Protocol of the Session on November 11, 2020

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(Heiterkeit – Zuruf)

Zum Thema „Gestaltung von Infrastruktur und Stadtentwick lung“: Wir wollen über ein Programm dazu beitragen, dass 500 lebendige, verkehrsberuhigte Ortsmitten, Ortsteile entste hen. Wir haben das Landesgemeindeverkehrsfinanzierungs gesetz so umgestaltet, dass darüber verkehrsberuhigende Maß nahmen finanziert werden können,

(Zuruf: Wieder so ein Märchen!)

darunter Rückbaumaßnahmen, die Platz und Lebensqualität in der Mitte von Orten schaffen, Maßnahmen, die nicht nur dem Autoverkehr Raum geben.

(Beifall)

Zusammen mit dem Ministerium für Ländlichen Raum und dem Ministerium für Soziales haben wir eine gemeinsame Ar beitsgruppe, die ein Impulsprogramm ins Leben rief, mit dem 20 Kommunen dabei unterstützt werden, lebenswerte, ver kehrsberuhigte und barrierefreie Ortsmitten zu gestalten. Wir haben von den Kommunen sehr viele Anträge bekommen. Das Programm interessiert sie. Auch das ist ein wichtiger Beitrag, um Ruhe in eine Ortsmitte zu bringen, damit dort auf der Ba

sis eines ruhigen Lebens wieder lebendiges Leben entstehen kann.

Ich komme zum Thema Lärmaktionspläne: Die Kommunen sind in der Pflicht, Lärmaktionspläne aufzulegen. In BadenWürttemberg haben inzwischen über 500 Kommunen einen solchen Plan. Am Anfang haben viele gesagt: „Was soll das? Das ist bürokratischer Aufwand. Das bringt nichts. Es gibt kei ne Vorgaben.“ Inzwischen wissen wir aber: Wenn man so ei nen Plan macht, entsteht ein Bewusstsein dafür, wo überall Lärm besteht, und es zeigt sich die Notwendigkeit, etwas zu tun, um ihn zu reduzieren.

Damit kommt genau das in Gang, was wir wollen, nämlich dass vor Ort Verantwortung übernommen wird, dass eine Kommune fragt: Wie müssen wir umplanen? Was müssen wir tun, damit es in dieser und jener Straße ruhiger wird?

Trotz der Hilfestellung, die wir gegeben haben – und zwar über den sogenannten Kooperationserlass, einen Leitfaden bzw. eine Hilfestellung für die Kommunen, wie sie das um setzen können –, haben noch immer 300 Kommunen in Ba den-Württemberg keinen Lärmaktionsplan. Die Bundesrepu blik Deutschland steht deshalb kurz vor einem Vertragsverlet zungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, weil in Deutschland viele Kommunen den Vertrag nicht erfüllen.

Die Kommunen sagen immer: „Land, mach du.“ In diesem Fall sagen wir: Kommunen, ihr habt die Verantwortung. Über nehmt sie auch. Schreit jetzt nicht nach dem Land.

(Beifall)

Wir haben unseren Beitrag vielfach geleistet. Ich will nur ei nige Beispiele nennen, die teilweise auch von Ihnen schon ge nannt wurden. Beispielsweise haben wir sehr aktiv den Ein satz von lärmminderndem Asphalt vorangebracht. Inzwischen sind 85 km an entscheidenden Strecken, an denen es wirklich laut war, entsprechend ausgebaut worden. Wir haben weitere 11 km Lärmschutzwände angebracht – wahrscheinlich woll te sich Herr Dr. Schweickert darauf beziehen, vermute ich.

Überall dort, wo wir entsprechende Maßnahmen bezogen auf die Infrastruktur ergreifen können, machen wir das. Wir ver folgen das systematisch weiter.

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Balzer zu?

Nein.

(Abg. Anton Baron AfD: Oh! – Zuruf: Schade!)

Es gibt in Baden-Württemberg in der Zwischenzeit noch im mer 250 000 Menschen, die zu hoch belastet sind. Da müssen wir ran, da müssen wir etwas tun. Dazu gehören eben die Maßnahmen, die ich vorher schon geschildert habe, die aber noch nicht überall umgesetzt sind und durch die wir auf der Grundlage von Lärmaktionsplänen dann auch mehr machen können.

Ein Punkt, der mir große Sorgen macht und der für viele Men schen auch sehr ärgerlich ist, sind der Motorradlärm und das Autoposing. Es gibt ja nicht nur laute Motorräder, sondern es gibt auch Krach machende neue Autos.

(Zurufe)

Da geht man dann zu einem Tuner, der dann aus einem leisen Fahrzeug einen lauten Brummer macht. Damit ärgert der Fah rer alle Leute und bringt sich sozusagen in Pose.

(Zurufe)

Es ist eine Halbstarkenpose, die aber immer zulasten der an deren und der Umwelt geht.

(Zurufe)

Wir haben deswegen auch die rechtliche Grundlage so geän dert, dass das einfache Herumfahren und Krachmachen straf bewehrt ist, dass es also mit Bußgeld belegt ist. Die Höhe des Bußgelds haben wir über eine Bundesratsinitiative deutlich erhöht, weil es nicht einzusehen ist, dass junge Leute, nur weil es ihnen gefällt, ein paar Hundert andere Leute dauernd be lästigen.

(Zuruf)

Es tut mir leid, dafür habe ich kein Verständnis; da will ich auch nicht tolerant sein.

(Beifall)

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Klos zu?

