Protokoll der Sitzung vom 15.11.2007

Wenn Sie hier eine ehrliche, seriöse Politik machen wollen, dann lese ich Ihnen eine Passage vor, die Sie womöglich nicht gelesen haben. Dann können Sie klar argumentieren, warum für eine seriöse Datengrundlage ein entsprechendes Zeitfenster notwendig ist. Ich zitiere also:

Zusätzlich zu der bayerischen Energiebilanz werden selbstverständlich auch vom Deutschen Institut für Wirtschaftsförderung gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft „Energiebilanzen“ mit den Methoden der Wirtschaftsforschung zeitnahe Schätzungen zum deutschen Primärenergieverbrauch abgegeben.

Das wird durch Sie pressewirksam vermarktet.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Frau Paulig?

Nein, Herr Präsident.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das können und wollen wir nicht als Grundlagen für so weitreichende Maßnahmen aufgrund politischer Entscheidung im Bereich der Energiepolitik oder der Klimaschutzpolitik machen.

Eine Aufteilung der Schätzwerte auf die Bundesländer erfolgt nicht. Das heißt, wir greifen hier aus Prognosen und Wirtschaftsforschungsgrundlagen mehr oder weniger willkürlich Zahlen, Daten und Fakten heraus, die uns gerade passen. Sie wollen, wie es Ihr Antrag beabsichtigt, das zur Grundlage weitreichender politischer Entscheidungen machen. Das können Sie ruhig wollen. Wir machen das aber nicht mit. Denn das ist keine Grundlage für eine saubere, seriöse Politik.

Ich zitiere weiter:

Diese Schätzungen führen dann aber auch zu Missverständnissen über die Aktualität der vorliegenden Daten in den Bundesländern, zumal dort in der Regel in vergleichbarer Form nur die auf der amtlichen Statistik basierenden endgültigen Bilanzdaten einschließlich des jeweiligen Primärenergieverbrauchs und keine Vorabschätzwerte veröffentlicht werden.

Dies ist gut so. Das wollen wir auch so.

Im Gegensatz zur amtlichen Statistik werden die Schätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsförderung, die ich eben genannt habe, von der „Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen“ regelmäßig revidiert. Dies heißt, dass wir sie nicht zur Grundlage für politische Entscheidungen machen können, wenn wir dementsprechend mittel- und langfristig eine Effizienz in Sachen Klimaschutz erreichen und energiepolitische Entscheidungen treffen wollen. Daher sind wir selbstverständlich mit Ihnen d’accord, wenn Sie sagen, dass wir eine möglichst aktuelle Datenbasis benötigen, aber unter der Maßgabe, dass hier wirklich belastbare Zahlen und Fakten genannt und als Grundlage gegeben werden, um dementsprechend entscheiden zu können. Dieser Antrag ist daher überflüssig. Wir lehnen ihn ab.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Hintersberger. Ich erteile Frau Kollegin Paulig zu einer Zwischenbemerkung das Wort.

Herr Kollege, Sie haben jetzt ganz schön herumgedruckst, und sich gewunden, warum die Zahlen noch nicht vorliegen. Ich habe jetzt wirklich keine Antwort heraushören können, warum wir die Zahlen für Bayern für das Jahr 2004 noch nicht vorliegen haben. Warum haben es denn alle anderen Länder geschafft? Dort liegen die Zahlen vor. Wollen Sie vielleicht behaupten, die sind nicht belastbar, nicht korrekt, nicht statistisch vernünftig abgeklärt? Bayern hat es nicht geschafft. Bayern ist wieder unter den drei Letzten. Gut, Sie stellen sich auf die gleiche Stufe wie das Saarland, das sei Ihnen unbenommen. Ich habe eigentlich gedacht, Bayern will Spitze sein, Bayern hat die Zahlen schnell vorliegen.

(Henning Kaul (CSU): Wir brauchen doch keinen Antrag, um die Zahlen zu bekommen!)

Das haben Sie heute nicht gesagt. Ich kann Ihnen sagen, dass der damalige Staatssekretär, Herr Dr. Bernhard, diese Zahlen bereits für Juni dieses Jahres angekündigt hat – für Juni! Ich habe dann im Juli nachgefragt und ein ebenso windungsreiches Schreiben vom Wirtschaftsministerium erhalten, aus dem Sie zitiert haben, warum die Zahlen immer noch nicht vorliegen. Aber auch dieses Schreiben liegt jetzt schon circa vier Monate zurück, und wir haben die Daten immer noch nicht. Heute sagen Sie, in wenigen Wochen hätten wir sie. Sagen Sie einmal: Was ist denn das hier in Bayern für eine Arbeitsweise? Wirt

schaftsministerium, Statistisches Landesamt – andere Länder können es.

Ich möchte jetzt von Ihnen eine klare – keine gewundene – Antwort: Wann bekommen wir diese Daten und warum sind sie bis heute nicht auf dem Tisch, wenn Sie schon den Antrag ablehnen wollen?

