben auch sehr inte ressante Beiträge hervorgebracht, sehr gute Debattenbeiträge. Klar war, dass die regionale Berichterstattung von allen – das sehen Sie gerade auch jetzt, in der Coronazeit – auf Priorität 1 gesetzt wird, von allen Bürgerinnen und Bürgern, auch in den Medienberichterstattungen. Auch für die Wirtschaft hat das den Stellenwert Nummer 1, weil die Leute wissen wollen, was vor Ort passiert.

Deswegen haben wir gesehen: Wenn wir nicht das prekäre System aus anderen Bereichen übertragen wollen, sondern so lide finanzieren wollen, müssen wir uns besser aufstellen. Vor allem der Fernsehbereich ist hervorzuheben. Nicht dass ande re Bereiche nicht ebenfalls ihre Probleme hätten, aber beson ders dort haben wir es tatsächlich mit einem Markt zu tun, auf dem die Ausgaben nicht mehr durch Werbeeinnahmen gedeckt werden können.

Wir befinden uns mit der Coronapandemie – das ist jetzt eine Replik auf diese runden Tische „Medienzukunft“ – auch in ei ner, so will ich es einmal umschreiben, sehr spannenden Zeit. Einerseits sehen wir steigende Abonnentenzahlen bei vielen Zeitungen und Medienhäusern, was zu begrüßen ist. Das zeigt natürlich auch die Verbundenheit der Bürgerinnen und Bür ger mit dem Medium Zeitung, mit der lokalen Berichterstat tung. Auf der anderen Seite haben wir wirtschaftliche Effek te: weniger Anzeigen, Kurzarbeit bei Medienhäusern – was nicht ganz dazu passt, dass der Stellenwert des Journalismus in dieser Zeit zunimmt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist dann schon auch ein Problem für unsere Demokratie. Es ist nicht zu un terschätzen, welchen Stellenwert unsere Medien als sogenann te vierte Gewalt in diesem Staat haben. Wenn wir dann darü ber reden, dass die Abonnentenzahlen zwar ansteigen, aber feststellen müssen, dass die Basis für den wirtschaftlichen Be trieb von Zeitungen und Medienhäusern erodiert, ist das na türlich eine sehr ernüchternde Meldung, die wir ernst nehmen müssen, meine Damen und Herren.

Diesen bei den runden Tischen konstatierten Stellenwert ernst nehmend, haben wir uns dafür entschieden, gerade im Bereich Fernsehen – es geht um lokale Berichterstattung, die nicht durchfinanziert und ausfinanziert war – einen gesetzestech nisch schwierigen Weg – das hatte ich bereits erwähnt – zu gehen, der aber gangbar ist. Es ist wichtig, in diesem Bereich

Sicherheit herzustellen, gerade für die Medienschaffenden vor Ort in den lokalen Rundfunkhäusern, damit sie auch weiter hin ihren Stellenwert behalten und ihren Journalismus aus üben können.

Das haben wir in diesem Gesetzentwurf ausgeführt und ha ben es auch mit Mitteln im Haushalt unterlegt. Auch das ist eine Besonderheit und hat meines Erachtens einen hohen Stel lenwert – was in diesen Zeiten nicht unterschätzt werden kann. Ich hoffe, dass mit diesen Geldern der Journalismus vor Ort weiterhin aufrechterhalten werden kann – in seiner Qualität und auch Quantität. Auch das ist nämlich eine Voraussetzung im Gesetzestext, dass man in einem bestimmten Format Be richterstattung aus der Region leisten soll.

Ich will mich gar nicht einmal groß in die breitere Diskussi on begeben, ob Medienpolitik auch Gesellschaftspolitik ist. Darüber könnte man, glaube ich, ganze Seminare halten und Abhandlungen füllen. Aber meines Erachtens ist es gerade für einen Standort wie Baden-Württemberg, der in den Bereichen Medien, Medienpolitik und Medienwirtschaft sehr stark auf gestellt ist, wichtig, dort Präsenz zu zeigen.

