Frau Präsidentin, meine werten Kol legen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beschäf tigen uns heute mit dem 32. Tätigkeitsbericht des Landesbe auftragten für den Datenschutz. Wie bereits mehrfach erwähnt, bezieht sich dieser auf die Jahre 2014 und 2015. Er wurde be reits im Januar 2016 vorgelegt, aber er hat, wie Herr Dr. Brink völlig zu Recht festgestellt hat, nichts von seiner Aktualität eingebüßt.
Wenn Ihnen jetzt auch noch die AfD rät: „Liebe Kollegen, le sen Sie den Bericht“, glaube ich, dass es selten so viel Einig keit hier im Plenum gegeben hat. Der Bericht ist wirklich her vorragend und hochinteressant. Die AfD bedankt sich aus drücklich für diesen interessanten, ausführlichen und sehr in formativen Bericht – sowohl beim damaligen Verfasser als auch bei dessen Mitarbeitern.
Wenn Sie mir nicht glauben, dass Sie ihn lesen sollten, kann ich Ihnen sagen, dass darin so interessante Dinge wie „daten sparsame Fototaschen“ stehen.
Ich sehe an den Gesichtern, dass nicht unbedingt viele wis sen, was das ist. Insofern rate ich Ihnen, den Bericht zu lesen.
Er bezieht sich auf § 4 des Bundesdatenschutzgesetzes, in dem es um die Zulässigkeit der Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung geht.
Lassen Sie mich kurz einige Positionen der AfD darlegen und auf die Konsequenzen hinweisen, die sich daraus für den Da tenschutz sowie das Recht auf informationelle Selbstbestim mung ergeben. Selbstverständlich steht die AfD für Daten schutz. Insbesondere stehen wir für das Recht auf informati onelle Selbstbestimmung. Bei personenbezogenen Daten han delt es sich um hochsensible Daten. Ich denke hierbei nur an Unterlagen in Krankenhäusern, ich denke an Unterlagen bei Ärzten, ich denke an Unterlagen bei Therapeuten oder auch Handakten bei Rechtsanwälten und vieles mehr, die alle hoch sensible personenbezogene Daten enthalten. Hier sehen wir – insbesondere zu den sozialen Netzwerken wurde das bereits angesprochen –, wie ein sehr sorgloser Umgang mit Daten stattfindet.
Wir setzen hier stark auf Sensibilisierung der Betroffenen, ins besondere der jungen Menschen, damit diese klare Erkennt nisse gewinnen und sich auch Gedanken darüber machen, was das für ihre private oder berufliche Zukunft bedeuten kann.
Meine Damen und Herren, ich darf kurz auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Volksbefragung verweisen. Das Bundesverfassungsgericht hat damals gesagt: Es gibt kei ne unsensiblen, keine unkritischen Daten. Wenn man sich die Fachliteratur ansieht, stellt man fest, dass in der letzten Zeit eine Tendenz aufkommt nach dem Motto: Doch, es gibt un kritische Daten.
Ein Beispiel ist die Datenerfassung darüber, wann bei einem Automobil der Scheibenwischer läuft. Das ist eigentlich eine unkritische Datenerfassung, möchte man meinen. Aber jetzt überlegen Sie sich einmal folgenden Fall: Es kommt zu einem Unfall bei Starkregen, aber der Scheibenwischer war nicht eingeschaltet. Das ist von Interesse bei der Ermittlung, ob der Fahrer noch völlig die Kontrolle über das Fahrzeug hatte, ob er überhaupt dem Verkehrsgeschehen noch folgen konnte. Da mit wird aus der Feststellung, ob der Scheibenwischer einge schaltet war, plötzlich ein hochsensibles Datum.
Das heißt, wir wollen, dass Daten so weit wie möglich auf die untere Ebene verlagert werden. Wir wollen, dass die europä ische Ebene erst dann aktiv wird, wenn die Maßnahmen der Mitgliedsstaaten nicht mehr ausreichen.
Hier unterstützen wir ausdrücklich die vom früheren Daten schutzbeauftragten, Herrn Klingbeil, vertretene Auffassung, der sich vehement gegen die Idee einer zentralen Bundesbe hörde für Datenschutz mit Zweigstellen in den Ländern aus gesprochen hat. In der Tat macht es auch aus Sicht der AfD wenig Sinn, Landes- und kommunale Behörden von einer Bundesbehörde kontrollieren zu lassen. Dies gilt ebenso, wie der Verfasser richtigerweise bemerkt hat, für die baden-würt tembergischen Unternehmen, die auf die unkomplizierte Zu sammenarbeit der kurzen Wege Wert legen.
Die Datenschutz-Grundverordnung wird am 25. Mai 2018 in Kraft treten; verabschiedet ist sie, aber erst bis dahin muss die Umsetzung erfolgt sein.
