Sehr geehrte Damen und Herren, das Bundesverfassungsge richt hat tatsächlich den Ländern ins Stammbuch geschrieben, ein rechtskonformes Gesetz, eine rechtskonforme Regelung für die Akkreditierung der Studiengänge zu schaffen. Die SPD-Fraktion sieht dabei vier Punkte im Akkreditierungsver fahren als wesentlich an:
Der erste Punkt ist, dass zukünftig der Akkreditierungsrat die Entscheidung über die Akkreditierung treffen wird und die Agenturen „nur“ noch eine beratende Rolle haben.
Zweitens: Die Rolle der Wissenschaft wird gestärkt. Das heißt, sie – also die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, die Vertreter der Wissenschaft – werden die Mehrheit in diesem Gremium haben. Das heißt also, die fachlich-inhaltlichen Fra gen werden Priorität besitzen.
Drittens: Die Verfahren für die Bewertung dieser formalen und fachlich-inhaltlichen Kriterien werden getrennt.
Viertens: Die Umsetzung des Gesetzes und die konkretisie renden Regelungen, die sich daraus ergeben, werden länder übergreifend, aber auch länderspezifisch erfolgen.
In der Vergangenheit wurden in Bezug auf diesen Akkreditie rungsprozess doch sehr viele Klagen erhoben. Die Hochschu len haben beklagt, dass die Kosten und der gesamte Aufwand der Zulassung neuer Studiengänge doch sehr hoch waren und dass doch die Gutachterinnen und Gutachter es mit den Ein schätzungen sehr unterschiedlich gehalten haben, was die Stu diengänge angeht. Die Studentinnen und Studenten wieder um haben deutlich gemacht, dass sie die sehr starke Ausdif ferenzierung der Bachelorstudiengänge – ich glaube, wir ha ben 14 000 in Deutschland – als problematisch ansehen, ins besondere was dann die Mobilität angeht.
Wenn man in seinem Studiengang nicht mehr innerhalb der Europäischen Union, was wir ja durch ERASMUS-Program me auch fördern wollen, an einen anderen Hochschulstandort wechseln kann oder nicht einmal innerhalb Deutschlands in ein anderes Land wechseln kann, dann ist da ein Fehler pas siert.
Zum Zweiten haben auch die Studentinnen und Studenten im mer sehr beklagt, dass bei Studiengängen, die nicht in der Re gelstudienzeit studierbar sind, die Gutachterinnen und Gut achter diesen zusätzlichen zeitlichen und oft auch finanziel len Aufwand nicht kritisiert haben und dass diese Studiengän ge trotzdem genehmigt worden sind.
Deswegen sieht die SPD-Fraktion den Gesetzentwurf inso fern optimistisch, als diese neue Regelung den vier kritischen Punkten, die ich genannt habe, tatsächlich entgegenwirkt. Letztendlich wird wie bei jedem Gesetz die Praxis zeigen – Wiedervorlage in x Jahren –, was sich dann umgesetzt hat. Deswegen darf ich Ihnen, Frau Ministerin sowie Kolleginnen und Kollegen, ankündigen, dass die SPD-Fraktion diesem neuen Gesetz zustimmen wird.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die Akkreditierung als Qualitätssi cherungsinstrument hat im Bologna-Prozess ihren Einzug ge funden und hatte die Einführung der Bachelor-Master-Studi enstruktur zur Folge. Diese Vereinheitlichung soll die Ver gleichbarkeit der Abschlüsse und die Mobilität im europäi schen Hochschulraum befördern.
Sodann verständigten sich die Bildungsminister auf die Ak kreditierung von Studiengängen und Institutionen als geeig netes Qualitätssicherungsmittel, wobei die Hauptverantwor tung für die Qualitätssicherung bei den Hochschulen liegen sollte und auch liegt.