Eine andere Debatte will ich gern noch anführen: Seit unge fähr zwei Wochen steht immer wieder das Thema Rundfunk beitrag zur Debatte. Es gibt jetzt wieder eine Diskussion dar über, wie man an die Erhöhung des Rundfunkbeitrags heran gehen will, ob man die avisierte Erhöhung wieder zurück schrauben soll. Das ist meines Erachtens brandgefährlich. Da gegen müssen wir uns alle stellen, denn wir befinden uns im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Spardebatten. Wir befin den uns in diesen Debatten auch deshalb, weil der öffentlichrechtliche Rundfunk seit über zehn Jahren keine Erhöhung be kommen hat. Die Inflation aber steigt weiter an.

Ich glaube, wir, das Landesparlament, müssen uns hier klar positionieren und sagen: Wir brauchen eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags in schwierigen Zeiten. Es ist alles klar, aber ich glaube, es wäre wichtig, dass wir dieses Signal senden, weil aus dem Rundfunkbeitrag auch weitere Medienbereiche gespeist werden. Ich muss Ihnen nichts über Vorwegabzüge, über die Medien- und Filmgesellschaft sagen.

Aber jetzt kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege.

Erlauben Sie mir als letz ten Satz abschließend: Wir müssen uns auch über die Positi onierung und die Aufgabenkritik der LFK unterhalten. Wir müssen unsere Landesanstalt für Kommunikation in Zukunft stärken, weil die Aufgaben im Medienbereich größer werden statt kleiner.

Vielen Dank.

(Beifall)

Herr Abg. Haser, bitte, für die CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was lange währt, wird end lich gut. Das passt gut zu diesem Gesetz, das wir heute auf dem Tisch haben, das, auch wenn es um ein Rettungspaket geht, nichts mit Corona zu tun hat. Dafür ist die Geschichte

zu alt, und sie hat zu früh begonnen. Wie Kollege Salomon bereits gesagt hat, haben wir das schon bei den Medientischen thematisiert: Was passiert mit dem regionalen Fernsehange bot?

Wenn ich auf diese Medientische zurückschaue, muss ich sa gen: Wir hätten uns mehr vorstellen können. Es waren auch mehr Vorschläge auf dem Tisch. Aber wie immer, wenn man im Medienbereich unterwegs ist, verfolgen nicht alle Teilneh mer dieselben Ziele, und deswegen bin ich froh, dass wir we nigstens ein paar Punkte davon umsetzen können. Ich möch te aber eindeutig sagen, dass es nicht an der Regierung liegt, sondern auch an der schwierigen Konstellation, die wir teil weise in dieser Branche haben.

Mit dem heutigen Tag schaffen wir weitaus mehr als nur die gesetzliche Voraussetzung, zukünftig die 4,2 Millionen €, die wir im Doppelhaushalt pro Jahr veranschlagt haben, auszu schütten. Wir führen in Baden-Württemberg das erste Mal eine sogenannte Betrauungsnorm ein. Das ist ein Instrument, auf das ich gern näher eingehen möchte, weil es diesen Tag näm lich zu einem historischen Tag in der Medienpolitik macht, auch wenn man das an der Aufmerksamkeit im Plenum nicht wirklich merkt.

Nicht falsch verstehen: Wir haben diese Betrauungsnorm nicht wirklich erfunden. Sie kommt in der Schweiz vor, sie begeg net uns in Bayern, und sie ist nichts anderes als die Möglich keit, aus dem Landeshaushalt heraus Geld zur Verfügung zu stellen, das über eine Rundfunkanstalt, in unserem Fall die LFK, an die regionalen Rundfunksender ausgezahlt wird.

Historisch ist diese Änderung dennoch deshalb, weil sie an ei nem wichtigen Punkt eine Entscheidung, eine unserer Mei nung nach längst überfällige Entscheidung trifft. Diese Ände rung des Landesmediengesetzes stellt nämlich die allzu gro ßen Bedenken der Staatsferne unter bestimmten Vorausset zungen zurück, nämlich dann, wenn das Interesse nach Arti kel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes, wenn also die Pflicht zur Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit stärker wiegt und wenn, wie hier geschehen, die Staatsferne durch die Betrau ung einer unabhängigen Institution wie der Rundfunkanstalt gewährleistet ist.

