Protokoll der Sitzung vom 09.03.2022

Wir haben momentan bereits etwa 40 000 Kinder und Jugend liche in VABO- und VKL-Klassen, welche teilweise integra tiv arbeiten – also nicht wie sonst als VKL-Klasse definiert, sondern es wird schon jetzt mit anderen Klassen zusammen unterrichtet. Unser Ziel ist aber natürlich, diese VKL-/VABOAngebote an die ukrainischen Flüchtlinge anzupassen und die Angebote entsprechend zu verändern. Dann soll auch das The ma Traumatabewältigung und eine entsprechende Unterstüt zung mit hineingenommen werden. Ich glaube, dass dabei auch der Sport eine wichtige Rolle und Funktion einnehmen kann.

Es gibt noch eine weitere Nachfrage von Herrn Kollegen Dr. Fulst-Blei von der SPDFraktion.

Frau Staatssekretärin – Sie werden sicherlich selbst schon daran gedacht haben –, aus meiner Praxis heraus kann ich anregen, dass man überlegen sollte, ob man auch ältere Schülerinnen und Schüler einsetzt. Ich hatte in meiner Berufsschulzeit regelmäßig auch mit Leu ten mit ukrainischem Hintergrund zu tun, aber auch mit rus sischem Hintergrund. Da muss man schauen, ob dies geht. Das kann ich nicht einschätzen, ob dort eine gewisse Bereit schaft vorhanden wäre.

Der zweite Punkt: Eine Berichterstattung des SWR bezog sich auf die Russisch-Orthodoxe Kirche in Mannheim; daher auch der Hinweis auf die Kirchengemeinden. Mir war nicht klar, dass in der dortigen Gemeinde auch viele ukrainische Leute Mitglied sind. Dies versuchen wir heute als Botschaft ins Land

zu senden: Es sind nicht die Menschen, es ist Putins Politik, die gerade diesen fürchterlichen Krieg vom Zaun bricht.

Daher mein Hinweis auf die Kirchengemeinden. Dort gibt es zentrale Ansprechpartner. In Teilen – das weiß ich aus Mann heim – haben die Gemeinden auch Bildungseinrichtungen, ge rade im Bereich Sprachkurse. Ich glaube, dort gäbe es durch aus großes Potenzial – wenn ich mir erlauben darf, Ihnen die sen Hinweis mitzugeben.

Eine Sache vielleicht noch – auch wenn ich jetzt natürlich noch eine ganze Reihe Fragen hätte; aber dazu befinden wir uns, glaube ich, einfach noch in einem zu frühen Zeitpunkt in der Debatte –: Der Wunsch wäre einfach: Wir haben in der nächsten Woche im öffentlichen Teil der Sitzung des Bil dungsausschusses das Thema Covid; vielleicht könnten wir uns dann einfach unter der Überschrift „Krisen“ die Möglich keit geben, in diesem Rahmen noch einmal nachzufragen, wie der Stand ist.

Denn das ist eine riesige gemeinschaftliche Aufgabe. Die Kommunen werden das nicht alleine stemmen. Die Kommu nen werden auf Sie zugehen; das haben Sie ja auch schon aus geführt. Das ist eine Riesenbaustelle; das muss man wirklich sagen.

Danke für die Ausführungen.

Vielen Dank für den Hin weis mit den Kirchen; das nehmen wir natürlich sehr gern mit. Wir wissen von vielen russischstämmigen Menschen bei uns im Land, dass es z. B. auch russisch-ukrainische Ehen gibt. Viele kommen aus der ehemaligen Sowjetunion, wo nicht ge trennt wurde, ob man Ukrainerin war oder Russin. Da sind al so viele Verbindungen vorhanden. Das werden wir natürlich auch berücksichtigen. Aber der Hinweis ist sehr gut.

Sie haben vermutlich verfolgt, dass wir die Schulen unterstützt haben oder ihnen auch Hinweise gegeben haben, dass sie den Themenbereich „Krieg, Russland, Putin“ im Unterricht be handeln sollen. Da gibt es ja sehr viel Unsicherheit bei den Schülerinnen und Schülern – das kann ich nachvollziehen; nach der Coronakrise kommt jetzt ein Krieg in Europa; das bedeutet für das Leben von Kindern und Jugendlichen in un serem Land nochmals einen Einschnitt.