Meine Damen und Herren, liebe Kollegin Paulig! Ich habe hier eindeutig zitiert, ob wir aktuelle Daten oder eine dementsprechend seriöse Datenbasis haben. Es ist uns wichtig, dass wir hier belastbare Daten haben.

Frau Paulig, da können Sie noch so mit dem Kopf schütteln. Wenn Sie dies nicht wollen, dann sagen Sie, dass Sie keine belastbaren Daten wollen. Dann ist es in Ordnung, und ich nehme es so zur Kenntnis. Dies ist allerdings nicht der Standpunkt, den wir hier vertreten. Ich sage Ihnen heute, dass wir in wenigen Wochen – so die Auskunft von heute Vormittag – auch im Printbereich diese aktuellsten Zahlen haben. Im Internet haben wir bereits einige Zahlenreihen von 2004 vorliegen. Dies ist wirklich nicht das Niveau, auf dem wir hier diskutieren.

Wir brauchen diese Zahlen. Wir sind auch da beieinander, wenn Sie fordern, dass wir sie möglichst aktuell bekommen. Es ist wichtig, dass wir belastbares Zahlenmaterial haben. Darauf legen wir Wert. Diese Zahlen sind unter der Federführung des Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung derzeit wohl in der Endabstimmung. Damit haben wir auch die Grundlage für politische Entscheidungen. Wegen 14 Tagen hin oder her werden wir in keinster Weise große Diskussionen führen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Ruth Paulig (GRÜNE): Drei Jahre sind das, Herr Hintersberger!)

Vielen Dank, Herr Kollege. Ich habe noch die Bitte, dass die Gespräche auf der Regierungsbank eingestellt werden. Das gilt vor allem auch für Jungstaatssekretäre, Herr Fahrenschon.

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Biedefeld.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! So rückständig, wie die Energiepolitik und die Klimapolitik der CSU-Staatsregierung und der Mehrheitsfraktion sind, genauso rückständig sind die Zahlen und die Datenbasis.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege Hintersberger, es geht nicht um 14 Tage. Ich verweise auf folgende Drucksachen meiner Schriftlichen Anfragen: Drucksache Nummer 15/6812 vom 11.12.2006 und Drucksache Nummer 15/8815 vom 03.09.2007. Dort habe ich nach wichtigen Eckdaten für den Energiesektor in Bayern gefragt, genau nach dem, was in dem Antrag

der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN enthalten und hier von Frau Kollegin Paulig dargelegt wurde, nämlich was wir an Zahlenmaterial haben wollen.

Es geht in diesen Schriftlichen Anfragen darüber hinaus um die Entwicklung des Primärenergieverbrauchs unterschiedlicher Energieträger. Es geht darin auch um die Entwicklung des Endenergieverbrauchs auf den verschiedenen Sektoren – Industrie, Verkehr, Haushalte, Kleinverbraucher – und die Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen nach Verbrauchssektoren etc. Sie sagen: 14 Tage – ich sage: mindestens vier Jahre. Teilweise werde ich Ihnen jetzt nachweisen, dass die Zahlen immer noch nur geschätzt sind und man Bezugsdaten von 2001 und den Vorjahren nimmt. Wenn Sie nämlich in den Antworten des Bayerischen Wirtschaftsministeriums auf meine Anfragen und in den genannten Drucksachen nachlesen, werden Sie feststellen, wie das mit absolutem, aktuellem und zeitnahem Datenmaterial ist, wie Sie sagen. Da ist nichts von Aktualität und Zeitnähe zu erkennen.

Ich wiederhole die Frage von Frau Kollegin Paulig, weil Sie immer noch keine Antwort darauf gegeben haben. Vielleicht können Sie sie gar nicht beantworten, dann geben Sie es halt zu. Vielleicht kann sie dann die Frau Ministerin beantworten, wenn Sie es nicht können.

Die konkrete Frage war: Warum liegen in Bayern für das Jahr 2004 noch nicht alle Daten vor, wenn es alle anderen Bundesländer, auch Ihre Unionskollegen in den CDUregierten Bundesländern, fertiggebracht haben? Warum kann es Bayern nicht?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die zweite Frage war: Wann kommt dieses Zahlenmaterial? Diese beiden konkreten Fragen haben Sie nicht beantworten können. Vielleicht kommt jetzt eine Antwort vonseiten der Wirtschaftsministerin.

Von Seriosität kann überhaupt nicht die Rede sein. Wie können Sie seriös behaupten: Bayern vorne! Bayern Spitze! Bayern Nummer 1! Ich frage Sie, wie können Sie das seriös behaupten, wenn Sie sich auf Zahlenmaterial von 2004, 2003 und noch weiter zurück beziehen, aber in anderen Bundesländern aktuelles Zahlenmaterial vorliegt? Sie können überhaupt keinen vernünftigen Vergleich ziehen. Sie können gar nicht feststellen, dass Sie hier in der Champions League spielen, um einen Vergleich mit dem Fußball heranzuziehen, wenn es darum geht, in der Klima- und Energiepolitik wirklich Vorreiter zu sein – im Gegenteil.