Die bisherige Regelung hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 17. Februar 2016 für verfassungswidrig er
klärt. Das Bundesverfassungsgericht stellt zwar fest, dass das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit Vorgaben, die ordnungs gemäßem Lehrbetrieb mit einem transparenten Prüfungssys tem Rechnung tragen, nicht entgegensteht und die Qualitäts sicherung in der Hochschullehre ein Ziel mit Verfassungsrang ist, diese sogar der Freiheit von Forschung und Lehre zugu tekommt. Allerdings – so das Bundesverfassungsgericht – be dürfen die damit verbundenen Eingriffe in die Wissenschafts freiheit der Hochschulen einer konkreten gesetzlichen Grund lage.
Mit dem Studienakkreditierungsstaatsvertrag wollen die Län der nun den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werden. Zu begrüßen ist dabei, dass nicht lediglich die zwin genden rechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts abgearbeitet wurden, sondern auch eine Fortentwicklung des Systems angegangen wurde.
So wurde neben der Programm- und Systemakkreditierung nun die Option auf ein drittes Verfahren geschaffen, das ein Bundesland mit dem Akkreditierungsrat zur Fortentwicklung der Qualitätssicherung entwickeln kann.
Außerdem wurde die Machtfülle bei den Agenturen begrenzt, indem nunmehr der Akkreditierungsrat die Entscheidung auf der Grundlage von Empfehlungen der Agenturen trifft und eben nicht mehr die Agenturen selbst die Entscheidung tref fen.
Positiv ist sicher auch, dass die primäre Verantwortung für die Qualitätssicherung nach wie vor bei den Hochschulen gese hen wird.
Das System der Akkreditierung tritt praktisch daneben, um der staatlichen Verantwortung für die Gleichwertigkeit einan der entsprechender Studien- und Prüfungsleistungen sowie Studienabschlüsse und der Möglichkeit eines Hochschulwech sels gerecht zu werden.
Eine zentrale Neuerung ist der Übergang der Regelungsbe fugnis von den Agenturen auf die Landesgesetzgeber. Es bleibt aber bei einer Zweiebenenstruktur, die arbeitsteilig die Auf gaben auf Agentur und Akkreditierungsrat verteilt, wenngleich die Landesgesetzgeber jetzt die Spielregeln ausgestalten kön nen.
Gerade an dieser Stelle appellieren wir an das MWK, bei der näheren Konkretisierung zu Artikel 4 des Staatsvertrags be sonnen vorzugehen. Das gilt beispielsweise vor dem Hinter grund der damit verbundenen Kosten bei der Festlegung ei nes Reakkreditierungsrhythmus.
Wir haben bereits im Antrag Drucksache 16/1079 die Kosten beleuchtet, die den Hochschulen bei der Akkreditierung ent stehen. In der Stellungnahme schreibt das MWK, dass die Hochschulen die Preise der Verfahren mit den Agenturen in dividuell vereinbaren.
Einem derartigen intransparenten System wird nun ein Rie gel vorgeschoben durch die Möglichkeit, per Rechtsverord nung Regelungen zu den von den Agenturen zu erhebenden Entgelten zu treffen. Neben diesen direkten Kosten sind aber auch viele weitere Kosten im Akkreditierungsverfahren nicht unerheblich; auch diese sind zu berücksichtigen.
Der... Entwurf für einen Akkreditierungsstaatsvertrag sieht die Möglichkeit von Kosten- und Gebührenrahmen vor. Auch durch längere Laufzeiten der Akkreditierungen und eine straffere Organisation der Verfahren lassen sich Kosten sparen. Ein Übergang von einer flächendecken den Programmakkreditierung zu vermehrten Systemak kreditierungen trägt ebenfalls zur Reduzierung der für die Leistungen der Agenturen und des Akkreditierungsrates den Hochschulen entstehenden Kosten bei.
So das MWK. – Dies, Frau Ministerin, bitten wir bei der wei teren Konkretisierung zu Artikel 4 des Staatsvertrags zu be rücksichtigen.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der Staatsvertrag nicht der große Wurf ist, den sich viele, den wir uns gewünscht haben. Vielleicht war dies aber auch in Anbetracht der vielen Beteiligten nicht möglich.
