Die Schutzbereiche werden immer weniger, obwohl es am Anfang geheißen hat, der dreistufige Aufbau sei nicht „handlebar“, wenn das Gebiet und die Personalstärke genauso groß sind wie in den jetzigen Präsidien. Hinzu kommen die Kosten: Die Umsetzung soll circa 30 Millionen Euro kosten. Ich möchte hinzufügen: Auch die Straffung des vierstufigen Aufbaus hätte Kosten verursacht.
Die Kosten sind verständlich, wenn jeder Schutzbereich eine Einsatzzentrale bekommen soll. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass eine Einsatzzentrale eines zukünftigen Schutzbereiches größere Bereiche abdecken können muss als die größte der geplanten integrierten Leitstellen. Das entsprechende Gesetz haben wir vor der Sommerpause 2002 verabschiedet. Bis heute wurde aber noch keine einzige integrierte Leitstelle realisiert. Allerdings würde das bei der Polizei schneller gehen, weil es hier nur einen einzigen Betreiber gibt. Aber ob sich eine so große Leitstelle handlen lässt, ist fraglich.
Lassen Sie mich noch kurz die Führungsproblematik bei Einsätzen ansprechen. Das war ja gestern auch im Ausschuss ein Thema. Herr Minister, Sie haben das am Beispiel der Polizeiinspektion Nürnberg dargestellt. Ich frage mich nur, was da problematisch ist: Der Inspektionsleiter leitet die Einsätze im Bereich seiner Inspektion. Sie haben gestern die Bundesligaspiele im Stadion angesprochen. Das Stadion liegt im Inspektionsbereich, und damit leitet der Inspektionsleiter diese Einsätze, obwohl es sich um Großeinsätze handelt. Der Direktionsleiter hat bisher Großdemonstrationen geleitet, zum Beispiel die NPD-Demonstration in Nürnberg, der Polizeipräsident und der Vizepräsident haben in München die Einsatzleitung der Sicherheitskonferenz übernommen. Die Direktionsleiter haben Abschnitte geleitet. Ich weiß nicht, wo es Kompetenzgerangel gegeben hat. Ich habe davon nichts mitbekommen, als ich in München vor Ort war. Wenn ich an die Berichte im Innenausschuss über die Sicherheitskonferenzen der letzten beiden Jahre zurückdenke, muss ich sagen: Ich habe nie auch nur ein einziges Mal gehört, dass es Kritik an der polizeilichen Führungsstruktur und an der Einsatzleitung gegeben hätte.
Herr Minister, Sie sagen, es habe Probleme gegeben, weil mehr Führungsebenen vor Ort gewesen seien. Bei der letzten Sitzung des Innenausschusses haben Sie als Beispiel dafür den Brand im Kaufhaus Wöhrl in Nürnberg genannt. Dazu muss ich sagen: Sie als langjähriger Innenminister wissen genauso wie ich als langjähriger Feuerwehrmann. Wenn ein Polizeidirektor einen Einsatz leitet und der Polizeipräsident dazu kommt, hat der Polizeipräsident nicht automatisch die Einsatzleitung, sondern er muss von sich aus sagen, dass er die Einsatzleitung übernimmt. Die Führungsstruktur ist also geregelt; Schwierigkeiten hat es aus unserer Sicht bisher nicht gegeben.
Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns darüber einig, dass es mehr Polizisten vor Ort geben muss und dass die Inspektionen gestärkt werden müssen. Auch Sie werden nicht müde, das immer wieder zu sagen. Ich habe bisher allerdings noch nicht gehört, dass Sie für die Inspektionen eine Bestandsgarantie geben. Direktionen und Präsidien werden abgeschafft oder besser gesagt „verschmolzen“. Ist es sicher, dass im Zuge der Umsetzung des dreistufigen Polizeiaufbaus nicht auch die eine oder andere Polizeiinspektion oder -station auf der Kippe steht? Man hat ja auch gesehen, dass der Justizminister vor der Wahl gesagt hat: Die Außenstellen der Gerichte bleiben erhalten; jetzt, nach der Wahl werden sie aber abgeschafft. So etwas wie eine Bestandsgarantie für die Polizeiinspektionen würde die Beamtinnen und Beamten vor Ort etwas
beruhigen. Vielleicht können Sie dazu etwas sagen, Herr Minister, wenn Sie auf meinen Redebeitrag erwidern.
