Protokoll der Sitzung vom 07.03.2018

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD)

Wir sehen, die Rahmenbedingungen sind ganz entscheidend, insbesondere im Bereich der Kinderbetreuung, der Teilzeitar beit und der Qualifizierung. Genau das ist in unserem Tech nologieland Baden-Württemberg im wirtschaftlichen Bereich natürlich auch von besonderer Bedeutung. Wir wissen, dass die Unternehmen heute Programme hierzu auflegen und enor me Aktivitäten zur Förderung von Frauen entfalten, auch was die Steigerung des Interesses von Mädchen und Frauen an der Technik betrifft.

Dazu wurden aus Landessicht schon einige Punkte angespro chen, wie die Kontaktstellen „Frau und Beruf“, die sich zwi schenzeitlich etabliert haben und von ihrem Netzwerk her in ganz Baden-Württemberg tätig sind. Es gibt aber noch viele weitere Bereiche wie beispielsweise den Arbeitskreis Diver sity, den Wirtschaftskongress „Spitzenfrauen – Wege ganz nach oben“ oder den Arbeitskreis Unternehmerinnen, die al lesamt helfen, Frauen in Unternehmen zu bringen, auch in Führungsfunktionen.

Die FDP/DVP hat 2017 einen Antrag zum Diversity-Manage ment gestellt, um dieses Thema nicht nur bei den Landesbe hörden, sondern auch ganzheitlich bei den Unternehmen im Personalmanagement voranzubringen. Wir sehen, dass die Un ternehmen, die das Diversity-Management in ganzheitlicher Form einführen, umsetzen und tatsächlich aktiv gestalten, deutlich bessere Ergebnisse hinsichtlich der Frauenanteile in Führungspositionen aufweisen.

Ich selbst war vor dem Einstieg in die Landespolitik über 20 Jahre in verschiedenen mittelständischen Unternehmen und weiß, dass gerade auch bei kleinen und mittelständischen Un ternehmen häufig enorme Aktivitäten unternommen werden, um auch Frauen in Führungsfunktionen zu bringen. Dies geht auch ohne Quote. Sehen Sie es mir als jemandem, der aus dem Mittelstand, aus inhabergeführten Unternehmen kommt, nach, dass ich meine Schwierigkeiten habe, inhabergeführten Un ternehmen, bei denen die Inhaber das volle Risiko tragen und in der Verantwortung stehen, eine Quote vorzuschreiben, wie es teilweise in anderen Ländern Europas der Fall ist.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Ich komme zur Politik: Unser Fraktionsvorsitzender hat schon mehrfach angeboten, dass wir auch zum Thema Wahlrecht für Gespräche zur Verfügung stehen. Der Ball liegt bei den Han delnden, den Regierungsfraktionen, uns entsprechend einzu laden. Wir haben immer wieder angeboten, dass wir auch für Gespräche zur Verfügung stehen.

Ich will aber einen weiteren Punkt ansprechen: Warum ist es vielleicht auch schwierig, gerade in der Politik auch Frauen zu gewinnen, die sich entsprechend engagieren? Gerade das Parteiengagement wirkt eben doch immer wieder abschre ckend, weil es sehr zeitintensiv ist und weil es viele Präsenz termine gibt, die oft zu nicht familienfreundlichen Zeiten statt finden.

Da könnte auch das Land aus unserer Sicht mit Aktivitäten, mit Initiativen vorangehen. Angesichts der Nachteile, die mit dem Präsenzprinzip verbunden sind, bieten sich gerade durch die Digitalisierung auch Möglichkeiten, neue Wege zu gehen, die es auch Frauen, die vielleicht nicht so viel Zeit haben, er

möglichen, an der Politik, der Kommunalpolitik, der Partei arbeit aktiv teilzunehmen. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir entsprechende Initiativen ergreifen – auch über die Lan desförderung aus dem Bereich der Digitalisierung.

