Protokoll der Sitzung vom 12.12.2007

Wer entgegen dem Votum des endberatenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen dem Änderungsantrag auf Drucksache 15/9477 zustimmen will, den bitte ich ebenfalls um ein Handzeichen. – Die SPD-Fraktion und überwiegend die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Drei Stimmenthaltungen aus den Reihen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Der Änderungsantrag ist damit ebenfalls abgelehnt.

Zum Gesetzentwurf auf Drucksache 15/8603 empfiehlt der federführende Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik Zustimmung mit der Maßgabe verschiedener Änderungen. Ich verweise insoweit auf die berichtigte Drucksache 15/9513. Wer dem Gesetzentwurf mit diesen empfohlenen Änderungen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. Das sind die überwiegenden Teile der CSU-Fraktion, der SPD-Fraktion und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Einige Gegenstimmen aus den Reihen der CSU und drei Gegenstimmen aus den Reihen der SPD. Stimmenhaltungen? – Zwei Stimmenthaltungen aus den Reihen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und eine Stimmenthaltung aus den Reihen der SPD sowie eine Stimmenthaltung aus den Reihen der CSU. Damit ist so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Diese soll, wie in § 127 Absatz 2 der Geschäftsordnung vorgesehen, in namentlicher Form erfolgen. Der Abstimmung liegt der Gesetzentwurf in der Fassung der berichtigten Beschlussempfehlung 15/9513 des federführenden Ausschusses für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik zugrunde. Für die Stimmabgabe sind Urnen auf beiden Seiten des Sitzungssaales und auf dem Stenografentisch bereitgestellt. Es kann mit der Abstimmung begonnen werden. Fünf Minuten stehen dafür zur Verfügung.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich darf darauf hinweisen, dass nachher noch weitere namentliche Abstimmungen erfolgen.

(Namentliche Abstimmung von 10.07 bis 10.12 Uhr)

Sind alle Stimmen abgegeben? – Die fünf Minuten sind abgelaufen. Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Ich bitte, die Plätze wieder einzunehmen. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, die Plätze einzunehmen und die Gespräche einzustellen, weil wir zur nächsten namentlichen Abstimmung kommen. Wir beginnen aber erst, wenn die Plätze wieder eingenommen sind.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt. Die Ergebnisse beider namentlichen Abstimmungen werden wir nach dem nächsten Tagesordnungspunkt bekannt geben, zu dem die Redezeiten nicht lang sind.

Wir führen zwischenzeitlich die namentliche Abstimmung über den Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN auf Drucksache 15/7260 durch. Der federführende Ausschuss hat Ablehnung empfohlen. Die Urnen sind bereitgestellt. Wir beginnen mit der Abstimmung.

(Namentliche Abstimmung von 10.14 bis 10.18 Uhr)

Sind alle Stimmkarten abgegeben? – Damit ist die Stimmabgabe geschlossen. Das Ergebnis wird wieder außerhalb des Plenarsaals ermittelt und später bekannt gegeben. Ich bitte, die Plätze wieder einzunehmen. Wir fahren in der Sitzung fort. Ich bitte, auch die diversen Verhandlungen an der Regierungsbank einzustellen. Ich bitte, die Gespräche einzustellen.

Zur Abgabe einer persönlichen Erklärung hat Herr Kollege Memmel das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eine Erklärung zu meinem Abstimmungsverhalten abgeben; ich darf die Kollegen Uli Pfaffmann und Christoph Rabenstein einbeziehen. Wir haben aus folgenden Gründen gegen den Gesetzentwurf gestimmt:

Erstens verweise ich auf die Aktuelle Stunde vom 23. Oktober. Damals durfte ich für die SPD-Fraktion unsere Konzeption darstellen, insbesondere hinsichtlich Festzelten und des Münchner Oktoberfests. Unsere Argumente wurden leider nicht berücksichtigt.

Zweitens. Mit dem Beschluss, der gefasst worden ist, sehen wir den Volksfestfrieden aufs Äußerste gefährdet. Wer die dortige Praxis kennt, kann das bestätigen.

Drittens. Dieses Gesetz ist nach unserer Meinung nicht praktikabel und nicht durchführbar.