Schließlich möchte ich nicht versäumen, den Herrn Innenminister für seine Informationspolitik im Innenausschuss, was die Polizeireform betrifft, zu loben. Er hebt sich hier in ausgesprochen angenehmer Art und Weise vom Ministerpräsidenten ab, der in seiner Regierungserklärung etwas vorgibt, ohne es vorher mit seinen engsten Mitstreitern abgesprochen zu haben, wie zum Beispiel den dreistufigen Aufbau der Polizei. Dies lässt mich, dies lässt uns zu der Erkenntnis gelangen, dass die Polizeireform nicht aus fachlichen Gründen durchgeführt wird – sonst hätten Sie sie ja schließlich auch schon längst machen können, Herr Innenminister, Sie sind ja nicht erst seit dieser Legislaturperiode im Amt, sondern schon einige Jahre.
Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion, gehen Sie einmal in sich und überlegen Sie, wie die Reaktionen ausgefallen wären, wenn die SPD-Fraktion gefordert hätte, die Polizei dreistufig aufzubauen.
Wir wären von Ihnen als Vernichter der inneren Sicherheit gegeißelt worden, wir wären als Gefahr für die innere Sicherheit dargestellt worden, ja: als die Totengräber der inneren Sicherheit. Kolleginnen und Kollegen, die SPDFraktion ist gegen die Richtung, in die diese Polizeireform läuft, weil sie keine Verbesserung der inneren Sicherheit in Bayern bringt, sondern einzig und allein dazu dient, Einsparungen zu erzielen, damit, wie der Ministerpräsident vorgegeben hat, 2006 ein ausgeglichener Haushalt vorgelegt werden kann. Was den Bereich der inneren Sicherheit anbelangt, ist dies ein schwerer Fehler.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Kollege Schuster, ich stimme Ihnen in einem zu, nämlich in der Aussage: Die bayerische Polizei leistet hervorragende Arbeit. Wir können mit dieser Arbeit zufrieden sein. Wir sind Spitze im Bereich der inneren Sicherheit. Wir haben die niedrigste Kriminalitätsrate und die höchste Aufklärungsquote.
(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Warum muss sich dann was ändern? – Dr. Heinz Kaiser (SPD): Was gut ist, muss geändert werden, oder?)
Dies ist, meine Damen und Herren, ein Erfolg, der den Bürgerinnen und Bürgern Bayerns zugute kommt. Es liegt an der Motivation, am Einsatz der Polizeibeamten, aber auch an den politischen Rahmenbedingungen. Genügend Personal, genügend Sachausstattung, aber auch die richtigen rechtlichen Vorgaben und politische Rückendeckung sind erforderlich. Meine Damen und Herren von der Opposition, auf eines kann sich die bayerische Polizei bei
Ihnen nicht verlassen, dass sie von Ihnen dann, wenn es ernst wird, politische Rückendeckung bekommt.
Dies erleben wir in jeder zweiten Diskussion. Wir werden es das nächste Mal bei der Novellierung des Polizeiaufgabengesetzes wieder erleben, dass Sie der Polizei und den Sicherheitsbehörden niemals das rechtliche Instrumentarium geben, das diese Behörden brauchen. Polizistinnen und Polizisten in unserem Land können sich darauf verlassen, dass auf Sie in dieser Beziehung kein Verlass ist.
Deswegen sollten Sie nicht davon sprechen, dass wir die Sicherheitslage gefährden. Überlegen Sie lieber, was Sie dazu tun können, um die Sicherheitslage in Bayern mit zu verbessern.
Wir müssen uns fragen: Warum sind diese Erfolge möglich? Eine Ursache ist mit Sicherheit eine durchgreifende Polizeireform vor über 30 Jahren, nämlich die Einführung der jetzigen Schutzbereiche, weg von der Stadtpolizei hin zu einem modernen Polizeisystem. Das war, wie man rückblickend betrachtet feststellen kann, eine große Umwälzung, eine viel größere Reform als das, was wir heute machen. Das war die Voraussetzung für eine moderne Polizeiorganisation und somit auch für eine moderne Einsatzführung, die diese Arbeit und diese Erfolge erst möglich gemacht hat.
Wir müssen erkennen, dass die Zeit 30 Jahre weitergegangen ist und wir heute bei der Polizei einen ganz klaren vierstufigen Verwaltungsaufbau haben: Inspektion, Direktion, Präsidium, Innenministerium.
Das war von Anfang an nicht so gedacht, sondern es war eher daran gedacht, Polizeiführung in den Direktionen und Verwaltung in den Präsidien zu haben. Heute wird vierstufig verwaltet. Jeder vor Ort wird Ihnen sagen, dass das eine Stufe zu viel ist und zu viel Energie durch Verwaltungstätigkeiten aufgebraucht wird.