Schauen Sie sich die Antworten einmal an. Ich zitiere aus den Antworten auf meine Anfrage:

… statistische Daten zum Primärenergieverbrauch … und zu den CO2-Emissionen in den Jahren 2005 und 2006 liegen noch nicht vor.

Das war die Antwort vom 03.09.2007. Weiter heißt es zu meiner Abfrage etwa über installierte Leistungen, Windenergie, Fotovoltaik, Biogas etc.:

Es wird darauf hingewiesen, dass amtliche Erhebungen im Bereich der erneuerbaren Energien nur in begrenztem Umfang durchgeführt werden. … Genauere Angaben zu Fotovoltaik mit Aufschlüsselung der installierten Anlagenleistung nach Bundesländern liegen derzeit nur für das Jahr 2005 vor.

Diese liegen auch für 2006 noch nicht vor, geschweige denn für 2007.

Es heißt hier weiter, etwa in Bezug auf andere Bereiche wie Wärmeenergie: Nach den hiesigen Abschätzungen auf der Basis von Daten des Bundesumweltministeriums würden entsprechende Zahlen ausgegeben. Ich darf weiter kurz vorlesen: „Nach vorläufigen Abschätzungen, u. a. auf der Basis der derzeit verfügbaren Zahlen …“ Diese gehen auf das Jahr 2001 zurück. Ich kann dies zitieren. Sie können es nachlesen, ich habe Ihnen die Drucksachennummern gesagt.

Beim Bereich Kraft-Wärme-Kopplung heißt es: „Für den Anlagenbestand im Bereich Kraft-Wärme-Kopplung gibt es keine laufende statistische Erhebung und daher keine aktuelle Statistik.“

Die Kraft-Wärme-Kopplung ist aber ein ganz wichtiger Aspekt einer effektiven Klimaschutzpolitik und einer nachhaltigen Energiepolitik. Hier heißt es, dass die installierte Leistung bei der Kraft-Wärme-Kopplung seit 2001 rund 3000 Megawatt betrug. Das ist Ihre aktuellste Zahl, das ist zeitnah. Daher sind die Aussagen, die Sie hier gemacht haben, unseriös. Das, was in den Antworten steht, ist wohl auch unseriös. Das ist ein Armutszeugnis. Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich künftig mit Ihren Lobhudeleien über Ihre eigene Energie- und Klimapolitik zurückzuhalten. Sie können so etwas nicht seriös behaupten. Ich finde es schade, dass Sie die Länder, die seriöse und aktuelle Daten haben, als unseriös bezeichnen. Nichts anderes haben sie gemacht. In anderen Ländern, in denen die CDU regiert, ist es so. Vielleicht sollten Sie Ihre Hausaufgaben machen und sich bei diesen Ländern eine Scheibe abschneiden, statt Ihre Kolleginnen und Kollegen aus der Union als unseriös hinzustellen. Wir stimmen dem Antrag zu.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Staatsministerin Emilia Müller.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich verstehe, dass es Unmut gibt, weil die Daten noch nicht vorliegen. Das möchte ich am Anfang gleich vorausschicken. Die Daten der Energiebilanz Bayern basieren zu einem großen Teil auf den Ergebnissen von statistischen Erhebungen. In Bayern werden die Erhe

bungen wie auch die Erstellung der Energiebilanz vom Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung durchgeführt. Aufgrund der verschiedenen durchzuführenden Arbeitsschritte wie Erhebung, Auswertung, Aufteilung auf Bundesebene hat sich die amtliche Statistik unvermeidbar etwas verzögert. Das möchte ich hier auch zugeben.

In die Energiebilanz fließen die Daten der Verbände ein, zum Beispiel auch die Daten der Mineralölwirtschaftsverbände. In der Regel liegen diese Daten bundesweit und damit auch in Bayern erst nach mehreren Jahren vor. Deshalb reden wir jetzt über das Jahr 2004. Sie reden von 2005 und 2006. Daher hinkt die vollständige Energiebilanz in allen Ländern – übrigens auch beim Bund, Frau Paulig – zwei bis drei Jahre hinterher.

(Ruth Paulig (GRÜNE): Das ist in anderen Ländern auch so!)

Nicht in allen, Sie haben es vorhin selber gesagt, aber zwei Jahre sind es auf jeden Fall.

Sie werden jetzt mit Sicherheit einwenden, dass der Bund schon die aktuelleren Zahlen publiziert hat. Dazu kann ich nur sagen, dass das nur Vorabschätzungen einzelner Energiedaten, aber nicht die gesamten Daten sind. Mit einer vollständigen Energiebilanz sind diese Zahlen nicht vergleichbar. Es werden nur einzelne Werte publiziert. Die vollständige Energiebilanz liegt auch beim Bund erst für das Jahr 2003 vor. Kein Land hat bislang – von sporadischen Einzelfällen abgesehen – solche Abschätzungen, wie sie der Bund macht, in Auftrag gegeben.

(Susann Biedefeld (SPD): Stimmt nicht!)