Gestatten Sie mir zum Abschluss noch einige Worte zum In ternationalen Frauentag, der, wie jedes Jahr, am 8. März, al so morgen, stattfindet. Zunächst einmal gilt auch mein herz licher Dank allen Frauen und Männern, die sich für den Frau entag einsetzen und mit vielen Veranstaltungen in Deutsch land, aber auch in Europa und in der Welt dafür sorgen, dass wir jedes Jahr den Internationalen Frauentag begehen. Wie wichtig dies ist, wissen wir nicht nur aus der Diskussion hier im Landtag. Vielmehr wissen wir auch, dass die Gleichberech tigung von Frauen in sehr vielen Ländern überhaupt nicht er reicht ist.

Es geht um die Verletzung von Menschenrechten, es geht um Mädchen- und Frauenhandel, es geht um Zwangsprostitution in der Welt, und Gewalt gegen Frauen ist in vielen Ländern gang und gäbe. Ich freue mich, dass die Bundesrepublik am 1. Februar 2018 die Istanbul-Konvention ratifiziert hat: Neue Impulse für die Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Ge walt. Ich habe den Sozialminister angeschrieben, nachdem wir dazu in der letzten Legislatur einen Antrag eingebracht hat ten, wie wir uns diese Umsetzung vorstellen.

Häusliche Gewalt gegen Frauen erleben wir auch im Alltag in Baden-Württemberg und in Deutschland. Eine Studie aus dem Jahr 2004 zeigt, wie viele Mädchen und Frauen von häusli cher Gewalt betroffen sind.

Abschließend sage ich an dieser Stelle auch einen herzlichen Dank an die drei Fraueninformationszentren in Stuttgart, Heil bronn und Freiburg, die sich in vielen Themen rund um den Internationalen Frauentag, die wir hier aufgreifen – Mädchen handel beispielsweise –, Tag für Tag mit großem persönlichen Engagement einsetzen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD)

Für die Landesregierung er teile ich Frau Staatssekretärin Mielich das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, liebes Publikum! Es ist, wenn wir über die gläserne Decke sprechen, sehr sinnvoll, sich zunächst einmal anzuschauen: Wo stehen wir denn selbst dabei? Ich bemühe da einmal den Zweiten Gleichstellungsbe richt der Bundesregierung. Danach lag 2014 der Anteil von Frauen in Führungspositionen deutschlandweit unverändert bei 29 % und damit deutlich unter dem EU-Durchschnitt.

Auch infolge des Inkrafttretens des Gesetzes für die gleich berechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Führungs positionen – Frau Wölfle, Sie haben eben darauf hingewiesen – ist der Frauenanteil natürlich gestiegen, und zwar bei Auf sichtsratsmitgliedern um 3,7 Prozentpunkte. Das ist zwar ein guter Anfang, aber es muss natürlich deutlich mehr werden.

Im öffentlichen Dienst der Länder leiteten Frauen mit einem Anteil zwischen 13 % – in Thüringen – und 35 % – in Bre

men – Abteilungen in den obersten Landesbehörden. Im Bund werden ein Drittel der Abteilungsleitungen von Frauen wahr genommen. Im Bereich der Justiz sind Leitungsfunktionen ab der Besoldungsstufe R 3 in Baden-Württemberg zu 13 % mit Frauen besetzt; Berlin hat hier mit 37 % den höchsten Anteil.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Staatssekretärin Mielich, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Räpple zu?

Nein. – An den Hochschu len in unserem Land sind Professuren lediglich zu 22 % mit Frauen besetzt. Frau Ministerin Bauer hat heute ja auch eine Initiative gestartet mit dem Ziel, dass sich dieser Anteil deut lich erhöhen muss.

Das sind die bundesweiten Zahlen. Auf die landesweiten Zah len haben Frau Razavi und auch Frau Wölfle eben schon hin gewiesen. Von den elf Ministerposten im aktuellen Kabinett werden vier von Frauen bekleidet; das sind immerhin 36 %. Das entspricht genau dem Anteil, den wir auch in der letzten Legislaturperiode hatten. Aber wir haben in dieser Legislatur periode einen deutlich höheren Anteil an Staatssekretärinnen und Ministerialdirektorinnen; immerhin 43 %, also zehn von 23.

Wir haben – das hat Frau Walker eben noch einmal deutlich formuliert – in den 44 Stadt- und Landkreisen lediglich vier Landrätinnen; das sind tatsächlich sogar mehr, als wir im Jahr 2011 hatten. Da gab es nämlich nur eine einzige.