Ich habe heute Morgen aber im Pressespiegel gelesen, dass schon jetzt an ganz vielen Schulen im Land Schülerinnen und Schüler Aktionen starten, Hilfen organisieren und bündeln, Unterstützung leisten, Spenden sammeln. Da spürt man eine große Hilfsbereitschaft, sodass ich stark davon ausgehe, dass das, was beispielsweise in der Flüchtlingssituation der Jahre 2015/2016 geschah, nämlich dass sich Kinder und Jugendli che um andere Kinder und Jugendliche kümmerten und sie bei der Aufnahme unterstützten, wieder eintreten wird.

Ich bin insgesamt wirklich sehr dankbar für das, was momen tan in unserer Gesellschaft passiert; man sieht daran, dass wir hier im Land Baden-Württemberg ein tolles Ehrenamt haben, tolle Bürgerinnen und Bürger, die sich hier engagieren. Dafür kann man wirklich nur dankbar sein.

Vielen Dank, Frau Staatsse kretärin.

Damit sind wir am Ende der heutigen Regierungsbefragung angekommen. Herzlichen Dank auch an die Fraktion GRÜ NE, die das Thema „Forschungsstelle Rechtsextremismus“ gemeldet hat. Dafür ist heute leider kein Raum mehr; aber si cher werden wir an anderer Stelle hier im Landtag Gelegen heit finden.

Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 5:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zu dem Zweiten Staatsvertrag zur Änderung me dienrechtlicher Staatsverträge – Drucksache 17/1984

Das Wort zur Begründung erteile ich Herrn Staatssekretär Hoogvliet.

Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Ge setzentwurf soll der Zweite Medienänderungsstaatsvertrag in Landesrecht umgesetzt werden. Der Staatsvertrag wurde schon von den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Län der im Dezember des letzten Jahres unterzeichnet. Wie Sie sich vielleicht erinnern: Im Rahmen des Vorunterrichtungs verfahrens gab es keine Aussprache hier im Plenum; deswe gen will ich heute den wesentlichen Inhalt des Staatsvertrags ansprechen.

Sie wissen, dass bereits im Rahmen der Beratungen des Land tags zum Medienstaatsvertrag im Jahr 2020 das Thema Bar rierefreiheit diskutiert worden ist. Denn der Medienstaatsver trag setzte u. a. auf die Vorgaben der europäischen AVMDRichtlinie zur Barrierefreiheit. Die Länder waren sich damals aber einig, dass das nicht das Ende der Fahnenstange ist und es nicht bei einer bloßen Mindestumsetzung der Vorgaben bleiben sollte. Es wurde auch eine Protokollerklärung zum Medienstaatsvertrag über darüber hinausgehende Maßnahmen zur Stärkung der Barrierefreiheit in Aussicht gestellt.

Jetzt haben wir den Zweiten Medienänderungsstaatsvertrag, der in Landesrecht umgesetzt werden soll. Im Wesentlichen geht es bei dem jetzt vorliegenden Staatsvertragsvorhaben um zwei Bereiche – die sogenannte Paketlösung –: Im Medien staatsvertrag werden zum einen die Regelungen zur Barriere freiheit weiterentwickelt und ergänzt; zum anderen geht es aber auch um redaktionelle Anpassungen im Bereich des Ju gendmedienschutzes; auch hierzu ist ja ein Staatsvertrag vor handen.

Zunächst aber zur beabsichtigten Stärkung der Barrierefrei heit. Dies ist für alle Betroffenen von sehr hohem Interesse. Es gab auch eine rege Beteiligung. Es geht hier um eine nied rigschwellige Teilhabe an der Mediengesellschaft. Besonders wichtig war den Betroffenenverbänden die Einführung der Aktionspläne zur Barrierefreiheit, die nun auch begrifflich ausdrücklich übernommen wurden. Die Aktionspläne sind von den Medienanbietern aufzustellen.

Nach dem Gesetzentwurf müssen außerdem öffentliche Ver lautbarungen, beispielsweise bei Naturkatastrophen, zukünf tig barrierefrei gestaltet werden, und Barrierefreiheitsmaßnah men müssen den Belangen von Menschen mit unterschiedli chen Behinderungen Rechnung tragen.

