Protokoll der Sitzung vom 20.07.2004

Drittens. Zur Anpassung an neuere technische Entwicklungen wollen wir das vereinfachte wasserrechtliche Erlaubnisverfahren auch auf neuartige Wärmepumpen erweitern, die im Winter zur Raumheizung und im Sommer zur Raumkühlung eingesetzt werden können. Dann kann im vereinfachten Verfahren auch über die Einleitung von erwärmtem Wasser in das Grundwasser entschieden werden.

Viertens. Für Kleinkläranlagen sollen übergangsweise geringere Reinigungsanforderungen zugelassen werden, wenn innerhalb von sieben Jahren mit einem Anschluss an die kommunale Kanalisation zu rechnen ist. Dies kommt in der Praxis sehr häufig vor und ist wichtig.

Fünftens. Ein weiterer Deregulierungspunkt ist die Zulassung einer öffentlichen Bekanntgabe von Entscheidungen in nicht förmlichen Verfahren bereits ab 50 Benachrichtigungen bzw. Zustellungen. Bisher war, wie Sie wissen, dies erst ab 300 Benachrichtigungen bzw. Zustellungen zulässig.

Sechstens. Der Gesetzentwurf sieht ferner die Aufhebung obsoleter Vorschriften vor.

Siebtens. Schwellenwerte für die Umweltverträglichkeitsprüfung bei Grundwasserentnahmen, Tiefbohrungen und bei der Zurückhaltung oder Speicherung von Wasser sollen angehoben werden. Für kleinere Vorhaben wird dann keine Umweltverträglichkeitsprüfung mehr erforderlich sein.

Die Denkmalschutzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 1999 zur entschädigungspflichtigen Enteignung macht eine Anpassung des bayerischen Rechts, und zwar des Artikels 87 des Bayerischen Wassergesetzes und der Vorschriften des bayerischen Rechts über die entschädigungspflichtige Enteignung notwendig. Mit diesem Gesetzentwurf werden die Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber auferlegt hat, umgesetzt. Die Regelungen betreffen das Schutzgebietsverfahren und den Rechtsweg.

Ich weiß – ich knüpfe damit an Diskussionen in der vergangenen Legislaturperiode an –, dass es weitergehende Wünsche der Schutzgebietsbetroffenen gibt. Selbstverständlich sollen und werden alle Eigentumsbelastungen im Zusammenhang mit Schutzgebietsausweisungen in der Höhe entschädigt und ausgeglichen, auf die nach unserer Verfassung und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch Anspruch besteht. Darüber hinausgehende Leistungen können wir aber aufgrund der gegenwärtig schwierigen Haushaltslage nicht vertreten.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, so weit zu den wesentlichen Inhalten des Ihnen zugeleiteten Entwurfs. Ich bitte um wohlwollende Beratung, damit die hier vorgestellten Deregulierungen und Vereinfachungen auch schnellstmöglich den Bürgern und der Wirtschaft zugute kommen können.

(Beifall bei der CSU)

Ich eröffne die Aussprache. Als Erster hat das Wort Herr Kollege Wörner. Bitte sehr, Herr Kollege!

(Walter Nadler (CSU): Der ist ein Universalgenie!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vom Herrn Minister vorgestellte Gesetzentwurf beweist wieder einmal, dass Deregulierung Mehrkosten für Bürgerinnen und Bürger bedeutet. Sie haben nämlich bei Ihrer Vorstellung des Gesetzes tunlichst nicht dazu gesagt, Herr Minister, dass allein im Artikel 41 c Nummer 7 beinhaltet ist, dass die Gemeinden in Zukunft die Aufgabe selbst machen sollen. Die daraus entstehenden Kosten werden natürlich auf die Abwassergebühren umgelegt, das heißt: Die breite Mehrheit der Bevölkerung, die die Abwassergebühren zahlen muss, wird mit den Kosten belastet, von denen Sie die Industrie entlasten wollen. Wir halten das für den falschen Weg. Wir sind für eine gerechte Zuordnung der Kosten.

Im Übrigen glauben wir, dass Sie damit ein Stück näher an die Privatisierung heranrücken; denn viele kleine Gemeinden werden sich dieses Prüfungsverfahren nicht mehr selbst leisten können. So, nämlich auf dem Weg über die Kosten, kann man die Kommunen natürlich auch in die Privatisierung von Wasser und Abwasser treiben. Irgendwann können sie es nicht mehr zahlen, und dann sind sie gezwungen, ihre Einrichtungen wegzugeben. Dann, wenn wieder ein Stück Staat, das dem Bürger dient und das der Bürger im Übrigen auch bezahlt hat, weggegeben wird, kann die Staatsregierung ihre Hände in Unschuld wa

schen. Deswegen werden wir dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form nicht zustimmen.