Wir haben – Stand 1. März 2018 – insgesamt folgende Ver teilung bei den vom Land zu besetzenden Aufsichtsratsposi tionen: Von insgesamt 359 Aufsichtsratspositionen sowie den Stellvertreterpositionen waren 229 mit Männern und lediglich 130 mit Frauen besetzt.

Wenn wir ein erstes Fazit ziehen, dann können wir sagen – das ist ja auch in allen Redebeiträgen eben sehr deutlich ge worden –: Wir haben noch sehr viel zu tun. In den letzten sechs Jahren gab es eine deutlich positive Entwicklung, aber das kann natürlich nicht davon ablenken, dass es noch viel zu tun gibt. Ferner gibt es auch noch einzelne Bereiche, in denen wirklich große Unterschiede bestehen. Das gilt auch für die Landesverwaltung und die einzelnen Ressorts.

Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt ist auch ein wirtschaftlicher Faktor. Noch immer nutzen wir Talente und Potenziale der weiblichen Bevölkerung nicht ge nug. Der Internationale Währungsfonds kommt in einer Stu die aus dem Jahr 2013 zu dem gleichen Schluss, nämlich dass der Anteil der Frauen, gemessen an wirtschaftlichen Aktivi täten, Wachstum und Wohlstand, weit unter ihrem Potenzial liegt – mit gravierenden Folgen.

Meine Damen und Herren, die oben genannten Zahlen ver deutlichen, dass es immer noch zu viele Barrieren gibt, die Frauen von einer Gleichberechtigung am Arbeitsmarkt abhal ten. Das ist im Jahr 2018 nicht zeitgemäß, und es ist nicht klug. Karriereentwicklungen entstehen nicht allein aufgrund einer Vielzahl individueller Entscheidungen. Wir können auch hier sagen – wenn wir uns die Frauen und auch die Männer hier im Parlament anschauen –: Natürlich ist eine Karrierepla nung immer abhängig davon, wie die individuelle Lebenspla

nung aussieht, was wir uns insgesamt vorstellen und welche Unterstützung es gibt, wenn Entscheidungen getroffen wer den. Diese Entscheidungen werden natürlich immer auch von einem Rahmen beeinflusst; ein Rahmen kann Entscheidungen behindern, aber auch befördern, er kann Rollenbilder festigen oder sie überwinden helfen. Das heißt, es geht letztendlich da rum, Möglichkeiten zu schaffen.

Da kommen wir, Staat und Gesellschaft, ins Spiel. Ob es ei ne Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit gibt, ob Ver fahren und Kriterien zur Leistungsbeurteilung objektiv sind und ob Vorurteile zu Stereotypen werden – das sind eben ge nau die nicht individuellen Entscheidungen.

Wer von einer gläsernen Decke spricht, ist sich dessen be wusst, dass genau diese Mechanismen auch tatsächlich funk tionieren. Es geht eben nicht um die Beurteilung der indivi duellen Entscheidungen. Diese können und sollen die Frauen und Männer natürlich für sich selbst treffen.

Es geht nicht darum, dass wir Gesetze formulieren, die eine ganz klare Richtung vorgeben, sondern es geht letztendlich darum, dass wir die Möglichkeiten schaffen müssen, damit Entscheidungen auch wirklich getroffen werden, ein Wunsch- und Wahlrecht, wie wir es in vielen anderen Bereichen haben, auch wahrgenommen wird, dass der Rahmen ein Rahmen bleibt und nicht zum Käfig wird, sodass die individuellen Ent scheidungen zum Wo und Wann aufgrund der Voraussetzun gen möglicherweise nur noch begrenzt zu treffen sind.

Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes haben eine kla re Vorstellung davon, was dies heißt. In einer Publikation des Bundesfamilienministeriums vom letzten Jahr stand unter dem Stichwort „Memorandum Familie und Arbeitswelt – die NEUE Vereinbarkeit“, dass es ein neues Selbstverständnis gibt – ich sehe jetzt gerade die vielen jungen Menschen auf der Besuchertribüne –, dass die Erwartung der jungen Menschen ganz klar ist, dass es eine faire Verteilung der Aufgaben in die ser Gesellschaft geben muss. Voraussetzung dafür sind glei che berufliche Entwicklungschancen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

An diesem Erwartungshorizont müssen wir unsere Politik ori entieren.

Ich habe zu Beginn meiner Rede die Auswirkungen des Ge setzes des Bundes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frau en und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst geschildert. Hier zeigt sich – das ist ja auch das Credo, das Frau Walker eben deutlich gemacht hat –, dass eine Quote helfen kann, wo es einen äußeren Druck braucht. Das sehen wir in der Politik, auch hier in der Zusam mensetzung des Landtags, sehr deutlich. Dort, wo die Quote wirkt, haben wir einen hohen Frauenanteil.

(Beifall bei den Grünen)

Im Übrigen möchte ich sagen, dass auch die Europäische Kom mission in ihrem Aktionsplan zum Abbau des geschlechtsspe zifischen Lohngefälles genau dasselbe sieht. Eine verbindliche Quote ist auch dort ganz deutlich formuliert. Die Kommission führt als dritten von acht Aktionsschwerpunkten unter dem Stichwort „Die gläserne Decke durchbrechen“ aus, die Kom mission werde insbesondere auf die Annahme des Vorschlags

zur Gewährung einer ausgewogenen Vertretung von Frauen und Männern unter den Aufsichtsratsmitgliedern hinarbeiten. Also auch da eine ganz klare Positionierung.

Aber, meine Damen und Herren, was auch klar ist und was hier in den Redebeiträgen deutlich geworden ist, was aber auch in unserer praktischen Politik immer wieder deutlich wird: Eine Quote allein reicht nicht aus. Das zeigen die bun desrepublikanischen Entwicklungen seit dem Inkrafttreten des deutschen Gesetzes.

Das ist auch gar nicht möglich; denn ganz klar ist: Es geht letztendlich darum, die Rahmenbedingungen dafür zu schaf fen, dass Karriere möglich ist, dass aber auch die Vereinbar keit von Berufstätigkeit und Sorgearbeit möglich ist. Quoten können die Voraussetzungen für gleiche berufliche Entwick lungschancen schaffen, aber sie schaffen nicht – ganz klar – die faire Aufteilung der Aufgaben in der Sorgearbeit. Genau darum geht es aber, wenn wir weiterkommen wollen in der Gleichberechtigung von Frauen und Männern auch in Bezug auf die Verteilung von Erwerbsarbeit und Sorgearbeit, weil die Aufteilung der Aufgaben nicht ausschließlich auf interne Unternehmens- und Verwaltungskulturen gelegt wird, sondern darüber hinaus die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgear beit umfasst, und zwar für alle, unabhängig vom Geschlecht.

Vereinbarkeit ist das zentrale Schlagwort, wenn es um die Gleichstellungspolitik geht. Wir müssen als Gesellschaft an streben, dass wir Sorge- und Erwerbsarbeit gleichberechtigt aufteilen, dass Kindererziehung und Pflege von Angehörigen von Männern und Frauen gleichermaßen wahrgenommen wer den. Dazu braucht es professionelle Rahmenbedingungen, die dort Angebote schaffen, wo sie benötigt werden.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Staatssekretärin Mielich, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Klos zu?

Nein.

(Abg. Anton Baron AfD: Wozu sind Sie dann da? Um hier schöne Reden zu schwingen! – Abg. Sabine Wölfle und Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD zur AfD: Ihr habt doch noch Redezeit!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe schon mehrfach gesagt: Man muss nicht begründen, warum man eine Zwischenfrage zulässt oder nicht zulässt. Das ist die Entscheidung der Rednerin oder des Red ners. Da gibt es keine Debatten. – Danke.

Vielen Dank, Frau Präsi dentin. Ich fahre gern fort.

Wenn wir die professionellen Pflegeangebote vor allem auch in der ambulanten Pflege und die Kinder- und die Kinderta gesbetreuung verbessern, Ganztagsangebote an Schulen schaf fen, erst dann – davon bin ich überzeugt – legen wir den He bel wirklich an die gläserne Decke.