Diese Solidarität untereinander ist nötiger denn je. In rechts extremen und faschistischen Gruppen in diesem Staat kursie ren übelste Vorstellungen: Massendeportation, Arbeitslager für Migrantinnen und Migranten
Wir Frauen wissen, was solche Kreise über starke und selbst bewusste Frauen denken. Der Spitzenkandidat der AfD für die kommende Europawahl hält damit auch nicht hinter dem Berg. Da wird über Männlichkeit und Weiblichkeit fabuliert und er klärt – Zitat –:
Die Komplementarität der Geschlechter findet er ganz ergrei fend. Hier die immer rationalen, starken Männer, natürlich mit Führernatur, und dort die Frauen, stets intuitiv, natürlich mit ganz viel Gefühl. Bei aller toxischen Männlichkeit findet der Spitzen-AfDler doch, Frauen seien eine Bereicherung, natür lich primär wegen der Mutterschaft. Der Spitzenkandidat der AfD zur Europawahl sagt:
Diese Deutlichkeit bräuchte es gar nicht. Wir Frauen wissen: Wo immer die neuen Rechten an die Macht kommen –
sei es in Ungarn, in Polen oder dem großen AfD-Vorbild Russ land –, wird die Uhr zurückgedreht. Da werden Frauen aus dem Arbeitsmarkt gedrängt und an den Herd geschickt. Selbst bestimmung über Sexualität und Schwangerschaft wird ge schleift.
Lassen Sie mich deshalb zum Abschluss meiner Rede direkt an die Adresse der AfD hier im Saal und da draußen sagen:
Wir werden uns Ihrem Hass gegen unsere Welt mit ihren Fort schritten und Errungenschaften entgegenstellen. Es ist mir wirklich egal, ob Sie das weiblich finden oder nicht. Wir wer den solidarisch sein und uns nicht spalten lassen.
Wir werden dafür streiten, dass Frauen selbstbestimmt, sicher und frei leben können – am Weltfrauentag, bei der Europa wahl und an jedem anderen Tag im Jahr.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! In diesem Jahr darf ich unsere frau enpolitische Sprecherin Alena Fink-Trauschel bei der Debat te anlässlich des Weltfrauentags vertreten. Das freut mich sehr, auch wenn ich es anfangs nicht auf das Gruppenbild geschafft habe.
Da hat noch ein bisschen was gefehlt; denn ich spreche hier nicht als Frau, sondern ich spreche hier als Mann, und ich glaube, es ist auch ganz gut, wenn auch einmal ein Mann über frauenpolitische Themen spricht.
Ich möchte ganz gern in den Grund dafür, dass ich hier jetzt den Redebeitrag leisten darf, einsteigen; denn das zeigt an schaulich, mit welchen Chancen, aber auch mit welchen He rausforderungen Frauen heute in unserer Gesellschaft kon frontiert sind.
Meine Kollegin Alena Fink-Trauschel ist für mich ein sehr gutes Beispiel, was für Frauen heute in unserer Gesellschaft zu Recht möglich ist. Alena wurde ebenso wie ich 2021 in den Landtag von Baden-Württemberg gewählt. Sie erhielt in ih rem Wahlkreis Ettlingen damals 10,2 % der Stimmen. Nun übt sie das Mandat mit sehr viel Engagement aus, und neben bei setzt sie ihr Studium der Politikwissenschaft und Volks wirtschaftslehre fort. Das genau ist die Ursache dafür, die heu tige Debatte zum Weltfrauentag mir zu überlassen. Denn sie schreibt in diesen Tagen ihre Prüfungen.
(Beifall bei der FDP/DVP, den Grünen, der CDU und der SPD sowie des Abg. Dr. Uwe Hellstern AfD – Abg. Manuel Hagel CDU: Gut!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für mich ein gelebtes Bei spiel einer gleichberechtigten, selbstbewussten Frau in unse rer Gesellschaft.
Wir haben in unserer Fraktion noch ein weiteres Beispiel; denn auch die Kollegin Julia Goll kümmert sich kurzfristig heute Morgen – sie kommt später – um eines ihrer Kinder. Auch das ist ein Beispiel dafür, wer in unserer Gesellschaft Sorge leistet.
(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU – Abg. Manuel Hagel CDU: Auch gut!)