Zwar sind die Erfolge gut, aber das Bessere ist der Feind des Guten. Wir müssen uns heute darüber Gedanken machen, wie unsere Polizei auch noch in 20 Jahren Spitze sein und ihren Aufgaben gerecht werden kann. Diese Aufgabe werden wir nicht so lösen können, dass wir Jahr für Jahr immer mehr Personal geben. Wir alle wissen doch, dass das nur in begrenztem Umfang möglich ist; etwas anderes wäre haushaltspolitisch nicht verantwortbar.
Ich stelle fest: Sie haben kein Konzept. Sie lehnen unser Konzept ab, und das einzige, was Sie fordern, sind mehr Planstellen. Sie wissen doch ganz genau, dass das aus
haushaltspolitischen Überlegungen auf Dauer nicht möglich sein wird. Deshalb brauchen wir unter allen Umständen ein modernes Konzept. Wir müssen alle Energie, die wir heute haben, dazu nutzen, um die Polizei so aufzustellen, dass sie auch in Zukunft mit den vorhandenen technischen Möglichkeiten ihre Aufgaben erfüllen kann. Das Ziel ist weniger Personal in der Verwaltung und mehr Personal vor Ort, auch Führungspersonal vor Ort, also eine Stärkung der Polizei auf der Straße und insgesamt ein effizienterer Polizeieinsatz. Mit diesem Modell werden wir diesen Anforderungen gerecht werden. Wir werden es schaffen, die Inspektionen, welche die Arbeit machen, zu stärken. Wir werden eine Verwaltungsebene herausnehmen und damit mehr Polizeieinsatzstunden vor Ort bekommen.
Herr Kollege Schuster, was Sie zur Arbeitszeitverlängerung sagen, ist schlichtweg falsch. Sie lassen sich hier nicht belehren. Es kommt nicht auf die bloße Zahl der Planstellen an, sondern entscheidend ist, wie viele Polizeidienststunden in diesem Land geleistet werden. Das Äquivalent der Arbeitszeitverlängerung sind über 1000 Planstellen. Eingezogen werden 758 Stellen. Das bedeutet 400 Mann-Stunden mehr auf der Straße. Das ist ein Zugewinn an innerer Sicherheit und an Effektivität. Sie aber lügen die Leute bei diesem Thema bewusst an. Wenn wir die Arbeitszeitverlängerung nicht beschlossen hätten, hätten wir in Zeiten knapper Kassen diesen Zugewinn nie erzielen können. Es wäre uns nicht möglich gewesen, in dieser Größenordnung Planstellen aufzustocken und somit insgesamt mehr Einsatzstunden vor Ort zu erreichen. Das ist die Wahrheit. Wer gegen die Arbeitszeiterhöhung ist, muss sagen, dass wir weniger Stunden in der Größenordnung von 400 Polizisten in diesem Staat hätten. Das ist das Ergebnis, das Sie insgesamt erzielt hätten.
Die CSU-Fraktion hat einen ganz offenen und transparenten Diskussionsprozess geführt. Wir haben mit den verschiedenen Ebenen der Polizei gesprochen. Im Arbeitskreis und auch im Ausschuss wurde ganz frühzeitig berichtet. Es hat sich herauskristallisiert, dass ein dreistufiger Aufbau das Beste ist, was wir tun können, um die Polizei für die Zukunft zu rüsten. Auch Polizeiführungskräfte sind der Auffassung, dass die Dinge bei einem dreistufigen Aufbau klappen. Hut ab vor diesen Verantwortlichen der Polizei.
Wir haben heute über 50 Führungsdienststellen, über 50 Behördenleiter, über 50 Stäbe. Davon bleiben 13 übrig. Das ist für die Betroffenen ein schwieriger Vorgang, wie er sonst bei der Verwaltungsreform nirgends vorkommt. Trotzdem führen wir eine sachliche Diskussion, haben Menschen, mit denen man über die Sache reden kann, die in die Zukunft denken und am Ende sagen: Das ist fachlich in Ordnung, egal, was jetzt mit mir geschieht. Hierfür möchte ich gerade den Führungskräften, die wir auch in Zukunft ganz dringend für die Sicherheit in unserem Land brauchen, ganz herzlich danken. Das ist nicht überall so, wenn man über Verwaltungsreform spricht.
Ich bitte Sie von der Opposition, es sich nicht so einfach zu machen. Wenn man alle Änderungen immer nur ablehnt, erweckt man den Eindruck, als seien Änderungen überhaupt nicht notwendig. Das ist nicht so. Wer mit Polizisten, egal welcher Dienstgrade, vor Ort spricht, wird immer wieder erfahren, dass gerade in der Verwaltung und der Bürokratie ein erheblicher Änderungsbedarf besteht. Sie hatten monatelang Zeit, über dieses Thema nachzudenken. Was legen Sie vor? – Einen Ablehnungsantrag. Sie haben kein Konzept.