Gleichwohl: Eine Irritation bleibt, Frau Ministerin. In der Stel lungnahme zum Antrag Drucksache 16/1079 wird behauptet, dass die Akkreditierungsquote bei den Bachelorstudiengän gen im Land bei ca. 85 % liegt. Wenn ich aber im aktuellen Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz nachse he, finde ich, dass von den insgesamt 1 521 Bachelorstudien gängen 820 akkreditiert sind. Dies sind lediglich 54 %. Hier bitte ich um eine Klarstellung. Schließlich hängt auch davon ab, wie viel wir hier im Land noch zu tun haben.
Meine Damen und Her ren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aus sprache ist damit beendet.
Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 16/2744 zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Wissenschaft, For schung und Kunst zu überweisen. – Es erhebt sich kein Wi derspruch. Dann ist es so beschlossen.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung der Landesbauordnung für Ba den-Württemberg – Drucksache 16/2745
Das Wort zur Begründung erteile ich Herrn Minister Franz Untersteller. – Ganz entspannt, Herr Minister.
(Minister Franz Untersteller: So schnell war ich jetzt nicht! – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Nur keine Hektik! In der Ruhe liegt die Kraft!)
Verehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung legt heute dem Ho hen Haus
den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Landesbauord nung Baden-Württemberg im Bereich des Bauproduktenrechts vor. Die Änderung der Landesbauordnung ist aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 16. Oktober 2014 erforderlich geworden. Der Gesetzentwurf beschränkt sich ausschließlich auf die Umsetzung dieses Urteils.
Der Europäische Gerichtshof hat festgestellt, dass die Bun desrepublik Deutschland gegen die europäische Bauproduk tenrichtlinie verstoßen hat. Die Bauordnungen der Länder stel len über die sogenannten Bauregellisten zusätzliche Anforde rungen an europäisch harmonisierte Bauprodukte, welche über die europäischen Anforderungen hinausgehen.
So werden beispielsweise im Hinblick auf die Standsicherheit eines Bauwerks oder den Brandschutz bestimmte Produktei genschaften gefordert. Solche nationalen Ergänzungen sind nach dem von mir erwähnten Urteil des Europäischen Ge richtshofs aus dem Jahr 2014 jedoch unzulässig, da sie – so jedenfalls das Gericht in seiner Urteilsbegründung – den frei en Warenverkehr innerhalb der EU beschränken würden.
Infolge des Urteils hat die Bauministerkonferenz im Mai 2016 eine Anpassung der Musterbauordnung an das europäische Bauproduktenrecht beschlossen. Die notwendigen europäi schen Modifizierungsverfahren wurden im Juli 2017, also in diesem Sommer, abgeschlossen. Die Musterbauordnung selbst – deswegen stehe ich heute hier vor dem Landtag –, die erar beitet wurde, entfaltet keine eigene Rechtswirkung,
Dass ich hier stehe, hängt wiederum damit zusammen, dass die Zuständigkeit für das Bauproduktenrecht bei der obersten Baurechtsbehörde liegt, die in diesem Fall das Umweltminis terium ist. Üblicherweise liegt die Zuständigkeit, was die Lan desbauordnung betrifft, selbstverständlich beim Wirtschafts ministerium. Wie gesagt: Für das Bauproduktenrecht ist das Umweltministerium hier in Baden-Württemberg die oberste Baurechtsbehörde.
Zur Gewährleistung eines einheitlichen Bauproduktenrechts entspricht der Gesetzentwurf weitestgehend der von der Bau ministerkonferenz beschlossenen Musterbauordnung. Ein we sentlicher Inhalt des jetzt vorgelegten Gesetzentwurfs ist die Klarstellung, dass unmittelbare Produktanforderungen an Bau produkte, die europäisch harmonisierten Normen unterliegen, nicht zulässig sind.
Um Bauwerkssicherheit dennoch wie bisher zu gewährleis ten, enthält der Gesetzentwurf eine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer neuen technischen Verwaltungsvorschrift, und diese Verwaltungsvorschrift dient der Konkretisierung von Bauwerksanforderungen. Dies können Anforderungen beispielsweise im Hinblick auf die Standsicherheit, den Brand schutz oder auch auf Gesundheits- und Umweltschutz sein. Der Bauherr, die Bauherrin muss die Auswahl der zu verwen denden Bauprodukte sachgerecht anpassen.