Warum wohl? – Ein Grund dafür ist sicher, dass wir die materiellen Anreize dafür falsch gestaltet haben. Ein wichtiger Grund ist aber auch, dass wir insgesamt keine familienfreundliche Umwelt zu bieten haben. Herr Kollege Unterländer, es ist zwar schön, dass wir jetzt das Bundesgesetz haben, aber es fehlen die komplementären Einrichtungen in Bayern. Wir vermissen Signale, die von der
Bayerischen Staatsregierung kommen müssten in der Richtung, wir werden mehr tun für Kinder, wir werden mehr tun für Kinderbetreuungseinrichtungen, und nicht, wir werden das verwalten, was wir noch haben, und damit müsst ihr zurechtkommen. Das kann es nicht sein. Wir brauchen für die Zukunft Perspektiven und Signale für die Familien.
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wer das gestern gelesen hat, was man wirklich eingehend studieren sollte: Es gibt eine neue, von der Arbeiterwohlfahrt in Auftrag gegebene Studie, die belegt, dass Bildungsarmut und materielle Armut auf der einen Seite und schlechte Bildungsaussichten auf der anderen Seite stark voneinander abhängen. In der Studie heißt es: Von hundert Kindern, die bereits beim Besuch des Kindergartens arm waren, erreichen nur vier das Abitur – vier von hundert. Das zeigt die starke Abhängigkeit. Deswegen ist das Bundesgesetz ein Schritt in die richtige Richtung, aber es fehlt das komplementäre Element auf Landesebene, das die Intention des Bundesgesetzes verstärkt.
Meine Damen und Herren, was ist denn nun das Ziel des Gesetzentwurfs, der von der Bundesregierung eingebracht worden und im Koalitionsausschuss korrigiert worden ist? – In Zukunft werden zwei Drittel aller Kosten vom ersten Euro an – das war ein Geburtsfehler dieses Gesetzes – bis zu einer Obergrenze von 4000 Euro angerechnet werden. Das ist eine Art Steuersubvention, wobei man sich vorstellen muss, das Ganze ist als Teil eines Beschäftigungsprogramms gedacht. Von 25 Milliarden Euro sind lächerliche 460 Millionen Euro für die Kinderbetreuung vorgesehen, wobei das Geld nicht direkt für die Kinderbetreuung zur Verfügung steht, sondern für haushaltsnahe Tätigkeiten.
Es ist schön und begrüßenswert, wenn die Bundesfamilienministerin sagt: Wir werden damit vielleicht – das füge ich hinzu – erreichen, dass die eine oder andere Tagesmutter aus der Schwarzarbeit herausgeholt wird und dass mehr sozialversicherungspfl ichtige Beschäftigungsverhältnisse auf diesem Sektor entstehen. Das erscheint auch dringend notwendig, wenn man sich vor Augen hält, dass jährlich mehr als 350 Milliarden Euro mit Schwarzarbeit verdient werden, was sozialschädlich ist, weil weder Steuern noch Sozialabgaben bezahlt werden.
Wie das so ist in einer großen Koalition, wir haben uns mit unseren Vorstellungen nicht ganz durchsetzen können, ebenso wenig die Union. Herausgekommen ist ein Kompromiss, der der Zielsetzung des Gesetzes durchaus entspricht, aber nur ein erster Schritt ist. Diesem müssen weitere folgen. Ich erinnere daran, dass in der Koalitionsvereinbarung steht, dass der Ausbau von Kindertagesstätten in der Bundesrepublik Deutschland – und namentlich in Bayern – fortgeführt werden muss. Die Mittel, die durch die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe frei geworden sind – das sind die virtuellen 1,5 Milliarden Euro –, müssen in den Ausbau der Kindertagesstätten fl ießen. Das heißt, sie müssen bei den Kommunen ankommen.
Wir brauchen auch eine Initiative auf Landesebene, die das ergänzt, was der Bund angestoßen hat. Dazu sehen wir im Augenblick keinen Ansatz.
Wir hoffen, dass die Staatsregierung nicht nur in Berlin reklamiert, sondern dass sie in München eigene Taten folgen lässt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist zu begrüßen, dass sich die Große Koalition die Förderung der Familien als Priorität auf die Fahnen schreiben will. Die Steuererleichterungen sind allerdings nur ein Versuch, und ich muss sagen, es ist ein sehr schwacher Versuch, Familien zu erleichtern.
Denn diese Steuererleichterungen werden nur die gut Verdienenden und die besser Verdienenden wirklich treffen. Die anderen – die gering Verdienenden, allein erziehenden Mütter – werden davon so gut wie überhaupt nicht profi tieren können.
Es ist kennzeichnend für die Bundesfamilienministerin und ihr Weltbild, wenn sie und mit ihr offensichtlich CDU/ CSU und SPD der Meinung sind, dass es hiermit möglich ist, Arbeitsplätze im familiären Bereich zu schaffen. Wissen Sie, wie viele Familien sich eine Hausangestellte leisten können? Das sind gerade einmal knapp 6 % der Gesamtbevölkerung. Damit sollen Arbeitsplätze geschaffen werden. Ich will Ihnen einmal sagen, wie Arbeitsplätze zur Familienförderung geschaffen werden können: Wir müssen endlich die Krippen und die Horte ausbauen.
Wir haben in Bayern, was die Kinderkrippen angeht, einen Deckungsgrad von 2,8 %. Die beste steuerliche Entlastung nützt Ihnen überhaupt nichts, wenn es keine Krippen gibt, in die Sie die Kinder schicken können. Das Konzept, das vorgelegt wird, soll glauben machen, dass Familien entlastet werden, es erreicht die Familien aber nur in bestimmten gesellschaftlichen Bereichen. Das ist sehr bedauerlich, und deshalb können wir diesem Vorschlag auch nicht zustimmen.