Sie wollen kein Konzept, und zwar deswegen nicht, weil die Diskussion über jedes Konzept unangenehm ist. Wenn Sie ein Konzept hätten, hätten Sie es in Antragsform vorlegen können statt eines bloßen Ablehnungsantrags. Das ist ungenügend. So werden wir die Herausforderungen für die Polizei in Zukunft nicht meistern können. Sie fürchten sich davor, etwas vorzulegen, weil es wahrscheinlich wieder unausgegoren sein wird und einer Fachdiskussion nicht standhält.
Ich bitte Sie daher wirklich, sich zu überlegen, ob man mit den Problemen so umgehen kann. Ich weiß nur eines: Wenn es nach der bayerischen SPD gegangen wäre, hätten wir heute noch keine Gebietsreform und hätten immer noch eigenständige Gemeinden mit 1000 Einwohnern.
(Widerspruch bei der SPD – Johanna Werner- Muggendorfer (SPD): Vielleicht ist Ihnen der Rothemundplan ein Begriff!)
So können wir nicht in die Zukunft gehen. Wir müssen unseren Staat so reformieren, dass wir auch den Aufgaben in der Zukunft gerecht werden.
Die nächste Wortmeldung stammt von Frau Kollegin Kamm. Ich weise nur vorsorglich darauf hin, dass die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN noch fünf Minuten Redezeit hat.
Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Es ist noch nicht lange her, da versuchte Minister Beckstein, die Einführung der 42-Stunden-Woche mit einem fünfprozentigen Sicherheitsgewinn für Bayern zu verkaufen. Jetzt sollen 758 Stellen aufgrund der Verlängerung der Wochenarbeitszeit abgebaut werden. Erst hieß es, Bayerns Polizei sei Spitze, jetzt heißt es, Bayerns Polizei müsse besser und billiger werden.
Dann sollten durch die Reform die Effizienz der Verwaltung und die Polizeieinsatzstunden auf der Straße erhöht werden. Noch bevor feststeht, ob durch diese Umstrukturierung die anvisierten Ziele wirklich erreicht werden können, wird schon jetzt als Erfolg gefeiert, dass 2008 über 80 und 2009 weitere 100 Stellen aufgrund dieser Reform ein
gespart werden können, zusätzlich, versteht sich, zu den bereits eingesparten 758 Stellen. Noch vor der Sommerpause hieß es: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Dann hieß es, das neue dreistufige Konzept soll erst in einem Modell erprobt werden, bevor es flächenhaft eingeführt wird. Jetzt, bereits im September, beschließen Kabinett und CSU-Fraktion den bayernweiten Abbau des vierstufigen Systems und die Einführung des dreistufigen Systems. Meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, eine Reform, deren Zielsetzungen sich alle ein bis zwei Monate ändern, ist keine Reform, sondern ein Reformchaos.
Eine bloße Stellenkürzung, getarnt als Polizeireform, lehnen wir ab. Herr Kreuzer, Sie machen es sich zu leicht. Sie versprechen das Blaue vom Himmel: mehr Sicherheit, mehr Effizienz, mehr Einsparung, weniger Stellen.
So wird es nicht funktionieren. Die letzte Polizeiorganisationsreform liegt mehrere Jahrzehnte zurück. Seither hat sich sehr viel verändert. Die Polizei muss sich sicherlich mehr spezialisieren, muss die heutigen Mittel besser nutzen, muss großräumiger arbeitsfähig sein und muss sich besser vernetzen. Reformüberlegungen sind sinnvoll. Das erkennen wir ausdrücklich an und wollen uns daher zu diesem Antrag der Stimme enthalten.
Aber zu vernünftigen Reformüberlegungen gehört als Erstes, dass man die Ziele, die man mit der Reform erreichen will, festlegt und abstimmt und dass man nicht jeden Monat etwas Neues verkündet. Zu einer vernünftigen Reform gehört auch, dass man die Betroffenen nicht nur gelegentlich und einzeln anhört, sondern systematisch in den Reformprozess einbezieht. Ich weiß von Organisationsänderungen und habe solche Organisationsänderungen mit begleitet, in denen man mit einer Lenkungsgruppe sehr positive Erfahrungen sammeln konnte. Ich denke, es ist wesentlich besser, so zu arbeiten, als nur gelegentlich den einen oder anderen zu informieren. Ich habe auch gelegentlich Personalräte angerufen und gefragt, was sie wissen, was passiert und was sich für sie ändert. Ich muss sagen, es herrscht allenthalben große Verwirrung.