Nein. – Wir ha ben mit diesem Autoposing ein Riesenproblem. Das Gleiche gilt auch für Motorräder. Es ist angesprochen worden: Oft ist es nicht das Problem, dass sie per se zu laut sind, sondern dass sie nachträglich manipuliert werden und dies nicht konsequent verfolgt wird.

Ich habe meinem Kollegen Strobl immer wieder gesagt, dass es wirklich entscheidend ist, dass die Polizei Kompetenz er wirbt, regelmäßig überprüft und die Betreffenden herauszieht – auch wenn ein Teil der Veränderungen möglicherweise so gar rechtskonform ist. Es gibt leider auch rechtskonforme Maßnahmen, die die Motorräder lauter machen. Das ist auch schlecht. Aber wenn es illegal ist, dann kann man es jeden falls beenden, und dann muss die Polizei hart durchgreifen und auch regelmäßig spezielle Kontrollen machen, damit man solche Leute erwischt.

(Beifall)

Nun haben ja einige immer mal wieder ihre Vorurteile zum Thema „Fahrverbot für Motorräder“. Ja, das Land BadenWürttemberg war sehr aktiv im Bundesrat,

(Abg. Anton Baron AfD: Ah!)

weil ich es als Anspruch betrachte, dass wir, wenn wir sagen: „Wir machen Lärmschutz“, auch etwas tun, und zwar dort, wo man etwas tun kann. Das ist in diesem Fall ganz sicher auch der Bundesrat. Ich bin aber von Nordrhein-Westfalen, wo ei ne schwarz-gelbe Koalition regiert, unterstützt worden. Prak tisch alle Verkehrsministerinnen und -minister und -senatoren sind der Meinung: Wir müssen etwas gegen unsinnigen Mo torradlärm tun und auch gegen unsinnigen Autolärm. Deswe gen gilt es, gezielt Maßnahmen zu ergreifen.

Einige haben Sie selbst aufgezählt, z. B. dass sich an der Quel le etwas verändern muss, dass die Manipulation bekämpft

werden muss. An einem Punkt haben wir etwas gemacht, was dann erheblich verdreht worden ist: Wir haben gesagt: Wir wollen Kommunen die Möglichkeit geben, zeitlich befristet zu bestimmten Bedingungen auch ein Fahrverbot zu verhän gen. Also nicht: „Wir verordnen ein Fahrverbot“, sondern: „Wenn eine Kommune – –“

Es gibt Kommunen, die derart belästigt sind, weil Hunderte Motorradfahrer am Wochenende im Stundentakt durch die Or te rollen und man sein eigenes Haus vergessen kann, weil man eigentlich in dieser Zeit, während der Motorradsaison, weg ziehen muss. Da kann man also schon einmal sagen: „Moment mal, Sonntagmorgens von 9 bis 12 Uhr gehen wir in die Kir che, da haben wir Feiern, da dürfen keine Motorräder fahren.“ Das war früher übrigens gang und gäbe; in Luftkurorten etwa durfte zu bestimmten Zeiten nicht Motorrad gefahren werden. Das war so. Das hat man so nebenbei abgeschafft.

Ich finde es durchaus legitim, dass man solche Instrumente entwickelt. Es ist kein allgemeines Fahrverbot. Ich habe auch mit vielen der Motorradfahrer, die aktiv waren, gesprochen und immer wieder gesagt: Klar, 90 % von euch sind vernünf tig, und die wissen auch, dass sie keinen Krach machen sol len. Aber es gibt halt 10 %, die viel kaputt machen, und um die geht es; da muss man etwas machen.

(Beifall)

Jetzt komme ich noch zu der technischen Regelung. Das ha ben auch schon einige angesprochen: „Lass es uns technisch regeln.“ Ja, im Prinzip könnte man es technisch regeln. Das Problem ist nur: Als Landesregierung kann man es nicht; es kann nicht mal die Bundesregierung, nicht mal die EU, son dern nur die UNECE.

(Zurufe)

Das ist eine UN-Organisation im Nordatlantikbereich, also in den USA, Kanada, Europa, Russland und Teilen von Asien. Diese Organisation setzt die Standards. Dies zu ändern ist wirklich eine große Herausforderung, aber da muss man ran; denn wenn man die Motoren nicht von Anfang an leiser macht, kann man des Problems nicht wirklich Herr werden. Vor al lem eines ist wichtig: Es darf nicht sein, dass die Motoren der Motorräder auf dem Prüfstand einen bestimmten Lärmgrenz wert einhalten, aber tatsächlich lauter gefahren werden kön nen. Es muss schon klar sein, dass zu jedem Zeitpunkt die Lärmwerte eingehalten werden.

(Zuruf von der AfD: Was ist die Reichweite eines Elektroautos?)

Das ist die entscheidende Vorgabe, die wir brauchen. Also Emissionsmessung im „Real Driving“. Das ist hier das Stich wort.

(Beifall)

Thomas Marwein hat darauf hingewiesen, dass diese Kampa gne mit den Kommunen eigentlich ganz nützlich, ganz hilf reich war. Unglaublich viele Kommunen haben sich dem an geschlossen. Die meisten haben Aufklärungsarbeit geleistet oder haben z. B. Lärmdisplays – die wir gefördert haben – aufgestellt; inzwischen sind 40 davon aufgestellt worden. Ob wohl das freiwillig ist, hat es eine erstaunlich große Wirkung.

Weil einige denken, wir wären nur für Verbote, möchte ich sa gen: Wir sind ganz stark auf dem Weg von Einsicht, Überzeu gung, freiwilligen Hinweisen,

(Zuruf: Ja, ja!)

Indikatoren wie: „Du fährst zu schnell, fahr leiser.“ Das wirkt. Dieser Impuls wirkt, und den nutzen wir auch gern.