Protokoll der Sitzung vom 09.03.2022

Aber eine glaubwürdige Oppositionsarbeit erwarte ich auch nicht wirklich von Ihnen. Sie beherrschen eben nicht den Spa gat zwischen Opposition im Land und Kniefall vor Ihren Kol legen in Berlin.

(Beifall bei der AfD – Zuruf von der AfD: Sehr gut!)

Mit Ihrem Antrag und dieser unsinnigen Debatte wollen Sie nur eines: Sie wollen sich als strammer Mitläufer bei der Durchsetzung einer allgemeinen Impfpflicht bei Ihrer Obrig keit empfehlen.

(Zuruf der Abg. Dr. Dorothea Kliche-Behnke SPD)

SPD steht in diesem Fall einfach für: seelenloses permanen tes Durchimpfen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Es folgt in der Aktuellen De batte die Landesregierung. Ich erteile Herrn Minister Lucha das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie stellt sich die Lage dar? Seit Anfang März 2021 wurden insgesamt 786 Ausbrüche – das sind 4,2 % – bei insgesamt 10 479 Fällen – das sind 10,8 % – in Pflegeheimen an das Landesgesundheitsamt gemeldet. Der Anteil der Pfle geheime an der Gesamtzahl der Ausbrüche liegt damit bei et was unter 5 % und an den Gesamtfallzahlen bei etwa 10 %.

Es kam zu etwa 2 400 Impfdurchbrüchen, also zu Infektionen von geimpften Bewohnerinnen und Bewohnern oder Beschäf tigten. Impfdurchbrüche machen damit ca. ein Viertel der Fäl le aus. Knapp 60 % der Fälle entfielen auf Bewohnerinnen und Bewohner, etwa 40 % auf die Beschäftigten. Ein Viertel der Bewohnerinnen und Bewohner waren vollständig geimpft, bei den Beschäftigten waren es knapp 19 %. In lediglich 10 % der Fälle wurde eine Drittimpfung oder, auf Neudeutsch, ei ne Boosterimpfung gemeldet.

Seit März 2021 sind 564 Todesfälle in Verbindung mit einer Covid-Infektion in Pflegeheimen zu verzeichnen. 10 % die ser Verstorbenen waren dreifach geimpft.

Schärfen wir jetzt die Linse und schauen auf die aktuelle Ent wicklung seit Anfang 2022. Diese ist durch die Omikron-Va

riante geprägt. Seit Jahresbeginn sind 334 Ausbrüche bei ins gesamt 5 192 Fällen zu verzeichnen. Das sind mehr Ausbrü che und mehr Fälle im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum. Das belegt einmal mehr die deutlich höhere Übertragbarkeit der Omikron-Variante.

Im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum mussten bei deutlich höheren Fallzahlen – damals lag die Sieben-Tage-Inzidenz zwischen 77 und 133, seit Jahresbeginn erreichte sie Werte bis zum Zehnfachen – mit 214 Personen wesentlich weniger Personen hospitalisiert werden. Und mit 96 Menschen macht die Zahl der Verstorbenen im Vergleich zum Vorjahreszeit raum Gott sei Dank nur noch ein Viertel aus – noch immer zu viel; keine Frage.

Wir müssen mit Trauer zur Kenntnis nehmen, dass auch ge impfte Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen ver sterben können. Jedoch belegen die Zahlen eindeutig die Wir kung und die Notwendigkeit der Impfung. Wenn Sie die Zah len in einen Vergleich setzen, erkennen Sie: Der Anteil Ba den-Württembergs an der Zahl der Ausbrüche und Fälle, die dem Robert Koch-Institut seit Jahresbeginn bis Mitte Febru ar deutschlandweit gemeldet wurden, entspricht ca. 17 %. Das ist etwas mehr, als es dem Anteil der Einwohner entspricht. Aber da Baden-Württemberg im Durchschnitt die älteste Be völkerung hat, entspricht das angesichts der Altersverteilung wieder der Normalität. Baden-Württemberg ist demnach eben nicht auffällig. Baden-Württemberg stellt sich weder besser noch schlechter als andere Bundesländer. Wir kämpfen mit den gleichen Herausforderungen durch das Virus, das sich im Übrigen weder um Landesgrenzen noch um Ländervergleiche schert.

Die Impfquoten bei Beschäftigten und Betreuten in den Hei men sind im Vergleich mit Januar 2022 und Dezember 2021 erneut gestiegen. Vollständig geimpft sind aktuell 88,4 % der Beschäftigten sowie 93,1 % der Betreuten. Eine Auffrischungs impfung haben 60,2 % der Beschäftigten und 81 % der Be treuten bekommen.