Warum ist es so wichtig, dass wir uns hier sozusagen einmi schen? Weil sich die Dinge dramatisch verändert haben, weil es unsere Pflicht seitens der Landespolitik ist, uns der Verro hung der Medien und damit auch der Gesellschaft zu stellen, weil dieses Sich-Stellen heute mehr gefordert ist als nur ein Schulterklopfen auf diejenigen, die unter existenzbedrohen den Situationen arbeiten müssen, und weil es längst um Exis tenzen in der Medienlandschaft geht und damit auch um die Existenz des Fundaments unserer Demokratie.

Wir müssen aktiv werden, weil das, was heute auf unseren Straßen los ist, auch das Ergebnis einer medialen Überfrach tung aus dem In- und Ausland ist, der man nicht mit Zensur und nicht mit einem Ins-Lächerliche-Ziehen, nicht mit Über heblichkeit und auch nicht mit dem Abschalten des Internets oder mit Eingriffen in das Recht auf freie Meinungsäußerung begegnen kann, sondern weil wir Desinformation mit Infor mation, weil wir Desinteresse mit Interesse, weil wir Fakes mit Fakten und Unaufmerksamkeit mit Aufmerksamkeit be kämpfen müssen.

Wenn Sie an dieser Stelle mit mir übereinstimmen, dann reicht es eben nicht, immer nur zu sagen: „Es ist toll, dass wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben, der uns mit allem ver sorgt, was wir brauchen, und was da nicht läuft, ist nicht pas siert“, und dann reicht es auch nicht, es toll zu finden, dass wir neben diesem informationellen Schlachtschiff auch noch ei nen privaten Fernseh-, Radio- und Zeitungsmarkt haben, der als zweite Säule nicht nur der Garant ausgewogener Bericht erstattung ist, sondern auch wirtschaftlich von großer Bedeu tung für das Medienland Baden-Württemberg, sondern dann müssen wir neben diesem Toll-Finden auch dafür sorgen, dass wir Taten folgen lassen, und diese Tat folgt heute.

Die Kritik von VAUNET und anderen an diesem Gesetz, die natürlich zu Recht gefragt haben: „Warum bekommen die Geld und wir nicht?“, möchte ich auf zweifache Weise beant worten.

Erstens: weil professionelle Bewegtbildberichterstattung, wenn sie gut sein soll, ein Erlösmodell voraussetzt, das bei den nun begünstigten regionalen Must-carry-Sendern nicht in Sicht ist. Es ist unmöglich, gleichzeitig ein wirtschaftlich betreibbares Modell und eine professionelle Redaktionsausstattung, wie wir sie uns vorstellen, zu haben. Dieses Problem haben ande re Genres auch in Nicht-Coronazeiten eben nicht in diesem Ausmaß.

Die zweite Antwort: weil die Unterstützung privater Radio sender zwar unbedingt notwendig ist, diese aber auch ander weitig, z. B. durch Kooperationen im Bereich der Funkturm lizenzen oder in einer fairen Aufteilung des Werbemarkts, re alisiert werden kann, oder weil, wie heute geschehen, die LFK durch einen Nachtragshaushalt noch einmal Geld in die Un ternehmen stecken kann.

Was die Zeitungen anbelangt – das prophezeie ich jetzt ein fach mal –, werden wir uns auch da irgendwann überlegen müssen, wie wir die Transformation seitens des Staates posi tiv begleiten können.

Aber das tun wir nicht heute. Heute stimmen wir für die vor geschlagene Anpassung des Landesmediengesetzes und ge hen damit einen kleinen Schritt für die Medienbranche, aber einen großen Schritt für die Medienpolitik in diesem Land.

Danke schön.

(Beifall)

Nun spricht Herr Abg. Binder für die SPD.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Wir haben es heute mit einem Reförmchen des Landesmediengesetzes zu tun. Dieser Reform stimmen wir zu, weil es eine alte Forderung der SPD ist, die wir bereits in mehreren Haushaltsberatungen immer wieder erhoben ha ben. Wir sind froh, dass sich bei den letzten Haushaltsbera tungen für diese Idee auch eine Mehrheit gefunden hat.

Wir sind auch froh darüber, dass dazu eine verfassungsrecht lich einwandfreie Regelung gefunden wurde. Denn an diesem Punkt müssen wir die Staatsferne einhalten. Deshalb glaube ich, Kollege Haser, es geht nicht unbedingt um Einmischen, sondern es geht darum, überhaupt Rahmenbedingungen zu