Zur Wahrheit gehört jedoch auch – wir haben es auch schon gehört –, dass auch heute, auch in unserer Gesellschaft noch immer Chancenungleichheit zwischen Frauen und Männern herrscht. Frauen finden sich seltener in Führungspositionen in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Sie werden schlechter bezahlt, arbeiten häufiger in Teilzeit und leisten den Löwen anteil an Sorgearbeit. Ein großer Anteil der Kinder unter drei Jahren wird in Baden-Württemberg zu Hause betreut, und das heißt: in erster Linie durch ihre Mütter. Das Land ist laut Sta tistischem Landesamt bei Kindern unter drei Jahren mit einer Betreuungsquote von knapp 30 % im Vergleich der Bundes länder Schlusslicht.
Nicht zu vergessen: Sorgearbeit heißt auch Pflege von Ange hörigen. Auch hier leisten meist die Frauen den Löwenanteil.
Um hier als Land weiter voranzukommen, müssen wir umfas sende Schritte zu einer deutlich besseren Kinderbetreuung und einen besseren Rahmen für die Pflege von Angehörigen ent wickeln, den Abbau alter Denkmuster einleiten – und das so schnell wie möglich. Nur so werden wir es Frauen ermögli chen, flexibler und, wenn sie es möchten, mehr zu arbeiten – das ist auch ein wichtiger Beitrag zur Beherrschung unseres Fachkräftemangels, und dieses Potenzial müssen wir unbe dingt heben –
oder zusätzlich ein Studium anzutreten oder sich als Land tagsabgeordnete in den Dienst des Landes zu stellen.
Während in Baden-Württemberg zwar etwa genauso viele Frauen – wir haben es gehört – studieren, sinkt der Frauenan teil mit jeder Qualifikationsstufe in den wissenschaftlichen Strukturen – und nicht erst bei den Professorinnen. So stand laut Statistischem Bundesamt in Baden-Württemberg einer weiblichen Studierendenschaft von 50 % ein Professorinnen anteil von gerade einmal 24,1 % gegenüber.
Was es aus meiner Sicht aber nicht braucht – das bestätigen mir starke Frauen in unserer Gesellschaft immer wieder –, ist ein reflexartiger Ruf nach Frauenquoten in politischen Partei en oder speziell auf Frauen ausgerichtete Start-up-Accelato ren, um hier exemplarisch nur zwei gern aufgeführte Positio nen zu benennen.
Eine junge Gründerin aus Baden-Württemberg hat mir erst vor wenigen Wochen in einem Gespräch gesagt: „Ich stehe meine Frau als Gründerin und politisch interessierter Mensch. Ich will die gleichen Chancen und auch die gleichen Risiken haben wie meine männlichen Gegenüber. Ich brauche keine Kuschelzone.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin sicher, dass viele Frauen in unserer Gesellschaft das genau so unterschreiben werden. Aber es gibt auch Fälle, bei denen eine spezielle Hil fe notwendig wird – leider. An dieser Stelle fühle ich als Mann mich betroffen und bin als Vater zweier Töchter wütend, wenn ich die Zahlen der Frauenhäuser in unserem Land sehe.
Im Jahr 2022 fanden bundesweit ca. 14 400 Frauen sowie 16 670 Kinder und Jugendliche Schutz in einem Frauenhaus. Dabei erfasst die bundesweite Frauenhaus-Statistik lediglich die Zahlen von 179 der 400 Frauenhäuser. Wir bilden mit die sen Zahlen also lediglich 45 % der Realität ab. Dabei bleibt auch die Dunkelziffer noch unberücksichtigt. Das sind scho ckierende Zahlen, wie ich finde.
Wie sieht es bei diesem Thema hier in Baden-Württemberg aus? Ich erinnere an die Debatte und Abstimmung über eine landesweite, neu geordnete Finanzierung von Frauen- und Kinderschutzhäusern im Januar 2023. Wir haben damals dem Gesetzentwurf der Kolleginnen und Kollegen von der SPD zugestimmt.
Damals hatte der verbandsübergreifende Arbeitskreis Frauen hausfinanzierung Sie, Herr Minister Lucha, in einem Schrei ben auf die prekäre Lage der Frauenhäuser in Baden-Würt temberg hingewiesen. Die von der Istanbul-Konvention emp fohlene Versorgungsdichte wird in Baden-Württemberg deut lich verfehlt. Es reicht eben nicht, Frau Kollegin Huber, Ge walt gegen Frauen abzulehnen. Wir müssen da deutlich mehr tun.