Dem Kollegen Haußmann muss ich schon ein bisschen wi dersprechen, weil er den Eindruck erweckt hat, wir würden die einrichtungsbezogene Impfpflicht so larifari machen. Sie selbst waren zu diversen Fachforen eingeladen. Wir haben frühzeitig mit einer hohen Energie und Systematik sowohl die Handlungsleitfäden für die Gesundheitsämter als auch die In formationen für die Einrichtungen mit 3 000 Teilnehmenden erarbeitet. Mir wurde aus dem Landes-Behindertenbeirat von der dortigen Vertreterin der Angehörigen psychisch Kranker berichtet, dass sie in keinem anderen Bundesland eine ver gleichbare Informationsveranstaltung erlebt hat. Wir haben über 800 Einzelfragen abgearbeitet. Ich möchte einfach sa gen, dass das ganze Ministerium, das Landesgesundheitsamt, die nachgeordneten Behörden eingebunden waren. Ich selbst war in der Runde mit den Gesundheitsämtern beschäftigt.

Also: Mit einer höheren Akribie konnte nicht gearbeitet wer den. Herr Bückner hat darauf hingewiesen: Es war unser Schreiben an die Bundesministerien zur Klarstellung der Handlungsempfehlungen, in dem auf bestehende Rechtslü cken hingewiesen wurde, die abgearbeitet werden. Da möch te ich schon einmal sagen, dass wir da mit einem hohen Maß an Akribie, Sensibilität und Engagement diese einrichtungs bezogene Impfpflicht umsetzen.

Aus welchem Grund ist sie denn eingeführt worden? Genau deshalb, weil wir die vulnerablen Gruppen schützen müssen. Der Bund hat dieses Gesetz im Dezember verabschiedet, und wir setzen es um, und zwar mit allem, was uns zur Verfügung steht.

Ich glaube schon, dass wir immer wieder feststellen müssen: Es wird zu Ausbrüchen in Pflegeheimen kommen, es werden Menschen versterben. Deswegen werden wir auch zu keinem Zeitpunkt so etwas wie ein positives Fazit ziehen können.

Festhalten lässt sich aber, wie ich betont habe: Die Impfung in Verbindung mit geltenden Schutzmaßnahmen – – Ich erin nere noch einmal daran, welchen Aufschrei quer durch alle Institutionen es gab, als ich – das war noch vor der Landtags wahl – eingeführt habe – auch unterstützt z. B. von Ihnen, Herr Haußmann –, drei Mal pro Woche testen zu lassen. Da hieß es, es sei nicht umsetzbar, es sei nicht machbar. Wir ha ben uns jedoch durchgesetzt und gesagt: Dieser Schutz vul nerabler Gruppen ist notwendig.

Damals hätte ich mir von mancher Seite – von denjenigen, die mir jetzt etwas vorwerfen – auch ein bisschen mehr Unterstüt zung erwartet. Dazu könnte ich noch einiges sagen; das ist je doch vergossene Milch.

Wir haben zu diesem Zeitpunkt in der Taskforce „Langzeit pflege“ – Kollegin Krebs hat darauf hingewiesen – vom ersten Tag an mit den Einrichtungsträgern die effektivsten Schutz maßnahmen getroffen. Das betrifft natürlich auch die Ent scheidung – das war eine Erkenntnis aus der ersten Welle; die, die wir im Ausschuss kollektiv getroffen haben –: Wir riegeln die Einrichtungen nicht mehr ab. In der Abwägung in der Po larität der Interessen, auch psychosozial Kontakt zu haben, nicht zu vereinsamen und gleichzeitig den Infektionsschutz sicherzustellen, haben wir entschieden, die Heime unter Schutz maßnahmen offen zu halten.

Natürlich ist dieses Offenhalten bei allen Maßnahmen, die wir tätigen, immer wieder auch mit dem Risiko verbunden, dass es Infektionseinträge gibt. Das ist so. Das sehen auch wir sehr klar.

(Abg. Anton Baron AfD: Für Ungeimpfte ist es noch immer geschlossen!)

Aber gleichzeitig möchte ich schon sagen – das haben Sie ja an den Zahlen gehört –: Je höher die Impfquote, umso besser. Deswegen werbe ich wirklich dafür; ich muss es noch einmal sagen. Ich habe keinerlei Verständnis, dass jemand, der im Ge sundheitswesen, in Pflegeberufen, in Sorgeberufen arbeitet, nicht geimpft ist. Dafür habe ich kein Verständnis.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU)

Dass Impfen hilft – nicht vor Infektionen, aber vor schwer wiegenden Verläufen –, das ist epidemiologisch jetzt wirklich nicht mehr zu bestreiten.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Ich möchte noch ein bisschen was sagen, ganz wenig. Ich glaube, dass ich vom ersten Tag an und auch seit Jahresbeginn den Landtag und den Sozialausschuss auch proaktiv immer –

so, wie es meine Art ist – regelmäßig und in voller Transpa renz über die Lage in den Heimen informiert habe.