Ich möchte abschließend noch ganz kurz auf die Verwertung von Daten im Bereich der inneren Sicherheit zu sprechen kommen. Meine Damen und Herren, wenn Fingerabdrücke, DNA-Spuren oder Ähnliches an einem Tatort gesichert wer den, dann kommt niemand auf die Idee, von einem Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen zu reden. Ich sa ge es ganz klar: Aus Sicht der AfD hat ein Straftäter kein Recht darauf, dass die digitale Spur, die er verursacht hat, nicht verwertet werden darf. Natürlich ist sie zu verwerten.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Herr Dr. Brink, herzlichen Dank für den Tätigkeitsbericht, den Sie hier dargestellt haben. Sie haben in Ihrer Rede auch deutlich gemacht, welche Grundzüge Sie im Datenschutz sehen und wie Sie Ihre eigene Aufgabe betrach ten. Ich denke, das ist gut. Wir konnten das nicht nur heute im Parlament von Ihnen hören, sondern wir haben auch seit Be ginn Ihrer Amtszeit erlebt, dass Sie das bereits in die Tat um setzen.
Es ist die Aufgabe dieses Landtags, dem Landesdatenschutz beauftragten die Unabhängigkeit zu geben, die er braucht. Deshalb war es richtig, dass wir vor sechs Jahren die Veror tung des Landesdatenschutzbeauftragten weg vom Innenmi nisterium hin zum Landtag überführt haben.
Es scheint nur so, dass noch nicht alle in der Regierung ge merkt haben, dass die Zuständigkeit für den Datenschutz beim Landesdatenschutzbeauftragten liegt und nicht beim Innen minister. Sonst hätte Verkehrsminister Hermann die Frage zur Kennzeichensammlung nicht an den Innenminister versendet, sondern an den Landesdatenschutzbeauftragten, der dazu si cherlich recht schnell zu einem Ergebnis gekommen wäre.
Herr Kollege Sckerl, ich bin mir nicht ganz sicher, ob Sie sich bezüglich der Wortwahl genau ausgedrückt haben, aber wenn Sie meinen, dass wir aus dem Landesdatenschutzbeauftrag ten beim Landtag – das wäre der Folgeschritt – eine eigene
Behörde machen sollen – so habe ich Sie verstanden –, dann haben Sie die Unterstützung der SPD-Landtagsfraktion, aus dem Landesdatenschutzbeauftragten eine oberste Landesbe hörde zu machen, um dieser Unabhängigkeit noch mehr Aus druck zu verleihen. Wenn das die Grundlage der Regierungs fraktionen sein sollte, dann haben Sie dafür unsere Unterstüt zung, weil es deutliche Vorteile gibt, auch was den Wechsel von einzelnen Behörden angeht.
Insofern möchte ich mich dem Lesetipp anschließen und ei nen weiteren Tipp geben: Man muss es nicht im Sommerur laub lesen, sondern kann ab und zu mal einen Happen lesen. Es ist wirklich spannend, und es steht viel Wissenswertes drin. Ich glaube, im Detail auf einzelne Dinge einzugehen, würde die Spannung für die Kolleginnen und Kollegen in diesem Ho hen Haus zunichtemachen. Insofern möchte ich gern noch auf ein, zwei aktuelle Datenschutzthemen eingehen.
Wir haben hier im Landtag ein Gesetzgebungsverfahren vor uns, in dem es um Sicherheitsgesetze, um eine Änderung des Polizeigesetzes gehen soll. Da sind wir als Gesetzgeber dar auf angewiesen, dass wir die Beratungskompetenz des Lan desdatenschutzbeauftragten einbeziehen, dass wir vor allem den Datenschutz ernst nehmen, ihn nicht in die Nähe des Tä terschutzes rücken, sondern ihn als das nehmen, was er ist: ein wichtiges Grundrecht für Bürgerinnen und Bürger. Ein griffe in dieses Grundrecht gilt es in richtiger Weise abzuwä gen, Kolleginnen und Kollegen.
Ich komme zum Schluss: Ich bitte die Regierungsfraktionen, auch im Sinne der Unabhängigkeit des Landesdatenschutzbe auftragten, wieder zurückzukehren zu dem Konsens, dass wir uns gemeinsam über die Grenzen zwischen Opposition und Regierungsfraktionen hinaus darüber Gedanken machen, wie wir den Landesdatenschutzbeauftragten auch personell aus statten. Da war – das muss ich ehrlich sagen – der Weg zur letzten Aufstellung des Haushaltsplans nicht unbedingt von einer unabhängigen Vorgehensweise geprägt. Ich hoffe, dass wir wieder dazu kommen, so, wie wir das in den vergangenen Jahren auch getan haben, gemeinsam darüber nachzudenken, wie wir den Forderungen, die der Landesdatenschutzbeauf tragte vorgelegt hat, Rechnung tragen können.