Zur beabsichtigten Änderung des Gesetzes über die Wasserschutzgebietverfahren darf ich auf Folgendes hinweisen: Jetzt sind allein schon 500 Wasserschutzgebietverfahren anhängig. Nach der Änderung des Gesetzes soll diejenige Kreisverwaltungsbehörde das Wasserschutzverfahren organisieren, die den größten Anteil an der Fläche hat. Wer glaubt, dass er damit dem Schutz des Wassers dient, der irrt. Eine einzige Kommune wird ein solches Verfahren nicht stemmen können, und sie soll es auch gar nicht allein stemmen; denn da gibt es Interessen und Interessenskollisionen. Die kann man aber nicht brauchen, wenn es um den Schutz von Wasser geht. Wir brauchen dazu vielmehr eine übergeordnete Behörde, die das Verfahren organisiert und versucht, die längst fälligen Wasserschutzgebiete so schnell wie möglich auszuweisen. Wir sind hier in einem erheblichen Rückstand. Selbst der Herr Ministerpräsident hat einmal die Ausweisung von 5 % der Fläche als Wasserschutzgebiete angemahnt; bei 3,2 % stehen wir. Wir sind damit auf dem allerletzten Rang in der Bundesrepublik Deutschland, was die Bemühungen betrifft, die wir zum Schutz des Trinkwassers aufbieten.

Zu der Frage, ob man den Schwellenwert für die Umweltverträglichkeitsprüfung beim Bau von Wasserleitungen tatsächlich absenken soll, bedarf es, denke ich, noch der Diskussion, weil beim Bau von Wasserleitungen jedes Mal in die Landschaft eingegriffen wird. Wenn eine Wasserleitung über größere Strecken geht, muss man schon überlegen, inwieweit es notwendig ist zu überprüfen, ob die Trassen richtig gelegt sind oder nicht.

Auch darüber ist zu diskutieren, ob der vorgeschlagene Rechtsweg richtig ist, wenn es um die Höhe der Entschädigungen bei Wassergebietsausweisungen geht und darum, wie viel dem Einzelnen zusteht. Wir werden das im Umweltausschuss hinreichend diskutieren. Wir glauben, dass es auch hier noch Handlungsbedarf gibt.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat sich Herr Kollege Babel zu Wort gemeldet, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf für die CSU-Fraktion auf die Vorlage des Gesetzestextes und auch auf Ihre Ausführungen, Herr Kollege Wörner, antworten. Unsere Fraktion unterstützt das Ziel des Gesetzentwurfs, die Deregulierung und die Vereinfachung von Doppelverfahren und Vorschriften, ganz klar und deutlich. Wie unser Staatsminister gesagt hat, sollen etwa 60 Verordnungen aufgehoben werden. Wir finden diesen Weg sehr gut.

(Zuruf der Abgeordneten Heidi Lück (SPD))

Ich komme schon noch darauf zu sprechen, liebe Kollegin! Können Sie es gar nicht erwarten?

Zur Vermeidung von Doppelverfahren hat Herr Kollege Wörner gesagt, dadurch würden die Betriebe entlastet

und die Kommunen belastet. Die Gemeinden vor Ort haben auch bei der Überwachung den Vorteil der Ortsnähe. In der Organisation kann es dazu eine kommunale Allianz geben, wenn es sich nicht ohnehin um eine größere Gemeinde handelt.

In Artikel 17 a geht es um die Erleichterung der Genehmigungen von Wärmepumpen. Im Umweltausschuss fordern wir ständig und in allen Bereichen Energieeinsparmaßnahmen. Hier haben wir einmal die Möglichkeit, moderne Technologien einzusetzen.

Ich darf aber noch deutlich machen, dass die Arbeitsgruppe „Wasser und Abwasser im ländlichen Raum“ der CSUFraktion fordert, dass die Standards und Fristen überprüft werden. Deshalb ist es richtig, dass die Übergangsfristen für Kleinkläranlagen sieben Jahre dauern werden. In Bezug auf die Wasserschutzgebiete bin ich der Überzeugung, dass wir zwar über die Ausweisungsmodalitäten reden müssen, es aber nicht sein darf, dass die Sozialpflichtigkeit des Eigentums vernachlässigt wird. Die Grundbesitzer müssen entschädigt werden.

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass der Gesetzentwurf zur Diskussion steht, und ich freue mich auch darauf, dass wir uns in den Ausschüssen damit beschäftigen werden, die Deregulierung voranzutreiben.

(Beifall bei der CSU)

Als nächste Rednerin hat sich Frau Kollegin Paulig zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! In der Tat, die Novelle des Bayerischen Wassergesetzes und anderer Vorschriften ist ein gutes Beispiel, wie sich unter dem Deckmantel von Deregulierung und Vorschriftenvereinfachung erhebliche Belastungen für die Umwelt und für die kommunalen Haushalte einschleichen. Auf samtenen Pfoten kommen nicht nur die zusätzliche Kostenbelastung für die Gemeinden auf die Tagesordnung, sondern auch bedenkenswerte Umweltbelastungen. Zu bedenken ist erstens, dass die Regelung und Genehmigung der Indirekteinleiter in den Händen der Gemeinden liegt. Zu befürchteten ist, dass auf die Gemeinden großer Druck ausgeübt wird. Am Ende der Kette steht die Klärschlammverbrennung. Hier wird niemand mehr prüfen, welche Schadstoffe eingeleitet wurden. Das muss am Anfang geprüft werden. Die Stoffausträge der Produktionsverfahren müssen kritisch überprüft werden. Die Fachleute müssen sagen, ob eine Genehmigung erteilt werden kann für die Einleitung der Stoffe oder ob andere Stoffkreisläufe besser wären. Künftig wird erheblicher politischer Druck auf die Kommunen ausgeübt werden. Wir kennen den Druck bei den Ausweisungen von Trinkwasserschutzgebieten. Wir können davon ausgehen, dass dies auch hier zulasten der Umwelt geht.

Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen, auf den die Vorredner nicht eingegangen sind. Es handelt sich um die Anhebung der Schwellenwerte für die Umweltverträglichkeitsprüfung, UVP. Dazu muss man sich die Geschichte der Novellierung des bayerischen Wassergesetzes an

schauen. In einem Jahr wurde im Abstand von zwei Monaten das Bayerische Wassergesetz umfassend novelliert – einmal, um die UVP-Änderungsrichtlinie einzuarbeiten, und zwei Monate später, um die Wasserrahmenrichtlinie umzusetzen. Schon damals forderten die GRÜNEN, dies in einem vernünftigen Paket zu tun. Aber nein, im Zweimonatsabstand wurde das bayerische Wassergesetz zweimal umfassend novelliert.

Auf die damals erfolgte Änderung der UVP-Richtlinie möchte ich eingehen: Am 25.05.2003 trat die Novelle in Kraft, die die Durchführung der Umweltvertäglichkeitsprüfung regelt. Es gibt eine Dreistufung: Vorhaben, die unbedingt UVP-pflichtig sind; Vorhaben, die einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls zu unterziehen sind, und Vorhaben, für die eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls notwendig ist. Heute werden unter dem Deckmantel „Verwaltungsvereinfachung“ – damit hat das nichts zu tun – bei zwei großen Bereichen der standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls die Schwellenwerte angehoben. Zum Beispiel war für das Entnehmen von Grundwasser oder das Einleiten von Oberflächenwasser die standortbezogene Einzelfallprüfung vorgeschrieben bei 2000 m³ bis 100 000 m³ Wasser pro Jahr. Dieser untere Wert, ab dem zu überprüfen ist, wird um den Faktor 10 auf 20 000 m³ pro Jahr erhöht. Das gilt auch für die Entnahme oder Einleitung für wasserwirtschaftliche Projekte der Landwirtschaft, zum Beispiel Bewässerung. Auch hier soll der Schwellenwert zur standortbezogenen Einzelfallprüfung angehoben werden um den Faktor 10 auf 20 000 m³.

Der damalige Gesetzentwurf – Drucksache 14/10997 – führte aus, dass es keine Alternativen gäbe bei den genannten Schwellenwerten zur UVP-Prüfung, und heute bereits werden diese Bestimmungen wesentlich geändert.

Die Vorprüfung des Einzelfalls wurde damals gefordert, weil die ökologische Empfindlichkeit mancher Gebiete, die durch Vorhaben beeinträchtigt werden, sehr hoch sein kann. Besonders zu berücksichtigen sind gemäß dem Bayerischen Wassergesetz zum Beispiel die europäischen Vogelschutzgebiete, die Naturschutzgebiete gemäß Artikel 7 des bayerischen Naturschutzgesetzes, die geschützten Landschaftsbestandteile gemäß Artikel 12 des Bayerischen Naturschutzgesetzes, gesetzlich geschützte Biotope gemäß Artikel 13 des Bayerischen Naturschutzgesetzes. In all diesen Fällen und weiteren, für die eine standortbezogene Überprüfung vorgesehen ist, war die Überprüfung ab jährlich 2 000 m³ vorgesehen. Das soll nun nicht mehr gelten. Jetzt soll erst ab 20 000 m³ pro Jahr überprüft werden. Hier schleicht sich auf leisen Sohlen ein Umweltfrevel ein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Vergleich mit den anderen Bundesländern zeigt, dass zum Beispiel sowohl in Niedersachsen als auch in Nordrhein-Westfalen oder Brandenburg die niedrigen Werte gelten. Bayern geht um den Faktor 10 hoch, was die Gefahr birgt, dass wertvolle Naturgüter unter dem Siegel der Verwaltungsvereinfachung künftig ohne UVP-Überprüfung geschädigt werden. Das ist ein schlechtes Beispiel

für die Verwaltungsvereinfachung und die Deregulierung, die Sie auf den Weg bringen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.

Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz als dem federführenden Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Ich weise auf eine Veränderung der Tagesordnung hin. Wir werden sofort die Anträge ab Tagesordnungspunkt 11 beraten.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 6

Abstimmung über Anträge etc., die gemäß Paragraph 59 Absatz 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden

Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste

(siehe Anlage)

Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. dem jeweiligen Abstimmungsverhalten seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Einstimmig so beschlossen. Der Landtag übernimmt diese Voten.

Der Tagesordnungspunkt 9 „Eingabe betreffend Aufenthaltsgenehmigung“ wird im Einvernehmen mit allen Fraktionen von der Tagesordnung abgesetzt, da die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ihren Antrag auf Behandlung im Plenum zurückgezogen hat.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 11