Viertens. In unserem Abstimmungsverhalten sehen wir uns durch die Aussagen der Kreisverwaltungsbehörde der größten Kommune in Deutschland und natürlich auch in Bayern, der Landeshauptstadt München, bestärkt. Wir hoffen, dass die geäußerten Befürchtungen nicht eintreten.

Fünftens. Ich kann vielleicht noch sagen, dass die Staatsregierung und die CSU all die Argumente, die geäußert wurden, durchaus in eine Form hätten gießen können, die das Motto berücksichtigt hätte: Leben und leben lassen in Bayern, auch mit Nichtraucherschutz.

Meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetzes und anderer Rechtsvorschriften (Drs. 15/8844) – Zweite Lesung –

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierzu eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion vereinbart. Erster Redner: Herr Kollege Meißner.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Änderung des Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetzes entbehrt sicherlich der Dramatik der gerade erlebten Abstimmung.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich darf aber daran erinnern, dass wir durch eine ganze Reihe von unerfreulichen Skandalen in unserem Land dazu veranlasst worden sind, über unser Kontrollsystem nachzudenken und die eine oder andere Änderung vorzunehmen.

An den Beginn der Ausführungen muss man vielleicht den Gedanken stellen, dass derjenige, der Lebensmittel in Verkehr bringt, zunächst eine Eigenverantwortung hat. Er bringt Lebensmittel in Verkehr und ist damit in besonderer Weise gefordert, Qualitätsmanagement zu betreiben. Dies ist auch wegen der gigantischen Anzahl an Betrieben notwendig; allein in Bayern haben wir sie im Lebensmittelbereich in sechsstelliger Zahl. Wir haben aber andererseits festgestellt – das ist sicherlich für alle Fraktionen im Haus die Lehre aus den Skandalen der letzten Monate und Jahre –, dass es bei einzelnen Unternehmern ein fast unglaubliches Maß an Skrupellosigkeit und auch krimineller Energie gibt.

Es geht dabei um Straftäter, die in einigen Fällen – wie das bei den Gerichten zu beobachten war – verurteilt worden sind.

Der vorliegende Gesetzentwurf berücksichtigt natürlich erste Überlegungen und Erfahrungen, die wir in unserem „unendlichen“ Wildfleisch-Untersuchungsausschuss gesammelt haben. Wir alle müssen uns aber daran gewöhnen, dass sich das Marktgeschehen in diesem Bereich ständig ändert und damit auch die Ideen der Kriminellen, die es hier offensichtlich gibt. Diese werden sich ständig etwas Neues einfallen lassen. Deswegen muss uns allen bewusst sein, dass der Verbraucherschutz, die Veterinär- und die Lebensmittelüberwachung Daueraufgaben sind, bei denen wir in der Zukunft ständig nachjustieren müssen. Ich stelle nur die rhetorische Frage: Wer hätte gedacht, dass wir uns eines Tages weniger über Lebensmittelkontrolleure als über Warenströme und Logistiker unterhalten müssen, um dem einen oder anderen auf die Schliche zu kommen?

Wir haben konkret eine Spezialeinheit an unserem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit – LGL – eingerichtet. Das war ein Schritt zu risikoorientierten Kontrollen. Diese Spezialeinheit wird zwingend tätig, wenn Anhaltspunkte für ein kriminelles Verhalten vorliegen. Sie kann aber auch von den Behörden angefordert werden. Wir müssen dafür sorgen, dass dies auch passiert, dass von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird. Weitere Schritte sind die Konzentration, die Spezialisierung, die Verstärkung und die bessere Ausrüstung unseres Kontrollpersonals. Neu im Gesetz ist die Regelung, dass kreisfreie Gemeinden ab 100 000 Einwohnern zwingend die Veterinäraufgaben übertragen bekommen.

Die Fachkräfte, die die Kontrollen durchführen, werden regelmäßig ihr Kontrollgebiet wechseln. Das ist die berühmte Rotation. Ich möchte dabei aber deutlich machen, dass wir es hier mit Menschen zu tun haben. Deshalb haben wir auch soziale Aspekte berücksichtigt. Die Rotation ist zwar gewährleistet, aber nicht in einem Ausmaß, das den einzelnen Mitarbeiter in seinem sozialen Umfeld überfordern würde.