Wir haben Ihnen mündlich und schriftlich – auch mit Vertre tern der Heimaufsichten und der örtlichen Behörden – darge stellt, wie wir Impfungen in die Pflegeheime bringen. Kolle gin Krebs hat es bereits angesprochen: Baden-Württemberg war das erste und schnellste Bundesland.

Es hat mehrere schriftliche Informationsrunden gegeben, An gebote der mobilen Impfteams, in die Einrichtungen zu kom men, Abfragerunden zur Erhebung des Impffortschritts in den Heimen, direkte, aufsuchende Ansprache der Einrichtungen mit geringen Impfquoten durch Gesundheitsämter und Heim aufsichten, Sonderaktionen vor Ort, Workshops, Aufklärungs vorträge, Benchmark-Prozesse vor Ort.

Aus meinen Berichten zu dem Ausbruchsgeschehen z. B. in Rastatt wissen Sie, dass sich der überwiegende Teil der Ver storbenen freiwillig gegen eine Impfung entschieden hatte. Wir können gar nichts anderes tun, als diese Entscheidung hinzunehmen. Es gibt keine allgemeine Impfpflicht, die den Betreuten, die den Bewohnerinnen und Bewohnern oder ih ren gesetzlichen Vertretungen zur Umsetzung angediehen wä re. Wir können sie nicht zwingen. Dass ich es für sinnvoll hal te, dieses Instrument zu haben, ist eine andere Debatte. Aber in diesem Punkt müssen wir das akzeptieren.

Ich möchte Ihnen jetzt auch noch einmal einen Blick in das Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz bieten. Wir haben keine rechtliche Kompetenz, in Pflegeheimen eine niedrige Impfquo te zu sanktionieren. Das ist so nicht angelegt.

Durch unsere Aufwendungen und Informationen soll es bei den Pflegekräften keine Impflücke mehr geben. Nachdem ich gestern entsprechende Rückmeldungen erhalten hatte, habe ich wieder angewiesen, direkt mit Heimträgern, mit dem Land rat darauf hinzuwirken, dass eine Impflücke geschlossen wird.

Gestatten Sie mir jetzt noch eine „Kurve“: Warum hat denn der Bund die einrichtungsbezogene Impfpflicht beschlossen? Weil er eben festgestellt hat, dass bei den Beschäftigten die Impfquote einfach höher sein muss, um den Schutz der Be wohnerinnen und Bewohner sicherzustellen.

In diesem Punkt weise ich Ihre Kritik zurück. Mich können Sie angreifen. Das bin ich gewohnt. Nach zwei Jahren Pande mie ist das ein tägliches Resilienztraining, ohne dabei abzu stumpfen.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Aber die Mitarbeitenden in den Heimaufsichten, in den Ge sundheitsämtern, bei uns im Ministerium, in der Taskforce „Langzeitpflege“, in der Taskforce „Impfen“, in den Stäben, die seit zwei Jahren einen 24/7-Einsatz gemacht haben, die Heiligabend geschaut haben, wie man den Impfstoff „ver checkt“, als es an einer Stelle zu wenig und an einer anderen zu viel gab, die haben Sie beleidigt, schwer getroffen –

(Abg. Florian Wahl SPD: Was?)

das bekomme ich aus dem Haus wirklich so gespiegelt –, menschlich schwer diffamiert.

(Zuruf von der SPD: Ach!)

Diese Menschen haben Ihre Copy-and-paste-Aktion nicht ver dient. Bisher war ich Copy-and-paste-Aktionen in diesem Ausmaß gegen mein Haus eher von anderen Gruppierungen gewohnt.

(Abg. Sascha Binder SPD: Aufpassen! – Abg. Anton Baron AfD: Diese Roten verbreiten nur Fake News! Unglaublich!)

Das war kein Ruhmesblatt einer offenen demokratischen Aus einandersetzung.

(Abg. Sascha Binder SPD: Das ist eine Frechheit!)

Wir haben es abgearbeitet. Wir arbeiten jeden Tag daran, vul nerable Gruppen zu schützen.

Ich bedanke mich für Ihre Unterstützung.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Mir liegen für die zweite Run de bisher zwei Wortmeldungen vor. Zunächst darf ich für die SPD-Fraktion Herrn Abg. Florian Wahl ans Redepult bitten.