Die Länder haben darüber hinaus den European Accessibili ty Act umzusetzen, eine europäische Richtlinie über die Bar

rierefreiheitsanforderungen an Produkte und Dienstleistungen – kurz EAA. Hier besteht die Besonderheit, dass der Bund den ganz überwiegenden Teil des EAA umsetzt und daneben die Länder in ihrem Kompetenzbereich für das Medienrecht tätig werden. Dabei geht es vor allem um Dienste, die den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten ermöglichen, also Teleme dien, die beispielsweise genutzt werden, um Fernsehprogram me auszuwählen und anzusehen, also etwa Benutzeroberflä chen von Plattformen oder von Mediatheken. Für diese Diens te sieht die europäische Richtlinie bestimmte Anforderungen zugunsten der Barrierefreiheit vor, aber auch Ausnahmevor schriften, falls die Einhaltung zu großen Belastungen führen würde, etwa bei kleinen Unternehmen. Es geht natürlich auch immer eine erhebliche finanzielle Last mit solchen Anpassun gen einher. Um eine einheitliche Umsetzung des EAA in Deutschland zu gewährleisten, haben sich die Länder bei ih ren Entwürfen eng mit dem Bund abgestimmt.

Mit den Maßnahmen zur Barrierefreiheit verbunden werden dann zum anderen redaktionelle Anpassungen des Medien staatsvertrags und des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags. Das sind fast Formalia. Hier geht es um Klarstellungen und Konkretisierungen, z. B., weil die EU-Kommission einzelne Regelungen anders interpretiert als von den Ländern beab sichtigt, oder darum, etwaige Missverständnisse bei der Rechts anwendung zu vermeiden. Es geht auch um rein redaktionel le Anpassungen an geändertes Bundesrecht und an europäi sches Recht.

Werte Kolleginnen und Kollegen, zum weiteren Zeitplan möch te ich noch Folgendes mitteilen: Die Regelungen zur Barrie refreiheit müssen bis zum 28. Juni dieses Jahres umgesetzt sein, weil der EAA eine entsprechende Umsetzungsfrist vor sieht. Ich freue mich, wenn wir die Diskussion im Ständigen Ausschuss noch vertiefen können.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank. – Für die Aus sprache hat das Präsidium fünf Minuten Redezeit pro Frakti on vereinbart.

Die Aussprache eröffnet für die Fraktion GRÜNE Frau Abg. Catherine Kern.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Staatssekretär Hoogvliet, vielen Dank für die Einführung. Be vor ich mich der Barrierefreiheit und damit dem Medienstaats vertrag zuwende, möchte ich mich bei allen Medienschaffen den bedanken, die in der Ukraine unter gefährlichen Bedin gungen für eine neutrale Berichterstattung arbeiten. Mein Dank gilt ebenso den Menschen, die dasselbe in Russland tun – trotz Zensur und politischer Verfolgung. Sie verdienen un ser aller Anerkennung und Unterstützung.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

In einer Demokratie ist es unerlässlich, dass sich die Bürge rinnen und Bürger selbstständig und umfassend informieren können. Nur wer Zugang zu den Informationen über das po litische Geschehen hat, kann sich eine eigene Meinung bil

den. Auf diese Weise entsteht ein fruchtbarer Diskurs, der die Demokratie mit Leben erfüllt.

Uns allen ist klar, dass es dafür einerseits qualitativer und viel fältiger Medien bedarf; andererseits müssen Menschen auch in die Lage versetzt sein, Angebote zu nutzen. Das muss für alle Bürgerinnen und Bürger möglich sein. Auch Menschen mit Behinderungen müssen uneingeschränkten Zugang zu In formations- und Unterhaltungsangeboten haben. Die Behin derung darf kein Hindernis darstellen. So ermöglichen wir ih nen wirksame gesellschaftliche und politische Teilhabe.

Bereits im Jahr 2008 haben sich die Vereinten Nationen auf eine Behindertenrechtskonvention geeinigt, die den Bedarf klar zum Ausdruck bringt: Menschen mit Behinderungen ha ben ein Recht auf umfassende Inklusion in allen Lebensberei chen. Die Staaten sind in der Verantwortung, hierfür die Rah menbedingungen zu schaffen. Auch in der Medienpolitik müs sen wir diesen Maßgaben gerecht werden.

Ich freue mich deshalb, dass wir mit dem vorliegenden Ge setzentwurf einen großen Schritt machen. Schon im Jahr 2020 gab es im neuen Medienstaatsvertrag Verbesserungen, die auf europäisches Recht zurückgingen. Aber mit diesem Mindest standard haben sich die Länder nicht zufriedengegeben. Ich begrüße es sehr, dass wir noch darüber hinaus einen ambitio nierten Reformprozess gestartet haben. Ich bin sehr froh, dass dabei die Verbände für Menschen mit Behinderungen mit ih ren Anliegen umfassend einbezogen wurden.

Eine der wichtigsten Neuerungen des Gesetzes definiert klar, wie ein barrierefreies Medienangebot beschaffen sein muss. Das ist die Grundlage, um die Anbieter in die Pflicht zu neh men und die Verbraucherrechte zu stärken. Gerade das Inter net und die modernen Medienplattformen bieten neue Mög lichkeiten, um Barrierefreiheit umzusetzen und unterschied liche Bedürfnisse zu berücksichtigen. Das Gesetz sagt nun: Kein Medienangebot darf dem Abbau von Diskriminierungen gegenüber Menschen mit Behinderungen entgegenstehen. Das setzt neue Maßstäbe.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Thomas Blenke CDU)

Klar ist aber auch: Nicht jedes Angebot kann sofort barriere frei gestaltet werden. Die Anliegen der Medienanbieter müs sen berücksichtigt werden. Eine zentrale Forderung der Ver bände für Menschen mit Behinderungen war es aber, dass ei ne Pflicht für regelmäßige Aktionspläne und Berichte zur Um setzung der Barrierefreiheit geschaffen wird. Das ist im vor liegenden Entwurf verankert und sorgt für mehr Verbindlich keit, Transparenz und Bewusstsein bei den Anbietern.

Es ist gut, dass das Gesetz Informationspflichten festlegt. An bieter müssen dokumentieren, worin die Barrierefreiheit ei nes Angebots besteht und was man wissen muss, um es nut zen zu können.

Um die neuen Anforderungen zur Barrierefreiheit wirksam überwachen zu können, bedarf es einer starken Aufsicht. Ich begrüße, dass für diese bundesweit einheitliche Aufgabe das gemeinsame Gremium der Landesmedienanstalten bestimmt wurde: die Kommission für Zulassung und Aufsicht.

Insgesamt haben wir es also mit einem sehr guten Vorhaben zu tun, auch wenn die medienpolitische Inklusion für Men

schen mit Behinderungen damit noch nicht vollendet ist. Den engen Dialog mit Betroffenen sollten wir auch bei weiteren Gesetzesänderungen beibehalten.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU sowie des Ministers Manfred Lucha)

Vielen Dank. – Nächster Red ner in der Aussprache ist Herr Abg. Guido Wolf für die CDU.

Herr Präsident, verehrte Kollegin nen und Kollegen! Ich glaube, gerade die aktuelle Zeit zeigt die Notwendigkeit, über aktuelles Weltgeschehen objektiv in formiert zu werden. Ich unterstelle, dass Sie alle dafür zumin dest ab und an auf unser vielfältiges mediales Angebot in Ba den-Württemberg und Deutschland zurückgreifen. Hierbei dürfte insbesondere die Berichterstattung in Rundfunk und Fernsehen in all ihren Ausgestaltungen eine nicht unwesent liche Informationsquelle darstellen.

Schnell ist einem jeden von uns – Kollegin Kern hat darauf hingewiesen – bewusst, sich so über die furchtbaren Zustän de in der Ukraine, aber auch über andere aktuelle Themen wie das Pandemiegeschehen oder – um auf angenehmere Themen zu kommen – die Ergebnisse der Olympischen Spiele infor mieren zu können.

Auch wenn man sich hierüber oft nicht ernsthaft Gedanken macht: Eine freie und eine unabhängige Berichterstattung der Medien in Deutschland ist für unser aller Leben fundamental und nicht wegzudenken.