Die Regierungen werden insgesamt gestärkt. Bei den Regierungen wird eine Bündelung der Zuständigkeit für lebensmittelrechtliche Zulassungen erfolgen. Somit ist gewährleistet, dass der Überblick über die Gesamtlage in einem Regierungsbezirk bei einer Stelle vorhanden ist. Die Regierungen haben die Aufgabe des Qualitätsmanagements. Außerdem wird ihnen mehr Personal zugewiesen.

Das LGL führt eine Risikoanalyse durch. Dort wird ein Kontrollprogramm erarbeitet. Betriebe mit einem erhöhten Risiko – wo die Gefahr des Missbrauchs besonders groß ist – werden in besonderer Weise, ich sage einmal, betreut. Der Vollzug wird durch Kreisverwaltungsbehörden erfolgen. Diese können – wie gesagt – die Spezialisten von der Regierung oder vom LGL anfordern.

Ich möchte folgendes Fazit ziehen: Wir erhöhen mit dieser Gesetzesnovelle zweifellos die Schlagkraft der Behörden. Jedem muss aber bewusst sein, dass nicht in jedem Kühlraum ein Kontrolleur stehen kann. Das wäre wahrscheinlich auch zu kalt. Die Opposition geht jedoch den bequemen Weg, immer mehr zu fordern. Der bisherige Umweltminister, Dr. Werner Schnappauf, hat schon

festgestellt, dass Sie immer mehr Personal fordern. Diese Forderung ist berechtigt. Es wird auch mehr Personal eingestellt. Wir müssen uns aber überlegen, wo das Ende ist. Sollen wir 10 000 oder 15 000 zusätzliche Kontrolleure einstellen? Sie wissen, was ich damit sagen will.

(Ludwig Wörner (SPD): Wir hätten gern die Zahl der Stellen aus dem Jahr 1998!)

Ich fordere Sie auf, diese Forderungen ein wenig zu mäßigen. Wichtig bleibt die Aufklärungsarbeit. Wer Lebensmittel kauft, muss wissen, dass sie einen Wert haben, weil sie hergestellt werden müssen. Das sollte den Verbrauchern klar sein. Wenn ein Lebensmittel verdächtig billig ist, ist auch der Verdacht da, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Ich bitte um Zustimmung.

(Beifall bei der CSU)

Nächster Redner: Herr Kollege Wörner.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Dieses Gesetz ist ein Placebo, weil es von einem Lobbyisten gemacht wurde, der jetzt dort wirkt, wo er eigentlich immer hätte sein sollen. Der Bevölkerung und den Verbraucherinnen und Verbrauchern nützen Beruhigungspillen überhaupt nichts. Herr Kollege Meißner, wenn man Ihnen zugehört hat, hat man gehört, dass Ihnen selbst nicht ganz wohl ist, weil mit diesem Gesetz bei Weitem nicht das erreicht wird, was damit erreicht werden sollte. Ich habe bereits im Umweltausschuss gesagt, dass es uns lieber gewesen wäre, nach dem Ende des Untersuchungsausschusses gemeinsam eine Regelung zu entwickeln; denn dort sind die Erkenntnisse über das aufgelaufen, was notwendig wäre, um den Verbraucherschutz in Bayern sicherzustellen.

Ich darf Sie daran erinnern, dass die Erkenntnisse, die wir im Untersuchungsausschuss gewonnen haben und aus denen wir noch Schlüsse ziehen müssen, die Grundlage für ein vernünftiges neues Gesetz gewesen wäre. Dann hätten wir nicht noch schnell vor Weihnachten – im wahrsten Sinne des Wortes – irgendetwas beschließen müssen, was letztlich niemandem nützt. Ich erinnere daran, dass Ihre hoch gelobte Sondertruppe aus dem bestehenden Personalbestand „herausgeschnitzt“ wird. Immer dann, wenn diese Spezialeinheit gebraucht wird, werden die Dienststellen vor Ort und im LGL geschwächt. Sie hätten stattdessen das Personal aufstocken sollen.