Es ist auch bezeichnend für das Weltbild einer konservativen Familienministerin, dass sie glaubt, mit einer „Supernanny“ eine ausreichende frühkindliche Bildung erreichen zu können. Das wird nicht gelingen.
Es geht darum, dass wir uns um Bildung von Anfang an kümmern. Dazu brauchen wir gut qualifi zierte Erziehe
rinnen, dafür brauchen wir Einrichtungen, und diese Einrichtungen müssen allen Kindern zugute kommen. Die „Supernannies“ nützen hingegen nur den gut Verdienenden. Deshalb ist diese Steuererleichterung falsch.
Herr Unterländer, Sie haben es begrüßt, dass die Alleinverdiener jetzt auch in die Regelung aufgenommen werden. Ich halte das für falsch, weil die Familien, in denen nur einer verdient, bereits jetzt durch das Ehegattensplitting bevorzugt sind, sodass sie in Zukunft doppelt bevorzugt werden.
Ich weiß nicht, inwieweit das ein Schritt in die richtige Richtung ist. Sie haben vorhin gesagt, es solle kein Familienmodell bevorzugt werden. Damit wird eines bevorzugt. Das ist genau falsch, und das ist auch nicht gerecht.
Wenn wir schon steuerliche Erleichterungen einführen, dann wäre es vielleicht sinnvoll, wie es in England bereits geschieht und wie dies beispielsweise auch von der Kinderbetreuungsexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Katharina Spieß, gefordert wird, Gutscheine für Kinderbetreuungsplätze auszugeben, die die Eltern dann nutzen können. Das wäre auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung, und das würde auch den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen unterstützen. Mit den geplanten Steuererleichterungen geht der Schritt in die falsche Richtung.
Wir brauchen eine zukunftsgewandte, kindgerechte Förderung für alle Bevölkerungsschichten. Wir wollen Bildung von Anfang an. Dazu brauchen wir den Ausbau von Infrastruktur und von Qualität. Das erreichen wir nicht mit Steuererleichterungen für die Mittelschicht.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem ich vom Kollegen Wahnschaffe einiges Erstaunliche zu meinem Weltbild über Familien gehört habe, möchte ich dies doch etwas zurechtrücken.
Mein Leitbild ist die Wahlfreiheit. Familie ist überall da, wo Eltern für ihre Kinder Verantwortung tragen. Das kann die Alleinerziehende sein. Das ist überhaupt keine Frage. Das kann die Erwerbstätige und die nicht Erwerbstätige sein. Hierbei gibt es überhaupt keine Unterschiede. Wir sollten uns von dieser Diskussion endgültig verabschieden.
Ich führe keine Diskussion – auch wenn Sie es behaupten, auch nicht mit Ihnen – „Rabenmutter kontra Heimchen am Herd“.
Das ist nicht meine Welt. Ich weiß, wie Familie heutzutage gelebt wird, ich sehe die unterschiedlichen Lebensmodelle, und ich bin der festen Überzeugung: Wir müssen es in der Politik schaffen, den Familien Rahmenbedingungen zu geben, damit Familie auf die unterschiedlichste Art und Weise gelebt werden kann.
Wir dürfen nicht immer dirigistisch eingreifen und sagen: Alleine zu erziehen, sei das allein Seligmachende oder: nur das Einverdienermodell sei das allein Seligmachende.
Ich gebe durchaus zu, Herr Kollege Wahnschaffe, dass meine Partei viele Jahre gesagt hat, die Frauen sollten für mindestens drei Jahre zu Hause bleiben. Von mir werden Sie das zu keinem Zeitpunkt gehört haben. Auch das möchte ich Ihnen ganz klar sagen.
Wir haben inzwischen auch eine andere Sichtweise eingenommen. Da hat sich viel bewegt. Gerade das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz ist ein Zeichen dafür, dass wir fl exibilisieren und dass wir Kinderbetreuung ausbauen wollen. Wir geben alleine in zwei Jahren rund 60 Millionen Euro mehr dafür aus, um die Kinderbetreuung auszubauen und unseren Familien ganz fl exible Betreuungsmöglichkeiten anzubieten.
Frau Kollegin Ackermann, Sie sagen immer wieder, bei den Kinderkrippen betrage der Deckungsgrad in Bayern 2,8 %. Bei den unter Dreijährigen beträgt er 5,7 %, und darauf lege ich großen Wert.
Ja, mit der Tagespfl ege. Die Tagespfl ege ist eine hervorragende Betreuungsmöglichkeit gerade für die unter Dreijährigen. Lassen Sie sie doch bitte nicht einfach unter den Tisch fallen. Da steckt doch wieder ein Weltbild dahinter. Hören Sie doch einmal auf.
Ich halte die Tagespfl ege für ungeheuer notwendig und wichtig, und wir werden die Tagespfl ege in Bayern auch weiter, mit einem Förderprogramm und mit unterstützenden Strukturen ausbauen. Deswegen ist die Tagespfl ege auch in das Bayerische Kinderbildungs- und betreuungsgesetz mit aufgenommen worden. Das ist ein Markenzeichen bayerischer Familienpolitik.
Eines möchte ich noch sagen. Die Tagespfl ege wird durch die aktuelle Bundesinitiative auch gefördert werden. Ich glaube, dass viele das Modell gar nicht richtig verstanden
haben. Vom Grundsatz her ist es super. Es gibt bundesweit 460 Millionen Euro mehr für unsere Familien. Ich vermute, es werden etwas mehr werden. Das begrüße ich wirklich ohne Wenn und Aber.