Es geht nicht nur darum – das haben alle Vorredner auch an gesprochen –, dass wir mit der Gesetzgebungskompetenz, die wir in der Frage der Umsetzung dieser Datenschutz-Grund verordnung haben, insofern agieren, dass Gesetze geändert werden, sondern auch darum, dass der Landesdatenschutzbe auftragte und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Lage versetzt werden, die zusätzlichen Aufgaben und Aufga bengebiete auch personell meistern zu können. Das liegt in unserer Hand. Wir sind bereit, wieder zu einem alten Modus der Zusammenarbeit zurückzukehren. Wir hoffen, Sie tun es auch.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende 32. Tätigkeitsbericht des Landesdatenschutzbeauftragten ist in seiner Ausführlichkeit unter mehreren Gesichtspunkten be merkenswert. Zum einen wurde der vorliegende Bericht letzt mals durch Herrn Jörg Klingbeil erstellt. Das ist für uns An lass genug, namens der FDP/DVP-Fraktion Herrn Klingbeil nicht nur für diesen informativen und äußerst interessanten Bericht zu danken, sondern im Besonderen auch für seine langjährige Tätigkeit im Dienste eines praktizierten Daten schutzes.
Zum anderen ist der Datenschutzbericht insofern bemerkens wert, als er nicht nur einen Überblick über eine Vielzahl un terschiedlicher Eingebungen und Fallbeispiele fragwürdiger und missbräuchlicher Verwendung von Daten offenbart, son dern darüber hinaus deutlich macht, dass Datenschutz keinem Selbstzweck dient, keinesfalls überflüssig ist, und dass er als ein unverzichtbares Bürgerrecht unseres Schutzes bedarf.
Der Bericht zeigt an zahlreichen und aus nahezu allen Lebens bereichen stammenden Beispielen auf, dass oftmals ein laxer Umgang – bewusst oder auch unbewusst – mit fremden, aber eben auch mit eigenen Daten vorherrscht. Gerade die digita le Durchdringung unserer Lebenswirklichkeit führt zu einer schier unglaublichen Datenansammlung. Ferner – auch das dürfte unbestritten sein – trägt der Gesetzgeber vielfach dazu bei, dass immer mehr Daten erhoben werden, ja erhoben wer den müssen, angefangen bei der Dokumentation der Arbeits zeiten bis zur kommunalen Übernachtungssteuer.
Die so gewonnenen Daten rufen zwangsläufig Interessierte auf den Plan, diese gewonnenen Daten berechtigt oder illegal auch anderweitig als für den originär vorgesehenen Zweck zu verwenden. Insofern sind wir als Gesetzgeber gehalten, bei allen Vorzügen und Chancen, die die Digitalisierung mit sich bringen kann, einer grenzenlosen und unverhältnismäßigen Datensammelwut zu begegnen, allein um einem möglichen Missbrauch dieser Daten und weiteren Begehrlichkeiten von vornherein zu begegnen.
Wir Freien Demokraten wollen als Bürgerrechtspartei, dass in Deutschland jeder die Chance der Digitalisierung nutzen, gleichzeitig aber sein Recht auf informationelle Selbstbestim mung behalten kann. Ein vernünftiger und praktizierter Da tenschutz bleibt dabei gestern wie heute eine kulturelle Her ausforderung. Denn der Bericht zeigt weiter, dass mit dieser Entwicklung neben dem Datenschutz auch unser kulturelles Verständnis infrage gestellt wird, die Ökonomisierung unse rer Lebensdaten. Wenn nicht Menschen, sondern Algorithmen Entscheidungen treffen, wenn durch die Individualisierung von Marktteilnehmern das Solidaritätsprinzip in unserer Ge sellschaft zusehends aufgegeben wird und wenn Leistungen an ein norm- und marktkonformes Verhalten gekoppelt wer den, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, kratzt das dann doch am Selbstverständnis unserer Wertegemeinschaft.
Eine besondere Herausforderung für den Datenschutz stellen naturgemäß Zeiten dar, in denen angesichts terroristischer Be drohung eine sicherheitspolitisch angeheizte und sehr emoti onale Debatte geführt wird. Wir sind gehalten, gerade dann
einen breiten und sachlichen Diskurs zu führen und eben nicht ebenso provokant wie fehlerhaft den Datenschutz zum Kom plizen von Schwerverbrechern zu machen.
Hier, denke ich, sehr geehrter Herr Innenminister, ist, wie ich meine, doch mehr der frühere Generalsekretär als der von mir geschätzte sachliche Innenminister durchgeblitzt.