Herr Kollege Meißner, Sie haben gefragt, wie viele Lebensmittelüberwacher wir haben wollten. Wir wollen so viele, wie wir im Jahre 1998 einmal hatten. Sie haben die Zahlen wegen Ihrer Ideologie des schlanken Staates zurückgefahren. Sie haben die Ausbildung zurückgefahren, sodass nicht einmal diejenigen kreisfreien Städte, die mehr Lebensmittelüberwacher wollen, dieses Personal bekommen. Die Landeshauptstadt München bekommt keine Lebensmittelüberwacher, weil Sie die Ausbildung dezimiert haben. Darüber müssen wir reden, um sicherzustellen, dass tatsächlich eine Kontrolle stattfindet.

(Christian Meißner (CSU): Sie sollten über den aktuellen Stand sprechen!)

Wir wollen nicht in jedem Kühlhaus einen Kontrolleur. Wir wollen aber, dass die Gefahr, erwischt zu werden, steigt. Dazu haben Sie mit diesem Gesetz nicht beigetragen. Im Gegenteil: Sie haben das Thema „Rotation“ weit in die Zukunft geschoben, damit ja nichts passieren kann. Das verbrämen Sie dann mit dem „sozialen Mäntelchen“, weil Sie über Beschäftigte nachdächten. Ausgerechnet Sie denken über Beschäftigte nach.

(Christian Meißner (CSU): Was soll das heißen?)

Was Sie hier machen, ist Unfug. Wir sagen: Rotation ist notwendig, um sicherzustellen, dass niemand in Verdacht gerät, mit solchen Firmen unter einer Decke zu stecken.

Schon im Eigeninteresse der Kontrolleure wäre es notwendig, eine vernünftige Rotation einzuführen.

(Zuruf des Abgeordneten Christian Meißner (CSU) – Dr. Thomas Beyer (SPD): Dabei ist es in Hof so schön!)

Ihr Gesetz ist im Übrigen auch ein Kniefall vor den Verwaltungsbehörden. Sie wissen genau, dass wir die gesamte Kontrolle woanders angesiedelt hätten, damit sie keiner politischen Einflussnahme unterliegt. Wir glauben nach wie vor, dass das der richtige Weg gewesen wäre. In dieser Frage werden wir keine Ruhe geben. Wir glauben nämlich, dass wir das den Verbrauchern, aber auch den Erzeugern schuldig sind. Dieser Zwischenschritt fehlt doch, wie sich herausgestellt hat.

(Christian Meißner (CSU): Bestreiten Sie, dass das Gesetz die Lage verbessert?)

Das bestreiten wir, ja. Das Gesetz verbessert die Lage nicht. Deswegen stimmen wir dem Gesetz auch nicht zu, weil wir der Meinung sind, dass sein Ansatz falsch ist. Wir hätten, um die Verbraucherinnen und Verbraucher besser zu schützen, gesagt: Lasst uns das nach Abschluss des Untersuchungsausschusses regeln, um sicherzustellen, dass all die Erkenntnisse, die wir dort gewinnen – wir haben ja tiefe Einblicke gehabt; Sie waren ja dabei –, in das Gesetz einbezogen werden. Das Resümee dieses Untersuchungsausschusses müsste man in das Gesetz einbeziehen, anstatt jetzt einen Schnellschuss abzugeben, mit dem man nichts anderes tut, als letztlich der Öffentlichkeit Sand in die Augen zu streuen. Sie haben keinen einzigen Kontrolleur mehr, Sie haben ein bisserl rumorganisiert, aber nicht das erreicht, was Sie wollten.

Noch einmal: Wenn ich eine Sondertruppe will, muss die unabhängig sein von allem und jedem. Sie gehört personell draufgesetzt, nicht irgendwo herausgeholt. Sie muss aus dem täglichen Geschäft herausgehalten werden und ihren eigenen Weg gehen dürfen, um sicherzustellen, dass das erreicht wird, was notwendig ist, nämlich die Menschen vor Kriminellen und die Verbraucher vor Betrügern zu schützen. Ich sage Ihnen noch ein Beispiel: